Protocol of the Session on March 29, 2019

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Denn es ist eindeutig formuliert, dass das übergeordnete Ziel – und das heißt, übergeordnete Ziele haben viele, viele Jahre auch noch Zeit, bis diese umgesetzt werden können –, dass das übergeordnete Ziel, wo drinsteht, Platzkapazitäten in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen werden

abgebaut, durch Einzelmaßnahmen untersetzt wird. Diese Einzelmaßnahmen, Frau Meißner, heißen unter anderem auch, dass überlegt wird, wie der Übergang der Beschäftigten aus den Werkstätten zu erproben ist, wie man versucht, mit dem Budget für Arbeit gute Bedingungen für Menschen zu schaffen, die sich trauen, aus den Werkstätten herauszugehen auf einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz – da ist von einem Prozent die Rede –. Hier ist formuliert, dass man die fachliche Begleitung in den Werkstätten weiterhin braucht. Hier ist formuliert, dass wir uns auf den Weg machen, genau auch Mindestlohn in Werkstätten zu fordern, weil genau das die Menschen vor Ort benötigen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wir brauchen doch alle – und das ist auch noch einmal in den zurückliegenden Monaten immer wieder inhaltlich beredet worden – im Moment genau diese Werkstätten, weil Bedingungen auf dem ersten Arbeitsmarkt oder in Außenarbeitsplätzen oder in Integrationsfirmen noch nicht so gut aufgestellt sind für die Menschen, die für sich entscheiden, aus den WfB rauszugehen. Darum werden auch so lange Werkstätten vorhanden sein, wie sie benötigt werden. Ich war dabei, wie Ministerpräsident Ramelow vor gut 14 Tagen im Christophoruswerk hier in Erfurt war und sich eindeutig dafür ausgesprochen hat – und darum brauchen wir Ihren Antrag nicht, weil das Wort zählt –,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass Werkstätten sich umgestalten sollen, dass sie sich öffnen müssen, dass sie andere und bessere Bedingungen auch gemeinsam kreieren müssen, damit Menschen gute Bedingungen haben, auch gute Gelder zu verdienen. Er hat von Mindestlohn gesprochen und wir brauchen darum auch Ihren Antrag nicht, denn das ist alles gesagt, geschrieben und in diesem Maßnahmenplan artikuliert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus diesem Grund sage ich an der Stelle für die Koalitionsfraktionen, wir werden Ihren Antrag ablehnen. Denn der Punkt 3 im Antrag, ich will …

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Das ist ein Skandal!)

Skandal ist, dass Sie das Thema auf dem Rücken der Menschen mit Behinderungen immer wieder vorantreiben. Und das wenige

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wochen vor Landtagswahlen. Das ist der Skandal, Frau Meißner!

Frau Stange, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zippel?

(Unruhe CDU)

Frau Meißner, Sie haben sich in den zurückliegenden Monaten, außer immer wieder auf das Thema „Werkstätten“ zu fokussieren, überhaupt nicht dazu geäußert. Sie haben nichts anderes an dem Maßnahmenplan gefunden, was Sie kritisieren können. Darum suchen Sie so ein kleines Stückchen raus, um es einfach hier als …

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Waren Sie bei der Anhörung nicht dabei?)

Sie waren in der Auswertung im Ausschuss nicht dabei! Und darum suchen Sie so ein kleines Stück raus, um diesen Maßnahmenplan schlechtzureden. Darum werden wir das nicht zulassen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Lassen Sie mich noch auf Ihren Punkt 2 zurückkommen. Da steht: Die Landesregierung wird aufgefordert, bis spätestens August 2019 ein detailliertes Konzept vorzulegen. – Wissen Sie, ich glaube, das detaillierte Konzept, wie Werkstätten sich weiterentwickeln sollen, hat nicht die Landesregierung aufzulegen, sondern das haben die Werkstattträger in Thüringen zu machen. Das wäre der richtige und der bessere Weg, dass Werkstattträger sich zukünftig entscheiden, wo es langgeht.

Lassen Sie mich noch einen Satz zur LIGA Selbstvertretung sagen. Wissen Sie, wenn ich eine Anhörung mache – und das gilt für alle Ausschüsse –, dann habe ich vielleicht als Koalitionsfraktion oder als Oppositionsfraktion Anzuhörende eingeladen, da gefällt mir manche Stellungnahme oder es gefällt mir eine Stellungnahme nicht. Das habe ich zu akzeptieren und zu respektieren. Darum lade ich verschiedene Anzuhörende ein. Das haben wir doch gemeinsam so beschlossen. Und wenn eine LIGA Selbstvertretung davon ausgeht, dass man die UN-Behindertenrechtskonvention dafür nimmt, dass sofort und gleich Werkstätten abgeschafft werden, dann ist das die Auffassung der LIGA Selbstvertretung. Die habe ich zu hören und die habe ich gehört. Und dann höre ich aber noch ganz viele andere, die eine andere Auffassung haben.

(Beifall DIE LINKE)

Das steht in diesem Maßnahmenplan. Und wir haben jetzt nicht an der LIGA Selbstvertretung herumzukritisieren, sondern sie haben ihre Meinung gesagt. Wenn wir nicht wollen, dass auch kritische Meinungen geäußert werden, dann dürfen wir solche Vereine nicht einladen. Das ist aber nicht mein Politikansatz, Frau Meißner.

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Meiner doch auch nicht!)

Ich bitte nachher die Kolleginnen und Kollegen um Zustimmung zum Maßnahmenplan und um Zustimmung zum Entschließungsantrag der Fraktionen von Rot-Rot-Grün. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Ganz schwach, Frau Kollegin! Ganz schwach!)

Danke schön. Für die AfD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Herold das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete, liebe Besucher auf der Tribüne und Zuschauer im Netz! Der heute hier in zweiter Beratung stehende Thüringer Maßnahmenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist mit seinen über 100 Seiten ein umfangreiches und notwendiges Dokument, das teilweise der Logik der UN-Behindertenrechtskonvention folgt und deren Umsetzung für verschiedene Politikfelder landesrechtlich definiert. Das ist vom Grundsatz her gut, denn bezüglich der Umsetzung einer zeitgemäßen, an der Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderungen orientierten Inklusions- und Teilhabepolitik steht es auch zehn Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention nicht sonderlich gut im Land. In der Gesamtschau der Entwicklung und der Rezeption der Drucksache 6/6119 – Neufassung – wird ersichtlich, dass es bezüglich der Gleichstellung von Menschen eben nicht ausreicht, wohlfeile Maßnahmenpläne zu entwerfen, die als Schaufensterbeschlüsse den Landtag verlassen, den handelnden Akteuren und Kommunen und Landkreisen aber zugleich enorme Aufgaben und Lasten aufbürden. Grundsätzlich begrüßen wir es ausdrücklich, dass die Landesregierung der Behindertenpolitik einen großen Stellenwert einräumt und das Thema ernst nimmt. Das ist vernünftig, denn die Rechte dieser Menschen gehören auch zu den allgemeinen Menschenrechten.

Jeder von uns kann durch die Fairnisse des Lebens, wie Krankheiten oder Unfälle, in die Situation einer Behinderung geraten. Es ist also human, das gesellschaftliche Bewusstsein für die Anliegen von Menschen mit Behinderung zu stärken und ein gedeihliches Miteinander trotz mancher Unkenntnisse und Vorbehalte zur fördern. Ich sage es an dieser Stelle auch deutlich: Wir als AfD-Fraktion unterstützen alle politischen Bemühungen, die sich für die gesellschaftliche Teilhabe sowie ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen einsetzen. Auch wenn wir die grundsätzliche Zielsetzung dieser Drucksache unterstützen, so müssen wir in Verantwortung gegenüber allen Thüringer Bürgern auf Schwachstellen und Fehler hinweisen. Eine Reihe von Punkten ist zu kritisieren, jedoch wollen wir heute zwei Handlungsfelder exemplarisch hervorheben.

Wie ernst eine Gesellschaft Inklusion und Teilhabe von Behinderten nimmt, zeigt sich insbesondere auf dem Arbeitsmarkt. Arbeit und Beschäftigung sind und bleiben wesentliche Säulen der sozialen Integration. Hier sollte der Freistaat in Zeiten akuten Fachkräftemangels und trotz einer insgesamt positiven und behindertensensiblen Bewusstseinsbildung die Rahmensetzung deutlich verbessern. So müssen die Instrumente, wie das Budget für Arbeit, deutlich stärker beworben werden, die Übergänge von Menschen aus den Behindertenwerkstätten in den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen erleichtert werden, Verfahren und die Gewährung von Arbeitsassistenzen entbürokratisiert sowie die Gesundheitsvorsorge älterer Arbeitnehmer mit besonderen Bedarfen deutlich verbessert werden. Für uns als AfD ist klar: Thüringen sollte angesichts der demografischen Herausforderungen jedes Erwerbspotenzial, insbesondere das Potenzial behinderter Menschen, für die Gesellschaft erschließen und nutzbar machen.

(Beifall AfD)

Das schließt aus unserer Sicht allerdings auch eine angemessene und unbürokratische Förderung der Arbeitgeber mit ein, die bereit und in der Lage sind, Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt berufliche Chancen zu geben. Nicht minder bedeutsam und in seiner Tragweite bestimmend ist die Passage des Maßnahmenplans, die die Schwerpunktsetzung des gemeinsamen Unterrichts fokussiert – nachzulesen ab Seite 27 folgende. Was genau unter der Maßgabe „inklusive Schule“ zu verstehen ist, welche Interessenkonflikte und Rechtsfolgen sich hieraus ergeben, findet in dem besagten Abschnitt leider kaum Erörterung und es bleibt unklar, wer letzten Endes darüber entscheidet, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf vor

(Abg. Stange)

liegt und welches Kind Zugang zur Förderschule erhält oder nicht. Zwar wird das Kindeswohl als Entscheidungskriterium angeführt, allerdings bleibt es im Vagen, wer das Letztentscheidungsrecht hat. Wir setzen uns hier entschieden dafür ein, dass dieses Letztentscheidungsrecht über den Bildungsweg des Kindes und die Wahl der Schulart bei den Eltern der jeweils betroffenen Kinder liegen muss.

(Beifall AfD)

Fakt ist: Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen stellt unsere bewährten Förderund Sonderschulen keineswegs infrage. Die Forderung, behinderten Kindern Teilhabe am Bildungssystem zu garantieren, ist bereits in Deutschland umfassend und erfolgreich erfüllt. Wir haben eines der besten und gut ausgestatteten Systeme an Förderschulen für so gut wie jede Art von besonderem Bedarf, was den Kindern in ganz hohem Maße personell und in der sächlichen Ausstattung zugutekommt. Damit ist die Forderung für die Teilhabe am Bildungssystem erfolgreich erfüllt. Die ideologisch motivierte Inklusion um jeden Preis verursacht erhebliche Kosten und hemmt Behinderte und auch weniger oder gar nicht behinderte Kinder in ihrem Lernerfolg.

Wir in der AfD Thüringen setzen uns deshalb mit Nachdruck für den Erhalt der Förder- und Sonderschulen sowie das Prinzip der Elternkompetenz ein. Das heißt, die Eltern sollen auch weiterhin das erste Recht haben, ihre Kinder in diese Einrichtungen zu schicken.

(Beifall AfD)

Inklusion mit Augenmaß war in dieser Frage stets der Ansatz der AfD und dieser Leitgedanke entspricht auch den Erfahrungen von Lehrern, die den inklusiven Schulalltag vor Ort managen müssen. Gerade in der Praxis fehlt es an den personellen und räumlichen Voraussetzungen, sodass individuelle Förderung wirklich gelingen könnte. Besonders wichtig ist uns, daran zu erinnern, dass hauptsächlich die Kommunen und Landkreise die Hauptlast von Inklusion und Gleichstellung zu tragen haben. Hier darf es sich die Landespolitik nicht so einfach machen. Eine valide Kostenprognose fehlt bis heute. Wir fordern die Landesregierung daher auf, die Umsetzungsebene mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten – schade, dass die Finanzministerin das gerade nicht hört –, sodass die Kommunen ertüchtigt werden könnten, die Einzelmaßnahmen umzusetzen. Es darf hier nicht nur bei der bloßen Formulierung sachlich gerechtfertigter oder auch etwas überzogener Forderungen bleiben. Es müsste auch immer an die ausführende Ebene gedacht werden. Wir werden daher die Umsetzung dieses in

Rede stehenden Maßnahmenplans sehr kritisch beobachten und begleiten.

Gestatten Sie mir zum Schluss ein abschließendes Fazit: Der Thüringer Maßnahmenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geht zwar in die richtige Richtung, bleibt aber teilweise hinter den Möglichkeiten zurück bzw. setzt an anderen Stellen die falschen Schwerpunkte. So richtig und unterstützenswert das Anliegen einer Gleichstellung von Menschen mit Behinderung auch ist, so unausgegoren sind indes einzelne Zielsetzungen des Maßnahmenplans. Wir können uns bei der Abstimmung zu diesem Maßnahmenplan der Landesregierung in seiner heute vorliegenden Form leider nur enthalten.

Dem Antrag der CDU werden wir zustimmen, weil wir finden, dass an dieser Stelle das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, wenn die Landesregierung darangehen möchte, Behindertenwerkstätten schrittweise zurückzufahren.

(Zwischenruf Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Eine Frage der Kapazitäten!)

Diese Behindertenwerkstätten bilden für viele Menschen trotz aller organisatorischer Mängel, trotz der teilweise bestehenden Ungerechtigkeiten bei der Entlohnung der Menschen, die dort Arbeit finden und arbeiten möchten, trotz aller dieser zu behebenden Mängel diese Behindertenwerkstätten einen sinnstiftenden Lebensinhalt, bieten Sicherheit und einen geschützten Raum. Sie müssen unbedingt erhalten werden. Aus diesem Grund werden wir dem Antrag der CDU zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. Für die Fraktion der SPD spricht jetzt Abgeordnete Pelke.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Gäste, ich schließe mich, was die Begrüßung der Gäste angeht, der Begrüßung von Kollegin Stange an. Damit habe ich alle herzlich begrüßt, die heute der Diskussion folgen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich sehr, dass wir heute abschließend über den Thüringer Maßnahmenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Version 2.0 reden. Ich möchte mich an dieser Stelle bei