Protocol of the Session on February 1, 2019

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht und zu Nummer II.1 des Antrags? Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion und die Fraktion der CDU und die Fraktion der Linken auch. Auf Verlangen dieser Fraktionen treten wir in die Beratung zum Sofortbericht und zu II.1 des Antrags ein. Gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu Nummer I und Nummern II.2 bis 4 des Antrags. Als Erstes hat sich Abgeordneter Emde von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, mal schauen, ob uns zu später Stunde die Entwicklungspolitik, das global nachhaltige Entwickeln noch etwas interessiert.

(Beifall DIE LINKE)

Bei Herrn Krückels hatte ich ein bisschen den Eindruck, dass man in Thüringen nur lange und gut reden muss, aber draußen in der Dritten Welt helfen muss man nicht, aber wir reden hier intensiver und dann wird schon alles gut werden. Am Ende hatte ich fast den Eindruck, Sie reden ein bisschen gequält, was Ihnen da so aufgezwungen wurde von den Koalitionsfraktionen. Genau das möchte ich jetzt mal ein wenig auseinandernehmen und Bezug nehmen auf den Punkt I, da heißt es ja: „Der Landtag unterstützt [...] die Entwicklungspolitischen Leitlinien des Freistaats“. Ich sage ausdrücklich für unsere Fraktion: Wir tun dies nicht.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Was?)

Ja, wir tun dies nicht. Wir unterstützen diese Entwicklungspolitischen Leitlinien nicht. Nun ist es sicherlich so, wer sich mit der Materie vertraut gemacht hat, da es diese Entwicklungspolitischen Leitlinien der Regierung schon gibt, seit die CDU Regierungsverantwortung getragen hat, aber jetzt sind sie weiterentwickelt worden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Eben! Das war auch dringend notwendig!)

Genau, Frau Kollegin. Ich will Ihnen mal zwei Beispiele nennen, warum wir diese Linie nicht unterstützen. Da ist zum Beispiel die Rede von einem Forschungsverbot für Hochschulen im militärischen Bereich

(Staatssekretär Krückels)

(Beifall DIE LINKE)

oder es ist auch die Rede vom Ausschluss der Bundeswehr von schulischen Veranstaltungen. Das sind zum Beispiel zwei Punkte, die sind für uns völlig indiskutabel und auch nicht akzeptabel.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Ja, weil Sie alles mit der Bundes- wehr abwickeln!)

Zu Punkt II Ihres Antrags: Hier gibt es ein Berichtsersuchen, zum Beispiel zur derzeitigen in der Fortschreibung befindlichen Nachhaltigkeitsstrategie. Der Antrag datiert vom Dezember 2018. Da war wohl von den Koalitionsfraktionen in ihrem Eifer über die hehren Weltverbesserungsaktionen und die Schaffung von ABM für grüne und links-intellektuelle Klientelpolitiker glatt übersehen worden, dass die Regierung bereits lange ihre Nachhaltigkeitsstrategie, nämlich im August, beschlossen hatte. Also so viel vielleicht auch zum Thema, wie intensiv, genau und konkret man sich beim Schreiben eines Antrags mit den Dingen auseinandersetzt.

Nun, zu den Forderungen unter 2, 3 und 4 möchte ich zunächst einmal aus einem Satirebeitrag von Dirk Maxeiner zitieren, Dirk Maxeiner und Michael Miersch, „Nicht heimlich denken“: „Wenn es in Deutschland eine krisensichere Industrie gibt, dann ist es die Bewusstseinsbildungsindustrie. Das liegt ganz einfach daran, dass die Deutschen praktisch auf allen Gebieten das falsche Bewusstsein haben. Sie essen Schokolade statt Bio-Karotten, sie engagieren sich nicht genug gegen rechts,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir essen sogar Bio-Scho- kolade!)

sie finden die globale Erwärmung ganz angenehm, sie sehen gern Löwen und Elefanten in der Zirkusmanege und sie fahren Auto statt Fahrrad. […]

(Beifall AfD)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Zug!)

Deshalb muss dringend ein neues Bewusstsein produziert werden. Konsumbewusstsein, Klimabewusstsein […]“ – mit diesem Antrag globales Nachhaltigkeitsbewusstsein. „Bewusstseinsbildung lässt sich von Bildung relativ einfach unterscheiden, weil man dabei in der Regel geduzt wird. Und zwar von geschlechtsneutralen ‚Leuten‘. […] Noch ein Unterschied zur Bildung: Bei der Bewusstseinsbildung muss man nix lernen.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist richtig unterir- disch!)

Man muss nur verinnerlichen. Oder glauben. Oder sich Angst machen lassen. […] [Der Deutsche] sollte begreifen, dass der Mensch nicht einfach Mensch ist. In der Bewusstseinsförderungsprosa tritt der ‚Akteur‘ [...] an seine Stelle“, wie wir ja mehrfach in diesem Antrag auch nachlesen können.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicher, dass Sie nicht das Skript von Herrn Höcke vor sich liegen ha- ben?)

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Na, na, na!)

Die Regierung soll also das gesellschaftliche Bewusstsein fördern, wie wir in diesem Antrag lesen. Dazu – so lese ich das – sollen nun neue Orden, Auszeichnungen, Preisverleihungen entwickelt werden, es sollen Finanzen bereitgestellt und Förderprogramme für neue Strukturen und Projekte erstellt werden, also mehr Geld, mehr Personal für die große, hehre Idee. Das klingt für mich weniger global, eher egoistisch und wenig nachhaltig.

(Beifall AfD)

So soll die Landesregierung zum Beispiel auch die Kommunen bei deren entwicklungspolitischem Engagement unterstützen. Herr Krückels, ich kann nur sagen, passen Sie auf, dass nicht bald einige Kommunen von Ihnen entwicklungspolitische Hilfen brauchen, wenn ich diesen kommunalen Finanzausgleich sehe und wie eng die Finanzausstattung der Kommunen mittlerweile ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht ist es nicht Aufgabe einer Landesregierung, einen Beteiligungsprozess mit zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren durchzuführen, so wie im Antrag gefordert. Es ist auch nicht Aufgabe einer Landesregierung, Veranstaltungen durchzuführen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Dafür gibt es in unserem Land eine plurale Landschaft von Bildungsträgern und eine sich selbst organisierende Zivilgesellschaft. Reichlich gefördert wird zum Beispiel das Eine Welt Netzwerk Thüringen, welches über eine große Geschäftsstelle mit neun Mitarbeitern verfügt oder, wie wir eben gehört haben, dass auch noch 3,8 Promotoren vom Land oder insgesamt bezahlt werden, und ein Aufwuchs, das haben wir ja vom Staatssekretär gehört, ist geplant.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Thüringen kofinanziert die Bundesmittel!)

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, da wird so mancher Jugendverband oder Sportverband blass vor Neid, wenn er dies hört. Zum Schluss, nicht ganz so ernst gemeint: Wir fordern ein Transparenzregister für personellen und finanziellen Öko-Lobbyismus. Diesen Antrag jedoch lehnen wir ab.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Thüringen hatte bisher die schlechteste Kofi- nanzierung! Also das war jetzt ein bisschen komisch gewesen!)

Danke schön, Herr Abgeordneter. Als Nächstes spricht Frau Abgeordnete Marx von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Emde, ich weiß nicht so richtig, was das war. Natürlich ist die Verlockung groß, jetzt das eine oder andere dazu zu sagen, aber Sie sind ja Angehöriger einer christlichen Partei und ich würde einfach jetzt mal sagen, lesen Sie doch mal die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus und dann treffen wir uns noch mal wieder, zwischendrin können Sie dann auch beichten gehen.

Was machen wir denn hier? Wir schließen uns als kleines Land an ein weltweites Projekt an und tun das aus gutem Grund, weil wir nicht nur für uns selber hier Bioobst anbauen wollen und Direktvermarkter fördern, sondern weil wir eine Verantwortung haben für die globale Entwicklung – jeder von uns und jede von uns.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen stehe auch ich jetzt mal hier beispielhaft für eine Bürgerin aus Thüringen und eben nicht nur irgendwelche Fachpolitiker für Entwicklungspolitik oder gesunde Ernährung oder umweltnachhaltige Produkte, denn wir müssen doch einfach mal sehen, dass unser Planet in Gefahr ist. Wir haben seit einiger Zeit Schüler, die sich in einer Freitagsdemonstration versammeln und Transparente tragen, auf denen steht: „Es gibt keinen Planet B“. Sie kennen ja den Plan B, aber den Planeten B gibt es nicht. Es gibt zwar Exoplanetenforscher, die immer danach suchen, ob wir irgendwo noch eine Reservewelt finden, aber bisher ist keine so richtig aufgetaucht und ist, wenn, dann auch ziemlich weit weg.

Deswegen haben wir auch als Thüringer eine Verantwortung für diese nachhaltige Entwicklung, und zwar eine global nachhaltige Entwicklung. Können Sie sich vielleicht noch daran erinnern, wir alle hier oder Sie alle hier, dass in der Zeit, als wir mit sehr viel Flüchtenden konfrontiert waren, man immer gesagt hat, wir müssen die Voraussetzungen und die Lebenssituation in den Herkunftsländern verbessern? Es kann nicht sein, dass alle hierherkommen. Wir machen das in den Herkunftsländern besser, dann erledigt sich das schon. Diese Diskussion ist sehr schnell verschwunden, nachdem es nicht mehr so viele Flüchtende gab. Da waren die Herkunftsländer wieder egal. Das kann es dann eigentlich nicht ernsthaft gewesen sein. Aber es sind nicht nur die Herkunftsländer, die sich ändern müssen oder die Hilfe brauchen, es sind auch wir, die wir uns ändern müssen, denn wir sind auch Herkunftsländer, nämlich Herkunftsländer von Problemen, die bei anderen in der Welt Armut und Umweltzerstörung verursachen. Deswegen haben wir eine gemeinsame Verantwortung und müssen uns alle gemeinsam hier überlegen, wenn wir diesen Planeten noch als lebenswert erhalten wollen – unseren Planeten A, von dem wir keinen Planeten B haben –, wie wir in einer solidarischen Aktion weltweit – und da überheben wir uns nicht, sondern da muss jeder seinen Anteil leisten – eben dazu beitragen,

(Beifall DIE LINKE)

dass Ressourcen gerechter verteilt werden, dass Arbeit gerechter entlohnt wird. Wissen Sie, da treten immer mal ein paar Leute auf, zum Beispiel aus afrikanischen Ländern, und sagen: „Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde, was Umwelt angeht, was Rohstoffe angeht, und trotzdem gehören wir zu den Ärmsten.“ Da ist so viel zu tun und ich appelliere jetzt noch mal – hoffentlich nicht vergeblich – an Ihre Christlichkeit. Ich bin in der Kirche groß geworden und das Engagement für – damals noch – die Dritte Welt, das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Dass wir da so wenig erreicht haben in den ganzen vielen Jahrzehnten, die ich nun mittlerweile auch schon auf dem Planeten A hier verbringe, das tut mir wirklich weh. Deswegen freue ich mich, dass sich Thüringen – obwohl wir ein kleines Land sind – diesen ganzen Strategien selbst verpflichtet fühlt und dass wir da mitmachen wollen.

Die Lage in den Herkunftsländern verbessern, nicht nur dort, wo Flüchtende dann zu uns kommen, das ist lange nicht mehr nur noch ein Problem der politischen Instabilität oder der Armut in solchen Ländern. Das wird auch, wenn wir unser Verhalten hier nicht ändern, ein Problem von Klimaveränderungen sein. Wir werden, wenn es Regionen auf dieser Er

(Abg. Emde)

de gibt, bei denen sozusagen alles verdorrt – und darüber machen wir uns keine richtige Vorstellung, über das bisschen heißen Sommer, was wir hier hatten, das war schon schlimm genug –, aber wenn die Lebensgrundlagen, wenn Anbauflächen, wenn Landwirtschaft unmöglich gemacht wird in zahllosen Regionen dieser Erde, dann werden wir es noch sehr viel mehr mit Armut, Flüchtenden und Flüchtlingen zu tun bekommen.

Deswegen ist es sinnvoll, erforderlich und eigentlich eine selbstverständliche Aktion – und ich verstehe dann gar nicht, wie Sie überhaupt auf die Idee kommen können, so etwas abzulehnen –, dass wir diese globale Verantwortung hier in Thüringen leben, jede und jeder von uns, und dass wir uns gemeinsam mit dieser Landesregierung überlegen, die sich das auch auf die Fahnen geschrieben hat, was wir hier zur Bewusstseinsbildung und zur Verhaltensänderung beitragen können. Dass Sie das hier irgendwie als Bevormundung und überflüssigen Schnickschnack ansehen, also ehrlich gesagt, das erschüttert mich schon stark.

Ich hoffe und wünsche mir, dass die nächsten Beiträge, die hier vom Pult kommen, da etwas gehaltvoller und etwas humanistischer sind – im besten Sinne der Tradition von Geist und Bildung in diesem Land.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Möller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, da will ich mir mal Mühe geben, die Erwartungen von Frau Marx nicht zu enttäuschen, mehr Geist und Bildung in die Debatte einzubringen.