Protocol of the Session on December 14, 2018

Gut. Wer möchte einbringen? Herr Abgeordneter Schaft, bitte.

Sehr geehrte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte gerade eintreffende Zuschauerinnen und Zuschauer und Zuschauerinnen und Zuschauer auch am Livestream! Der Herr Minister hat es gerade schon sehr ausführlich dargelegt, aber ich will trotzdem auch noch mal den Antrag, den die rot-rot-grünen Fraktionen vorgelegt haben und der ja heute zusammen mit dem Gesetzentwurf beraten werden soll, durchaus noch mal einbringen und begründen. Der Minister hat schon gesagt, Rot-RotGrün macht es sich zum Prinzip oder unsere Maxime ist es, dass wir jedes Kind, jeden Schüler, jede Schülerin in Thüringen nach seinen und ihren Fähigkeiten bestmöglich fördern wollen. Deswegen legen wir heute auch hier den Antrag „Gute Schule für Alle“ von den rot-rot-grünen Fraktionen vor.

Wir wissen, dass Inklusion nicht von heute auf morgen zu machen ist, dass es ein langer Prozess ist. Seit dem 26. März 2009 ist nun auch die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen für Deutschland verbindlich, die in verschiedenen Lebensbereichen, beispielsweise im Bereich Bildung, im Bereich Arbeit, Gesundheit, Wohnen, aber auch Kultur, Freizeit oder auch der politischen Teilhabe, Aussagen trifft, wie Inklusion erreicht, gelebt und Realität werden soll. Für all diese Bereiche geht es also darum, diese Konvention nun verbindlich umzusetzen, denn Ziel dieser Konvention ist am Ende nicht weniger, als die volle und wirksame gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und ihr Recht auf Selbstbestimmung in der Gesellschaft zu erreichen.

(Beifall DIE LINKE)

Diesem Ziel hat sich auch Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag verschrieben und damit auch der Umsetzung, Fortschreibung und Weiterentwicklung des Maßnahmenplans zur Umsetzung der Konvention. Damit verbunden ist auch der „Entwicklungsplan Inklusion“, um den Weg hin zu einem inklusiven Bildungssystem in Thüringen zu gestalten und dies zu realisieren. Bereits in der letzten Legislaturperiode hat sich der Landtag im Jahr 2012 einstimmig zur Umsetzung der Konvention bekannt und erklärt, dass bei der Realisierung eines inklusiven Bildungssystems das Land, die Kommunen und die einzelnen Schulen mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen und Profilen in besonderer Weise gefordert sind.

Die Landesregierung wurde mit diesem Antrag in der Drucksache 5/4768 dazu aufgefordert, dem Landtag unter der Berücksichtigung der dort genannten und gestellten Grundsätze einen Entwicklungsplan zur Realisierung eines inklusiven Bildungssystems vorzulegen. Die Landesregierung ist der damaligen Aufforderung des Landtags gefolgt und hat einen umfangreichen Dialogprozess mit allen Beteiligten zur Entwicklung des Thüringer Ent

(Minister für Bildung, Jugend und Sport Holter)

wicklungsplans zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen erstellt, um eben schrittweise diesen Weg zu realisieren. Der „Entwicklungsplan Inklusion“ umfasst neben den regionalen Entwicklungsstrategien eine Vielzahl von Maßnahmen und Grundsatzaufgaben, die es konkret durch die Landesregierung zu regeln bzw. umzusetzen gilt. Mit dem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 bedarf der „Entwicklungsplan Inklusion“ nun aber einer Aktualisierung und insbesondere in den Regionalteilen der Fortschreibung, damit er eben auch in Zukunft dem Anspruch gerecht wird, die nächsten Entwicklungsschritte hin bis zum Jahr 2025 transparent und verlässlich darzustellen. Deswegen legen wir diesen Antrag heute begleitend zu dem Schulgesetz vor, um mit dieser Fortschreibung zu den vielen schon gemeinten gesetzlichen Maßnahmen noch mit weiteren Maßnahmen zu begleiten.

In dem vorliegenden Antrag bitten wir die Landesregierung erstens, die genannte Fortschreibung des Entwicklungsplans dem Landtag bis zum Juli 2019 vorzulegen, zweitens im Rahmen der Fortschreibung eine Evaluation zur bisherigen Umsetzung vorzunehmen und drittens auf Grundlage des Beirats Inklusive Bildung und des dort erarbeiteten Kompetenzprofils für eine inklusive Lehrer- und Lehrerinnenbildung Maßnahmen zu beschreiben, wie das pädagogische Personal bei der Umsetzung unterstützt werden kann.

All dies sind wichtige und lohnende Maßnahmen und Anstrengungen, damit wir zusammen mit dem Gesetz dem Ziel näher kommen, eine gute Schule für alle und für jedes Kind nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten realisieren zu können. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schaft, für die Einbringung des Antrags. Ich eröffne nun die Debatte zu Tagesordnungspunkt 9, dem Gesetz, und dem Tagesordnungspunkt 15, dem Antrag. Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Tischner von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne, liebe Zuschauer am Livestream, die sicher heute auch sehr zahlreich sind! Die Rede, die wir eben von Herrn Minister Holter zur Einbringung des Schulgesetzes gehört haben, ist eine Rede, die hätte gut und gern der Ministerpräsident halten können: allgemein, große Visionen. Aber leider war es nicht die Rede, die man in so einer Si

tuation bei der Einbringung des Schulgesetzes von einem Schulminister erwarten kann.

Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich hatte eher den Eindruck, Sie haben die Pressemitteilungen Ihres Hauses im Vorfeld gelesen und heute hier vorgetragen, als sich sehr intensiv mit dem Gesetz zu beschäftigen.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, scheinbar bin ich heute hier der einzige Thüringer Lehrer, der in der Debatte redet. Es ist sicherlich – ja, das ist wirklich traurig für Sie, dass Sie keine Lehrer in Ihren Reihen haben, denn wenn Sie mehr in Ihren Reihen hätten, die Praxiserfahrung hätten, hätten Sie so ein Gesetz nicht vorgelegt.

(Unruhe DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, bitte Aufmerksamkeit für den Redner!

Ja, Sie haben wohl scheinbar doch keine Fachleute in der Koalition, deswegen sind Sie so aufgeregt.

Es ist deshalb kein Geheimnis, dass ich als Lehrer und als Bildungspolitiker meiner Fraktion das Gesetz ablehne. Ich bin öfters in der Schule als Sie, das ist Ihr Problem.

(Beifall CDU)

(Unruhe im Hause)

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Hören Sie ihm mal zu, er hat Ahnung!)

Ich möchte beginnen – Sie sind ganz schön nervös bei diesem Gesetz. Mein Gott, sind die aufgeregt. Ich habe nur die eine Bitte, Frau Präsidentin, dass man ab und zu dann mal die Uhr anhält.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte doch um Aufmerksamkeit!

Ja, dann möchte ich beginnen und feststellen, dass trotzdem jedes Gesetz, was den Landtag

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Ganz gute Selbsteinschätzung war das gerade!)

erreicht, es auch verdient, sich intensiv damit zu befassen. Und jedes Gesetz muss sich in diesem parlamentarischen Verfahren an Grundsätzen und Maßstäben messen lassen. Was sind die Maßstäbe, an denen sich die Ramelow-Regierung bei diesem Gesetz messen lassen muss? Es sind zualler

(Abg. Schaft)

erst ihre eigenen Maßstäbe, an denen Sie sich messen lassen müssen. Das ist zum einen der Satz, der ursprünglich von Gerhard Schröder stammt und von Herrn Ramelow und seiner Regierung übernommen wurde, nämlich: Wir werden nicht alles anders, aber vieles besser machen. Und es ist zweitens der Satz in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag zum Thema „Schulgesetz“, wo steht: „Das Thüringer Schulgesetz und das Förderschulgesetz sollen zu einem inklusiven Schulgesetz zusammengeführt werden“

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das machen wir doch!)

und jetzt, hören Sie zu –, „um die personellen, sächlichen und räumlichen Rahmenbedingungen für inklusive Schulen weiter zu verbessern

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau das machen wir auch!)

und Entwicklungsperspektiven für Förderschulen zu beschreiben.“

(Unruhe DIE LINKE)

Drittens muss sich Ihr Gesetz an den verschiedenen Schulvergleichsuntersuchungen messen lassen, landläufig als PISA-Studien bezeichnet.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit dem dritten Maßstab beginnen und im Folgenden vier Fragen nachgehen, dabei komme ich immer wieder auf diese drei eben genannten Maßstäbe zurück – zwei von Ihnen und eines, das uns, glaube ich, alle bewegt. Wo kommen wir her? Wo steht Thüringen? Was muss unser Bildungssystem in Zukunft leisten? Wie soll und muss sich Thüringen diesbezüglich in den kommenden Jahren entwickeln?

Erstens: Wo kommen wir her? Wir alle haben uns seit den ersten PISA-Studien in den 2000er-Jahren und den folgenden Ländervergleichsstudien über folgende Schlagzeichen gefreut – Herr Blechschmidt, in der Tat, da kommen wir her –: Bundesweite Bildungsstudie, Thüringen landet auf zweitem Platz. Sachsen und Thüringen haben das beste Schulsystem. Studie – Thüringer Bildungssystem mit guten Noten. Sachsen und Thüringen liegen in Bildungsstudien vorn. Thüringen auf Platz 2 im Bildungsvergleich.

Blicken wir auf aktuelle Umfragen, gerät dieser Spitzenplatz zunehmend in Gefahr. Nach vier Jahren rot-rot-grüner Bildungspolitik

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Welche Umfragen sind das denn? Bringen Sie Bei- spiele!)

und neun Jahren linkem Bildungsministerium lauten die Schlagzeilen – Sie kennen scheinbar schon die Schlagzeilen, deswegen schreien Sie so rein, aber

ich sage Ihnen trotzdem, wie sie aktuell lauten: Bildungsniveau …

(Zwischenruf Abg.Wolf, DIE LINKE)

Herr Abgeordneter Wolf! Sie haben sich nicht zu Wort gemeldet.

… gesunken; Thüringen noch gut, aber mit Abstrichen. Die Schlagzeilen lauten: Thüringen hat nachgelassen. Der Bildungsmonitor zeigt einen deutlichen Negativtrend.

(Beifall CDU)

Und sie heißen: Mittelmäßige Noten für Thüringer Schulen.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Bringen Sie Beispiele!)

Das ist Ihre Bilanz nach vier Jahren Rot-Rot-Grün, nach neun Jahren linkem Bildungsministerium. Es bleibt also festzustellen: Den Maßstab der Bildungsvergleiche hat die Regierung Ramelow bereits nicht erfüllt.

Wo steht Thüringen aktuell? Die Bewältigung des Generationswechsels an den Schulen im Freistaat ist aktuell definitiv das bestimmende Thema der Bildungspolitik in Thüringen, denn in den nächsten Jahren geht eine ganze Lehrergeneration in Rente.