Protocol of the Session on December 14, 2018

Wo steht Thüringen aktuell? Die Bewältigung des Generationswechsels an den Schulen im Freistaat ist aktuell definitiv das bestimmende Thema der Bildungspolitik in Thüringen, denn in den nächsten Jahren geht eine ganze Lehrergeneration in Rente.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Wer hat es gemacht? Die CDU!)

„Wer hat das gemacht? Die CDU.“ – Frau HennigWellsow, jetzt überlegen Sie doch mal ein bisschen. Ihre Kommunisten haben damals, 1950, die Lehrer zu 80 Prozent rausgeschmissen und dann musste man die

(Unruhe DIE LINKE)

in den 70er-Jahren ersetzen und die zweite Generation geht jetzt

(Beifall CDU)

in den Ruhestand. Mein Gott, überlegen Sie sich doch mal, was Sie fragen!

Also: Wir haben ein Problem, meine Damen und Herren. Da sind wir uns ja wahrscheinlich sogar einig, Herr Minister Holter und ich.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das haben wir übernommen von euch. Das ver- gesst ihr immer!)

In den nächsten fünf Jahren gehen jedes Jahr 1.000 Kollegen in Rente. Und was machen Sie? Sie bilden 500, vielleicht 600 Leute aus, obwohl wir je

den ersetzen müssen und die Schülerzahlen steigen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Harzer!

Aus diesem Grund leiden viele Schulen aktuell bereits unter einem erheblichen Lehrermangel, unter massivem Unterrichtsmangel und unter fehlenden Zeugnisnoten. Das führt sogar dazu, dass viele Schüler keine Prüfungen machen können in den Fächern, wo sie es wollen.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Wer hat es denn zu verantworten? Die CDU!)

(Unruhe im Hause)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, gestatten Sie mir folgende Worte: Diese Debatte ist für viele, für Tausende von Schülern und Lehrern hochinteressant. Das bewegt die Menschen in diesem Land und die wollen dieser Debatte auch folgen. Darum bitte ich um Aufmerksamkeit für die Redner.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

(Unruhe im Hause)

Die Linken haben es immer noch nicht verstanden.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Er verbreitet Lügen!)

Herr Abgeordneter Harzer, ich rüge Sie für diesen Zwischenruf.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Dann darf er nicht lügen!)

Meine Damen und Herren, die genannten Beispiele zeigen: Von der Umsetzung der versprochenen Unterrichtsgarantie ist die Thüringer Landesregierung entfernter denn je, denn der ersatzlose Unterrichtsausfall nimmt seit der Regierungsübernahme der Koalitionsfraktionen im Jahr 2014 stetig zu. Fielen zum Schuljahresbeginn 2014/2015 noch 2,6 Prozent des Unterrichts an allgemeinbildenden Schulen ersatzlos aus, sind es inzwischen im Jahr 2018/2019 5,2 Prozent. Es hat sich also in vier Jahren Rot-Rot-Grün verdoppelt. Wer ein wenig Kon

takt in die Thüringer Schulen hat und dort regelmäßig ist, der weiß, dass auch diese 5,2 Prozent nicht realistisch sind. In Wahrheit sind es bis zu 20 Prozent des Unterrichts, die nicht nach geltender Stundentafel unterrichtet werden.

Was muss Schule trotz all dieser Herausforderungen aus unserer Sicht dennoch leisten? Meine sehr geehrten Damen und Herren, um die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte, insbesondere den Fachkräftebedarf in Thüringen zu bewältigen, braucht es ein durchlässiges, braucht es ein anschlussfähiges und ein leistungsfähiges Bildungssystem, das jedem Schüler den für ihn optimalen Schulabschluss ermöglicht. Nach jedem Abschluss muss der Weg zu weiteren Qualifikationen möglich sein. Die unterschiedlichen Schularten müssen in ihrem Profil klar unterscheidbar sein und sich auf ihre Stärken konzentrieren können. Die wohnortnahe Grundschule vermittelt die grundlegenden Kulturtechniken unserer Gesellschaft. Die Regelschule bildet unter einem starken Lebensweltbezug und in enger Kooperation mit der regionalen Wirtschaft mündige Bürger und die Fachkräfte von morgen aus. Das Thüringer Gymnasium hat das Ziel, die Schüler in acht Jahren optimal auf ein Studium vorzubereiten und intellektuelle Begabungen zu fördern und abzufordern. Die Thüringer Förderschule ist die Schulart, die mit größtmöglicher Expertise Kinder und Jugendliche fördert und auf verschiedenste Schulabschlüsse vorbereitet, sie organisiert Lernerfolge und schafft Bildungsbiografien, die trotz Handicap auf ein gleichwertiges Leben vorbereiten sollen.

In allen Schularten muss das Hauptaugenmerk wieder auf Schul- und Unterrichtsqualität gelegt werden. Aus diesem Grund hat meine Fraktion auch in dieser Woche eine Große Anfrage mit über 250 Fragen beschlossen, die wir nächste Woche einreichen werden, um dem Thema „Schul- und Unterrichtsqualität“ in dieser Wahlperiode nachzugehen. Diese Erhöhung der Schul- und Unterrichtsqualität gelingt nur, wenn wir tatsächlich den Lehrer in den Mittelpunkt stellen, wenn wir uns darum kümmern, dass bei den Kolleginnen und Kollegen das Engagement gewürdigt wird und die Kolleginnen und Kollegen gut qualifiziert und ausgebildet sind.

Damit bin ich bei der dritten Frage meiner Rede: Wie soll und muss sich Thüringer Schule in den kommenden Jahren entwickeln? Da erleben wir heute hier zwei grundlegend auseinandergehende Richtungen. Linke, SPD und Grüne wollen ein Schulgesetz, das auf Zentralisierung, auf mehr Inklusion und auf Einheitsschule setzt. Thüringen braucht aber kein Schulgesetz, das das gesamte Bildungssystem in den kommenden Jahren massiv in Unruhe bringt. Wir brauchen – und davon sind wir als CDU fest überzeugt – Verlässlichkeit und Ruhe im Bildungssystem. Wir stehen für ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das die Attraktivität

des Lehrerberufs erhöht, auf mehr Ausbildung und Einstellungen setzt und die Einstellungsverfahren deutlich beschleunigt.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, auf beide Konzepte möchte ich nachfolgend eingehen. Mit dem Thüringenplan „Zukunft Schule“ sowie dem vorliegenden Gesetzentwurf hat die Landesregierung ihre Antworten, wie die aktuellen Herausforderungen in der Bildungspolitik gelöst werden sollen, vorgelegt. Herr Minister, es sind Ihre Antworten und Sie sollten nicht die Öffentlichkeit für diesen Gesetzentwurf verhaften. Sie können tagtäglich Pressemeldungen lesen, wonach die Beteiligten, die am Prozess dabei waren, sich vom letztlichen Ergebnis distanzieren, weil in diesem Gesetz das steht, was die Kolleginnen und Kollegen gar nicht wollten. Es ist das drin gelandet, was Sie – Sie waren da noch nicht da –, aber was Ihre Kollegen seit vier Jahren hier massiv versuchen umzusetzen. Das ist nicht das, was die Thüringer Schulen wollen, was die Lehrer wollen, was die Schüler wollen und was die Eltern wollen.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Was wollen die denn?)

Das habe ich Ihnen gerade gesagt. Die wollen im Grunde Priorität auf Einstellung, schnellere Einstellungsverfahren und attraktive Stellen.

Meine Damen und Herren, was Sie uns vorlegen, zielt nicht auf die Steigerung der Qualität und Bewältigung des Generationenwechsels. Auch heute habe ich das Thema „Qualität“ bei Herrn Minister kaum gehört, bei der Pressekonferenz ist es gar nicht aufgetreten – vielleicht habe ich es auch heute überhört –, aber Qualität spielt scheinbar keine Rolle. Es ist ein unehrlicher Gesetzentwurf.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Das ist eine unehrliche Rede!)

Unehrlich, weil er auf einen Totalumbau unseres Schulsystems setzt, und das werde ich Ihnen gleich belegen. Sie bringen über 60 Prozent der Thüringer Schulen in Existenznöte. Sie wollen 80 Prozent der Thüringer Förderschulen schleifen und Sie wollen

(Beifall CDU)

ein Einheitsschulsystem mit Einheitslehrern errichten, indem Sie Gymnasien und Regelschulen an die Existenznot führen. In ausgewählten Punkten möchte ich aufzeigen, wie mit dem Gesetzentwurf die Weichen für einen radikalen Umbau unseres erfolgreichen Thüringer Schulsystems gestellt werden.

(Unruhe DIE LINKE)

Hören Sie doch zu! Sie haben das Gesetz scheinbar nicht gelesen.

Frau Abgeordnete!

Als Erstes möchte ich auf die Festschreibung von Mindestgrößen für Klassen und Schulen näher eingehen. Im Vergleich zum Anhörungsverfahren, Herr Minister, da haben Sie recht, wurden die Zahlen noch mal marginal angepasst – zwei hier, drei da –, aber Sie haben sogar noch Hürden für Eingangsklassen eingeführt, was dazu führt, dass im Grunde noch mehr Schulen in Existenznot geraten.

(Beifall CDU)

Die aktuellen Zahlen zeigen ja, dass 20 Prozent der Grundschulen – das ist ein bisschen besser geworden, das gebe ich zu, aber nicht nur die Grundschule gehört zum ländlichen Raum, alle Schularten gehören zum ländlichen Raum – und über 60 Prozent der Thüringer Regelschulen und Gymnasien mit diesem Gesetzentwurf in Existenznot gebracht werden bzw. nun in den nächsten Jahren Standortdebatten führen müssen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Au- ßer Ängste schüren geht bei Ihnen nichts!)

Lesen Sie doch einfach die Sachen mal durch!

Dieser Befund zeigt, dass die Landesregierung Schulpolitik nach völlig lebensfremden Vorstellungen macht – und Sie haben es ja gerade auch sehr technisch begründet, Herr Minister.

(Beifall CDU)

Ich schätze Sie wirklich sehr, weil Sie wirklich fleißig sind, unterwegs sind, mit den Leuten reden,

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Auch mit den Landräten! Stellen Sie sich das mal vor!)

zuhören können. Aber es hilft eben nicht nur das Zuhören, man muss es dann tatsächlich verstehen und man muss dann, wenn man nicht aus dem Fach kommt – das ist ja nicht schlimm, das macht ja nichts –, vielleicht auch ein paar Leute im Ministerium haben,