Protocol of the Session on April 30, 2015

auch im Bereich der Flexibilität im Stromerzeugungssystem. Dennoch sagen wir ganz klar, Frau Ministerin, tatsächlich, der Bürgerwille muss deutlich bei solchen Großprojekten Beachtung finden. Und wir können solche Projekte vor allem nur dann durchsetzen, wenn die Eingriffe in die Natur verhältnismäßig sind.

Deswegen – das will ich hier auch noch mal zentral ausführen – geht es bei dieser Frage eben besonders auch um die Wirtschaftlichkeit dieses Projekts. Herr Ministerpräsident, Sie haben auch mehrfach ausgeführt, dass dieses Projekt wichtig ist, um Wertschöpfung vor Ort zu erzeugen. Wir sind ganz bei Ihnen. Wertschöpfung vor Ort muss vorhanden sein, wenn man so ein Großprojekt durchsetzen will. Nur – und das hat auch der Bericht der Ministerin gezeigt – muss man ganz, ganz große Fragezeichen setzen, wenn es eben um das Thema „Wirtschaftlichkeit“ geht.

Da will ich auch mal die Seite 148 des Raumordnungsverfahrens der landesplanerischen Beurteilung, die das Landesverwaltungsamt hier vorgelegt hat, zitieren. Da steht: „Da bei Pumpspeicherwerken aufgrund der Abhängigkeit vom Energiemarkt und wegen der dynamischen Entwicklung von Technologien im Bereich der Energieerzeugung und Versorgung grundsätzlich Risiken für eine dauerhafte Wirtschaftlichkeit bestehen, ist es im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips und unter Berücksichtigung des besonderen Wertes der Landschaft im Bereich des Standorts erforderlich, für eine naturraumverträgliche Folgenutzung zu sorgen.“ Also, wenn selbst das Landesverwaltungsamt feststellt, dass wir heute schon über Folgenutzungen nachdenken sollten, weil die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, dann muss man sich doch wirklich wundern, wenn Sie davon sprechen, man könne hier groß Wertschöpfungen vor Ort erzeugen. Das ist nun wirklich überhaupt nicht der Fall, wenn wir uns die gegenwärtigen Bedingungen anschauen. Selbst aktuell wird von denjenigen, die die Pumpspeicher betreiben, klar gesagt, dass die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist. Die Wirtschaftlichkeit von Flexibilitäten von Pumpspeichern hängt eben tatsächlich – das ist ja beschrieben worden – von der Volatilität am Strommarkt, also dem Preisunterschied zwischen dem Strompreis in den Tag- und Nachtstunden ab, es wird auch von Peak-Strompreis und OffPeak-Strompreis gesprochen, und weil dieser Preis-Spread infolge der Energiewende nicht mehr vorhanden ist, kommen wir hier nicht zu einer Wirtschaftlichkeit. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens – das wissen Sie selbst auch –, weil die hohen Einspeisungen aus Photovoltaikstrom besonders in den Mittagsstunden den Peak-Strompreis deutlich senken. Zweitens, weil die Abschaltung der Kernkraftwerke dazu zwingt, dass in der Nacht teure fossile Kraftwerke eingesetzt werden müssen und damit der Off-Peak-Strompreis enorm steigt. Drit

tens, weil die bessere Marktkopplung mit unseren europäischen Nachbarn zu einem großräumigen Ausgleich von Erzeugung und Nachfrage führt und damit der angesprochene Preis-Spread hier nicht mehr vorhanden ist. Deswegen müssen wir, ob es uns gefällt oder nicht, einfach konstatieren, dass das Geschäftsmodell Pumpspeicher gegenwärtig im Rahmen unseres Strommarktdesigns nicht wirtschaftlich ist.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Richtig!)

Ja, Sie haben nichts anderes gesagt, aber wir müssen uns dann schon die Frage stellen, wenn wir wissen, dass es keine Wirtschaftlichkeit gibt, wie wir dann so eine Investition verantworten können. Natürlich ist es richtig, dass für Neuanlagen Letztverbraucherabgaben wie EEG-Umlage und auch Netzentgelte nicht gelten,

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Dafür müssen Sie keinen Antrag stellen!)

aber das wird nichts daran ändern, dass Sie infolgedessen, was ich beschrieben habe, die drei Punkte, hier zu einer Wirtschaftlichkeit kommen, selbst wenn Sie diese Letztverbraucherabgaben abschaffen. Ich bin sehr dafür – deswegen ist es ja auch richtig im Koalitionsvertrag des Bundes beschrieben –, dass wir das machen, weil unsere Bestandsanlagen genau darunter leiden, und wir sind doch dafür, dass unsere Thüringer Bestandsanlagen auch ordentlich laufen. Aber wenn Sie in den Bericht des Landesverwaltungsamts selbst hineinschreiben, dass wir heute über Nachfolgenutzungen nachdenken müssen, dann ist zumindest das, was Sie hier befördern wollen, schon ziemlich unglaubwürdig. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

(Beifall CDU, AfD)

Ich sage auch als letzten Punkt – da sind wir uns mit Ihnen, Frau Ministerin, einig –, wir müssen vor allem über Forschung und Entwicklung und alternative Speichertechnologien nachdenken. Sie haben das gesagt, die Bundesregierung hat allein in den letzten zehn Jahren 500 Millionen, eine halbe Milliarde Euro, in diesen Bereich gesteckt. Wir haben enorme Fortschritte erzielt und wir wissen, dass wir bei diesem Projekt über einen Investitionszeitraum von zehn bis 15 Jahren reden. Wenn ich allein sehe, was wir in den letzten zehn Jahren im Bereich Energiespeicherung erreicht haben, dann bin ich aber zutiefst davon überzeugt, dass wir an dieser Stelle ein bisschen optimistischer sein sollten, was den technologischen Fortschritt betrifft, und dann bin ich auch zutiefst davon überzeugt, dass wir hier weiterkommen. Ich kann Sie nur darin ermutigen, dass Thüringen alles dafür tut, dass Forschung und Entwicklung in Speichertechnologien weiter erfolgreich vollzogen werden.

Ich fasse noch einmal zusammen, das ist der zentrale Punkt: Sie haben den Menschen in Südthüringen vor der Landtagswahl wiederum etwas anderes erzählt als das, was Sie jetzt erzählen.

(Zwischenruf Abg. Skibbe, DIE LINKE: Sie hören nicht zu!)

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Falsch!)

Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

(Zwischenruf Abg. Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was erzählen Sie?)

Ihre Politik bedeutet vor allem im Bereich der Energiepolitik Wortbruch und das ist der Punkt, den Sie nicht so einfach loswerden. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordneter Kobelt zu Wort gemeldet.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Gruhner, erst einmal muss ich nur ganz kurz etwas zu dem Satz von Ihnen sagen. Immerhin ist es so, dass nicht die Landesregierung das Pumpspeicherkraftwerk baut, dass es da auch keine Gelder von der Landesregierung gibt. Dass eine Landesregierung mitbaut, das war vielleicht bei einer Pilz-Fabrik so, aber hier ist es in dem Projekt nicht so, Herr Gruhner.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber vielen Dank erst einmal an die CDU dafür, dass Sie sich zumindest auf dem Papier hier zur Energiewende bekennen. Das ist der erste Satz in Ihrem Antrag. Aber wie sieht die Energiewende im wahren Leben aus? Solarenergie ist in den letzten zwei Jahren nach den Beschlüssen der CDU-geführten Bundesregierung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz um zwei Drittel zurückgegangen. Windenergie wollen Sie mit extremen Abstandsregeln – war heute wieder zu hören – wie in Bayern, in Thüringen ganz zum Erliegen bringen.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Wer be- zahlt‘s denn?)

(Beifall AfD)

Die Bioenergie hat Ihre Ministerpräsidentin in der Vergangenheit und ganz besonders am 1. April 2014 – das war aber kein Scherz – beim gemeinsamen Energiegespräch mit der Kanzlerin über die Klinge springen lassen.

(Abg. Gruhner)

Sie ist in Thüringen seitdem quasi zum Erliegen gebracht. Dafür hat sich die Thüringer CDU ebenfalls 2014 vehement für die Braunkohle in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt eingesetzt – zum Schaden für Thüringen übrigens. Jetzt verstopft der Braunkohlestrom zunehmend unsere Leitungen und macht Leitungsausbau nötig zulasten der Thüringer Stromkunden und blockiert den Ausbau der erneuerbaren Energien.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)

Außer einem Alibibekenntnis und heißer Luft tun Sie als CDU nichts, aber auch gar nichts für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kommen wir nun aber zum Pumpspeicherkraftwerk Schmalwasser: Hier zündet Herr Gruhner – ich nehme an, er hat den Antrag geschrieben – förmlich ein Feuerwerk an Vorschlägen und Forderungen, dass man im ersten Moment denkt: Wow, das ist gute Oppositionsarbeit!

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Der bremst eure Energie!)

Das mag ja auch für Herrn Gruhner so sein, er ist neuer Abgeordneter und ich kann das in gewissem Maße auch verstehen. Leider vergessen Sie aber als CDU-Fraktion, dass Sie – die CDU-geführte Landesregierung – bis zum Regierungswechsel alle Entscheidungsbefugnisse zum Pumpspeicherkraftwerk Schmalwasser hatten. Wo war Ihre Kritik, wo waren Ihre Anträge vor der Einleitung des entscheidenden Raumordnungsverfahrens?

Wie ist es sonst zu erklären, dass zum Beispiel Ihr Minister – er ist sogar da – und Landtagsabgeordneter Jürgen Reinholz am 17. November 2011 an dieser Stelle im Plenum sagte – hören Sie doch einmal zu, jetzt wird es spannend: „… als der dafür zuständige Fachminister unterstütze ich […], zusammen mit der Trianel GmbH die Talsperre Schmalwasser als Standort für ein Pumpspeicherkraftwerk zu entwickeln. Mit diesem Vorhaben bietet sich die seltene Möglichkeit, einer vorhandenen Stauanlage eine neue Funktion zu geben und gleichzeitig damit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu liefern.“

(Unruhe CDU)

Das ist doch nicht mein Zitat, sondern das von Herrn Reinholz. Denken Sie wirklich, Sie können die Menschen für dumm verkaufen, wenn Sie als Regierungs-CDU Ja rufen und als OppositionsCDU genau das Gegenteil fordern? Aber wir als rotrot-grüne Landesregierung, als Fraktionen sollen Ihre Fehler der Vergangenheit grundsätzlich rückgängig machen. Das wäre nur gegangen, wenn wir massiven Druck und quasi Rechtsbeugung der Ge

nehmigungsbehörden vom Landesverwaltungsamt betrieben hätten, das von Ihnen eingeleitete Raumordnungsverfahren negativ zu bescheiden. Mit so einer Praxis wollen wir als Rot-Rot-Grün eigentlich nichts mehr zu tun haben, meine Damen und Herren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Sie wollten das Pumpspeicherkraftwerk am Rennsteig und die rotrot-grüne Koalition muss jetzt das Beste im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und des Naturschutzes daraus machen.

Ihr Antrag liest sich bei genauer Betrachtung wie fortgesetzter Wahlkampf, der von einer eigenen Verantwortung der Vergangenheit ablenkt. Sie sprechen von vollumfänglicher Akzeptanz und Bürgerbeteiligung und bemühen den Runden Tisch.

Jetzt habe ich Ihnen einmal etwas mitgebracht, das sind die Protokolle vom Runden Tisch und die Teilnehmerlisten. In 13 Sitzungen des Runden Tisches seit dem Juli 2012 im „Schwarzen Bären“ in Tambach-Dietharz war zu einer Sitzung ein CDU-Vertreter aus dem Landtag anwesend.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, es hätte sich gelohnt auch im Sinne Ihres Antrags, der heute kommt. Wenn ich mir anschaue, wie oft Sie beim Runden Tisch waren, dann kommt es mir so vor, als ob der Bürgerwille gar nicht so richtig interessiert hat.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Leute reden lassen am Runden Tisch!)

Das können Sie ja mal sagen, prima. Jetzt in der Oppositionsrolle bemühen Sie ihn, ganz wie es Ihnen gefällt.

Der Abgeordnete Kobelt hat jetzt das Wort. Sie können sich dann gern zu Wort melden. Es gibt eine Anfrage des Abgeordneten Gruhner. Gestatten Sie die?

Zum Schluss dann.

Dabei hat gerade der Runde Tisch für wichtige Veränderungen der Planung gesorgt. Er hat Beschlüsse erzeugt, die in die Planung eingeflossen sind. Zusätzliche Expertisen, wie das Gutachten zum Mikroklima und zu Auswirkungen auf den Wintersport am Rennsteig, wurden erst durch den Runden Tisch auf den Weg gebracht. Was können wir aber, sehr geehrte Damen und Herren, nun als jetzige

Regierungskoalition zu einem Projekt tun, welchem Sie den Teppich ausgerollt haben?

Zunächst muss erst einmal klar gesagt werden, dass neue Pumpspeicherkraftwerke – da muss ich Herrn Gruhner recht geben – momentan nicht wirtschaftlich sind. Es bedarf einer circa zehnfach höheren Preisschwankung an den Börsen, und das über 20 Jahre garantiert, ehe überhaupt die 1,4 Milliarden Euro investiert werden. Falls jemals diese Bedingungen geschaffen sind oder Ihre CDU-geführte Bundesregierung öffentliche Gelder dafür einsetzt, erst dann wird überhaupt die Arbeit an einem Planfeststellungsverfahren weiterbetrieben. Wir als Grüne-Fraktion werden darauf drängen, dass die Latte für eine eventuelle Umsetzung sehr hoch gesetzt wird. Dazu gehören hohe Standards beim Biotop- und Artenschutz sowie beim naturnahen Waldumbau, Versetzen des Oberbeckens, damit der Rennsteig nicht negativ beeinflusst wird – das ist übrigens, wenn Sie genau zugehört haben, was Herr Ramelow gesagt hat, auch genau seine Aussage gewesen –, ökologische Ausgleichsmaßnahmen möglichst nördlich und südlich des Rennsteigs durchzuführen, eine Erdverkabelung einer neuen Anschlussleitung. Außerdem muss eine verbindliche Lösung für eventuell wegfallende Trinkwasserquellen gefunden werden.