Protocol of the Session on August 30, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen Abgeordnete, liebe Besucher, der heute vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Kinderund Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes ist eine Fortschreibung eines bestehenden und auch schon bewährten Gesetzes, das es schon seit Langem gibt. Von daher finde ich es ein wenig seltsam, wenn die AfD das hier so vehement ablehnt, weil dafür eigentlich überhaupt kein Grund besteht. Es geht hier um Dinge, die zu regeln sind, mit denen man sich beschäftigen muss. Die kann man auch nicht aus der Welt wischen. Von daher finde ich das ein wenig befremdlich, aber okay.

Ich denke, junge Leute – und das hat die Anhörung eigentlich auch gezeigt, die wir hier im Landtag schon gemacht haben und die wir auf Basis eines Antrags nicht nur von Rot-Rot-Grün gemacht haben, sondern ausgehend von einem Antrag, den die CDU-Fraktion eingereicht hat. Rot-Rot-Grün hatte sich damals dann mit einem eigenen Antrag beteiligt. Ausgehend davon haben wir eine Anhörung hier durchgeführt und die hat durchaus gezeigt, dass es Bedarfe gibt, junge Leute in Thüringen intensiver einzubeziehen.

Von daher kann ich in einer ersten Bewertung sagen – wir machen ja heute hier auch nur die Einbringung in einer ersten Bewertung dieses Gesetzes –, dass ich zumindest in einigen Punkten positiv überrascht bin. Gerade der Punkt des Lebenslagenberichts, der mit aufgenommen wurde, der auch eine Forderung von uns in unserem Antrag war, der auch positiv in der Anhörung bewertet wurde, dass sich der hier in diesem Gesetzentwurf wiederfindet, ist von uns eine positiv zu bewertende Sache, genau wie die Fragestellung der Schulso

zialarbeit, die sich wirklich bewährt hat, die überall, auch in den Regionen, wo ich es kenne, bei mir vor Ort, sehr gut angenommen wird, die man auch nicht mehr missen möchte, die einen wichtigen Beitrag leistet, um auch Lehrer zu unterstützen, um das Klima in den Schulen entsprechend zu unterstützen. Von daher ist auch das positiv zu bewerten,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

genau wie auch die Frage der Mitbestimmungsmöglichkeiten, die natürlich gerade auf kommunaler Ebene durchaus noch Verbesserungspotenzial haben. Allerdings will ich sagen: Das ist eine Frage, die man auch in der Anhörung bewerten muss – inwieweit die Dinge praktikabel gehandhabt sind und inwieweit Dinge nicht dafür sorgen, dass Verfahren im Zweifel schwieriger werden. Gerade wenn ich mir die Erweiterung des Jugendhilfeausschusses anschaue, das ist eine Sache, da bin ich sehr gespannt, was dann auch in der Anhörung herauskommt, wie es bewertet wird. Denn soweit ich es hier gesehen habe, finde ich es ein wenig ungewöhnlich, es ist ja kein Entwurf der Landesregierung. Deswegen gab es im Vorfeld vermutlich keine Anhörung der Beteiligten. Es gibt also noch keine Rückmeldung, wie die Beteiligten zu diesem Entwurf stehen. Von daher wäre es vielleicht besser gewesen, man hätte es über die Landesregierung gemacht, dann hätte man zumindest im Vorfeld schon mal die Beteiligten abgefragt. Das ist so ein Punkt, der hat mich ein wenig verwundert. So müssen wir jetzt warten, was in der Anhörung zu sagen ist. Von daher kann man das jetzt auch noch gar nicht so bewerten, weil wir jetzt erst mal ins Gespräch mit den Beteiligten gehen müssen, wie man diesen Gesetzentwurf hier bewerten soll.

Dass die Örtliche Jugendförderung hier aufgenommen wurde, finde ich gut. Die Frage ist allerdings, ob man das mit dem Betrag in diesem Gesetz festschreibt oder ob das wirklich in diesem Maße sinnvoll ist. Auch das ist eine Frage, die man bewerten muss. Schließlich ist so ein Betrag ja auch nicht festgeschrieben. Sie haben zwar hier geschrieben „mindestens jährlich“, dennoch, finde ich, sollte man auch das noch mal in der Anhörung bewerten.

Kurz und gut: Es sind schon einige Punkte, die mir jetzt positiv aufgefallen sind, die ich auch begrüße, dass wir diese hier aufgenommen haben. Auf der anderen Seite gibt es noch Punkte, die wir erst mal mit den Partnern auswerten müssen, auch in einer Anhörung, was ich auch sehr begrüße, wenn wir eine mündliche Anhörung dazu machen, damit wir auch ins Gespräch kommen, gerade mit Partnern wie dem Landesjugendring, den Verbänden, um auch zu sehen, wie die Gremien denn weiter arbeitsfähig sind – Landesjugendhilfeausschuss –, wie sollte man diese Gremien erweitern. All das gilt

(Abg. Engel)

es also auszuwerten, weshalb auch ich hier heute die Überweisung an den Ausschuss beantrage und mich dort über eine ausführliche Anhörung freuen würde, damit wir das ausgleichen, dass es bis jetzt keine Beteiligung zu diesem Gesetzentwurf gegeben hat. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Astrid Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zur AfD will ich nur zwei Dinge sagen: Dass Sie Kinder und Jugendliche maximal als Anhängsel ihrer Eltern begreifen, haben Sie hier ja schon mehrfach deutlich gemacht. Ich finde es schon erschreckend, wenn so über die Zukunft, über unser aller Zukunft gesprochen wird und wenn man offenkundig nicht bereit ist, Kindern und Jugendlichen einmal zuzuhören, ihnen eine Stimme zu geben. Ich frage mich manchmal, wovor Sie eigentlich Angst haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Zum Zweiten: Es wundert aber auch nicht wirklich, denn es gab eine Arbeitsgruppe zur Erstellung des Landesjugendförderplans, der tatsächlich alle Fraktionen angehört haben. Und die einzige Fraktion, die dort nie erschienen ist – übrigens auch jetzt, wo es um die Implementierung dieses Landesjugendförderplans geht –, ist die AfD-Fraktion. Da ist sie konsequent, sie ist dort nicht mal aufgetaucht. Das heißt, sie weiß überhaupt nicht, worüber wir da sprechen, worüber wir da beraten. Sie hat daran ganz offenkundig kein Interesse.

Vielen Dank für den Beitrag des Kollegen Bühl, der offenkundig vieles ganz gut findet, sich gewundert hat, warum die Fraktionen das Gesetz auf den Weg bringen, und gewünscht hätte, schon vorher zu wissen, was Vereine, Verbände etc. dazu sagen. Ich sage ganz offen: Ich sehe es auch als Aufgabe von Fraktionen, Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen. Wir freuen uns sehr wohl auf die Anhörung – auch wir werden selbstverständlich für eine mündliche Anhörung plädieren – und auf das Gespräch direkt mit den Beteiligten. Es muss nicht immer alles im Vorhinein ausgeklüngelt werden, denn wir kommen ja nicht zum allerersten Mal ins Gespräch. Diana Lehmann hat es ausgeführt: Wir hatten eine große Fachtagung mit mehr als 150 Teilnehmenden aus den Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit und haben ganz viele der Forderungen

aufgegriffen, die dort geäußert wurden. Wir sind jetzt gespannt, was gegebenenfalls in der Anhörung noch dazukommt und wie wir gemeinsam, hoffe ich, Wege finden, das auch praktikabel umzusetzen.

Das Ziel dieses Gesetzentwurfs ist die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen. Das ist auch ein erklärtes Ziel, das wir als Koalition vertreten. Gemeinsam haben wir uns deshalb auf den Weg gemacht, Kinder als eigenständige Persönlichkeiten politisch stärker wahrund ernst zu nehmen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Unterstützung einer eigenständigen Jugendpolitik – ich habe mich ehrlich gefragt, wer von der AfD das eigentlich aufgeschrieben hat, was Herr Rudy hier vorgetragen hat, das ist schon eine spannende Frage – gehen wir nun einen großen Schritt in diese Richtung und setzen dabei eine wesentliche Vereinbarung aus dem gemeinsamen Koalitionsvertrag um.

So stärken wir mit dem Gesetzentwurf die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte junger Menschen. Uns macht das jedenfalls Mut, weil die allermeisten Jugendlichen, wenn man sich so die eingängigen Studien anschaut, mit sehr viel Optimismus in die Zukunft blicken. Junge Menschen haben übrigens auch sehr genaue Vorstellungen von dem, was richtig oder falsch ist. Das sollten wir im Interesse aller nutzen. Daher setzen wir mit unserer Jugendpolitik bei den Stärken und Interessen der Jugendlichen direkt an. Genau deshalb ist auch Partizipation und Mitbestimmung bei uns die Basis von allem. Jugendliche, Kinder sollen konsequent mitbestimmen, wer ihre, wer unsere Welt von morgen gestaltet und wie diese Welt aussieht. Daher war für uns der Ausgangspunkt, junge Menschen künftig viel stärker in die Arbeit der örtlichen Jugendhilfeausschüsse mit einzubeziehen. Jede und jeder, der oder die von ihnen in einem örtlichen Jugendhilfeausschuss mitarbeitet, weiß, dass dieser schon breit aufgestellt ist. Wir aber wollen jetzt noch mehr jungen Menschen dort direkt eine Stimme geben – das ist uns wichtig und soll über die örtlichen Stadtund Kreisjugendringe, die Schülervertretungen und über die bestehenden Jugendmitbestimmungsgremien geschehen. Wir sind guten Mutes, dass man Wege findet, wenn man das nur möchte. Wir folgen jedenfalls dem Grundsatz, dass dort, wo über junge Menschen gesprochen wird, diese tatsächlich mit einbezogen werden. Dies erfüllt auch den gesetzlichen Auftrag, der bereits im SGB VIII formuliert ist.

Wir geben dem Landesjugendhilfeausschuss einen höheren Stellenwert im Land, indem wir die Anzahl der Mitglieder von 20 auf 25 erhöhen, damit in Zukunft auch alle Fraktionen dem Landesjugendhilfeausschuss angehören werden. Bisher ist das nämlich nicht so, bisher sind nur die CDU und die linke Fraktion mit Fraktionsvertreterinnen direkt im Landesjugendhilfeausschuss vertreten. Netterweise

(Abg. Bühl)

dürfen SPD und wir eine Stellvertretung stellen. Wir aber meinen, dass tatsächlich auch alle politischen Kräfte, die im Landtag vertreten sind, dort mitwirken können sollen. Auch das gehört für uns zu einem demokratischen Gemeinwesen, ganz genauso wie die Tatsache, dass der Landesjugendhilfeausschuss grundsätzlich im Landtag tagen können soll. Das war mitunter manchmal organisatorisch schwierig. Deswegen haben wir es jetzt festgeschrieben, damit darüber gar nicht mehr diskutiert werden muss. Die Räumlichkeit sollte hier im Landtag sein. Da gibt es dann auch eine bessere Anund Einbindung.

Besonders froh sind wir darüber – Diana Lehmann hat es schon gesagt und auch meine Kollegin Kati Engel in ihrer Rede –, dass wir die Örtliche Jugendförderung, die wir als Koalition bereits von 11 Millionen Euro auf 15 Millionen Euro – das ist recht erheblich – erhöht haben, nun auch im Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz verankern werden und damit deutlich stärker absichern können. Es gab immer die Frage: Wie ist das denn überhaupt sichergestellt? Manche sagen auch, es sei ein Vorgriff auf bestimmte Haushalte. Wir sagen: Es ist eine Verpflichtung, der wir uns annehmen, der wir uns stellen. Deshalb haben wir das auch genau so im Gesetz festgeschrieben. Im Übrigen wird die Höhe der Jugendförderung mindestens alle zwei Jahre überprüft, damit sie auch entsprechend angepasst werden kann. Wir wissen alle um Preissteigerungen, aber auch um Tarifsteigerungen, beispielsweise der Fachkräfte, die in diesem Bereich tätig sind. Damit erhalten die Landkreise und kreisfreien Städte zukünftig eine gesetzlich garantierte finanzielle Unterstützung für die vor Ort organisierte – Sie wissen das, das passiert über die Jugendförderpläne im Jugendhilfeausschuss vor Ort – Jugendarbeit, für die Jugendverbandsarbeit, die Jugendsozialarbeit und den Kinder- und Jugendschutz, und zwar in Höhe von mindestens 15 Millionen Euro.

Ebenso werden wir – Herr Bühl hat es angesprochen – die Schulsozialarbeit, die wir landesweit derzeitig mit 11,3 Millionen Euro unterstützen, gesetzlich verankern und damit auch hier eine langjährige jugendpolitische Forderung umsetzen. Das ist uns in allen Anhörungen immer wieder vorgetragen worden, dass dies ein ganz wichtiger Wunsch ist. Damit können die Kommunen zukünftig zum einen mehr unbefristete Arbeitsverträge im Bereich der Schulsozialarbeit abschließen und es können den Mitarbeiterinnen vor Ort mehr Sicherheit und auch bessere Arbeitsbedingungen gewährleistet werden. Weiterhin können die sozialpädagogischen Angebote – wohlwissend, dass wir diese auch zukünftig noch ausbauen müssen – in unseren Schulen zukunftsfest gemacht werden.

Die Landesregierung wird außerdem zukünftig in jeder Legislaturperiode einen Lebenslagenbericht

von jungen Menschen in Thüringen vorlegen. Herr Bühl hat es gesagt, das war auch ein Wunsch, der sowohl von der CDU als auch von vielen Anzuhörenden immer wieder an uns herangetragen wurde. Wir haben das aufgegriffen. Wir finden das gut und richtig. Damit haben wir einen gesetzten Punkt, an dem wir immer im Landtag über die Lebenslagen junger Menschen sprechen werden. Das Land stellt sich damit der Herausforderung, sich intensiv mit den Lebensbedingungen junger Menschen auseinanderzusetzen und die Politik auch auf die Interessen von Kindern und Jugendlichen auszurichten.

Außerdem sehen wir vor, dass die Landesförderung der überregional tätigen Jugendverbände über den Landesjugendförderplan zukünftig auch direkt erfolgen kann.

Ich will noch eines sagen, weil vorhin der Hinweis kam: Was wäre denn, wenn wir plötzlich einen Gesetzentwurf für Hoteliers oder so machen würden? Auch Hoteliers waren einmal junge Menschen und natürlich haben auch Hoteliers Mitspracherechte. Sie sind erwachsen, sie haben die vollen Rechte. Kinder und Jugendliche haben diese bisher nicht. Vielleicht hilft das ja bei der Findung der Wahrheit, auch in der AfD-Fraktion.

Wir freuen uns jedenfalls auf die parlamentarische Beratung zum Gesetzentwurf und meinen, wir haben vernünftige und gute Regelungen zur Stärkung der Jugendpolitik in Thüringen vorgelegt. Wir sind jedoch auf die Anregungen aus der Anhörung zum Gesetz – ich sagte das eingangs schon – und den Gesprächen mit den Verbänden und Jugendvertretungen zum Gesetz sehr gespannt. Daher beantragen wir die Überweisung, zum einen federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, aber auch mitberatend an den Justiz- und Migrationsausschuss und an den Innenausschuss, da auch die Belange der Kommunen dort berührt sind. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Lehmann, Fraktion der SPD, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Herr Bühl, ich bin voller Zuversicht, dass Sie am Ende dieses Gesetzgebungsverfahrens überzeugt sind von dem Gesetzentwurf und dem hier auch ohne schlechtes Gefühl zustimmen können, weil es einfach ein guter Gesetzentwurf ist. Wenn Sie noch nicht so viel Zeit hatten, den jetzt ausführlich zu lesen – wir haben jetzt über viele Wochen und Monate darüber diskutiert. Es ist wirklich ein guter und ausgewogener

(Abg. Rothe-Beinlich)

Gesetzentwurf und er ist, wie gesagt – das hat meine Kollegin Astrid Rothe-Beinlich gerade auch noch mal gesagt –, nicht neu. Natürlich gab es noch keine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf, aber es gab eine zu dem Antrag hier im Hause im Plenum. Es gab diese große Veranstaltung, die wir zur Jugendpolitik gemacht haben. Wir treffen uns regelmäßig mit Vertretern von Jugendverbänden, mit dem Landesjugendring, mit kommunalen Vertretern, die in diesem Bereich aktiv sind, und all deren Anregungen sind in diesen Gesetzentwurf eingeflossen.

Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf ist ein Meilenstein in der Geschichte des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes zum VIII. Sozialgesetzbuch, besser als Kinder- und Jugendhilfegesetz bekannt. Es ist gleichzeitig die erste Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, das die Intention des Bundesgesetzgebers und der UN-Kinderrechtskonvention ernsthaft aufgreift. 28 Jahre nach der Wende realisiert es damit endlich tatsächlich die Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Entscheidungen.

Lassen Sie mich in Erinnerung rufen: Bereits 1989 hat die UN-Kinderrechtskonvention Kindern und Jugendlichen nicht nur das Recht eingeräumt, ihre Meinung frei zu äußern, sondern den unterzeichnenden Staaten die Pflicht auferlegt, diese Meinung der Kinder und Jugendlichen in allen Angelegenheiten zu berücksichtigen. Das Sozialgesetzbuch VIII, das Kinder- und Jugendhilfegesetz, ist seit 3. Oktober 1990 in den neuen Ländern in Kraft und hat diesen Auftrag in vielfältiger Weise aufgegriffen, zum Beispiel in § 8, der ist überschrieben mit dem Titel „Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“. Allerdings ist der dort formulierte Auftrag zur Beteiligung ebenso wie in der Jugendhilfeplanung in den Jahren seit der Wende kaum tatsächlich realisiert. Ich formuliere das bewusst sehr vorsichtig. Bei näherer Betrachtung könnte man aber mit Fug und Recht sagen: Der Auftrag, den die UN-Kinderrechtskonvention mitgibt, und der Auftrag, den der Bundesgesetzgeber mit auf den Weg gegeben hat, stand in der Prioritätenliste der örtlichen und überörtlichen Jugendhilfe relativ weit hinten. In vielen Fällen sind bestenfalls Spurenelemente von Beteiligung zu erkennen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit dieser gängigen Praxis, sowohl die vertraglichen Grundlagen der UN-Kinderrechtskonvention als auch die Intention des Bundesgesetzgebers zum SGB VIII zu ignorieren, ist mit der nun eingebrachten Novelle Schluss. Ich bin stolz – und ich glaube, da kann ich auch für meine Kollegen von der Linken und den Grünen sprechen – auf die vorgeschlagene Regelung zum Beispiel in § 15a des Gesetzentwurfs. In Zukunft werden nicht nur die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe davon abhän

gig sein, was Kinder und Jugendliche, was junge Erwachsene als Bedarfe definieren, erstmals wird den Kindern und Jugendlichen zugleich weit über die Leistungen der Jugendhilfe hinaus das Recht eingeräumt und zugleich ein Forum gegeben, ihre Meinung in allen sie betreffenden Entscheidungen in unserer demokratischen Gesellschaft zu artikulieren. Nicht mehr, aber auch nicht weniger formulieren wir im Gesetzentwurf, wenn wir künftig geregelt wissen wollen, ich zitiere: „Kinder und Jugendliche sollen in angemessener Weise an der Jugendhilfeplanung sowie allen weiteren ihre Interessen berührenden Planungen, Entscheidungen und Maßnahmen beteiligt werden. Hierzu sollen geeignete Verfahren entwickelt und durchgeführt werden.“ Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht nur praktizierte Vertrags- und Gesetzestreue, dieser künftige gesetzliche Auftrag und vor allen Dingen die daraus resultierende Praxis sind eine wesentliche Grundlage zur Stärkung unserer Demokratie. Davon bin ich fest überzeugt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Demokratische Regelungen, demokratische Aushandlungsprozesse und auch damit verbundene Kompromisse zwischen unterschiedlichen Interessen kann man nur erlernen, wenn man sie auch praktisch erlebt. Demokratie erlernen bedeutet Demokratie erleben, und zwar von Kindesbeinen an, nicht nur durch das Auswendiglernen formaler Abläufe und erst recht nicht durch Ignoranz, Desinformation oder das Recht des Stärkeren. Dieses Mitbestimmungsrecht gilt für alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen und Erwachsenen, das will ich hier noch mal ausdrücklich betonen.

Nicht nur diese zitierte Passage der Novellierung, sondern auch die real erweiterten Rechte der Mitbestimmung und Jugendhilfeausschüsse, zum Beispiel von Schülervertretungen – zum Beispiel von Mitbestimmungsgremien von Kindern und Jugendlichen – sind Ausdruck des Willens und der Stärke unserer demokratischen Gesellschaft durch die Regierungskoalition. Und es gibt Jugendhilfeausschüsse in Thüringen, die das bereits praktizieren und in denen das durchaus gut funktioniert.

Auch der Entwurf zur Landesstrategie „Mitbestimmung junger Menschen in Thüringen“, den eine Expertengruppe im Sommer beim Jugendministerium vorgelegt hat, stellt fest, dass junge Menschen als Expertinnen und Experten in eigener Sache ernst zu nehmen sind und daher die Mitbestimmungsrechte verbindlich gesetzlich verankert werden sollen. Das greift dieser Gesetzentwurf auf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Gesetzentwurf ist nicht zuletzt ein weiterer Beweis zur Umsetzung des Koalitionsvertrags und zum Beschluss zur eigenständigen Jugendpolitik

dieses Parlaments. Das zeigt auch, dass diese Koalition in der Jugendpolitik handelt und liefert.

Damit kommen neue Aufgaben insbesondere auf die Landkreise und kreisfreien Städte als zuständige örtliche Träger der Jugendhilfe zu. Wenn man es ganz genau betrachtet, sind es eigentlich keine neuen Aufgaben, sondern die Konkretisierung der Anforderungen, die das SGB VIII und die UN-Kinderrechte bereits jetzt vorgeben. Ich gehe davon aus, dass alle in der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Akteure – öffentliche und freie Träger – diesen konkretisierten Auftrag grundsätzlich positiv aufnehmen. Schließlich gibt es in vielen Verlautbarungen immer wieder einen breiten gesellschaftlichen Konsens dafür, dass Kinder und Jugendliche nicht nur unsere Zukunft sind, sondern inzwischen auch, dass sie beteiligt werden sollten. Wenn wir das wollen, dann müssen wir dieser Generation auch die Möglichkeit geben, an demokratischen Prozessen teilzuhaben.

Deshalb bin ich ebenso stolz, dass wir mit der gesetzlichen Verankerung einer Mindestförderung von 15 Millionen Euro für die Örtliche Jugendförderung und von 11,3 Millionen für die Schulsozialarbeit einer langjährigen Forderung der kommunalen Spitzenverbände und vieler freier Träger entsprochen haben – nicht nur entsprochen, sondern in dieser Legislaturperiode mit dem Gesetz die jetzige Förderung und damit auch eine zukünftige Mindestförderung erheblich gesteigert haben.

Und, Herr Bühl, Sie wissen aus der Anhörung zu dem jugendpolitischen Antrag, den wir hier im Hause hatten, dass die Kommunen das sehr wohl als Sicherheit empfinden, dass es gesetzlich verankert ist. Sie haben ausdrücklich darum gebeten. Sie wissen vielleicht nicht aus Ihrer eigenen Erfahrung als Abgeordneter, aber viele Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Fraktion waren damals aktiv beteiligt, als sie in der Örtlichen Jugendförderung massive Kürzungen vorgenommen haben mit drastischen Auswirkungen für die Kinder- und Jugendhilfe vor Ort.

Damit sind die finanziellen Voraussetzungen zur Umsetzung des Gesetzes umfänglich gegeben. Erstmals seit 28 Jahren besteht in Thüringen Planungssicherheit für kommunale Jugendämter und für die freien Träger.

Von all diesen Maßnahmen profitieren die Kinder und Jugendlichen, für die wir dieses Gesetz in allererster Linie machen. Nicht zuletzt ist damit aber auch die Grundlage gegeben, um gute Arbeitsbedingungen für die Dienstleistungen in der Kinderund Jugendhilfe im Freistaat zu realisieren, gute Arbeit zu tariflichen Bedingungen, und zwar orientiert an der tariflichen Bindung des öffentlichen Dienstes. Es gibt jetzt keinerlei Grund mehr, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der freien Träger, die engagiert die Aufgaben dieses Gesetzes umsetzen,

gegenüber den Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst zu benachteiligen. Für Befristungen gibt es mit diesem Gesetzentwurf keinen Grund mehr.