Unsere Vorschläge sind ganz klar: Wir sind für Freiwilligkeit. In der letzten Legislatur haben wir circa 300 freiwillige Fusionen in der Koalition beschlossen. 300! Und wenn man das Affentheater mit der Pflichtigkeit nicht gemacht hätte, dann hätten wir ohne großen Aufruhr im Land die nächsten gehabt. Jetzt kommt es ja, Sie haben gelernt. Aber die Leute werden es nicht vergessen.
Aber eins noch, weil der Minister sich vorhin so empört hat: Ich hoffe nicht, dass Sie der „Thüringer Allgemeinen“ unterstellen, dass die irgendwas mit LPresse am Hut hat. Es gibt die TA vom 22.06.18: „Landtag verabschiedet erstes Neugliederungsgesetz – Irritation um Aussagen über Zwangsfusionen“. In einer parallel zur Pressekonferenz versandten Mitteilung des Innenministeriums heißt es oder hieß es: „Der Innenminister macht nochmals deutlich, dass nach der Freiwilligkeit auch eine pflichtige Phase folgen müsse, die zu leitbildgerechten Strukturen führen wird.“ Herr Minister, ich halte Ihnen nur das vor, was Sie in die Welt gebracht haben – nicht wir! Und da brauchen Sie sich heute nicht hinzustellen: Das ist nicht schlimm! – Sie wollen die Leute vernebeln! Die lassen sich nicht vernebeln!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Herr Abgeordneter Fiedler, da Sie am Anfang nicht da sein konnten – was immer mal passieren kann, ich bin da nicht so streng –, möchte ich die Gelegenheit nutzen …
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist aber schön! Hätte die Polizei die Autobahn besser grün gemacht!)
So, jetzt wollen wir nicht wissen, wie die Kollegen schneller in die Sitzung kommen, sondern wie es mit den Kommunen weitergeht. Herr Minister, bitte.
Gut! Herr Fiedler, deshalb wollte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen noch mal, weil Sie meine Rede nicht hören konnten, ein paar Dinge zu erläutern – aus meiner Sicht.
Sie haben jetzt mehrfach das Thema „6.000er-Marke“ angesprochen. Ich meine in Erinnerung zu haben, dass auch die CDU mal Größengrenzen in den Raum gestellt hat, die darüber lagen, als es darum ging, Fusionen vorzubereiten usw. Diese Zahl an sich ist ja jetzt nicht völlig neu. Die Marke 6.000 liegt unter der Marke, die die CDU in der Vergangenheit schon mal erwähnt und ins Gespräch gebracht hat. Aber ich habe deutlich gesagt, dass die leitbildgerechten Strukturen, wenn sie jetzt noch nicht erreicht wurden, auf jeden Fall erreicht werden können – das ist der eine Punkt –, und zwar freiwillig erreicht werden können. Und der andere Punkt ist, dass wir Fusionen, die unter der Marke bleiben, nur begleiten, wenn die jetzt auch nicht – wie soll ich sagen – Zentren in der Nähe schwächen. Das sind in dieser Legislatur drei Freiwilligkeitsphasen – wie ich meine, ist es vollkommen legitim, dass wir diese Gemeindegebietsreform jetzt in mehreren Schritten vollziehen.
Was mich ein bisschen stört, Herr Fiedler – und mich wundert das auch –, ist, dass Sie immer wieder solche Begriffe wie „vergiftetes Geschenk“, wir „schleifen den ländlichen Raum“, wir „erpressen die
Doch? Weil Sie dadurch natürlich auch so ein bisschen die Angst der Menschen adressieren oder gar anstacheln. Das tun Sie auch im Bereich der inneren Sicherheit, wenn Sie erzählen, es gäbe offene Anarchie in Thüringen. Warum machen Sie das? Ich denke, das führt zu nichts, sondern wir sollten uns hier bei dieser Geschichte sehr sachlich austauschen. Sie haben auch das Thema – und Sie haben ja auch aus einem Interview zitiert, was das Thema „Freiwilligkeit“ anbelangt oder wie Sie es nennen – ich bevorzuge den Begriff „Pflichtphase“. Ich habe danach weitere Interviews gegeben und die hätten Sie ja auch vorlesen können. Natürlich habe ich – wie soll ich sagen – die Reaktion, die darauf entstand, auch noch mal für mich bewertet. Ich habe deutlich gemacht, dass meine Partei, aber auch ich persönlich, falls wir in der nächsten Legislatur in der Landesregierung irgendwie eine Rolle spielen würden, dass wir zu 100 Prozent – Herr Fiedler, zu 100 Prozent – auf Freiwilligkeit setzen werden. Das ist jetzt schon mehrfach deutlich geworden.
Aber es ist auch einfach in der Politik ein Gebot der Ehrlichkeit zu sagen: Falls am Ende einer Freiwilligkeitsphase, solange sie auch immer dauert, dann noch Strukturen übrig sind, die nicht überlebensfähig sind, muss ich als Kommunalminister irgendwas machen. Da muss man dem Parlament einen Vorschlag machen, wie gegebenenfalls eine Struktur aussehen kann, die überlebensfähig ist. Wenn Sie den Eindruck erwecken, dass sich im kommunalen Bereich alles in Friede-Freude-Eierkuchen auflöst, wenn es darum geht, zukunftsfähige Strukturen zu machen, dann ist das meines Erachtens auch ein Stück weit Vergaukelung der Wählerinnen und Wähler.
Ich bin heute genau ein Jahr im Amt. Und, Herr Fiedler, ich lasse mir jetzt nicht ganz die Freude nehmen, dass ich Ihnen heute ein Paket mit 260 Kommunen vorlegen konnte, die sich heute zusammenschließen. Ich glaube, das war harte Arbeit. Ich danke noch mal ausdrücklich dem Staatssekretär, der dies alles in vielen Gesprächen vor Ort möglich gemacht hat. Ich denke, heute Abend können wir mal ein Glas Bier darauf trinken. Danke schön.
Danke schön. Dann schließe ich damit die Aussprache und wir kommen zur beantragten Ausschussüberweisung. Es wurde beantragt, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Kommunales zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aller Fraktionen. Gegenstimmen? Sehe ich nicht. Enthaltungen? Auch nicht. Damit einstimmig an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen. Weitere Ausschussüberweisungen wurden nicht beantragt. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.
Thüringer Gesetz zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (ThürAGSGB IX) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/5687 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit - Drucksache 6/6075
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diana Lehmann aus dem Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit zur Berichterstattung. Frau Lehmann, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, das Thüringer Gesetz zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wurde durch Beschluss des Landtags in seiner 119. Sitzung am 24. Mai 2018 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit überwiesen. Der Ausschuss hat in seiner 47. Sitzung am 14. Juni 2018 und in seiner 48. Sitzung am 23. August 2018 dazu beraten und ein schriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt.
Es wird empfohlen, den vorgelegten Gesetzentwurf mit einer Änderung anzunehmen. Im Rahmen der Anhörung wurde darauf hingewiesen, dass eine Interessenvertretung für Menschen mit Behinderung auch im Gesetz zu verankern ist. Das wird im § 7 vorgenommen, so wie es das Bundesteilhabegesetz vorsieht. Der Ausschuss hat diesem Vorschlag
zum geänderten Gesetzentwurf mehrheitlich zugestimmt und für die zweite Beratung ans Plenum zurücküberwiesen.
Danke schön. Damit eröffne ich die Beratung und als Erste hat Abgeordnete Stange für die Fraktion Die Linke das Wort.
Werter Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, werte Besucherinnen auf der Tribüne, nach der etwas emotionalen Diskussion der letzten Stunden ein vielleicht etwas trocken anmutendes Gesetz, Gesetzentwurf der Landesregierung, das aber wichtig ist für Menschen mit Behinderung, aber auch die Träger der Eingliederungshilfe.
Der heute in der zweiten Lesung zur Diskussion stehende Gesetzentwurf ist notwendig geworden, weil das Bundesteilhabegesetz, das in den letzten Jahren durch lange Diskussionen auf Bundesebene endlich umgesetzt worden ist, die Forderung an die Länder stellt, die Themen der Eingliederungshilfe, die aus dem SGB XII herausgelöst werden, in eine eigene landesgesetzliche Regelung zu gießen. Wir haben mit dem Gesetzentwurf, den uns die Landesregierung vorgelegt hat, dies getan und – das muss man an der Stelle auch mal sagen – Thüringen ist eines der ersten Bundesländer, das diesen Schritt der eigenen gesetzlichen Regelung geht.
Die Koalition von Rot-Rot-Grün hat in der Ausschussberatung – ich sage es hier auch noch einmal – den Gesetzentwurf der Landesregierung begrüßt. Er ist wichtig, um Themen zu regeln wie zum Beispiel die Rahmenvereinbarungen, die zwischen den Kommunen sowie den Leistungserbringern vor Ort zu schließen sind.
Wir wissen, dass dieser Gesetzentwurf für Landkreise und kreisfreie Städte wichtig ist, denn sie werden durch den vorliegenden Entwurf weiterhin als örtlicher Träger der Eingliederungshilfe bestimmt. Das bringt vor Ort wieder Ruhe und Stabilität in das System, so wie es in den zurückliegenden Jahren war. Wir sagen auch: Es ist wichtig, dass die örtlichen Träger der Eingliederungshilfe genau diese Rechtssicherheit haben. Somit können Menschen mit Behinderungen vor Ort ihre Ansprüche artikulieren, somit wird durch uns natürlich auch noch einmal Bürgernähe festgemacht. Bürgerinnen und Bürger müssen nicht zur Landesbehörde, um ihre Ansprüche einzufordern.
mann vorgetragen worden ist, ist sichtbar und deutlich geworden, dass es eine schriftliche Anhörung im Ausschuss gab. Der Landkreistag, der Gemeinde- und Städtebund, die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege, der Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, aber auch die LAG der Werkstätten haben sich zu dem Entwurf geäußert. Sie haben neben der Zustimmung zu dem vorgelegten Entwurf natürlich auch noch mal diese und jene Forderung für Veränderungen dargelegt. Wir haben diese Forderungen in der gemeinsamen Beratung andiskutiert. Nicht alle müssen in dem Gesetz umjustiert werden. Ich will auf eine aufmerksam machen: Das sind die immer in Rede stehenden – so vermutet – nicht ausreichenden finanziellen Mittel, was die Eingliederungshilfe betrifft. Es wird darauf hingewiesen, dass es mit der neuen gesetzlichen Regelung auch perspektivisch einen Aufwuchs an finanziellen Mitteln vor Ort geben soll. Wir wissen alle, wir haben geklärt – oder es wurde bereits 2013 geklärt –, dass im KFA die Eingliederungshilfe vonseiten des Landes mitfinanziert und an die Kommunen durchgereicht wird.
Der Pferdefuß an der Sache ist: Mit den neuen gesetzlichen Regelungen, mit dem Bundesteilhabegesetz hat die Bundesregierung bewusst versäumt, finanzielle Mittel an die Länder und Kommunen weiterzureichen – wir haben hier bereits darüber gesprochen. Der damalige Bundesfinanzminister Schäuble hat immer darauf aufmerksam gemacht und es war sein Credo zu formulieren, dass ein Bundesteilhabegesetz nur verabschiedet wird, wenn es finanzneutral auf den Weg gebracht wird. Das ist die Krux. Das haben uns hier auch noch mal die Kostenträger formuliert. Das werden wir auch weiterhin im Blick behalten. Auch an der Stelle, denke ich, kann ich für die Landesregierung sagen, dass man hier auch im Bundesrat dieses Thema nicht aus dem Blick verliert.
Werte Kolleginnen und Kollegen, hier ist bereits darauf hingewiesen worden: Wir haben mit dem Bundesteilhabegesetz die Aufgabe erhalten, eine neue Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen zu bestimmen. Das hat die Koalitionsfraktion gemacht. Wir haben einen Änderungsantrag auf den Weg gebracht, in dem wir sagen: Die neue Interessenvertretung wird über den geänderten § 7 eingeführt. Die Interessenvertretung setzt sich zusammen aus verschiedenen Trägern der Interessen für Menschen mit Behinderungen. Ich will sie einfach hier noch mal benennen. Das ist zum Beispiel das Jenaer Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e. V., das ist der Landesverband Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Thüringen e. V., das ist der Verein zur sozialen und beruflichen Integration e. V., das ist der Zukunft Sozialraum e. V., der Verband für Inklusion und Teilhabe in Thüringen e. V., das ist der Behindertenverband des Landkreises Schmalkalden-Meinin
gen e. V., das ist der Landesverband der Gehörlosen Thüringen e. V., das ist der Deutsche Schwerhörigenbund e. V. und es gibt natürlich die Option – und das sage ich hier an der Stelle auch noch mal sehr deutlich –, dass perspektivisch alle anderen großen Verbände – ob das die Lebenshilfe ist, ob das die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege ist und, und, und – auch Mitglied in diesem Interessenverband werden, um bei der Umsetzung dieses Gesetzes eine starke Interessenvertretung zu sein, auch für Menschen mit Behinderung.
Wir haben uns also entschieden, dieses hier als Koalition in einem Änderungsantrag mit auf den Weg zu geben. Ich bitte darum, diesen Beschluss auch gemeinsam zu fassen.
Die CDU-Fraktion hat am gestrigen Tag ebenfalls noch einmal einen Änderungsantrag auf den Weg gebracht. Wir werden ihm als Koalitionsfraktionen zustimmen. Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion zielt darauf ab, dass im III. Quartal 2019 dem Landtag ein Evaluierungsbericht für den Gesetzentwurf zugeführt wird. Ich denke, das ist gut und richtig, die Landesregierung wird die Möglichkeit nutzen– so gehe ich davon aus –, vor allen Dingen auch darüber zu berichten, wie die Vereinbarungen, wie die Verhandlungen zu den Rahmenverträgen in den zurückliegenden Monaten auf den Weg gebracht worden sind und welche Wirkungsweise das dann verabschiedete Gesetz wirklich entfaltet hat. Ich denke, das ist eine gute Variante. Wir hätten uns gefreut – und das sage ich an der Stelle auch –, wenn wir vielleicht diesen Änderungsantrag auch schon im Ausschuss gemeinsam hätten diskutieren können. Nun sei es so, nun ist es so, nun werden wir ihn heute hier positiv mit abstimmen, damit es ein gutes Gesetz gibt für Menschen mit Behinderung, für die örtlichen Träger der Behindertenhilfe. Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Danke schön.