Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, sehr geehrte Zuhörerinnen! Herr Herrgott, Haltung zeigen ist keine Kompetenzüberschreitung. Das hat beispielsweise der Oberbürgermeister der Stadt Mühlhausen, Herr Bruns, sehr eindrucksvoll letzte Woche bewiesen.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde „Moralischer Druck auf Thüringer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister durch die Beauftragte für In
tegration, Migration und Flüchtlinge“ wirft ein sehr bezeichnendes Licht darauf, was Sie von den Thüringer Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern halten, sehr geehrte Damen und Herren der CDU. Es wirft ein bezeichnendes Licht darauf, wie wenig Sie ihnen zutrauen, sich zur Bitte, einen Brief zu unterstützen, selbstbewusst positionieren zu können und möglicherweise auch Nein sagen zu können, wenn sie den Inhalt nicht teilen. Inhalt des Briefs, Herr Herrgott, ist nicht, was Sie eben vorgelesen haben, dass sich Städte und Gemeinden bereit erklären sollten, Geflüchtete aufzunehmen.
Inhalt des Briefs ist – ich habe den gelesen –, dass Mirjam Kruppa daran erinnert, worauf die Europäische Union begründet ist, nämlich auf der Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität und der Wahrung der Menschenrechte, und bittet, dieser humanitären Verpflichtung wieder gerecht zu werden.
Mirjam Kruppa hat formuliert: „Wir halten ein deutsches Engagement bei der staatlichen und privaten Seenotrettung für unabdingbar. Dafür haben Sie“ – „Sie“ meint Frau Dr. Merkel – „meine Unterstützung als Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge des Freistaats Thüringen sowie die der folgenden Thüringer Städte und Gemeinden.“ Das, meine Damen und Herren, hält die CDU-Fraktion für – Zitat – „versuchte Politisierung der Kommunen und ihre moralische Nötigung“.
Auch wenn ich das für einen eigentlich ziemlich lächerlichen Versuch halte, das Anliegen zu diskreditieren, meine Damen und Herren, so bin ich doch eigentlich ganz froh, dass Sie, Herr Herrgott und liebe CDU, damit diese Aktuelle Stunde sicherlich ungewollt zu einer orangefarbenen Aktuellen Stunde gemacht haben und die unter „#Seebrücke“ entstandene Bewegung gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung, gegen die Kriminalisierung der Seenotretterinnen und -retter in den Thüringer Landtag holen, dass Sie die Bewegung „Seebrücke“, die sich gegen das Sterbenlassen auf dem Mittelmeer einsetzt, hierher ins Plenum holen.
Im ersten Halbjahr 2018 ist von den Menschen, die die gefährliche Flucht über das Mittelmeer gewagt haben, jeder Siebente gestorben. Noch 2017 war es einer von 38, heute ist es einer von sieben Menschen, die diesen Fluchtweg wählen. Bis Ende Juli waren es schon mehr als 1.500 Tote. Das, meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, ist der moralische Druck, dem wir nachgeben müssen und den
wir auf europapolitisch Verantwortliche – und zu denen gehört zweifellos die Bundesrepublik Deutschland – ausüben müssen.
Weil zunächst vor allem über ablehnende Stimmen von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern berichtet wurde, habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Astrid Rothe-Beinlich vorige Woche begonnen, noch andere Unterstützung für den Brief von Mirjam Kruppa zu organisieren, nämlich in Form einer Unterschriftensammlung, für die öffentlich zu werben Sie mir mit Ihrer orangenen Aktuellen Stunde die Gelegenheit geben – danke schön dafür –,
eine Unterschriftensammlung mit dem Aufruf an Frau Dr. Merkel für sichere Fluchtwege, für die Entkriminalisierung der Retterinnen und Retter, für eine menschenwürdige Aufnahme geflüchteter Menschen in Europa, für die Seebrücke und ihre Forderung „Schafft sichere Häfen“.
Im Namen meiner Fraktion möchte ich Mirjam Kruppa Danke sagen für diese Initiative. Im Namen meiner Fraktion möchte ich unseren Respekt und Dank all jenen gegenüber ausdrücken, die sich für Seenotrettung engagieren, allen, die der Diskreditierung der Seenotrettung als falsche Anreize – Herr Herrgott, das ist AfD-Sprech – entgegentreten. Ich möchte allen, die unter dem Label der „Seebrücke“ der Kriminalisierung ausgesetzt sind, wie es zum Beispiel Herrn Kapitän Claus-Peter Reisch von der „Lifeline“ gerade passiert, der heute den Thüringer Landtag besucht hat,
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, es liegt für meine Fraktion und mich auf der Hand, dass Frau Kruppa mit ihrer Briefaktion nicht nur ihre Kompetenzen überschritten hat, sondern auch an der Demontage des Rechtsstaats mitarbeitet,
die heute allerorten von unseren Regierungspolitikern auf Landes- und Bundesebene betrieben wird. Der Rechtsstaat, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sieht klare Kompetenzzuweisungen an die verschiedenen Gebietskörperschaften vor. Auch für die Kommunen ist rechtlich geregelt, was sie im Rahmen des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises tun müssen und tun dürfen.
Zu den Zuständigkeiten der Thüringer Kommunen gehören weder die Fragen der europäischen Grenzsicherungspolitik noch die des Umgangs mit Migranten im Mittelmeer. Wenn ich mir nun den kruden Brief von Frau Kruppa noch mal vor mein geistiges Auge ziehe, dann muss ich fast vermuten, dass sie die fein abgestimmten Strukturen und Prozesse unseres Rechtsstaats nicht in der Lage ist zu entflechten. Wenn sie es aber doch ist – Frau Kruppa –, dann ist der Versuch, Amtsträger für ihre eigene migrationspolitische Agenda zu instrumentalisieren, ein politischer Skandal.
Dann muss ich dieser Dame entschieden die Fähigkeit absprechen, staatlicher Funktionsträger zu sein.
Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, dass Kruppas Ansinnen bei den Bürgermeistern und Landräten überwiegend auf Ablehnung stieß, ist also völlig berechtigt. Unsere Bürgermeister und Landräte haben Vorschläge, Aufforderungen und Belehrungen einfach nicht nötig, die allein aus den Quellen einer irrlichternden Hypermoral gespeist sind.
Ja, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, unsere Bürgermeister und Landräte erleben nämlich jeden Tag – und mit ihnen ihre Bürger vor Ort – das Scheitern von Politprojekten, die ohne rationale Folgeabschätzung von gefühlsbesoffenen Gesinnungsethikern in die Wege geleitet werden.
Rationale Folgeabschätzung – das sei all denen hier im Hohen Hause ins politische Stammbuch geschrieben, die die Politik der offenen Grenzen, die federführend von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu verantworten ist, beklatschen – heißt zur Kenntnis zur nehmen, dass nach neuesten Umfragen etwa zwei Drittel der Afrikaner grundsätzlich bereit und willens sind, ihre Länder zu verlassen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete – zwei Drittel von 1,2 Milliarden Menschen.
Kein europäischer Politiker, der eine europäische Zukunft will, darf überhaupt noch ernsthaft erwägen, weitere afrikanische Zuwanderung über die europäische Grenze zuzulassen.
Wir müssen Europa, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, in dieser Lage, ob wir es wollen oder nicht – ich sage in dieser Lage, in dieser weltdemografischen Lage und mir wäre eine andere weltdemografische Lage wahrlich lieber –,
Wenn wir das nicht tun und wenn wir unsere Politik nicht danach ausrichten, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, dann werden wir einen Kultur- und Zivilisationsbruch historischen Ausmaßes erleben. Das möchte ich nicht und das möchte die AfD nicht.
Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, Frau Kruppa, der Integrationsbeauftragten des Freistaats Thüringen stehen Vorschläge, Aufforderungen und Belehrungen schlicht nicht zu. Ich habe das in einem Schreiben an die Bürgermeister und Landräte des Freistaats deutlich zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen ist auch aufschlussreich, wie Abgeordnete der Linken und der Grünen mit dem Fall umgehen. Eine stand ja gerade hier vorne am Rednerpult. Die Kolleginnen Berninger und Rothe-Beinlich sprangen der Integrationsbeauftragen – wen wundert es – mit Schaum vor dem Mund reflexartig bei.