Und wenn wir schon mal bei Zeitabläufen sind, Herr Fiedler – und das haben Sie ja eben auch bei der Abgeordneten Scheerschmidt mit Lächeln quittiert, dass Sie hier doch selbst initiativ geworden wären und nicht auf Initiativen anderer reagieren –, wenn wir schon bei Zeitabläufen sind – Ihr Antrag ist vom 12. April –, dann hätten Sie vielleicht auch zur Kenntnis nehmen können, dass die Online-Plattform „CORRECTIV“ bereits am 6. April eine Statistik für sieben Bundesländer, darunter Thüringen, veröffentlicht hat, beginnend mit dem Jahr 2011, aus der auch die Zahlen für Thüringen hervorgehen. Das, was ich Ihnen jetzt hier vorwerfe, ist doch, dass Sie mit Ihrem Antrag suggerieren, dass wir eine Statistiklücke haben, die wir in Thüringen nicht haben, und zweitens, dass daraus eine Sicherheitslücke resultiert und die existiert auch in diesem Fall einfach nicht. Deswegen müssen wir auch genau hinter ihre Forderungen nach einer Statistik für Messerangriffe schauen, was dort eigentlich wie erfasst wird und wie aussagekräftig das eigentlich ist. Denn wir haben natürlich die Zahlen. Ich sage auch gleich etwas zur Zahlenentwicklung in dieser Statistik für Thüringen, aber auch für
andere Bundesländer. Denn wir haben natürlich eine erhebliche Unschärfe in dieser Statistik, weil beispielsweise bei schweren Körperverletzungen, bei Mord und Totschlag das Merkmal „Tatmittel Messer“ mit erfasst wird, auch wenn dieses selbst nicht eingesetzt wird, sondern nur sichtbar am Hosenbund getragen wird. Das hilft uns aber nicht in der Auswertung. Das hilft uns auch nicht in der Entwicklung von Konzepten, um solche Angriffe zu vermeiden. Da müssen wir tatsächlich über andere Kriterien reden, da müssen wir über Schutzausrüstung reden, da müssen wir über Ursachenforschung reden; darauf will ich aber noch mal hinweisen. Deswegen ist es auch falsch, diese Statistik allein zur Grundlage von Entwicklungen zu nehmen, weil genau solche Unschärfen, wie ich sie benannt habe – Messer als Tatmittel, auch wenn es nicht zum Einsatz kommt –, in dieser Statistik mit enthalten sind.
Nun haben Sie mehrfach gesagt, dass die Wahrnehmung so ist, dass die Messerattacken massiv zugenommen haben, und haben gleichzeitig eingeräumt, dass Ihnen eigentlich die Basis fehlt. Ich habe Ihnen gesagt: Die Basis, um das festzustellen, ist eigentlich vorhanden, und Sie können das für Thüringen feststellen. Wir haben in der Tat in den letzten fünf Jahren eine Zunahme von Straftaten, bei denen das Messer mitgeführt, eingesetzt oder dessen Anwendung angedroht worden ist. Aber wir haben 2017 auch einen Rückgang von Straftaten, bei denen im Prinzip das Messer eingesetzt, angedroht oder mitgeführt worden ist.
Was wir aber dabei tatsächlich mal mit berücksichtigen müssen – und zwar hatten wir 2017 364 dieser Straftaten –, ist, dass dies lediglich 10 Prozent der Straftaten der gefährlichen und schweren Körperverletzung darstellen. Das heißt, wir haben 90 Prozent Straftaten der schweren und gefährlichen Körperverletzung, bei denen ganz andere Tatwaffen zum Einsatz kommen: Kanthölzer, Schusswaffen, andere Stichwaffen, die keine Messer sind, der berühmte stumpfe Gegenstand, den Sie aus jeder Tatortreihe kennen. Wenn wir das in der Diskussion um Gewaltstraftaten praktisch einfach vernachlässigen, dann blenden wir 90 Prozent der Körperverletzungsdelikte in Thüringen und auch bundesweit einfach aus. Deswegen sage ich Ihnen: Es ist auch der falsche Fokus, den Sie hierbei haben – und da schließe ich mich auch den Vorrednern an, die unter anderem den Innenminister von Sachsen-Anhalt zitiert haben, der eben auch darauf verwiesen hat, dass das für die Straftatprävention im Prinzip wenig Sinn macht.
Dann komme ich auch zu einer Diskussion, die mir in dem Zusammenhang auch noch auffällt. Das hat zwar von Ihnen keiner benannt, aber im öffentlichen Raum spielt das eine große Rolle: nämlich die Diskussion um das Strafmaß bei Straftaten der gefährlichen Körperverletzung, bei denen Messer zum Einsatz kommen. Natürlich ist das kein Kavaliers
delikt, natürlich ist jede Gewaltstraftat eine Straftat zu viel – und dabei ist es mir gleich, mit welchem Gegenstand die verübt worden ist oder ob überhaupt ein Gegenstand mit eingesetzt worden ist. Aber wir haben in diesem Bereich einen hohen Strafrahmen – nämlich von bis zu zehn Jahren Haft bei gefährlicher Körperverletzung, bei versuchtem Todschlag oder Mord sehen die Strafrahmen bekanntermaßen noch mal ganz anders aus. Und da ist es eben nicht sachgerecht – weil eben für den präventiven Bereich auch wirkungslos – zu sagen: Wir müssen den Strafrahmen erhöhen. Der Strafrahmen ist ausreichend, man muss möglicherweise tatsächlich eine Diskussion darüber beginnen, ob der zur Verfügung stehende Strafrahmen auch wirklich immer sachgerecht zur Anwendung kommt. Aber das ist eine andere Diskussion.
Wenn wir per Gesetz einfach den Strafrahmen erhöhen, aber im Prinzip die tatsächlichen Strafen andere sind, nämlich unverändert gegenüber denen in der Vergangenheit – woraus sich auch schon in der Vergangenheit keine präventive Wirkung abgezeichnet hat, wenn ich mal darauf hinweisen darf –, kommen wir doch nicht zu dem Ergebnis, dass die schweren und gefährlichen Körperverletzungsdelikte im Jahr 2016 in Thüringen insgesamt um fast 30 Prozent zugenommen haben, obwohl in diesem Zeitraum der Anteil der Angriffe mit Messern eben nicht in gleichem Maße zugenommen hat. Insofern will ich hier noch mal auf Ihre schräge Argumentation verweisen.
Nun habe ich gesagt: Sie suggerieren mit Ihrem Antrag eine Sicherheitslücke. Das haben Sie versucht, deutlich zu machen, und das ist auch aus Ihrem Antrag herauszulesen, denn Sie sagen: Eine solche Statistik ist Voraussetzung, um Polizeibeamte zu schützen. Herr Fiedler, da sage ich Ihnen: So wenig Sachverstand von polizeilicher Arbeit hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Nicht die Statistik ist Voraussetzung dafür, Polizeibeamte zu schützen, sondern unter anderem das, was diese Landesregierung gemacht hat, nämlich die Ausstattung von Polizeibeamten mit Schutzausrüstung,
mit stichsicheren Westen, um sie im Einsatz tatsächlich vor Angriffen zu schützen. Eine zweite Maßnahme, um Polizeibeamte vor tätlichen Angriffen mit Messern zu schützen, ist eine Ausbildung, die auf Deeskalation setzt, aber natürlich auch auf die robuste Gegenwehr, wenn es zum Angriff kommt. Ein dritter Aspekt ist, tatsächlich über Ursachen zu diskutieren, wissenschaftlich zu analysieren und Präventionskonzepte zu erarbeiten, die sich gegen Gewaltstraftaten an sich wenden, sich aber nicht ausschließlich gegen die Anwendung von Messern oder das Mitführen von Messern rich
Deswegen ist es richtig, dass wir die Frage stellen – so wie der Abgeordnete Adams oder auch die Kollegin Scheerschmidt: Was soll denn eigentlich der Mehrwert dieser Statistik sein. Da will ich abschließend noch mal den Vorsitzenden des Bundes der deutschen Kriminalbeamten zitieren, André Schulz, der sagt: „Grundsätzlich sind belastbare Daten natürlich immer von Vorteil, aber die Umsetzung dürfte nicht einfach sein, da man eine gefährliche Körperverletzung mit zahlreichen Gegenständen oder auch in anderer Begehungsform erfüllen kann. Hier die entsprechenden Pflichtfelder bei der Erfassung einzuführen, ginge zwar, ist aber verhältnismäßig aufwändig.“ Und weil es genau diese Unterscheidung in „wirkliche Androhung“, „Einsatz“, „mitgeführt“ braucht, ist die Frage: Lohnt dieser Aufwand tatsächlich für das Ziel, das wir verfolgen – Gewaltstraftaten in der Gesellschaft zu minimieren, Polizeibeamte, aber auch andere Menschen vor tätlichen Angriffen zu schützen? Da habe ich erhebliche Zweifel.
Ein Erkenntnisgewinn ist eine solche Statistik immer. Deswegen gibt es diese Statistik in Thüringen, deswegen hat der Innenminister gesagt: Wir werden das verfeinern, wir werden das fortführen, es in die PKS integrieren. Deswegen hat der Innenminister auch zugesagt, den Antrag von Baden-Württemberg bei der Innenministerkonferenz mit zu unterstützen. Deswegen, Herr Fiedler, ist Ihr Antrag auch überflüssig. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe junge Menschen auf der Tribüne! Es ist schon interessant – und ich hoffe, dass es auch für Sie interessant sein wird, hier der Debatte zuzuhören –, wie von der einen Fraktion oder zwei Fraktionen oder drei Fraktionen versucht wird, alles runterzureden, die nicht wahrnehmen wollen, was in der Öffentlichkeit passiert, die das einfach negieren,
die sich darum streiten, ob die Henne oder das Ei eher da war, anstatt zur Kenntnis zu nehmen, dass sich hier in letzter Zeit einfach ganz massiv ein neues Phänomen aufgetan hat.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jede Straftat ist eine zu viel! Haben Sie nicht zugehört?)
Wir waren gestern gemeinsam beim Beamtenbund, es waren auch ein paar Fraktionsvorsitzende da, ich war auch da, und dort hat unter anderem der Herr Liebermann gerügt oder sehr deutlich gemacht – ich weiß schon, warum der Kollege Adams heute so mutig ist –, wenn schon in der Öffentlichkeit „ACAB“ verwendet wird – alle Cops sind …, ich lasse den Rest weg, weil mich das anwidert – und Fraktionsvorsitzende das einfach verwenden, ist das schon ein starkes Stück. Dass das tief trifft, das ist mir schon klar.
Nein. Da geht es los, dass man hier wirklich anfängt zu relativieren, nach hinten zu schieben und gar nicht darüber zu reden, meine Damen und Herren. Deswegen sage ich Ihnen ganz eindeutig: Wir werden auch den Thüringer Innenminister unterstützen, wenn das gewünscht ist, damit er hier auch Dinge entsprechend durchführen kann, die wir für richtig erachten. Sie können das ja durchaus anders sehen. Von Herrn Dittes hatte ich es sowieso nicht anders erwartet. Ich erinnere Sie nur daran, als es um die Bodycams ging. Wer war denn ausdrücklich dagegen, dass die Polizisten mit Bodycams ausgerüstet werden? Das waren Adams und
wenn sie dem gegenüberstehen und es wird dokumentiert. – Ich hörte eine Kampfhenne, was haben Sie gesagt, ich habe es nicht verstanden?
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie müssen sich nicht beim Präsidenten ent- schuldigen, sondern bei der Abgeordneten!)
Wissen Sie, was ich machen muss, können Sie mir überlassen, Herr Kollege Harzer. Das entscheide immer noch ich!
Jetzt, meine Damen und Herren, habe ich noch ein paar Dinge zu sagen, die ich mir aufgeschrieben habe. Deswegen will ich noch mal darauf zurückkommen, vielleicht wird es dann dem einen oder anderen klar, was wir eigentlich wollen.
Meine Damen und Herren, wie viele Messerattacken gibt es in Deutschland und steigt die Zahl solcher Delikte? Diese Fragen werden derzeit heftig diskutiert, aber Statistiken geben allenfalls bedingt Auskunft. Wenn Sie mir vielleicht zuhören könnten und wollten?