Es ist aus verschiedenen Richtungen beschrieben worden, was im Bericht steht. Ich begrüße übrigens an dieser Stelle auch den Landesbeauftragten Herrn Dietrich, der der Debatte hier im Raum auch folgt. Nach Lesen des Berichts gibt es drei Punkte, die sich daraus für mich ableiten. Das eine ist, dass ich wirklich sagen muss, dass die Arbeit der IMAG ganz offensichtlich in den letzten drei Jahren, aber ganz besonders im letzten Jahr einiges erreicht hat. Und das auch im Zusammenhang mit Parlamentsbeschlüssen, die wir hier zum Teil als Koalitionsfraktionen aber auch – und das ist mir oftmals gerade bei diesem Thema sogar noch viel wichtiger – mit der CDU zusammen gefasst haben, die die Landesregierung beauftragt oder sie unterstützt haben bei Vorhaben auf Bundesebene und Bundesratsinitiativen. Der Bericht zeigt also, dass es möglich ist, Dinge zu bewegen, dass es möglich ist, Mehrheiten zu finden.
Liebe Frau Herold, wenn Sie von juristischen Spitzfindigkeiten und Mehrheitsfindungen reden, die aus Ihrer Sicht nicht nötig sind, dann frage ich mich, gerade wenn durch bestehende Gesetze Ungerechtigkeiten nach wie vor oder erneute Ungerechtigkeiten gerade für Menschen bestehen, die Opfer geworden sind: Wie sollen die denn geändert werden, wenn nicht durch Mehrheiten? Das ist Teil dieser Demokratie, dass es natürlich im parlamentarischen Ablauf Mehrheiten braucht, um Veränderungen zu erzeugen. Deswegen kann ich nur ganz besonders dem Ministerpräsidenten und auch der Staatssekretärin Frau Dr. Winter meinen Dank dafür aussprechen, dass sie unermüdlich sind – gerade in der Frage der Zwangsausgesiedelten – zum Finden von Mehrheiten durch die MPK-Ost und dann eben auch für den Bundesrat. Man sieht eben auch: Das ist die Grenze dessen, was man als einzelnes Bundesland erreichen kann. Das sieht man am Beispiel der Zwangsausgesiedelten, denn genau da sind wir an dem Punkt, dass das Problem erkannt ist, wir kennen die Folgen davon. Ich selbst treffe mich alle drei Monate mit Marie-Luise Tröbs, der Präsidentin des Bundes der Zwangsausgesiedelten, zu sehr regem Austausch. Wir reden bei jedem Treffen zwei bis drei Stunden miteinander und das ist natürlich nicht nur für sie, sondern auch für mich jedes Mal eine sehr emotionale Begegnung.
Wir kennen im Endeffekt die Stellschrauben, wo wir einhaken müssen, aber uns fehlen die Mehrheiten dafür. Das ist eine Frustration, die sich auch bei mir in gewisser Weise breitmacht, wo es nicht nur darum geht, dass man auf Landesebene Dinge tun kann – denn auch da muss man sagen, dass Thüringen natürlich in den Jahren 1997 bis 2000 schon
im Bereich der Zwangsausgesiedelten eine Sonderregelung getroffen hatte und durch die Stiftung Zwangsausgesiedeltenhilfe pauschale Beträge von damals 4.000 DM an Zwangsausgesiedelte ausgezahlt hat. Das ist ein Novum, das ist in Deutschland bzw. in den ehemaligen ostdeutschen Bundesländern sonst nicht passiert. Das ist sozusagen nur in Thüringen passiert. Aber es gibt eine Problematik, die auf Bundesebene geklärt werden muss. Das hat auch etwas damit zu tun, dass nach wie vor nicht geklärt ist, was denn eigentlich mit dem Entschädigungsfonds auf Bundesebene ist, in den auch die Zwangsausgesiedelten im Zuge ihrer Rehabilitierung einzahlen mussten, also nach ihrem Rehabilitierungsprozess, nach der Wende. Wir haben nach wie vor das Problem, dass aufgrund von steuerrechtlichen, finanzrechtlichen Dingen, die auf Bundesebene liegen, viele Zwangsausgesiedelte, wenn es darum geht, für ihre enteigneten Besitztümer entschädigt zu werden, keine Bescheide bekommen. Diese Rechtsproblematik ist keine Problematik, die das Bundesland Thüringen allein lösen kann, so gern es das wollen würde. Genau dafür braucht es die Zusammenarbeit mit den anderen ostdeutschen Bundesländern. Ich bin sehr froh, dass es zumindest in Sachsen-Anhalt Hoffnung gibt, insofern dass die dortige Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur ein Forschungsprojekt an der Uni Halle/Wittenberg angeregt hat, um genau diese juristische Frage zu klären. Ich hoffe, dass wir das auch weiter verfolgen können.
Ich kann Bodo Ramelow und Babette Winter und natürlich die restliche Landesregierung nur bitten – und weiß auch, dass sie das tun werden –, an diesen Sachverhalten weiter dran zu bleiben, weil ich glaube, wir können nicht länger warten – das ist auch mehrfach gesagt worden. Denn das, was ganz ernsthaft passiert, ist, dass die Menschen immer älter werden. Irgendwann sterben sie, ohne dass sie jemals wirklich ernsthaft entschädigt wurden. Sie sind zwar quasi per Blatt rehabilitiert, aber sie sind nie entschädigt worden für die Immobilien, für die Grundstücke und natürlich auch nicht für die seelischen Schmerzen und für das Trauma und die Traumata, die sie erlitten haben. Ich finde, da noch mal wirklich eindringlich weiterzudiskutieren, ist auch eine Aufgabe von uns Parlamentariern, weil wir alle Verbindungen in die anderen Bundesländer haben, in die anderen Länderparlamente, da einfach noch mal weiter versuchen zu sensibilisieren.
Ich kann das auch von mir sagen: Ich habe mittlerweile den dritten Ansprechpartner in meiner eigenen Bundestagsfraktion; also auch da. Es liegt auch in den einzelnen Fraktionen daran, dass es in dem Fall ein sehr krasses, kompliziertes Rechtskonstrukt ist, wo wir, glaube ich, nur gemeinsam weiter daran arbeiten können. Da würde ich gerne – also demzufolge noch mal beispielhaft –, an die
Kolleginnen und Kollegen appellieren, auch in den anderen Bundesländern dafür weiter zu sensibilisieren, weil ich glaube, die Chancen stehen auch mit der Entfristung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze ganz gut, um da die Voraussetzungen geschaffen zu haben, um daraus abzuleiten, eine Lösung für die Zwangsausgesiedelten zu finden.
Aber wie ich bereits eingangs gesagt habe: Ich finde es wirklich bemerkenswert, was wir innerhalb des letzten Jahres – besonders auch mit Unterstützung des Parlaments – gerade auf Bundesebene in diesem Bereich geschafft haben.
Ich will aber einen Punkt noch mal sagen, der mich wirklich nach wie vor auch ein bisschen ärgert: Das ist die Frage der BStU-Außenstellen. Wir haben – und auch das wird in dem Bericht natürlich erwähnt – hier eine Debatte gehabt. Es kam zu einer Situation – die für mich nach wie vor unergründlich ist –, in der die gemeinsamen Aktivitäten zwischen Koalitionsfraktionen und der CDU nach einem Gespräch mit Roland Jahn irgendwie auseinandergedriftet sind. So richtig habe ich nach wie vor nicht verstanden, warum das eigentlich damals passiert ist, weil ich trotz alledem glaube, dass wir im Kern die Intentionen teilen. Das hat Herr Wirkner ja heute auch noch mal vorgegeben. Aber ich muss eben feststellen, dass es damals in der Debatte dazu eine Aussage gab, die hieß, wir müssen das jetzt alles sofort entscheiden und machen und tun, weil der Bundestag wird noch vor der nächsten Bundestagswahl über ein Konzept entscheiden – das hat auch Roland Jahn uns so gesagt –, woraufhin ich zumindest immer wieder darauf verwiesen habe, dass der Beschluss im Bundestag eine völlig andere Formulierung hatte, nämlich dass genau das nicht passiert, und dass der Bundestag beschlossen hat, eine Entscheidung über die Ergebnisse der Expertenkommission zur Zukunft der Stasiunterlagenbehörde eben nicht mehr in der jetzt nunmehr letzten Wahlperiode beschließen wird, sondern darüber nachdenkt, das in dieser zu beschließen. Ich kann nur hoffen – und auch das hatte Herr Wirkner ausgedrückt –, dass dies auch wirklich passiert und dass man nicht sagt: Jetzt lassen wir das alles der Diskontinuität anheimfallen und jetzt ist uns das alles nicht mehr wichtig.
Ich glaube, da haben wir unsere Landesregierung – Gott sei Dank – auch im Rücken, zu wissen, dass es weiterhin wichtig sein wird, sich genau auf diesem Gebiet zu engagieren. Im Übrigen liegt das Konzept, was Roland Jahn vorlegen soll – dazu ist er ja beauftragt worden –, was auch die Frage der Überführung des Archivmaterials in das Bundesarchiv berührt – was nicht bedeutet, dass die Akten quasi nach Berlin wandern, sondern dass einfach die Überführung in das Bundesarchiv passiert –, auch noch nicht vor. Ich würde mich freuen, wenn wir vielleicht wieder gemeinsam mit der CDU in ei
Es ist schon gesagt worden, dass die IMAG wirklich viel, auch interdisziplinär erreicht hat. Ich war auch an einigen Veranstaltungen der Veranstaltungsreihe „Was auf der Seele brennt“ und auch da war zu merken, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung alle anwesend waren, dass quasi mit den Opfern, mit Interessierten, mit Historikern darüber debattiert wurde, was möglich ist und was nicht – und das in einer sehr ruhigen Umgebung auf Augenhöhe. Auch das hat mich sehr berührt, denn es beweist für mich einmal mehr das, was ich auch immer wieder sage: Aufarbeitung ist kein abhakendes Element. Das heißt, Aufarbeitung funktioniert nicht, indem man sagt: „So, wir machen jetzt das, haken das ab und jetzt haben wir das irgendwie erreicht“, sondern Aufarbeitung ist ein Prozess. Meine Erfahrung ist, wenn ich mit Opferverbänden spreche – und das mache ich auch sehr regelmäßig –, dass Aufarbeitungen vor allem langfristige Prozesse sind, die Vertrauen brauchen und die einen geschützten Raum brauchen.
Deswegen kann ich vielleicht sogar ein bisschen nachvollziehen, wenn – wie hier in dem Bericht beschrieben – unter dem Punkt der AG Christen, die ins Leben gerufen wurde, hier im Bericht noch mal erwähnt wurde, dass sozusagen von der Partei Die Linke mehr Öffentlichkeit erwartet wird zu der Frage „Christen in der DDR“. Aber da kann ich auch nur darauf verweisen: Ja, man kann darüber nachdenken, man kann aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir bereits vor den 2000ern in der Reihe „Kultur neu denken“, die meine Vorgängerin Birgit Klaubert damals noch mit der Bundestagsfraktion zusammen gemacht hat, eine Veranstaltung hatten mit dem Titel „Über Gott reden“. Dabei ging es nicht nur um das Verhältnis von der Partei – damals noch, glaube ich, sogar PDS oder Die Linkspartei.PDS – zu Religion und Christentum, sondern es ging sozusagen auch um die Frage „Rückblick auf die DDR“ und um die Frage der SED-Aufarbeitung.
Das sind Dinge, die man einfach auch mal zur Kenntnis nehmen muss, und das sehe ich auch als meine Aufgabe an, da den Kontakt noch mal zu intensivieren. Mit Christhard Wagner treffe ich mich natürlich regelmäßig und der weiß das auch und er weiß auch um die Bemühungen auf diesem Gebiet. Aber das sind Dinge, die ich völlig gerechtfertigt finde, sie in einem solchen Bericht zu lesen, man muss sie dann aber, glaube ich, auch ein bisschen in Relation stellen. So viel vielleicht.
Dann ist mir ein Anliegen noch ganz wichtig zu sagen. Da geht es mir wieder um die IMAG, weil ich hoffe, dass es im Zweifelsfalle auch nach dieser Legislatur eine Fortführung dessen gibt, egal wer da Regierungsverantwortung trägt. Aber ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass es in der IMAG
„Aufarbeitung“, auch wenn es eben eine Interministerielle Arbeitsgruppe ist, eine Möglichkeit und einen Raum gibt, dass parlamentarische Vertreterinnen und Vertreter mitwirken. Denn es ist natürlich so: Wir lesen alle den Bericht und es gibt im Zweifel Dinge, wo wir im Entstehungsprozess vielleicht auch noch einen Impuls hätten reingeben können oder einfach auch die Frage noch mal hätten anders betrachten können oder einfach als Verbindung und als Brücke auch zu den Menschen noch verstärkter hätten agieren können. Das würde ich mir einfach wünschen, dass wir oder die Landesregierung auch mal bitten, darüber nachzudenken, ob man dieses Format, also die IMAG, sozusagen an ein weiteres Format andockt, um auch noch ein bisschen mehr den Bezug zum Parlament herzustellen. Denn – und das ist völlig klar – Aufarbeitung und auch ein Stück weit Versöhnung sind eine Gemeinschaftsaufgabe von logischerweise nicht nur Zivilgesellschaft, sondern von Landesregierung und Parlament, und zwar egal, welcher Couleur. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich mich auch sehr erfreut darüber zeigen, dass wir heute diesen dritten Bericht im Plenum beraten und ich darf mich meinen Kolleginnen Astrid Rothe-Beinlich und Katja Mitteldorf anschließen: Wir waren auch sehr positiv überrascht, Herr Wirkner, dass Sie uns den Bericht unserer Landesregierung nochmals so positiv vorgestellt haben und damit hier auch zeigen, dass Sie dahinterstehen und das alles unterstützen.
Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt ein Zitat noch mal wiederholen möchte, das Frau RotheBeinlich schon angesprochen hat: „Die Aufarbeitung der SED-Diktatur in all ihren Facetten ist weder überflüssig noch rückwärtsgewandt. Aufarbeitung ist fester Bestandteil der demokratischen Kultur von morgen, sie bleibt ein fester Bestandteil des täglichen Wirkens von Landtag und Landesregierung im Freistaat Thüringen.“ Diese beiden Sätze stammen aus dem im Februar vom Landtag gefassten Beschluss zum PMO-Vermögen, sind aber auch nahezu gleichlautend im Koalitionsvertrag von Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen verankert. Für mich zeigt das Zitat, was unser gemeinsames Bestreben bei der Aufarbeitung ist und was es
auch sein muss: die Erinnerung an Unrecht, Unterdrückung und Repressionen wachzuhalten, dem Vergessenwollen und der Schwamm-drüber-Mentalität von leider allzu vielen Mitmenschen aktiv zu begegnen und die Ergebnisse des Erinnerns an die SED-Diktatur für unser heutiges und künftiges Zusammenleben in einer freiheitlichen Demokratie nutzbar zu machen. Die Regierungskoalition und mit ihr die Landesregierung stellen sich ganz bewusst und engagiert all diesen Aspekten der Aufarbeitung. Zeugnis davon ist der aktuelle Bericht der Landesregierung, der hier vorliegt und der die Aktivitäten auf dem Gebiet der Aufarbeitung aufzeigt. Und er tut dies sehr umfangreich und sehr differenziert für die einzelnen Politikbereiche, übergreifenden Fragestellungen und Schwerpunktthemen, Projekte und Aktivitäten. Mit Blick auf diesen aktuellen – wie gesagt schon dritten – Bericht lässt sich sagen, dass sich die Einrichtung der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Aufarbeitung“ gelohnt und bewährt hat.
Unter dem Vorsitz von Staatssekretärin Dr. Winter kommt es in der IMAG zu einer aus meiner Sicht sehr effizienten Bündelung und Koordinierung einer Vielzahl von Einzelinitiativen der Ministerien, der nachgeordneten Landesbehörden sowie weiterer Einrichtungen in öffentlicher oder privater Hand zu verschiedenen Facetten der Aufarbeitung. Gleichzeitig findet dort ein beständiger Austausch über die allgemeinen Zielsetzungen des eigenen Handelns statt, über Leitfragen der Aufarbeitung und die notwendigen wie auch realistisch erwartbaren gesellschaftlichen Erkenntnisprozesse und -gewinne. Ich möchte daher der IMAG und all ihren Mitgliedern an dieser Stelle für meine Fraktion für ihre bisher geleistete Arbeit ganz herzlich danken.
Die IMAG ist aus meiner Sicht eine zentrale Impulsgeberin und Koordinatorin für die Aufarbeitungsaktivitäten im Freistaat und daran zeigt sich, dass es gut und richtig gewesen ist, dieses Gremium gleich zu Beginn der Legislaturperiode einzurichten.
Lassen Sie mich ganz kurz zum IMAG-Bericht selbst kommen. Ich will dabei gar nicht die vielen Initiativen und Projekte referieren, die es in den unterschiedlichen Politikbereichen und Handlungsfeldern in diesem Berichtszeitraum gegeben hat. Darüber ist schon vielfach geredet worden. Auch die Bundesratsaktivitäten, die die Landesregierung dankenswerterweise zugunsten der Opfer von DDR-Unrecht entfaltet hat und beharrlich weiter verfolgt, brauche ich jetzt auch nicht noch einmal erwähnen, weil sie schon Thema waren.
Es geht mir vielmehr darum, einen übergeordneten Gedankengang anzusprechen, nämlich die Frage, wie weit wir unsere Impulse zur Aufarbeitung in die Thüringer Gesellschaft hineintragen können, wie stark dort der Aufarbeitungsgedanke inzwischen verankert ist und welche Resonanz Aufarbeitung dort findet und welches eigenständige zivilgesellschaftliche Engagement zu verzeichnen ist. Ich halte diese Fragestellung für zentral, wenn es darum geht, Aufarbeitung eben nicht nur als selbstverständliche Ziel- und Rahmensetzung des Regierungshandelns zu definieren, sondern auch gerade und insbesondere was den gesellschaftlichen Prozess angeht, der für das demokratische Miteinander bei uns unerlässlich ist. Wenn ich unter dieser Überschrift in den Bericht schaue, dann gibt es auch tatsächlich sehr viel Positives, das angesprochen worden ist – ganz kurz die Stichpunkte: Die Zahl der Fahrten Thüringer Schulen zu Gedenkstätten der SED-Diktatur und der deutschen Teilung sowie zu weiteren außerschulischen Lernorten dieses Themenumfelds hat sich seit 2014 verdreifacht. Zwischen den Schulämtern, den Thüringer Gedenkstätten, Schulen und Einrichtungen der Lehrerbildung findet eine zunehmende Vernetzung und kontinuierliche Zusammenarbeit statt. Es ist schon gesagt worden: An der FSU Jena gibt es in Kooperation mit der Stiftung Ettersberg ein international ausgerichtetes Graduiertenkolleg, das sich der DDR-Forschung aus vergleichender Perspektive widmet und von dem eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Publikationen zu erwarten ist.
Was den Bereich „Christen in der DDR“ angeht, so wird ein Thema in das öffentliche Bewusstsein gerückt, das lange gesellschaftlich kaum Widerhall gefunden hat, aber ein ganz wichtiger Aspekt und ein ganz wichtiges Thema ist, wenn es darum geht, anhand konkreter Einzelbiografien und von Zeitzeugenerlebnissen die Mechanismen von Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung in der SEDDiktatur anschaulich nachvollziehbar und noch mal ganz besonders menschlich deutlich zu machen.
Das sind nur einige von diesen positiven Beispielen zur Aufarbeitung hier in Thüringen. Aber wenn man in den Bericht schaut, dann gibt es natürlich auch immer wieder Dinge, die weniger positiv sind. Man liest im Bericht, dass Veranstaltungen zu wichtigen Aufarbeitungsaspekten weit weniger Besucher finden, als zuvor gedacht, dass sich an einer Umfrage des ThILLM zur Vermittlung von DDR-Geschichte im Unterricht so gut wie keine Geschichts- und Sozialkundelehrer beteiligt haben, dass Thüringer Schulen weit unterdurchschnittlich an Geschichtswettbewerben zum Thema „DDR“ teilnehmen, dass sich Mitläufer und Mittäter der Diktatur oftmals jeder kritischen Aufarbeitung und Distanzierung verweigern und ähnlich Unerfreuliches, was dieser Bericht auch widerspiegelt. Bei vielen SED-Opfern oder Opfern des SED-Unrechts führt dies wiederum –
Aufarbeitung – so finde ich, zeigt der aktuelle IMAG-Bericht deutlich – ist also nach wie vor kein Selbstläufer in Thüringen. Ich glaube, wir stehen immer noch am Anfang der gesellschaftlichen Vergewisserung über die DDR und die Lehren, die sich aus ihrer Existenz und auch aus ihrem Scheitern für unser demokratisches Miteinander ergeben. Es gibt nach wie vor aus meiner Sicht zu wenig eigenständiges, zivilgesellschaftliches Engagement im Aufarbeitungsbereich. Es braucht immer noch – und das wird sich wohl auf absehbare Zeit nicht ändern lassen – den steten Impuls der Landespolitik und das bewusste Anschieben von Projekten, Initiativen und Vernetzungen. Das heißt für uns auch in diesem Landtag, weiterhin dicke Bretter zu bohren, wenn es um die Aufarbeitung geht.
Die Regierungskoalition stellt sich dieser Aufgabe, denn für uns ist Aufarbeitung zentrale Aufgabe und ressortübergreifende Zielstellung. Daher müssen wir von der Landesseite – und das wäre mein ausgesprochener Wunsch – in den kommenden Monaten das Jahr 2019 vielleicht auch noch einmal unter anderen Aspekten stärker in den Fokus rücken. Das kommende Jahr ist nicht nur ein Jahr, das im Zeichen des Bauhausjubiläums steht, sondern mit dem Jahr 2019 sind auch andere Zeitmarken verbunden, nämlich 1949 die Gründung der DDR – 70 Jahre wären es dann, wenn es sie noch gäbe, aber es gibt sie dank der friedlichen Revolution nicht mehr, und die wäre im nächsten Jahr dann 30 Jahre. Das sind beides, glaube ich, ganz hervorragende Gelegenheiten, um der Aufarbeitung der SED-Diktatur noch einmal neue Impulse zukommen zu lassen, damit auch gesamtgesellschaftliche Diskussionen anzustoßen, diese Diskussion nachhaltig zu verankern und damit auch den Opfern und den Erinnerungen Raum und Stimme zu geben.
Lassen Sie mich abschließen: Zukunft erwächst aus Erinnerung. Und nur dann, wenn wir uns der Vergangenheit stellen und wenn wir aus ihr lernen, sind wir in der Lage, die richtigen Weichenstellungen für unser zukünftiges demokratisches Miteinander vorzunehmen. Ich hoffe und wünsche, dass sich daran die demokratischen Parteien in diesem Plenum und in diesem Landtag beteiligen. Danke für die Aufmerksamkeit.
Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Abgeordneter Wirkner, Sie haben keine Redezeit mehr.
Sie können keine Erklärung abgeben. Sie können zu Ihrem Abstimmverhalten eine Erklärung abgeben, wir stimmen aber nicht ab.
Sie können keine Erklärung abgeben. Ich darf jetzt fragen: Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist oder erhebt sich Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann frage ich, ob die Fortsetzung der Beratung in einem Ausschuss erbeten wird. Das ist auch nicht der Fall. Dann schließe ich diesen Tagesordnungspunkt und auch die heutige Plenarsitzung und wünsche allen ein schönes Osterfest.