Heute, Herr Adams, werden wir sehen, wie ernst Sie es damit meinen. Wir machen Ihnen den Vorschlag, geben Sie Gemeinden die Möglichkeit, effektive Alkoholverbote zum Schutz von Ordnung und Sicherheit zu erlassen, wenn es nötig ist. Das entscheiden ja Gemeinden und nicht wir. Oder, Herr Adams, Sie reden sich raus, zum Beispiel damit, dass es ja anderswo in Thüringen Alkoholverbote gibt, weil dort im Gegensatz zu Erfurt noch keiner dagegen geklagt hat, dem das Recht auf öffentliches Besäufnis an allen Orten grundrechtlich wichtiger ist als der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Alkohols und von allen
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Gegensatz zu Ihnen trinken wir gar nicht!)
Bürgern vor Kriminalität, vor Pöbeleien und sonstigen alkoholbedingten Aggressionen. Deswegen bitte ich Sie, Herr Adams, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie auch immer Sie sich entscheiden, überlegen Sie es sich gut, denn ich verspreche Ihnen, Ihre Botschaft wird draußen beim Wähler ankommen. Vielen Dank.
Ich eröffne die Beratung und als erster Redner hat der Abgeordnete Fiedler, Fraktion der CDU, das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Möller, Sie können zwar betonen, es ist kein Wahlkampf für Erfurt, aber es glaubt Ihnen sowieso niemand.
Aber deswegen, nichtsdestotrotz – wenn ich dem, was Sie hier gesagt haben – ich gehe dann noch auf ein paar Punkte ein – folge, dann werden wir vorausschauend alles verbieten. Dann haben wir unsere Ruhe. Ich könnte das auch weiter fortführen: Verbieten wir doch den Alkohol, dann haben wir Ruhe. Das könnte man einfach weiterführen. Aber so einfach geht die Welt nicht, wie Sie sich das hier zurechtzulegen versuchen.
Aber trotzdem will ich hier noch mal einige Punkte benennen. Die AfD will das Ordnungsbehördengesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen ändern, was wir gemeinsam mit der SPD erst im Jahre 2013 in dem § 27a OBG novelliert haben. Das haben wir erst damals eingeführt, weil natürlich die Beschwerden auch aus Erfurt und anderen Ecken des Landes kamen, dass es dort Probleme gibt. Ich will vorwegnehmen, meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion wird Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen, da wir die Notwendigkeit für eine solche Änderung nicht erkennen können. Ich will dort nur einige Punkte nennen. Ich möchte der AfD ja durchaus zugestehen, dass die Intention des Gesetzentwurfs vom Grundsatz her nicht verwerflich ist. Aber das „nicht verwerflich“ heißt noch lange nicht, dass er gut ist. Allerdings stellt sich mir die große Frage, ob die von der AfD vorgetragene Notwendigkeit für die bestehende Gesetzeslage tatsächlich besteht.
Lassen Sie mich zunächst etwas zu der Absichtserweiterung, zu § 27a Abs. 1 OBG sagen: Nach dem Willen der AfD soll es künftig auch an Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs möglich sein, Alkoholverbote zum Schutz von Kindern und Jugendlichen auszusprechen. Zwar ist zutreffend, dass sich Kinder und Jugendliche auf dem Weg zur
oder von der Schule zum Teil an öffentlichen Haltestellen aufhalten, es mag auch vorkommen, dass sie in diesem Bereich mittelbar oder unmittelbar mit dem Konsum von Alkohol in Berührung kommen. Jedoch vermag ich nicht zu erkennen, ob und wie die geplante Erweiterung des Gesetzes tatsächlich zu einer nachhaltigen Problemlösung beitragen soll. Dagegen spricht meines Erachtens zunächst, dass mögliche Verbote wohl nur zu einer Verlagerung des Problems führen würden.
Ungeachtet dessen sind Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs auch jetzt schon nach § 27a Abs. 1 OBG umfasst, wenn und soweit sie in räumlicher Nähe von Einrichtungen liegen, die von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden, also zum Beispiel Haltestellen an Schulen, Horten und Kindergärten, aber auch Freizeitparks und Ähnliches. Auch muss man sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, wie bzw. wer die Verbote überwachen soll, wenn die Ordnungsbehörden Dienstschluss haben. Ein Rückgriff auf die dann zuständige Polizei ist sicherlich kaum zu realisieren bzw. der richtige Ansatz.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auch zwei Sätze zu der geforderten sogenannten Gefahrenvorsorge in § 2 Abs. 1 OBG sagen. Die AfD definiert den Gefahrenvorsorgebegriff wie folgt: „die Aufgabe der Ordnungsbehörden, bereits vor dem Entstehen abstrakter oder konkreter Gefahren oder Störungen der Ordnung und Sicherheit vorzubeugen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung begründetem Besorgnispotenzial entgegenzuwirken“. Mir erschließt sich insoweit allerdings nicht, anhand welcher konkreten Kriterien die Ordnungsbehörden hier Maßnahmen ergreifen können oder sollen. Zwar kann die allgemeine Lebenserfahrung zum Erkennen einer Gefahr geeignet sein, allerdings erfordert die Gefahrenvorsorge nach meinem Kenntnisstand eine hoheitliche Maßnahme, wenn sie schon der Abwehr einer konkreten Gefahr im Vorfeld dient. Das heißt: Es bedarf Anzeichen für eine konkrete oder wenigstens abstrakte Gefahr.
Ja, Sie können ja anderer Meinung sein. Sie sind ja bei der Rechtsprechung immer aktiv dabei. Die AfD will hier aber, dass die Ordnungsbehörden quasi nach dem Bauchgefühl Maßnahmen einleiten können.
Das Hauptproblem des Gesetzentwurfs sehe ich aber in der personellen Umsetzung. Die AfD spricht selbst den unzureichenden Personalbestand bei Ordnungsbehörden und Polizei an. Wie soll denn aber bei möglichen Alkoholverboten im Bereich von öffentlichen Haltestellen die Überwachung realisiert werden, wenn nicht hinreichend Personal vorhanden ist? Der Handlungsbedarf liegt meines Erach
tens nicht in der Eingrenzung und Verschärfung des Alkoholverbots, sondern bei der Stärkung von Polizei und Ordnungsbehörden. Ziel muss es sein, diese Tätigkeitsfelder attraktiver zu machen, um hinreichend Personal zu akquirieren. Für den Bereich der Polizei hatte meine Fraktion im Plenum hier bereits Vorschläge unterbreitet. Ich erinnere an die Forderung, eine Ausbildungshundertschaft bei der Polizei zu schaffen, auch an unsere Forderung nach mindestens 300 Neueinstellungen bei der Polizei im Jahr 2018 und 2019. Bei der Haushaltsberatung ist darauf verwiesen worden und ich will das in Erinnerung rufen: Erst durch hinreichendes Sicherheitspersonal, aber auch und vor allem durch gesellschaftliche Erziehungsund Bildungsmaßnahmen kann dem Problemfeld Alkohol bzw. Drogen insgesamt erfolgreich begegnet werden. Deswegen lehnen wir das ab.
Und ich will noch eines sagen, Herrn Möller und Ihrer Fraktion: Sie sind ja immer die Vertreter des Volkes, wie Sie sagen,
die anderen sind ja alle irgendwo auf der Wolke sieben und unterhalten sich mit niemanden, haben keine Ahnung und sind weltfremd. Den Rest lasse ich alles weg. Fakt ist nur eines: Wissen Sie, was die Leute überhaupt nicht mögen – und das macht die große Politik, und das macht die mittlere Politik und teilweise auch die untere Politik? Viele Dinge suggerieren, wir können das und bekommen das doch in Griff. Wenn es an die Umsetzung geht, haben wir weder Leute noch Möglichkeiten, das Ganze zu kontrollieren und das Ganze im Griff zu behalten. Wir sollten nur das versprechen, was auch durchführbar ist.
Wir sehen hier die Durchführbarkeit überhaupt nicht und wir verweisen darauf, was wir damals 2013 dazu gesagt haben, Sie haben es selbst erwähnt. Es gibt – neben dem hochwohllöblichen Parlament und allem, was es noch dazu gibt – auch noch eine Gerichtsbarkeit. Eine Gerichtsbarkeit urteilt nicht nach Bauchgefühl, sondern sie urteilt nach ordentlichen Kriterien und den Dingen, die auch anwendbar sind. Das erscheint uns hier überhaupt nicht. Wir haben genügend Möglichkeiten und Regularien. Vor allen Dingen ist und bleibt es natürlich ein gesellschaftliches Problem, bei dem alle Gruppierungen darauf hinwirken müssen, dass eben – ich sage es mal deutlich – da nicht gesoffen und gekifft wird, sondern dass man darauf aufpasst, dass in der Schule, in der Gesellschaft die Dinge entsprechend auch so besprochen werden, dass man hier zu einem bestimmten Konsens kommt.
Immer wieder nur Einzeldinge herauszunehmen – ich erinnere mich an die ganzen Dinge, die vor Kurzem in Jena waren und was sich da alles so abspielt. Das ist ärgerlich hoch drei, aber das ändert
noch lange nichts daran, dass wir jetzt bestimmte Gesetze abändern und am Ende wissen, wir sind gar nicht in der Lage dazu. Ob sie vor Gericht Bestand haben, wissen wir erst recht nicht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Fiedler, ich rede eigentlich immer gern nach Ihnen, weil ich mich dann praktisch orientierend an Ihrem Redebeitrag so langsam durchhangeln kann. Aber ich habe dem, was Sie gesagt haben, gar nicht so viel zu widersprechen, deswegen werde ich mich tatsächlich auch auf den eigentlichen Inhalt konzentrieren.
Da, wo ich Ihnen widersprechen will, Herr Fiedler, das machen wir vielleicht außerhalb dieses Dialogs hier, der ja auch ein ungleicher ist.
Ich will aber als Erstes sagen: Wenn sich ein AfDAbgeordneter hier vorn hinstellt und sagt, er nimmt mit dem Antrag die Ängste der Bürger ernst, und gehört ausgerechnet zu denen, die erst die Ängste in diesem Land schüren, dann müssen wir diese Verlogenheit, die dahintersteht, tatsächlich auch entlarven und hier in aller Deutlichkeit benennen.
Ich will es Ihnen auch sagen. Das Motiv dieses Gesetzentwurfs ist nicht, wie Herr Abgeordneter Fiedler auch deutlich gemacht hat, Alkoholmissbrauch in der Öffentlichkeit zu begegnen, weil da brauchen wir tatsächlich Instrumente der Aufklärung, Instrumente der Suchthilfe, Instrumente der Beratung, aber keine ordnungsrechtlich präventiven Instrumente, sondern wir brauchen im Sozialbereich die Instrumente. Der Ausgangspunkt der AfD ist eben nicht, dem Alkoholmissbrauch zu begegnen, sondern der Ausgangspunkt dieses Gesetzentwurfs – und Herr Möller hat uns das hier in seiner Einbringung verschweigen wollen – ist nachweislich im ersten Satz des Gesetzentwurfs nachlesbar: „Infolge massenhafter illegaler Migration hat sich die Sicherheitslage in Thüringen allgemein verschärft.“ Das ist doch das, was tatsächlich zur Angst in die
ser Bevölkerung führt, weil immer wieder etwas suggeriert wird, was eigentlich den Tatsachen nicht entspricht.
Dann stellt sich die AfD hier vorn hin: Wir nehmen die Ängste der Bürger ernst, die wir erst schüren.
Jetzt will ich es mal deutlich sagen, auch in Richtung der AfD: Alkoholmissbrauch – und da nehme ich sogar die Argumentation in Richtung Flüchtlingspolitik der AfD sehr ernst – steht doch eher in Ihrer Traditionslinie und nicht in der Traditionslinie der Flüchtlinge, denen Sie
immer wieder eine muslimisch-fundamentalistische Position unterstellen. Also das, was Sie hier zum Ausgangspunkt der Gesetzeseinbringung gemacht haben, ist einfach entlarvend.
Aber was will die AfD mit ihrem Gesetzentwurf: Sie will die Möglichkeiten erweitern, mit denen die Kommunen flächendeckend Alkoholverbote erlassen können, auch wenn sie zur Gefahrenabwehr nicht begründet herangezogen werden. Sie können behaupten – und das hat Herr Möller hier vorn auch getan –, dass das Ordnungsbehördengesetz, insbesondere auch in der von Herrn Fiedler zitierten Form des § 27a dazu nicht ausreichend ist. Ich schließe mich Herrn Fiedler hier an und sage, es ist ausreichend. Ich werde das auch noch mal im Einzelnen ausführen.
Aber was ich dem Antrag der AfD noch entnehmen kann, ist folgende Formulierung – und ich will Ihnen das mal kurz vortragen, falls Sie nicht alle den Antrag gelesen haben –: „Öffentlicher Alkoholkonsum außerhalb von Schankeinrichtungen begründet zum einen ein berechtigtes Besorgnispotenzial bei Anwohnern und Passanten, da er nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig bei entsprechend anfälligen Personen zum Verlust der Selbstkontrolle und zu Regel- und Anstandsverletzungen führt.“ Mal ganz abgesehen davon, dass in diesem Haus auch Abgeordnete sitzen, und zwar auf dieser rechten Seite, wo Regel- und Anstandsverletzungen auch schon ohne Alkoholgenuss eintreten,
muss man doch die Frage stellen, was unterscheidet Alkoholmissbrauch, wenn er im öffentlichen Raum stattfindet, von dem Alkoholmissbrauch, wenn er in einer öffentlichen, zugelassenen Schankeinrichtung stattfindet. Warum soll denn im Prinzip – und da zitiere ich erneut den Abgeordne
ten Fiedler – saufen beim Weihnachtsmarkt, bei Stadtfesten und in Einrichtungen, wo der Liter Bier oder der halbe Liter Bier 4,80 Euro kostet, praktisch kulturell akzeptierter sein als diejenigen, die sich eben diesen Konsum sozial nicht leisten können und den öffentlichen Raum dafür nutzen? Ich glaube, darüber müssen wir diskutieren, dass diesem Alkoholverbot im öffentlichen Raum auch eine ökonomische und soziale Komponente inneliegt. Er spaltet tatsächlich in der Gesellschaft, er unterscheidet zwischen dem kulturell akzeptierten Alkoholkonsum und dem kulturell und öffentlich eben nicht akzeptieren Alkoholkonsum. Das ist auch kein wirksamer Beitrag, um Alkoholmissbrauch tatsächlich zu begegnen.