Weitere Erklärungen zum Abstimmungsverhalten sind mir jetzt nicht angekündigt worden, sodass ich den Tagesordnungspunkt schließe.
Qualität in der Pflege absichern – Weiterentwicklung des Thüringer Pflegepakts Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/371
Ich frage: Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung hat einen Sofortbericht zu den Nummern I und II des Antrags angekündigt. Ich erteile dafür der Staatssekretärin Feierabend das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Gäste, zu den Entwicklungen, die heute und in Zukunft unser Land prä
gen, gehört der demografische Wandel. Für die Pflegebranche, die Beschäftigten in der Altenpflege, den Arbeitsmarkt sowie für Politik und Gesellschaft ist dies Herausforderung und Chance zugleich. Infolge längerer Lebenserwartung steigt erfreulicherweise die Zahl älterer Menschen. Damit verbunden ist die Zunahme an Älteren und Hochaltrigen, die hilfe- und pflegebedürftig sind. Heute sind es in Thüringen circa 85.000 und im Jahr 2030 werden es circa 109.000 Menschen sein. Dies geht aus der Thüringer Pflegestudie 2014 hervor. Schon heute leisten rund 420 stationäre Altenpflegeeinrichtungen und über 400 ambulante Dienste mit mehr als 25.000 Beschäftigten wertvolle Arbeit für die Betroffenen und die Gesellschaft insgesamt. Dabei ist die Zahl der Pflegefachkräfte in stationären Pflegeeinrichtungen und Hospizen von 4.086 im Jahr 2005 auf 5.724 im November 2013 kontinuierlich gestiegen. Dies geht aus der vom damaligen TMSFG in Auftrag gegebenen und Februar 2014 veröffentlichten Studie „Berechnung des Bedarfs an Altenpflegefachkräften in Thüringen in Perspektive 2030“ hervor. Von einer ähnlichen Entwicklung kann auch für den ambulanten Bereich ausgegangen werden, für den keine konkreten Zahlen vorliegen. Dabei sind rund 77 Prozent der Pflegefachkräfte bis 49 Jahre, 12 Prozent sind 50 bis 54 Jahre, 8 Prozent sind 55 bis 59 Jahre und 3 Prozent sind 60 bis 64 Jahre alt. Die Studie besagt auch, dass im Jahr 2030 ein Bedarf von rund 14.100 Pflegefachkräften bestehen wird. Das sind rund 7.950 Personen mehr als im Jahr 2012. Dies entspricht einem Bedarf von rund 440 Absolventen pro Jahr.
Mit der Zunahme der Zahl der Pflegebedürftigen geht auch ein steigender Bedarf an alltagsunterstützender Technik einher. Hierzu zählen unter anderem Türsprechanlagen mit Kamera, Ortungssysteme für demenziell Erkrankte, Hausnotrufsysteme, Umweltkontrollsysteme, um zum Beispiel bei Querschnittslähmung oder anderen Beeinträchtigungen Geräte der Wohnung steuern zu können. Die beiden letztgenannten technischen Hilfsmittel sind, sofern sie ärztlich verordnet sind, Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegekassen und kommen dementsprechend auch zum Einsatz. Ob und in welchem Umfang die übrigen Alltagsunterstützungen zum Einsatz kommen, entzieht sich der Kenntnis der Landesregierung, da diese Produkte eher zur selbstbeschafften Technik zählen und somit statistisch nicht erfasst werden. Der Einsatz technischer Hilfsmittel ist aber nicht nur für die Pflegebedürftigen von Bedeutung, sondern auch für die Pflegekräfte, deren Arbeit damit wesentlich erleichtert werden kann. Altenpflegerinnen und Altenpfleger übernehmen Schlüsselrollen in der Altenpflege. Sie stehen ein für eine qualitätsvolle Betreuung Pflegebedürftiger, für ein gutes Miteinander mit Angehörigen, für Innovationen und Teamgeist in Unternehmen. Sie sind Vorbilder für die
Schülerinnen und Schüler, die den Ausbildungsberuf der Altenpflegerin und des Altenpflegers erlernen und somit den wertvollen Berufsnachwuchs bilden. Die Zahl der Altenpflegeschülerinnen und -schüler bewegt sich seit dem Schuljahr 2005/2006 zwischen 1.351 und 1.997. Im laufenden Schuljahr 2014/2015 wurde mit 2.017 Auszubildenden erstmals die 2.000er Marke erreicht, ein Anstieg gegenüber dem vorherigen Schuljahr von fast 6 Prozent. Das zeigt, dass die Imagekampagne im Rahmen des Thüringer Pflegepakts zu wirken beginnt. Bei prognostizierten 1.650 Schülern in den Folgejahren, also rund 550 Absolventen jährlich, bestünde ausbildungsseitig eine gewisse Reserve gegenüber dem Bedarf von den bereits erwähnten 440 Absolventinnen und Absolventen pro Jahr.
Dennoch ist offensichtlich, es besteht ein Mangel an Pflegefachkräften in der Altenpflege in Thüringen. Zwar kann von Versorgungsengpässen derzeit nicht die Rede sein und die vorgeschriebene Fachkraftquote von 50 Prozent in stationären Einrichtungen wird von den Trägern eingehalten. Ungeachtet dessen gestalten sich die Gewinnung von qualifiziertem Personal und vor allem aber das Halten des Personals durch den Einrichtungsträger als zunehmend schwierig. Hintergrund hierfür sind insbesondere die beruflichen Rahmenbedingungen der Pflegekräfte in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen. Zu nennen sind hier die hohe seelische und körperliche Belastung der Pflegekräfte, die Arbeitszeiten, die ein geregeltes Familienleben erschweren, sowie die im Vergleich mit der Krankenpflege und der Entlohnung in den westdeutschen Ländern niedrige Entlohnung in der Altenpflege hierzulande. Diese Herausforderungen können bewältigt werden, wenn alle für die Altenpflege Verantwortlichen an einem Strang ziehen.
Im Bewusstsein dieser Verantwortung haben Landesregierung, Leistungserbringer und Kostenträger am 7. November 2012 den Thüringer Pflegepakt unterzeichnet und partnerschaftlich folgende Ziele vereinbart:
Erstens: Höhere gesellschaftliche Akzeptanz – Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Mittels einer breit angelegten Imagekampagne sollen die Bürger des Freistaats für die Komplexität und den gesellschaftlichen Wert der Pflege sensibilisiert und über die verbesserten Rahmenbedingungen in der Pflege informiert werden.
Zweitens: Bessere Rahmen- und Beschäftigungsbedingungen in der Altenpflege. Es wird angestrebt, dass die Pflegevergütungen signifikant und schrittweise erhöht werden, um die Abwanderung von Pflegefachkräften zu vermeiden. Angestrebt werden tariflich geregelte Arbeitsverhältnisse und eine Erhöhung des Anteils der Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse, weiterhin die Reduzierung der befris
Drittens: Verbesserung der Personal- und Nachwuchsgewinnung und -qualifizierung. Angestrebt wird eine angemessene Ausbildungsvergütung, die Förderung des dritten Umschulungsjahres, die Übernahme des Schulgelds für alle Umschüler und weitere Maßnahmen für attraktivere Ausbildungsbedingungen.
Mit der Umsetzung des Thüringer Pflegepakts war bisher eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des früheren Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit und unter Beteiligung des damaligen Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des ehemaligen Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie beauftragt. Es wurden vier Unterarbeitsgruppen gebildet, die sich mit den Themen „Imagekampagne“ – hier war die Federführung bei der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen e. V. –, „Verbesserung der Ausbildung, Umschulung und Weiterqualifizierung in der Altenpflege“ – hier war die Federführung beim damaligen Sozialministerium – sowie „Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz – Zukunft der Pflege“ – die Federführung war auch hierfür beim Thüringer Sozialministerium – sowie das Thema „Gute Pflege in Thüringen 2025“, das unter der Führung der AOK Plus stand, beschäftigen.
Der Arbeitsstand zur Imagekampagne zum Thüringer Pflegepakt stellt sich wie folgt dar: Gemeinsam mit den Partnern – federführend die LIGA – des Pflegepakts wurde ein entsprechendes sowie aussagefähiges Konzept für eine Imagekampagne entwickelt. „Pflege braucht Helden“ lautete das Motto dieser Kampagne, die im Rahmen einer Auftaktveranstaltung am 26. Mai 2014 in Erfurt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Vertragspartner können die entwickelten Ergebnisse der Kampagne unterschiedlich nutzen, zum Beispiel für Plakate, Aufkleber, Broschüren, Flyer, Werbeauftritte, Radio- und TV-Spots. Es handelt sich um eine thüringenspezifische Kampagne, welche auf die örtlichen und regionalen Bedarfe eingeht. Sie will eine Identifikation mit den Akteuren vor Ort und auf regionaler Ebene schaffen. Die Zielgruppe der Kampagne sind junge Menschen, die sich erstmals für eine Berufsausbildung entscheiden sowie bereits Berufstätige, die sich umorientieren als mögliche Quereinsteiger. Die Imagekampagne läuft auch im Jahr 2015 weiter. An dieser Stelle sei nochmals allen Mitwirkenden gedankt, insbesondere aber den Protagonistinnen und Protagonisten, die wahren Heldinnen und Helden des Pflegealltags. Ohne sie und ihren Einsatz wäre die Imagekampagne nicht zustande gekommen.
Die Umsetzung der Verkürzungen der Ausbildung zugunsten von Personen, die bereits Aufgaben im Bereich der Pflege und Betreuung wahrgenommen
haben, gelang durch die Implementierung eines Kompetenzfeststellungsverfahrens. Die gesetzliche Grundlage für diese Maßnahme bildete das Gesetz zur Stärkung der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege von März 2013. Um das Gesetz zügig umsetzen zu können, wurde ein Kompetenzfeststellungsverfahren, das das Thüringer Landesverwaltungsamt durchführt, entwickelt. Bisher konnten dadurch mehr als 100 Bewerber eine berufliche Weiterbildung in der Altenpflege in Thüringen beginnen. Wie bereits im vergangenen Jahr kann auch in diesem Jahr wieder ein zusätzlicher Ausbildungsbeginn im Frühjahr angeboten werden. Weiteres Thema sind die Mindestanforderungen an die Träger der praktischen Ausbildung, um die Qualität der praktischen Ausbildung zu verbessern, zum Beispiel durch eine ausreichende fachliche Betreuung und Begleitung der Auszubildenden durch die Betreuungskräfte der Pflegeeinrichtungen. Darüber hinaus werden Möglichkeiten geprüft, weiteren Personengruppen einen Zugang zu Umschulungs- und Qualifizierungsangeboten zu eröffnen.
Zum Thüringer Gesetz über betreute Wohnformen und Teilhabe innerhalb des Thüringer Pflegepakts ist zu sagen, das ThürWTG ist am 24. Juni 2014 in Kraft getreten. Es löst das bis dahin gültige Heimgesetz des Bundes ab. Das Gesetz enthält eine Ermächtigungsgrundlage, durch eine Rechtsverordnung Näheres zu regeln über den Bau und die Ausstattung von stationären Einrichtungen, das Personal, insbesondere eine ausreichende Anzahl von Fachkräften, die Mitwirkung der Bewohner in der Einrichtung sowie die Wahl und die konkreten Aufgaben der Frauenbeauftragten. In enger Abstimmung mit den Partnern des Thüringer Pflegepakts werden die Eckpunkte für die Durchführungsverordnung derzeit erarbeitet.
Zur Entwicklung der Entgelte für die erbrachten Pflegeleistungen, der Pflegevergütungen, lässt sich Folgendes einschätzen: Nach Auskunft der Pflegekassen liegen die Steigerungsraten in der Vergütung weit über den Werten der vergangenen Jahre. Danach hat sich die durchschnittliche Vergütung der vollstationären Pflegeeinrichtungen in Thüringen seit dem 1. Januar 2012 um 3,66 vom Hundert erhöht. Im Bereich der ambulanten Pflege ist der durchschnittliche Punktwert aller Pflegedienste für die erbrachten Leistungen seit dem 1. Januar 2012 um 2,5 vom Hundert gestiegen. Eine signifikante Erhöhung gilt für den Bereich der häuslichen Krankenpflege. Die Vergütungssätze dort konnten zum 1. Januar 2013 um 7 Prozent gesteigert werden. Tarifvertraglich vereinbarte Lohnsteigerungen und anderweitig plausibel dargelegte Lohnerhöhungen werden von den Pflegekassen als notwendige Personalausgaben im Pflegegesetz anerkannt. Nach eigener Auskunft verfügen die Mitgliedsverbände der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege jeweils über gültige Tarifverträge. Als Unterzeichner des Pflege
pakts würden Verbände im Rahmen ihres Verbandsauftrags darauf hinarbeiten, dass die Pflegeeinrichtungen sich auch einer entsprechenden tariflichen Bindung unterziehen. Die Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und deren Zufriedenheit liegt wesentlich bei den Einrichtungen und ihren Trägern. Deswegen haben mehrere Verbände der Freien Wohlfahrtspflege Projekte mit Kriterien und Instrumenten für die Beurteilung der Familienfreundlichkeit erarbeitet. Ein geeignetes und bereits vorhandenes Instrument sind die ausbildungsbegleitenden Hilfen nach § 75 SGB III, die jedoch derzeit nur für betriebliche Ausbildungen nach dem Berufsausbildungsgesetz bzw. der Handwerksordnung zur Anwendung kommen können.
Ausbildungslehrgänge im Bereich der Altenpflege in schulischer Verantwortung sind trotz des hohen Anteils an betrieblichen Ausbildungszeiten bisher von der Förderung ausgeschlossen. Auszubildende und Umschüler in der Altenpflege, die zudem mehrheitlich weiblich sind, werden damit benachteiligt.
Der in Thüringen durchgeführte Modellversuch „Ausbildungsbegleitende Hilfen in der Altenpflegeausbildung“ wurde als gemeinsames Projekt des damaligen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie und des damaligen Sozialministeriums im Rahmen des Thüringer Pflegepakts ausschließlich aus Landesmitteln finanziert. Er begann am 01.08.2014 und läuft bis zum 31.08.2015. Träger ist die Jugendberufshilfe Thüringen e. V. und Zielgruppe sind die von Ausbildungsabbruch und Prüfungsgefährdung bedrohten Azubis der Altenpflege aller Träger – zunächst in einer ausgewählten Region Mittelthüringens. Die Hilfe richtet sich – wie bei der Ausbildungshilfe des SGB III – an die Azubis, dient natürlich auch den Trägern und in der Konsequenz der Minimierung der Abbruchquote und der Fachkräftesicherung. Es soll darüber hinaus eine Verstetigung geben.
Darüber hinaus hat Thüringen über die ASMK einen Antrag mit dem Ziel, ausbildungsbegleitende Unterstützungsangebote für eine steigende Anzahl auszubildender Umschüler in der Altenpflege zu schaffen, eingebracht, um auch junge Menschen mit schlechteren Lernvoraussetzungen zu unterstützen bzw. in ihrer Ausbildung zu stabilisieren. Vor dem Hintergrund sinkender Schulabgängerzahlen und der für Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung stehenden Menschen, die häufig Vermittlungshemmnisse aufweisen, ist die Erweiterung des förderfähigen Personenkreises für ausbildungsbegleitende Hilfen sinnvoll und notwendig. Nur so kann eine qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleistet und damit auch die Zahl der Ausbildungsabbrüche reduziert werden.
Berufsfelderkennung und -erprobung Einblick in den Beruf des Altenpflegers. Als Betriebspraktikum, das auf dem Lehrplan ihrer Schule steht, können die Schüler sich auch für eine Pflegeeinrichtung entscheiden, um dort Einblick zu nehmen. Weiterhin sehen zahlreiche Schulen im Berufsorientierungskonzept einen Tag in einer sozialen Einrichtung vor, um auf diese Weise einen Zugang zum Beschäftigungsfeld der Altenhilfe zu ermöglichen. Zudem bestehen langjährige Kooperationen zwischen Ausbildungsbetrieben und allgemeinbildenden Schulen zwecks der Möglichkeit für die Schüler, ein Betriebspraktikum zu leisten.
Im Ergebnis können wir sagen: Thüringen ist mit dem Pflegepakt auf einem guten Weg. Alle von mir genannten Maßnahmen werden im Rahmen des Pflegepakts weitergeführt. Ein besonderes Augenmerk jedoch wird die Landesregierung zukünftig dem Thema der Entlohnung der Pflegekräfte widmen. Eine attraktive Entlohnung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, ausgebildete Pflegekräfte in Thüringen zu halten.
Derzeit bilden wir über Bedarf aus, verlieren aber noch zu viele Fachkräfte, weil in Westdeutschland deutlich höhere Löhne gezahlt werden. Um die Entlohnung attraktiver zu gestalten, strebt die Landesregierung an, einen Branchentarifvertrag Pflege zu initiieren, der Allgemeinverbindlichkeit erlangen soll. Hierzu führen wir Gespräche mit allen an der Pflege beteiligten Akteuren.
Die Umsetzung des Thüringer Pflegepakts und daraus entstehender weiterer Initiativen ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. Strukturelle Änderungen sind nicht von heute auf morgen umsetzbar; es handelt sich vielmehr um einen Prozess, der auch Zeit braucht. Dass nach rund zwei Jahren noch nicht alle Ziele erreicht sein können, dürfte jedoch jedem Anwesenden klar sein. Aber wir können heute sagen: Wir sind auf einem guten Weg. Selbstverständlich wird die Landesregierung dem Landtag auch weiterhin zum Stand der Umsetzung berichten. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich frage jetzt: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu den Nummern I und II des Antrags? Die Fraktion Die Linke, die Fraktionen der CDU, der SPD – gut. Dann eröffne ich die Beratung und Aussprache auch zu Nummer III. Das Wort hat die Abgeordnete Holzapfel von der CDU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Zuschauer auf der Tribüne! Frau Staatssekretärin, das war jetzt ein fast erschlagender Sofortbericht. Wir haben ihn vernommen. Vielen Dank. Schade, dass der Herr Ministerpräsident nicht mehr hier ist. Ich habe auch einen Vergleich hier vorzutragen wie mein Kollege Wirkner. Auch wenn hier im Haus niemand auf die Idee käme, den Thüringer Ministerpräsidenten mit Franklin Roosevelt zu vergleichen, der obendrein seine Regierungsgeschäfte 1933, mitten in der Weltwirtschaftskrise, übernehmen musste, haben wir uns als Opposition an den seit jenen Tagen geltenden Brauch einer hunderttägigen Schonfrist gehalten. Insoweit, meine Damen und Herren, sind unser Antrag und der Antrag aus dem Tagesordnungspunkt 10 auch ein Lackmustest, um zu ermitteln, wie sich die neue fachliche Substanz der Landesregierung im Verhältnis zur Qualität und der Pflegeabsicherung in unserem Lande sowie auch im Verhältnis zur Weiterentwicklung des Thüringer Pflegepakts in seiner Konsistenz verhält. Die Mixtur der Grundsubstanz können wir im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vom 20.11.2014 nachlesen.
Dieser Vertrag umfasst insgesamt 106 Seiten, beschäftigt sich aber nur in elf knappen Sätzen mit dem Thema „Pflege“. Den Sätzen eins und zwei kann man als allgemeine Zielsetzung die Aussage entnehmen, dass man sich um die Verbesserung der Lebensqualität älterer und pflegebedürftiger Menschen im häuslichen Umfeld als ein wichtiges Anliegen kümmern will. In den Sätzen drei und vier steht geschrieben, dass man die bestehende Vereinbarung des Thüringer Pflegepakts in Zusammenarbeit mit den pflegepolitischen Akteuren weiterführen und weiterentwickeln will.
Alle übrigen Sätze, fünf bis elf, wiederholen inhaltlich neben den Aussagen Schulgeldfreiheit für die Pflegeausbildung, das Einrichten einer Pflegekammer, sofern sie von den anderen Akteuren gewünscht wird, sowie die Prüfung einer solidarischen Ausbildungsumlage, die Festlegungen aus dem Thüringer Pflegepakt. Bereits am 7. November 2012 hatte die damalige Landesregierung gemeinsam mit den Leistungserbringern und den Kostenträgern den Thüringer Pflegepakt geschlossen. Ziel dieser Vereinbarung ist, ein umfassendes Maßnahmepaket auf die Beine zu stellen, um die Herausforderungen des demografischen Wandels unserer Gesellschaft zu bewältigen.
Hierzu haben die Parteien des Thüringer Pflegepakts drei Schwerpunkte vereinbart: Zum einen wollen sie eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz erreichen, damit die Pflege als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen wird. Zum anderen wollen sie bessere Rahmenbedingungen in der Altenpflege auf den Weg bringen. Drittens wollen sie
Verbesserungen bei der Personal- und Nachwuchssicherung und auch in der Qualifizierung realisieren. Die Ziele, meine Damen und Herren, sollen in partnerschaftlicher Zusammenarbeit realisiert werden.
Wie steht es nun um diese Ziele? Ursprünglich sollten zur Umsetzung des Pflegepakts interministerielle Arbeitsgruppen gebildet werden, eine für die Imagekampagne, eine weitere zur Verbesserung der Ausbildung, Umschulung und Weiterqualifizierung in der Altenpflege, eine für das Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz – Zukunft der Pflege. Dieses Gesetz trat 2014 in Kraft. Deshalb dürften erste Erkenntnisse hierzu sicherlich schon ausgewertet werden können.
Letztmalig wurde im Oktober und November 2013 auf Antrag der CDU-Fraktion und der SPD-Fraktion in diesem Hause über die Pflegesituation in Thüringen berichtet. Damals wurde der Thüringer Pflegepakt durch die vortragende Ministerin als ein Schritt in die richtige Richtung bezeichnet. Im Ergebnis der Berichterstattung erhielt das Parlament die Zusage, dass die Regierung dem Landtag jeweils flexibel über den Pflegepakt berichten wollte, sofern Fortschritte und Ergebnisse in den verschiedenen Bereichen erzielt wurden, über die es zu berichten lohnt. Seit November 2013 ist nunmehr viel Wasser in Gera und Unstrut hinabgeflossen und es scheint uns an der Zeit, die neue Landesregierung zu fragen, wie es aktuell um den Thüringer Pflegepakt bestellt ist. Vieles, Frau Staatssekretärin, haben Sie uns hier in Ihrem Bericht schon gesagt. Darüber hinaus gelten seit dem 1. Januar 2015 im Bereich der Pflege neue gesetzliche Regelungen auf Bundesebene.
Das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf berücksichtigt die Individualität vorgesehener Pflegesituationen und ermöglicht pflegenden Angehörigen mehr zeitliche Flexibilität. Für die mit diesem Gesetz getroffenen Familienpflegezeiten hatte sich auch der Freistaat Thüringen eingesetzt. So erscheint es der CDU-Fraktion und auch mir in einer neuen parlamentarischen Rolle aus Oppositionssicht mehr als angemessen, die Landesregierung mit dem ersten Teil unseres Antrags zu fragen, wie sich aktuell die gesamte Pflegesituation bezogen auf Qualität und Sicherstellung in unserem Land darstellt. Mit unserem zweiten Teil bitten wir um Auskunft zum Erfüllungsstand des Thüringer Pflegepakts in den Punkten Akzeptanz der Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Verbesserung der Rahmen- und Beschäftigungsbedingungen in der Altenpflege und bessere Personal- und Nachwuchsgewinnung sowie bessere Qualifizierung. Auch da haben Sie uns aufgeklärt. Mit dem dritten Teil unseres Antrags fordern wir die Landesregierung auf, mit den Partnern des Pflegepakts in einen Dialog über die Fortschreibung und Weiterentwicklung des Thüringer Pflegepakts
zu treten und dem Landtag hierüber zu berichten. Hierzu gehört natürlich auch die berechtigte Unterstützung einer Tarifbindung in der Pflegebranche. Diese kann allerdings nur von den Tarifpartnern selbst umgesetzt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Ihnen, Frau Staatssekretärin, und dann auch der Frau Ministerin mit auf den Weg geben, dass die alte Landesregierung ein geordnetes Haus, ein gut arbeitendes Haus übergeben hat. Dazu möchte ich sagen, dass wir als Politiker dafür verantwortlich sind, was wir tun. Wir sind aber auch dafür verantwortlich, was wir nicht tun.
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag und Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Holzapfel. Das Wort hat nun die Abgeordnete Pfefferlein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Landtagsabgeordnete, sehr geehrte Gäste, wer morgen eine gute Pflege für seine Angehörigen und sich haben will, muss heute handeln. Wir hatten zum Ende des Jahres 2013 laut dem Thüringer Landesamt für Statistik circa 87.000 Pflegebedürftige in Thüringen. Gemessen an der Thüringer Gesamtbevölkerung war damit jeder 25. Thüringer pflegebedürftig. Ende 1999 war es nur jeder 40. Thüringer bzw. Thüringerin. Damit sehen Sie die immense Steigerung, die uns gesamtgesellschaftlich vor eine große Herausforderung stellt. Bis 2020 werden es wahrscheinlich 95.000 Pflegebedürftige sein. Hinzu kommt, dass in diesem Jahr zudem circa 15.000 Beschäftigte in der Altenpflege fehlen. Es ist also höchste Zeit, dass wir von Berichten zu Taten schreiten, um die Pflege zukunftsfest zu machen. Die Situation spitzt sich so zu, dass man sie beim besten Willen nicht mehr ignorieren bzw. schönreden kann. Das wollen wir auch nicht tun, denn es ist unsere Pflicht, dem Pflegemangel umfassend zu begegnen und die pflegerische Versorgung in Thüringen nachhaltig sicherzustellen.