Werte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen hier im Saal und sonst wo, die uns hier zusehen. Der Gesetzentwurf der AfD, der uns heute hier zur Beratung vorgelegt wurde, ist ein typischer frauen-, trans- und interfeindlicher Gesetzentwurf, den man nur ablehnen kann. Das sage ich ganz eindeutig.
Sprache bildet unsere Welt, unsere Gesellschaft mit ihren Normen und Werten und unsere Lebensrealität ab. Unsere Wahrnehmung, unsere Verortung in der Welt und unsere Identitäten werden maßgeblich durch sie geprägt und wir wiederum bilden selbst Sprache. Sie wird durch unseren Gebrauch geschaffen und wird unserer Lebensrealität und Wahrnehmung angepasst. Dadurch unterliegen wir schon immer Veränderungen und Wandel. Wandel zeigt sich bereits seit Längerem, was die Verwendung des generischen Maskulinums, der grammatikalischen männlichen Benennung als umfassender Bezeichnung für alles Menschliche, angeht. Über Jahrhunderte hat sich diese männliche Prägung der Sprache manifestiert. Sie beruht auf der Annahme der Höherwertigkeit des Mannes gegenüber der Frau und deren Unterordnung. Diesen Wandel kann ich für uns als Linke und für die Koalition nicht gutheißen, denn Männer sind eben nicht die Norm der Menschheit.
Die AfD spricht in ihrem Gesetz davon, dass Sprache sich im lebendigen und freien Gebrauch durch diejenigen weiterentwickelt, die sie sprechen und schreiben. Hier sage ich, dazu gehören eben nicht nur Männer.
Die AfD spricht in ihrem Gesetz von einer „freien Sprachgemeinschaft“, welche die deutsche Sprache prägt. Es verwundert mich schon, Kolleginnen und Kollegen, die hier im Saal sitzen, für welche Gemeinschaft wohl die eine Seite freier sein soll als
Denn für Sie ist das grammatisch männliche Geschlecht die einzige Norm und die Verwendung der weiblichen Sprache, wie Sie es in Ihrer Begründung gesagt haben, politisch motivierter Missbrauch. Werte Kolleginnen und Kollegen, das sollten Sie sich genau anschauen, wenn man diesen Gesetzentwurf liest. Da Sie in Ihrem Gesetz nur einen einzigen Wissenschaftler zitiert haben und sonst – wie auch hier in der Einbringung – einmal wieder wie immer Mutmaßungen und Behauptungen geäußert haben, möchte ich noch einmal ein paar Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen hier zu Wort kommen lassen und genau dokumentieren, warum das, was heute gesetzlich normiert ist, richtig ist.
Ich beginne zunächst mit einer etwas älteren Studie aus dem Jahr 1988 von dem Sprachwissenschaftler Josef Klein, welcher erwies, dass generische maskuline Personenbezeichnungen deutlich stärker auf Männer als auf Frauen bezogen werden. Bei der Verwendung des generischen Maskulinums werden deutlich sichtbar Männer assoziiert. Das Argument, Frauen seien doch mit gemeint, kann wohl damit entkräftet werden. Dies bestätigt also auch noch eine weitere Studie aus dem Jahr 2001 von Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny. Sie sagten: In einer Umfrage wurde eine Gruppe von Probanden und Probandinnen nach berühmten Sportlern, Schriftstellern oder Malern befragt. Eine andere Gruppe wurde nach berühmten Sportlern und Sportlerinnen, Schriftstellern und Schriftstellerinnen oder Malern und Malerinnen gefragt. Das Ergebnis ist enorm. Die Teilnehmenden aus der zweiten Gruppe gaben zu, ein Drittel mehr weibliche Persönlichkeiten zu kennen als die erste Gruppe. Das sagt doch was aus.
Eine dritte Studie möchte ich hier gerne erwähnen, welche erwies, dass nicht nur die Assoziation zu Männern durch das generische Maskulinum geprägt ist, sondern auch die Eigenwahrnahme. Dries Vervecken und Bettina Hannover befragten im Jahr 2015 591 Grundschulkinder nach der Überzeugung zu ihren Kompetenzen in einem Beruf, wenn ihnen ein Berufstitel in der Paarform, also Automechaniker/Automechanikerin, vorgestellt würde. Die Kinder schätzten dann ihre Kompetenzen zur Ausübung des Berufes höher ein, auch wenn diese ausgeübten Berufe meist männlich dominiert waren. Wir können also sehen, Denken und Bewusstsein werden von unserer Sprache geprägt. Das ist – werte Kolleginnen und Kollegen – nichts Neues. Und dass die Art und Weise, wie wir sie nutzen, ein
In Thüringen leben circa 1.092.250 Frauen und 1.067.800 Männer, also knapp über die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen. Der Thüringer Landtag würde diese Realität unserer Auffassung nach total übergehen, wenn er sich zu einseitigen Sprachverwendungen aussprechen würde. Dieser Realität ist durch die Verwendung geschlechterneutraler Bezeichnungen im Thüringer Gleichstellungsgesetz Rechnung getragen worden. Dazu wurde sich bewusst hier im Landtag entschieden. Das sage ich eindeutig hier an der Stelle: Das ist auch gut so.
Werte Kolleginnen und Kollegen, eine geschlechtergerechte Sprache macht Menschen abseits männlicher Personen sichtbar, spricht sie an und bezieht sich auf sie. Anstatt mit der Verwendung der männlichen Sprache Menschen eines anderen Geschlechts bloß mit zu meinen, ordnet geschlechtergerechte Sprache kein Geschlecht einem anderen unter. Und das sollten wir in den Mittelpunkt der Diskussion stellen.
Damit ist auch ein Mittel für mehr Geschlechtergerechtigkeit noch mal dokumentiert. Über Jahrhunderte wurde uns weisgemacht, allein die männliche Sprache ist das Allheilmittel. Das wird durch uns entschieden abgelehnt. Über Jahrhunderte war nämlich die männliche Sprache unter anderem auch ein Grund dafür, dass es zur weiteren strukturellen Diskriminierung von Frauen geführt hat. Und das sollten wir hier von diesem Hause nicht noch einmal mit befördern, indem man so einem Gesetzentwurf, wie er heute vorliegt, auch nur in Gänze irgendwo Rechnung tragen würde.
Ich habe bereits gesagt, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen und auch nicht an einen Ausschuss überweisen. Ich will noch einmal auf einen Zeitungsartikel, der heute in der OTZ veröffentlicht wurde, eingehen. Da wurde sinngemäß geäußert, dass die Umbenennung des Studierendenwerkes circa 100.000 Euro gekostet hätte. Ein typischer aufgeblähter Fehler der AfD-Fraktion, denn sie hat mal wieder irgendwas behauptet, was gar nicht so ist. Ein Blick in die Haushaltsstatistik zeigt eindeutig: Im Haushaltsjahr 2016 wurden circa 6.800 Euro gebraucht, um diese Umbenennung auf den Weg zu bringen, und im Jahr 2017 sind bisher rund 25.000 Euro für die Umbenennung des Studierendenwerkes gebraucht worden. Also, werte Kolleginnen und Kollegen, die hier im Hause sitzen: Eine typische AfD-Ente. Man behauptet erst mal etwas, ohne wirklich die Fakten auf den Tisch zu legen und noch mal darüber zu sprechen.
Lassen Sie mich noch ein Argument ins Feld ziehen, wo ich denke, die Welt hat sich weitergedreht, und es ist gut so. Gestern ging und auch heute geht noch mal durch die Medien – und wir können es alle lesen: Es hat sich mal wieder zum Glück eine ältere Dame aus dem Saarland auf den Weg gemacht und hat geklagt. Sie hat geklagt, dass sie nicht mit der Sparkasse einverstanden ist, weil sie immer in der männlichen Form benannt wurde. Diese Klage ist noch nicht entschieden, aber ein Argument, was sie gebracht hat, will ich hier noch mal auf den Weg bringen, weil es stimmt, und wir sollten keine Luft dranlassen: Sprache, die über 2000 Jahre falsch rübergebracht wurde, muss nicht länger und in den nächsten 2000 Jahren falsch rübergebracht werden. Für eine geschlechtergerechte Sprache überall, werte Damen und Herren, stehe ich und stehen die Koalitionsfraktionen. Danke.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nachdem wir nun im Gesetzesantrag der AfD viel über altfeministische Kreise und Absurditäten der Sprachpolitik hören konnten, will ich feststellen: Sprache befindet sich im ständigen Wandel und passt sich natürlich auch den gesellschaftlichen Prozessen und dem gesellschaftlichen Bild an.
Ein verantwortlicher Umgang mit Sprache ermöglicht es uns, auch die wichtigen Bildungsaufgaben einer demokratischen Gesellschaft zu realisieren. Gerade deshalb werden vermutlich auch die Änderungen der Sprache besonders kritisch diskutiert. So ist auch die geschlechtergerechte Sprache durchaus umstritten und polarisiert ein ganzes Stück weit. Das kann man ja bei der Diskussion hier schon feststellen. Wir haben auf der einen Seite die Befürworter, die sagen, das ist ein absolutes Muss, und wir haben auf der anderen Seite die Gegner, aus deren Sicht es bei dem Festhalten an der alten Sprache nur darum geht, althergebrachte Machtstrukturen und Geschlechterstereotypen aufrechtzuerhalten. Die Meinungen zu dieser Thematik
sind durchaus sehr, sehr unterschiedlich. Aber ich sage deutlich: Die Sprache hat einen sehr, sehr großen Einfluss auf unser Denken und auf unsere Wahrnehmung der Gesellschaft. Deswegen ist es an manchen Stellen durchaus berechtigt, wenn man von einer Verkomplizierung der deutschen Sprache redet.
An anderen Stellen wird es durchaus einfacher. Das heißt, man muss immer schauen, ob das auch grammatikalisch richtig oder eher fragwürdig ist. Es ist manchmal nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Aber geschlechtergerechte Sprache kann natürlich auch unterschiedlichste Ausprägungen haben. Sie reicht in der Benutzung von einem Genderstern, einem Unterstrich und dem Zusatz „-innen“ bis zur Ansprache beider Geschlechter durch Nennung der weiblichen und männlichen Form. Daneben gibt es aber auch die geschlechtsneutrale Sprache wie beispielsweise die Verwendung des Wortes „Studierende“ statt „Studenten“, wie wir das vorhin schon gehört haben. Auch repräsentative Umfragen zeigen, dass die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache nicht ganz unumstritten ist.
Jetzt könnte ich hier eine ganze Reihe aus solchen Untersuchungen noch zitieren. Das spare ich mir hier an dieser Stelle. Ich will nur aus dem Gesagten resultierend darlegen: Wir haben als CDU-Fraktion kein Problem damit, den Antrag der Neupartei AfD an den Ausschuss zu überweisen, denn wir sind an den Ausführungen der Kollegen zu dieser Thematik sehr interessiert, die sich ja bei den überwiegenden Themen im Ausschuss durch Zurückhaltung auszeichnen. Deswegen würde mich ganz einfach mal das Thema hinsichtlich der Diskussion im Ausschuss reizen. Aber, wie gesagt, wir schauen dann, wie die Abstimmung verläuft. Wir würden der Überweisung zustimmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Internet, ich hatte schon in meiner Begrüßungsrede davon gesprochen,
dass die Sprachmanipulation, um die es hier geht, üblicherweise mit dem Hinweis gerechtfertigt werden soll, es gehe darum, angebliche Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten, die durch, in und mit der Sprache einhergingen, zu überwinden, und zwar Diskriminierungen, Ungerechtigkeiten zunächst gegenüber Frauen, dann bald gegenüber all den anderen vielen Geschlechtern, die der konstruktivistische Nihilismus unserer Zeit glaubt identifizieren zu können. Das Mittel für diesen angeblichen Kampf um Gerechtigkeit sollte eine Sprache sein, die keinen ausschließt, namentlich Frauen nicht, die also quasi alle anspricht.
Heraus kamen allerhand Vorschläge und Normen, deren Sprachvorgaben niemanden ansprechen. Die genannten Vorstellungen haben nicht nur zur Verwendung jener umständlichen Paarform geführt, also Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Mörderinnen und Mörder, Bombenlegerinnen und Bombenleger, Kinderschänderinnen und Kinderschänder etc., sondern auch zu der unsäglichen Verwendung des substantivierten Partizips. Das fing wohl mit den sogenannten Studierenden an, und heute will man, dass wir uns angewöhnen, von Säugenden anstatt von Säuglingen, von Autofahrenden anstatt von Autofahrern, von Geflüchteten anstatt von Flüchtlingen, von Verbrauchenden anstatt Verbrauchern und Lkw-Fahrenden anstatt Lkw-Fahrern zu reden. Allen Ernstes habe ich letztens das Wort „Hebammenstudierende“ gelesen.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: „Geflüchtete“ und „Säugende“ haben nichts mit Sprache zu tun! Das ist Ih- nen schon bewusst?)
Solche Absurditäten stehen nicht allein, vielmehr werden sie durch allerhand Verrücktheiten ergänzt: Gendersternchen, Unterstriche, Gender-X usw. usf.
Das sprachpolitische Treiben hat leider auch seinen Weg in die Gesetzgebung gefunden, in Thüringen namentlich in Form des § 28 des Gleichstellungsgesetzes.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist sogar ganz bewusst reingeschrieben worden!)
Diese Norm schreibt den Thüringer Behörden die Verwendung geschlechtsneutraler Bezeichnungen vor, soweit dies möglich ist. Das Resultat dieser Vorschrift kennen wir alle. Wer heute amtliche Texte und Veröffentlichungen von Behörden liest, sieht sich einer Aneinanderreihung vermeintlich geschlechtergerechter Sprachstolpersteine ausgesetzt. Das erschwert die Lektüre von Texten, die oft in ohnehin schon verwirrendem Behördendeutsch
der den Bürgern klarmacht, welchen Diktaten er sich zu beugen hat, nämlich den Diktaten der politischen Korrektheit. Diese politische Korrektheit tarnt sich, wie gesagt, mit dem Anspruch der Gerechtigkeit, namentlich der Geschlechtergerechtigkeit zu dienen. Aber das ist natürlich Humbug und zeigt vor allem, wer im Deutschunterricht nicht aufgepasst hat.