richt vor Weihnachten, denn trotz insgesamt guter Arbeitsmarktlage müssen nicht wenige der Beschäftigten befürchten, zumindest vorübergehend arbeitslos zu werden – Menschen, die in den vergangen Jahren mit ihrer Arbeit maßgeblich zum Erfolg der Unternehmen beitrugen und mit ihrem Engagement und ihrer Qualifikation auch ihren Beitrag zum guten Bild des Standorts Thüringen geleistet haben. Wir dürfen diese Menschen jetzt nicht in eine ungewisse, ungesicherte Zukunft schicken. Sie verdienen viel mehr, insbesondere unsere aktive Solidarität.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Konzernleitung von Siemens begründet den Abbau der insgesamt 6.900 Stellen und den Verkauf eigener Produktionsstandorte wie hier in Erfurt damit, dass – ich zitiere – „die Auslastung der Werke gesteigert, die Effizienz vorangetrieben und Kompetenzen durch die Bündelung von Ressourcen ausgebaut werden“ sollen. Pointiert könnte man sagen: Wir reduzieren die Personalkosten, das steigert den Gewinn.
Sehr geehrte Damen und Herren, das ist inakzeptabel und widerspricht den Grundsätzen eines verantwortungsbewussten Managements in einer sozialen Marktwirtschaft. In dieser ist das Vertrauen zwischen den Belegschaften und dem Firmenmanagement ein hohes Gut. Siemens wie auch Coca Cola konnten sich in Krisenzeiten stets auf die verantwortungsvolle Haltung und Unterstützung ihrer Belegschaften verlassen und erhielten auch in Thüringen staatliche und europäische Fördergelder, zum Beispiel für Investitionen. Mit den geplanten Schließungen und Entlassungen schaden die Unternehmen dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Gerade in Unternehmen wie Siemens, dessen Gründer einst formulierte: „Für augenblicklichen Gewinn verkaufe ich die Zukunft nicht.“, sollte in der Lage sein, so vorauszuplanen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Perspektive haben.
Statt über die Aufgabe von Standorten nachzudenken, sollten die Unternehmen auch ihrer regionalen Verantwortung nachkommen. Denn über den Verlust von Arbeitsplätzen hinaus verliert der Standort Erfurt durch die Abwanderung von Siemens auch hochwertiges Know-how, gerade im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Speziell ein Hochtechnologieunternehmen wie Siemens sollte es sich nicht leisten dürfen, hochqualifizierte und motiviere Fachkräfte zu verlieren. Die Strategie zur Bewältigung neuer Herausforderungen muss daher lauten, gemeinsam mit den Beschäftigen in Innovationen zu investieren. Dabei können sie auf die Kooperation
Die Politik kann in der Regel nicht unmittelbar Arbeitsplätze schaffen, aber sehr wohl die Unternehmen und Konzerne an ihre Verantwortung erinnern und auch den Rahmen dafür setzen, dass sie dieser wirklich nachkommen. In Anbetracht der gegenwärtigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen ist hier der Gesetzgeber auf Bundesebene gefordert, die Einflussmöglichkeiten der Beschäftigten, die das Betriebsverfassungsrecht, das Recht der Unternehmensmitbestimmung und das Kündigungsschutzgesetz bieten, kritisch zu überprüfen und anzupassen.
So könnte darüber nachgedacht werden, den Betriebsräten analog zu der Erstellung von Sozialplänen in Form einer Einigungsstelle ein Mitentscheidungsrecht bei Werksschließungen und Massenentlassungen zu geben. Ich erinnere dabei daran, dass die Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter in unserem Land oft genug gezeigt haben, dass sie auch in Krisenzeiten – zum Teil unter schmerzhaften Einschnitten hinsichtlich des eigenen Lebensstandards – bereit waren, verantwortungsbewusst zu handeln und mitzuentscheiden. In diesem Zusammenhang begrüße ich es ausdrücklich, dass mit Datum vom 11. Dezember die Fraktion Die Linke im Bundestag in der Drucksache 19/217 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag in den Deutschen Bundestag eingebracht hat.
Frau Walsmann, ich erkenne jetzt nicht, wo Sie die Monstranz hernehmen, mit der ein Gesetzentwurf vor sich hergetragen wird.
Ganz im Gegenteil: Was ich bisher gesehen habe – deswegen ist es schade, dass Sie sich hier so geäußert haben – ist die fraktionsübergreifende Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Siemens und Coca Cola und natürlich das Engagement der Landesregierung – hier auch sehr herzlichen Dank an meinen Kollegen Wolfgang Tiefensee.
Was ich derzeit im Bundestag aber auch sehe, ist ein Vorschlag, der in die Zukunft weist und sehr verantwortungsvoll entsprechende Vorschläge unterbreitet. Dieser sieht unter anderem eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vor. Vorschläge des Betriebsrats, zum Beispiel zu Alternativen von Ausgliederung von Arbeit und Sicherung von Beschäftigung, sollen bei Dissens mit dem Arbeitgeber von einer Einigungsstelle entschieden
werden. Am Einigungsstellenverfahren soll ein Vertreter bzw. eine Vertreterin der Bundesagentur für Arbeit mit beratender Stimme teilnehmen. Der Betriebsrat soll befähigt werden, eine eigene Studie in Auftrag geben zu dürfen und externe Sachverständige hinzuziehen. Ebenso sind im Gesetzentwurf Änderungen des Kündigungsschutzes enthalten. Dient beispielsweise eine Kündigung dem Zweck, die Anzahl der Arbeitnehmer im Unternehmen zu reduzieren, ohne dass dies aufgrund der Auftragslage erforderlich ist, so stellt dies kein dringendes, betriebliches Erfordernis dar und ist damit sozial ungerechtfertigt. Kündigungen gelten somit als sozial ungerechtfertigt, wenn sie bei anhaltend positiver Ertragssituation lediglich der Gewinnsteigerung dienen. Auch sind umfassende Informationspflichten des Arbeitgebers bei geplanten Entlassungen und Untersuchungen der regionalen bzw. branchenspezifischen Arbeitsmarktfolgen durch geplante Entlassungen vorgesehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich konnte mich bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz in der vergangenen Woche in Potsdam davon überzeugen, dass ich mit meiner Haltung nicht allein dastehe.
Parteiübergreifend gab es ein großes Unverständnis in Bezug auf die Art und Weise, wie Siemens vorgegangen ist: Wenn nämlich Siemens Interesse an Investitionen hatte oder irgendwelche anderen Probleme auf der Tagesordnung standen, dann war man immer sehr schnell im Ministerium und hat mit dem entsprechenden Minister den Austausch gesucht. Hier war eine große Enttäuschung, dass man vor vollendete Tatsachen gestellt wurde, die Informationen aus der Presse erhalten hat, und meine Kollegen Herr Laumann aus NRW und Herr Grüttner aus Hessen waren sehr aufgebracht und haben uns hier auch noch mal entsprechend aufgefordert, uns gemeinsam solidarisch zu erklären und einen Appell an Siemens zu formulieren. So haben wir gemeinsam mit den Amtskolleginnen und -kollegen an die Geschäftsführung von Siemens einen sehr klaren Appell gerichtet, gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung nach Alternativen zu Werksschließungen und Personalabbau zu suchen. Das entspricht den Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Es wäre zugleich ein Zeichen respektvollen Umgangs des Unternehmens mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie deren Familien.
Ein vergleichbares Stimmungsbild zeichnete sich auch schon bei der Aktuellen Stunde im Bundestag zum Thema „Arbeitsplatzverlust bei Siemens vermeiden – Neue Perspektiven für Beschäftigte schaffen“ ab. Fraktionsübergreifend riefen Abgeord
nete Siemens zu einem Handeln auf, das insbesondere der Bedeutung und Verantwortung in den neuen Bundesländern gerecht wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland ist bisher mit der Sozialpartnerschaft sehr gut gefahren. Gerade ein deutsches Unternehmen wie Siemens gehörte für uns immer zu den Trägern einer solchen partnerschaftlichen Kultur. Und internationale Konzerne wie Coca-Cola wussten die Vorteile des deutschen Systems des Interessenausgleichs ebenfalls zu schätzen. Die Beschäftigten von CocaCola und Siemens dürfen nicht den Eindruck bekommen, von Verantwortungsträgern in Wirtschaft und Politik alleingelassen zu werden. Die Thüringer Landesregierung wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Standorte und insbesondere die Beschäftigten eine gute und verlässliche Perspektive bekommen. Das sollte unser gemeinsames Anliegen sein. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Den Gefahren für Mensch und Natur durch Glyphosat in Thüringen entgegentreten“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/4843
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Kobelt, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Warum diese Aktuelle Stunde? Es geht um nichts Geringeres als die Bewahrung unserer Lebensgrundlage. Die Menschen, Familien, unsere Kinder, unsere Enkelkinder haben ein Recht auf saubere Luft, auf sauberes Wasser, auf gesunde Nahrung. Die Menschen wollen kein Gift in ihrem Essen und in ihrem Wasser. Deswegen haben wir als Grüne eine klare Botschaft: Wir wollen Glyphosat stoppen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die biologische Vielfalt befindet sich in einem dramatischen Zustand. Von 1989 bis 2016 sind bereits 76 Pro
zent weniger Insekten zu bemerken. Insekten sind für die Bestäubung von 80 Prozent unserer Wildpflanzen verantwortlich und 60 Prozent der Vögel in der heimischen Natur ernähren sich hauptsächlich von Insekten.
Jetzt könnte man natürlich sagen – da gibt es auch schon Lächeln aus der CDU-Fraktion –: Was interessieren uns jetzt die Insekten? Das sind kleine Tiere, aber unsere Bauern haben große Probleme, denn sie sind auf die Bestäubungsleistung der Insekten angewiesen. Ist das jetzt grüne Naturromantik, die den Insekten hinterherweint? Nein, denn allein für Deutschland schätzt der Umweltwirtschaftsbericht den Marktwert der von Insekten letztendlich abhängigen Produkte auf jährlich 2,5 Milliarden Euro. Das sollte es auch den Wirtschaftsinteressenten wert sein, darüber nachzudenken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Wirkstoff Glyphosat ist bereits auf rund 40 Prozent unserer deutschen Ackerflächen – auch in Thüringen – zu finden. Das Totalherbizid wirkt auf alle grünen Pflanzen, in Landwirtschaft, im häuslichen wie im öffentlichen Bereich. Aber wie begegnet uns Glyphosat jetzt auch im täglichen Leben? Glyphosat ist – eine ganz neue Meldung – im Bier aufgefunden worden.
Also: Hopfen, Malz und Wasser müssten im Reinheitsgebot durch Glyphosat ergänzt werden. Jetzt gibt es natürlich schon Meldungen von der CDU. Sie können natürlich sagen: Bier ist sowieso ungesund, was interessiert uns da das bisschen Glyphosat drin? Aber denken Sie auch daran, dass Glyphosat zum Beispiel in der Muttermilch nachgewiesen worden ist.
Entdeckungen von Rückständen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat sind in 16 Muttermilchproben gefunden worden und die Grenzwerte liegen weit über dem, was im Trinkwasser erlaubt ist. Stellen Sie sich das bitte vor, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das Beste, was Babys bekommen können, ist verschmutzter als Wasser, was Sie hier auf der Toilette aus der Leitung zapfen können.
Das ist ein Skandal, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zeigt uns als Beispiel, dass wir etwas gegen Glyphosat tun müssen.
Weitere Wirkung erfolgt natürlich im Gesundheitsbereich, zum Beispiel, dass Salmonellen nach Glyphosateinsatz resistenter gegen Antibiotika sind.
Das heißt, die Gefahr für die menschliche und tierische Gesundheit steigt durch den Einsatz. Böden entwickeln immer mehr Probleme in der Pflanzenernährung. Pflanzen haben Probleme, Eisen, Mangan, Zink aufzunehmen. Die Folge ist, man muss zusätzlich düngen und der Kreislauf verstärkt sich immer mehr – Einsatz von Pestiziden, mehr Düngung, mehr Belastung für Mensch und Umwelt.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in einer Studie in Argentinien ist auch genau untersucht worden, was es noch weiter für Auswirkungen hat, und es ist sichtbar, dass neben mit Glyphosat behandelnden Sojafeldern Fehlgeburten stark angestiegen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich lade Sie ein, testen Sie selbst mal, wie viel Glyphosat in Ihrem Urin vorhanden, in Ihrem Körper schon drin ist, ob Sie sich bewusst ernähren oder versuchen, das zu vermeiden. Sie können es mittlerweile nicht vermeiden, weil es in allen Lebensmitteln vorhanden ist. Sie können das testen, die Probe kostet 80 Euro. Dort werden Sie sehen, Sie können es auch mal vergleichen, wie viel Glyphosat in Ihnen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Bündnis 90/Die Grünen wollen eine Landwirtschaft ohne Gift. Wir wollen eine Landwirtschaft, die Mensch, Tier und Umwelt nicht schädigt. Wir wollen wie in Frankreich und Dänemark ein Pestizidreduktionsprogramm auflegen und Anreize schaffen, dass Glyphosat deutlich weniger eingesetzt und letztendlich verboten wird. Wir wollen einen schnellen Ausstieg aus Glyphosat und wir wollen eine Verbesserung des Zulassungsverfahrens. Mittlerweile ist es so, dass der Gesetzgeber nachweisen muss, dass Glyphosat schädlich ist, und dazu werden ausschließlich, weil es sehr viel Geld kostet, Studien von den Herstellern genommen. Wir wollen die Beweislast umkehren, sodass die Hersteller beweisen müssen, dass es nicht schädlich ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Grüne sagen ganz klar: Glyphosat stoppen! Wir freuen uns über die Unterstützung von SPD und Linken in dem Anliegen über die Bundesratsinitiative, die über die Landesregierung eingebracht wurde. Wir stehen an der Seite der Bürgerinnen und Bürger und wollen nochmal einen Dank sagen für 1,3 Millionen Unterschriften in ganz Europa gegen den Glyphosateinsatz.