Protocol of the Session on December 12, 2017

Die Lage in Erfurt und an den anderen Standorten von Siemens hat vier große Ursachen. Für drei Ursachen sind leider Sie, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete von den Altparteien bzw. Altfraktionen, zumindest indirekt mit verantwortlich. Die erste Ursache, die ich jetzt benenne, ist weniger in Ihrem Wirkungskreis zu verorten, das möchte ich gern zugeben. Die erste Ursache ist das Managementversagen, zumindest das partielle Managementversagen bei Siemens. Gerade im Bereich der Reorganisation des Vertriebssystems sind – so jedenfalls die Informationen, die uns vorliegen – in den letzten Jahren schlimme, schlimme Fehler gemacht worden, die auch zu einer entsprechend schlechten Akquise von Aufträgen geführt haben.

Die zweite große Ursache, die die Siemens-Standorte bei uns im Osten belastet, ist die Energiewendepolitik der Altparteien, also ein Politikansatz, der von sämtlichen Altparteien auch dieses Hohen Hauses getragen wird. Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, die Altparteien verfolgen mit ihrer Energiewendepolitik einen Ansatz, der den Klimawandel nicht für 5 Minuten aufhält,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich dachte, Sie meinen, den Klimawandel gibt es gar nicht!)

aber die deutsche Wirtschaft und den deutschen Stromkunden mit immer exorbitanteren Strompreisen drangsaliert.

(Beifall AfD)

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die sogenannte Energiewende Großkraftanlagen verdrängt und die Nachfrage nach modernen Gasturbinen senkt. Diese modernen Gasturbinen werden wo hergestellt? Genau – unter anderem im Siemens-Werk hier bei uns in Erfurt.

Die dritte Ursache, die ich benennen möchte, ist die russlandfeindliche Politik, die wiederum von sämtlichen Altparteien getragen wird.

(Beifall AfD)

Die Sanktionspolitik, die nicht im deutschen Interesse liegt, wird von sämtlichen Altparteien getragen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, jetzt können Sie sich entsprechend hier aufregen. Schauen Sie sich bitte das Abstimmungsverhalten im Bundestag an.

Sie hat einem über Jahrzehnte gewachsenen Vertrauensverhältnis zwischen dem russischen Volk und dem deutschen Volk schweren Schaden zugefügt und darüber hinaus natürlich auch die Handelsstruktur

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Rudy kümmert sich darum!)

(Abg. Lehmann)

zwischen beiden Ländern massiv ausgedünnt und belastet.

(Beifall AfD)

Das Russlandgeschäft von Siemens hat sich tatsächlich in den letzten Jahren fast halbiert.

Die vierte Ursache, die ich abschließend noch nennen will – Frau Walsmann, Sie waren doch schon auf dem richtigen Weg und dann hat Sie doch der Mut verlassen, aber ich denke, ich muss es hier vorn mal artikulieren –, das sind tatsächlich die knallharten

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist der Hammer!)

und auch knallhart durchgefochtenen Wirtschaftsinteressen unseres Partners USA. Ich glaube, das wollten Sie eigentlich auch gesagt haben. Erinnern wir uns bitte an den Siemens-Skandal, der im Jahre 2006 seinen Anfang nahm. Auch damals haben wir massive Einflussnahmen der amerikanischen Politik bemerken müssen. Und heute haben wir es tatsächlich mit einer wirklich sehr stringent angelegten und auch durchgeführten „America First“-Strategie zu tun. Tatsächlich könnte die Schließung der Siemens-Werke im Osten unserer Republik auch jetzt schon der fühlbare Ausfluss dieser „America First“-Strategie sein.

(Beifall AfD)

Das muss auch mal deutlich ausgesprochen werden, weil das einige deutsche Politiker so verwundert, die anscheinend in anderen Sphären unterwegs sind. Es ging damals, 2006, bei dem großen Siemens-Skandal und es geht vielleicht auch heute bei den sogenannten Restrukturierungen im Konzern Siemens auch darum, amerikanische Interessen durchzusetzen. Wenn wir als Politik Siemens helfen wollen, können wir das nicht mit Klassenkampfrabulistik und Klassenkampfrhetorik machen, sehr geehrter Kollege Hausold.

(Beifall AfD)

Es nützt doch nichts, wenn wir nur weiterhin an den Symptomen kurieren wollen.

Auch die Feststellung, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, kann ich so unterschreiben. Sie hilft uns aber bei der Analyse und Problembehebung im Fall Siemens leider reichlich wenig. Wenn wir Siemens helfen wollen als Politik, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, dann müssen wir erstens die desaströse Energiewendepolitik beenden, dann müssen wir zweitens die Russlandsanktionen beenden

(Beifall AfD)

und dann müssen wir drittens – und das verlangt dann tatsächlich Mut als deutsche Politik – unsere

Industrie gegen machtpolitisch motivierte Angriffe auch befreundeter Staaten schützen.

(Beifall AfD)

Alle anderen Ansätze sind als Symptompolitik abzulehnen. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Kollege Hausold hatte das Thema „Soziale Marktwirtschaft“ schon angeschnitten und hier charakterisiert das Wort „Soziales“ tatsächlich etwas, was, glaube ich, auch die Fraktion Die Linke mit ihrer Aktuellen Stunde noch mal herausstellen wollte. Für Unternehmen, und zwar unabhängig davon, ob sie hohe Gewinne oder geringere Gewinne erwirtschaften, besteht gleichzeitig eine hohe soziale Verantwortung ihren Beschäftigten gegenüber. Bei Siemens und Coca Cola fragt man sich – sicherlich auch viele der dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –: Warum erwirtschaften wir mit unserer Arbeit hohe Gewinne, werden aber gleichzeitig abgewickelt oder verkauft?

Sehr geehrte Damen und Herren, die Enttäuschung, die ich selbst auf den Demonstrationen vor dem Werkstor bei Siemens bei den Menschen erlebt habe, kann ich bestens nachvollziehen. Gerade jetzt, 14 Tage vor Weihnachten, verstehe ich ihre Sorgen und ihre Fragen, auf die es leider keine einfachen Antworten gibt. Aber gerade das Beispiel von Siemens macht deutlich: Insgesamt haben wir hier in der Bundesrepublik seit Beginn der 90erJahre einen systematischen Abbau der sozialen Komponente unserer Marktwirtschaft erleben müssen. Viele Konzerne richten ihr Geschäftsgebaren, ihre Gewinnerwartung nach Anlegern und Aktionären aus und nicht mehr nach den sozialen Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter. Offensichtlich fließen sie auch kaum noch ein.

Bei Siemens, sehr geehrte Damen und Herren, war diese Entwicklung lange Zeit noch ganz anders und man konnte sich darauf verlassen, dass man ein Teil der Siemens-Familie ist und dort sicher und gut aufgehoben war. Doch diese Sichtweise hat sich in den letzten Jahren dramatisch für die Beschäftigten bei Siemens verändert. Hintergrund sind die sich stark verändernden internationalen Spielregeln. Auch wenn ein deutscher Technologiekonzern, die Siemens AG, überall auf der Welt operiert, so enthebt ihn das nicht seiner besonderen Verantwor

(Abg. Höcke)

tung für daheim, wo er seit über 150 Jahren die Industriegeschichte dieses Landes mit geprägt hat. Und diese besondere Verantwortung kann ich leider im Agieren der Konzernleitung im Augenblick nicht mehr erkennen. Durch die besondere Größe des Konzerns trägt dieser auch eine besondere Mitverantwortung, wenn es um die Stabilität und die zukünftige Entwicklung des eigenen Umfelds geht. Stabile Rahmenbedingungen bilden eine der Grundlagen unternehmerischen Handelns. Das sollte auch für Siemens gelten und auch in Ostdeutschland. In ganz besonderem Maße gilt das für die Standorte, an denen das Unternehmen einer der wichtigsten Arbeitgeber ist, und das sind sie an den Standorten, die jetzt in Ostdeutschland davon betroffen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, global agierende Unternehmen unterliegen laufenden Neuausrichtungen und -strukturierungen auf der Suche nach neuen Märkten und im Zuge der Anpassung an sich verändernde Märkte. Gerade für Unternehmen wie Siemens als Technologieunternehmen sind weltweite Veränderungen unter anderem in der Energieerzeugung, der Informationstechnologie und im Verkehr an der Tagesordnung; sie sind geradezu überlebensnotwendig. Um dieses Überleben dauerhaft abzusichern, haben die Unternehmen auf Marktanalysen, auf den Markt, auf die Veränderungen, auf Wettbewerb und auf Wirtschaftlichkeit zu achten und diese zu berücksichtigen.

Herr Höcke, vor dem Hintergrund einer 20 Jahre andauernden Energiewende kann man, glaube ich, nicht mehr von Überraschung sprechen, sondern Siemens hat auch hier die Chance gehabt, sich 20 Jahre lang an einen verändernden Markt anzupassen, und das haben sie nicht gemacht. Und nein, die Gasturbinen werden nicht von den Erneuerbaren aus dem Markt verdrängt, sondern von den nicht abgeschalteten Kohlekraftwerken.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn allerdings Entscheidungen ausschließlich unter dem Druck der vierteljährlichen Berichtslagen gegenüber den Aktionären und deren Gewinnerwartungen getroffen werden, graben diese Entscheidungen den strukturschwachen Regionen einfach das Wasser ab. Es beschleunigt Negativentwicklungen, die am Ende möglicherweise auch den gesamten Konzern zu erfassen drohen.

Das Unternehmen Siemens agiert in vielen Feldern auf dem deutschen Markt: Informationstechnologie, Kraftwerksbau oder auch Transportwesen – Technologien, die durch die öffentliche Hand oder durch unsere Stadtwerke bestellt und von uns Steuerzahlern und Nutzern finanziert werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir stehen voll hinter den Forderungen der Beschäftigten von Sie

mens, ihrer Forderung nach Erhalt der Arbeitsplätze. Siemens erwirtschaftet hier Milliardengewinne, auch durch ihre Geschäfte auf dem deutschen Markt. Es sind die ICEs, die hier durch Thüringen fahren, es sind die Geschäfte in Libyen, die mit Hermes-Bürgschaften abgedeckt werden, es sind unsere Gelder.

Herr Abgeordneter Müller, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Sehr geehrter Herr Siemens-Vorstand, auch wir sind Kunden Ihrer Produkte und Ihrer Kaufentscheidungen und wir können Ihnen nur gut zureden: Grundlage sozialer Beurteilung kann auch eine Kaufentscheidung sein. Nicht der Preis bestimmt das Geschäft. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat Ministerin Werner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, werte Gäste, steigende Gewinne nach Steuern von 11 Prozent bei der Siemens AG, 15 Prozent steigende Gewinne bei Coca Cola, die Dividenden und Renditen für deren Anlegerinnen und Anleger haben sich ebenfalls in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Siemens bezeichnet daher vor allem aus Sicht des Unternehmens nicht zu Unrecht auch das vergangene Geschäftsjahr als ein weiteres sehr erfolgreiches Jahr. Der Gewinn nach Steuern belief sich im Geschäftsjahr 2017 nach Konzernangaben auf rund 6,2 Milliarden Euro.

Beide Unternehmen – Coca Cola wie Siemens – sind mit Blick auf die wirtschaftlichen Kennziffern erfolgreiche und gesunde Unternehmen. Demgegenüber stehen Ankündigungen von Umstrukturierungen, die auch Werksschließungen und Werksverkäufe vorsehen, wodurch allein bei Siemens weltweit über 6.900 Stellen wegfallen sollen, davon etwa die Hälfte in Deutschland. Als Arbeitsministerin macht mich diese Entscheidung tief betroffen, denn ich weiß, was das für die Beschäftigten und ihre Familien bedeutet. Neben den unmittelbar wegfallenden Arbeitsplätzen geht es gleichermaßen um eine große Zahl von bedrohten Arbeitsplätzen im Zulieferbereich. Das ist gewiss keine gute Nach

(Abg. Müller)