renz am 27. und 28. Juni 2012 in Saarbrücken haben sich die Gesundheitsminister der Bundesländer mehrheitlich für eine Abschaffung der Praxisgebühr ausgesprochen. Einem entsprechenden Antrag von Hamburg stimmten 11 Bundesländer zu, darunter auch Thüringen. Für einen offiziellen Beschluss wären jedoch 13 Stimmen nötig gewesen. Das ist die Geschäftsordnung der Gesundheitsministerkonferenz, um zu dokumentieren, wenn da Beschlüsse gefasst sind, sind die dann auch mit einer überwiegenden Mehrheit der Länder gefasst worden und nicht durch eine knappe Entscheidung entstanden. Dennoch glaube ich, dass bei 11 Stimmen das Abstimmungsergebnis ein starkes politisches Signal ist, welches die ablehnende Meinung der Länder dokumentiert. Deshalb sollte man das Thema auch weiter, glaube ich, auf der Agenda halten. Ihre Forderung nach einer erneuten Bundesratsinitiative, wie sie in Ziffer II des Antrags formuliert ist, sehe ich deshalb jetzt erst mal nicht als zielführend an, denn der Schlüssel zur Abschaffung der Praxisgebühr liegt allein bei der Bundesregierung. Es wäre der einfachere Weg, das hinzubekommen, dass das von Bundesseite, da, wo es anzustreben ist, gemacht wird.
Ja, und ich habe Ihnen ja gesagt, was wir alles machen. Wir haben dort, denke ich mal, eine Menge getan, aber jetzt wäre es eigentlich an der Tagesordnung, dass Sie auf dieser Ebene weiter tätig werden und vielleicht kommen Sie ja dann eher zum Ziel, als es mit der Möglichkeit wäre, die wir bescheidenerweise haben. Herzlichen Dank.
Vielen Dank für den Bericht. Kann ich jetzt davon ausgehen, dass die Fraktionen, weil sie ihre Redemeldungen hier abgegeben haben, alle die Aussprache zu Nummer I des Berichts möchten? Ja. Ich eröffne die Aussprache sowohl zum Sofortbericht als auch zum gesamten Antrag und rufe als Ersten auf für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Gumprecht.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, „Spare in der Zeit, so hast du in der Not“ die aktuellen Überschüsse der Sozialkassen wecken zahlreiche Begehrlichkeiten. Es gibt viele Ideen, was man mit dem Geld tun kann - die FDP fordert heute die Abschaffung der Praxisgebühr und steigt damit auf eine Initiative auch der Ärzteschaft auf. Ich gebe zu, das ist eine populäre Forderung, denn wer zahlt schon gern Eintrittsgelder beim Arzt.
Ich weiß, auch zahlreiche Thüringer Ärzte haben sich der Unterschriftensammlung der Bundeskassenärztlichen Vereinigung angeschlossen und zahlreiche Patienten nutzen dies auch. Wir müssen uns aber auch im Klaren darüber sein, dass Rücklagen der Kassen, so erfreulich sie sind, vor allem Ergebnisse einer guten wirtschaftlichen Lage sind. Bei einer Abschwächung der Konjunktur können diese Rücklagen auch sehr schnell wieder schrumpfen. Die FDP spricht in ihrem Antrag von einer überflüssigen Gebühr.
Nun, diese sogenannte überflüssige Gebühr trägt immerhin jährlich mit 2 Mrd. € zur Finanzierung des gesamten Gesundheitssystems bei. Sie wollen diese, ich sage, sogar stabile Einnahmequelle streichen, ohne zu sagen, was dauerhaft als Gegenfinanzierung hier geschehen kann. Der Verweis auf das aktuelle Finanzpolster der Krankenkassen genügt eben nicht. Niemand kann sagen, wie sich die Einnahmen in Zukunft entwickeln werden. Ihre Forderung kann damit schnell zu einer Luftbuchung werden.
Meine Damen und Herren, die Versicherten erwarten, dass wir ihr Geld auch zusammenhalten. Sie erwarten, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht aus dem Ruder laufen, und die Versicherten erwarten von uns, dass wir eine hochwertige medizinische Versorgung auch in Zukunft sichern. Ein Schnellschuss wie die Abschaffung der Praxisgebühr würde all diese Ziele gefährden. Verantwortungsvolle Politik bedeutet, die Finanzierung des Gesundheitssystems nachhaltig zu sichern anstatt mit Blick auf Umfrageergebnisse die Sinnfrage zu stellen. Ich sage, Verlässlichkeit anstatt Beliebigkeit ist hier gefordert.
Die Finanzierung der Krankenkassen mit einem Mix aus Beiträgen, einmal aus staatlichen Zuschüssen, aus Zuzahlungen wie der Praxisgebühr, sage ich, hat sich bewährt. Zuzahlungen sind natürlich sozialverträglich zu gestalten. Die Patienten sind deshalb durch eine Überforderungsklausel geschützt. Ich gehe davon aus und glaube auch daran, dass man so wie alle Gesetze auch diese Finanzierung eines Tages überprüfen muss. Welche Wirkung entfalten Zuzahlungen? Es gibt Zuzahlungen nicht nur in Form der Praxisgebühr, sondern auch Zuzahlungen im Bereich der Arznei- oder der Hilfsmittel. Dort wird ein viel höherer Beitrag von den Versicherten abgefordert. Ich bin sicher, dies wird auch geschehen, aber im Gesamtkontext. Außerdem - ich habe bereits darauf hingewiesen - gibt es Möglichkeiten der Krankenkassen, die Versicherten zu entlasten,
ein Teil der Beitragsleistung kann als Prämie oder Erstattung zurückgegeben werden, andere Kassen bieten Zusatzleistungen an. Ich denke, das ist auch ein Weg. Vor allem die AOK denkt sehr stark darüber nach.
Wir alle wissen, meine Damen und Herren, dass wir im Gesundheitsbereich vor gewaltigen Aufgaben stehen. Ich nenne die Alterung der Gesellschaft und ich nenne die Sicherung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben, all das wird Geld kosten. Wir sind gut beraten, Rücklagen aufzubauen.
Ein hoher Qualitätsstandard in der medizinischen Versorgung, das ist die Herausforderung. Die Herausforderung heißt auch, diese langfristig zu finanzieren. Herr Dr. Schubert hat schon über die Initiativen der Länder berichtet, dass dies gerade vor Kurzem geschehen ist. Dort hat dieser Antrag keine Mehrheit gefunden. Wir halten dies deshalb für populistisch und lehnen deshalb auch Ihren Antrag ab. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, selbstverständlich wird DIE LINKE diesem Antrag zustimmen, weil wir für die Abschaffung der Praxisgebühr sind.
Aber meine Kolleginnen und Kollegen von der FDPFraktion, wir als Partei sind schon 2003 und 2004 auf die Straße gegangen, als die Praxisgebühr eingeführt worden ist, und haben gegen die Einführung der Praxisgebühr gekämpft,
als Sie sich im Bundestag der Stimme enthalten haben. Das muss man an dieser Stelle erst mal festhalten.
Die Praxisgebühr hat sich natürlich als Flop erwiesen, die im Rahmen der Gesundheitsreform durch Rot-Grün und auch mit Zustimmung der CDU/CSU im Bundestag durchgepeitscht wurde. Dieser Flop im Rahmen dieser Gesundheitsreform ist die Fortsetzung der gesamten Gesundheitspolitik in dieser Bundesrepublik, wo es kein Gesundheitsminister geschafft hat, eine Gesundheitsreform auf den Weg zu bringen - egal ob das Seehofer war, Schmidt, Fischer, Rösler oder auch Bahr -, die Nachhaltigkeit
hat und die vor allem für die Patienten da ist. Eines hat die bisherige Gesundheitspolitik - und dazu gehört die Praxisgebühr auch -, diese sogenannten Gesundheitsreformen gemeinsam, nämlich eine Lastenverteilung zulasten der Patienten. Den Patienten wird immer mehr aufgebürdet und das bedeutet Schritt für Schritt eine Verabschiedung von den solidarischen Sicherungssystemen. Das ist der Skandal in diesem Land, meine Damen und Herren.
Jeder bisherige Schritt in den Gesundheitsreformen führt weg von der solidarischen Finanzierung der Krankenkassen. Ein Staat, der Kostendämpfung und Beitragssenkungspolitik in der Sozialversicherung durchführt, meine Damen und Herren - das stand bisher im Mittelpunkt, so eine Politik -, der will Armut schaffen und will sich von der Solidarität und eigentlich vom Prinzip des Sozialstaats verabschieden. Die Senkung von Lohnnebenkosten zulasten der Arbeitnehmer ist ein Angriff auf die sozialen Sicherungssysteme und das schafft Armut. Meine Damen und Herren, wer das will, der will eigentlich in diesem Staat eine Systemveränderung, nämlich weg von den gesetzlichen Krankenversicherungen, weg von den gesetzlichen Sozialversicherungen hin zur Privatisierung.
Das ist Systemveränderung, meine Damen und Herren. Das kann man sogar schon als Angriff auf das Grundgesetz werten. Im Grundgesetz steht und das ist uns allen bekannt, Eigentum verpflichtet. Deshalb gehört es zum Prinzip eines Sozialstaats dazu, dass die, die über hohe Einkommen verfügen, auch die größeren Lasten für den Sozialstaat tragen. Deshalb muss die Diskussion geführt werden, wie bekommen wir in unsere sozialen Sicherungssysteme Einnahmen rein, aber nicht zulasten der Patienten, sondern indem wir alle in dieser Gesellschaft tätigen Menschen, alle Bürger dieses Landes an diesem sozialen Sicherungssystem beteiligen entsprechend der Höhe ihres Einkommens. Es wird früher oder später kein Weg an einer solidarischen Bürgerversicherung vorbeiführen,
wenn wir das Prinzip der solidarischen Versicherung und der gesetzlichen Sozialversicherung beibehalten wollen im Staat. Wer das nicht will, der muss das sagen, aber das - ich wiederhole mich noch einmal - ist eine Systemveränderung. Natürlich ist in dem Zusammenhang auch die Praxisgebühr zu sehen. Die Praxisgebühr muss weg. Sie wurde eingeführt, weil - das war damals teilweise eine zynische Diskussion, die wir gehört haben Wartezimmer keine Kommunikationszentren sind, Wartezimmer sind keine Begegnungsstätten, in denen man sich ausruhen kann, in denen man kom
munizieren kann. Man wollte im Prinzip Arztbesuche vermeiden. Das war eigentlich das Ziel der Praxisgebühr, indem man eine Gebühr erhebt, eine Eingangspauschale, ein Eintrittsgeld für Ärzte. Das war zulasten der Patienten und hat aber nicht zum Erfolg geführt. Die Zahlen, die der Staatssekretär genannt hat, haben das deutlich gemacht. Es sind nicht weniger Arztbesuche dadurch entstanden. Es ist ein bürokratischer Aufwand entstanden zulasten der Praxen, aber auch zulasten der Krankenversicherungen.
Mich verwundert der Antrag der FDP. Ich könnte mir drei Motive vorstellen, warum Sie auch heute diesen Antrag hier gestellt haben, nämlich erstens die Forderung nach Abschaffung der Praxisgebühr ist populär und wird als Chance gesehen, das ramponierte Sozialimage Ihrer Partei aufzuwerten.
Zweitens, die Ärztinnen und Ärzte lehnen die Praxisgebühr seit langer Zeit als Ärgernis ab. Hoher Bürokratieaufwand und der Ärger der Patientinnen und Patienten weiten sich aus und erschweren letzten Endes ihre Arbeit, also machen Sie dort eine Lobbypolitik.
Drittens, die Abschaffung der Praxisgebühr wird sich auf Dauer nicht verhindern lassen, das wissen Sie. Die Front gegen die Praxisgebühr wächst und Sie wollen jetzt einfach die Gelegenheit nutzen, auf diesen Zug aufzuspringen. Noch etwas ist doppelte Heuchelei, meine Damen und Herren der FDP, seit langer Zeit liegt im Deutschen Bundestag ein Antrag der LINKEN zur Abschaffung der Praxisgebühr.
Wenn Ihre Fraktion im Bundestag im April diesem Antrag zugestimmt hätte, dann wäre das Thema in diesem Land schon längst beendet gewesen.
Aber Sie parken diesen Antrag im Ausschuss des Bundestags seit dem Monat April. Das ist Verzögerung. Das ist Heuchelei, wenn Sie heute als Retter der Armen und Entehrten hier auftreten.
Auf der einen Seite, meine Damen und Herren, wollen Sie die Praxisgebühr abschaffen, auf der anderen Seite haben aber Ihre Gesundheitsminister Zusatzbeiträge eingeführt, Kopfpauschalen eingeführt. Das heißt, auf der einen Seite nehmen Sie 10 €
weg und auf der anderen Seite haben Sie zwei Sachen neu geschaffen, die zulasten der Patienten gehen. Aber so dumm sind die Menschen nicht, dass sie nicht merken, was Sie wollen.
Eine Bemerkung zum Kollegen Gumprecht - er ist jetzt nicht da -: Ich warne davor, die vollen Kassen der Krankenkassen jetzt für solche Spielchen zu benutzen, was machen wir mit dem Geld, zahlen wir es an die Patienten zurück oder dergleichen mehr. Erstens könnten andere Situationen wieder eintreten und zweitens könnten diese Rücklagen, die die Krankenkassen haben, auch dafür verwendet werden, dass den Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind - und da meine ich nicht nur die Ärzte -, vernünftige Vergütungen gezahlt werden, dass diejenigen, die im Gesundheitswesen arbeiten, auch für ihre Arbeit entsprechend entlohnt werden.