Protocol of the Session on June 22, 2012

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schade.)

Da gibt es auch Gründe, bei denen die Frauen durchaus sagen, ich möchte gern familienpolitisch meine eigenen Akzente setzen, ich möchte Teilzeit arbeiten, ich möchte Befristung haben. Das muss man jedem anerkennen. Sie wissen ja, dass dieser Unterschied nicht der von Müller und Meier ist, sondern dass es der durchschnittliche Nettolohn bei Männern und bei Frauen ist, der den Prozentsatz ausmacht. Aber es gibt leider zu wenige in diesen exponierten gut bezahlten Stellungen, es gibt leider zu viele überrepräsentiert in schlechter bezahlten. Ich sage es noch einmal, deshalb, Herr Augsten, das ist nicht in Ordnung, sich hier so hinzustellen am Ende, das hat Frau Pelke richtig gesagt, die einen sind die Guten und die anderen sind die weniger Guten. Ich sage es ganz vorsichtig, das ist nicht in Ordnung.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So haben Sie es verstanden.)

Da sollten Sie mal darüber nachdenken, weil Sie in Ihrer Zeit tatsächlich an dem Punkt nichts gemacht haben. Danke schön.

(Beifall CDU, FDP)

Die Debatte nimmt Fahrt auf. Abgeordnete Leukefeld hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es wäre ja schön, wenn wir so engagiert vielleicht auch im Ausschuss diskutiert hätten.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Herr Kemmerich, Sie waren da gar nicht da. Ich will über die Gründe nicht reden, aber die Fragen, die Sie hier aufgeworfen haben, das wäre schon gut gewesen, da wäre auch Zeit und Raum gewesen, darüber zu diskutieren. Mir kommt es ein bisschen vor, Herr Präsident, Sie haben die Frage ja aufgeworfen, warum die Männer sich so engagieren, das es ein Stück weit auch die eigene Eitelkeit hier ist, die zur Diskussion führt, die eigentlich mit dem ursprünglichen Thema, nämlich gerechter Entlohnung von Frauen und Männern, relativ wenig zu tun hat. Ich wundere mich auch über die Schärfe, als hier Wahrheiten ausgesprochen wurden, wie da reagiert wurde. Herr Augsten, ich saß ja auch in dem Ausschuss, da war die Debatte schon eine andere, als sie sich im Abstimmungsverhalten letztendlich niedergeschlagen hat. Ich sage das jetzt mal ganz einfach und ohne Pathos, weil die Frage war ja, bekommen wir das hin, dass wir zu den Punkten 2 und 3 sagen, wird schon alles gemacht, ist alles gut, guter Bericht und es wird gearbeitet, brauchen wir nicht. Wir, also ich, hatte dann beantragt im Ausschuss, dass wir getrennt zu diesen Punkten 2 und 3 noch einmal abstimmen, weil wir vom Inhalt her zwar eine große Übereinstimmung hatten Frau Pelke, da gebe ich ausdrücklich recht -, aber in der Schlussfolgerung, ob es sich nun erledigt hat oder nicht, sind wir zu einer anderen Auffassung gekommen. Da teile ich die Auffassung, dass wir sagen, es wäre gut gewesen, dem Haus hier einen anderen Vorschlag für ein Abstimmungsverhalten vom Ausschuss vorzuschlagen. Das muss man schon sagen, ansonsten diskutieren wir hier auch ein Stück weit an der Sache vorbei.

Herr Kemmerich, zu einer Sache würde ich gern doch noch einmal kommen. Alles kann man sicherlich nicht beantworten. Aber Frauen leisten Doppeltes - ich will nicht sagen, sie sind in besonderer Weise von Ausbeutung betroffen, weil sie nämlich die Reproduktion der Arbeit zu Hause sichern und noch arbeiten gehen. Das ist eine doppelte Leistung. Letztendlich funktioniert das in der Gesellschaft nur in Gänze, wenn Männer nach dem alten Schema arbeiten gegangen sind und Geld verdient haben und die Frauen nur die Zuverdienerinnen waren, dann ist das eine Aufspaltung gewesen, nämlich in familiäre Arbeit, also Reproduktionsarbeit und in Erwerbsarbeit.

Frau Leukefeld, lassen Sie eine Zwischenfrage...

(Abg. Bergemann)

Einen Satz bitte noch. Deswegen denken wir, dass wir diese künstliche Aufspaltung und diese Arbeitsteilung, von der ich auch gesprochen habe, die einen sind für Haus und Hof und Kinder und Pflege zuständig und die anderen schaffen die Werte und holen den Lohn und das Geld über Erwerbsarbeit rein, dass das wirklich nicht mehr zeitgemäß ist. So, jetzt können Sie mich fragen.

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Leukefeld, können Sie mir kurz erklären, was Sie mit Reproduktion meinen. Ich habe das in meiner Ausbildung nicht gehabt, aber vielleicht haben Sie ein paar Erläuterungen dazu.

Ja, vielleicht haben Sie ein paar andere Sachen gelesen als ich gelesen habe. Wenn man Arbeit leistet, muss man auch etwas tun für die Reproduktion, damit man jeden Tag wieder diese Arbeit leisten kann, beispielsweise sich erholen, kleiden, essen, Kultur genießen, sich bilden und so weiter. Das gehört zur Reproduktion der Arbeitskraft (Karl Marx). Das müssen Sie nicht anerkennen, aber das ist notwendig, um letztendlich auch Arbeit verausgaben zu können und Werte zu schaffen und Leistung zu erbringen. Beides gehört zusammen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese künstliche Arbeitsteilung ist überfällig. Im Übrigen sind wir auch deshalb für Arbeitszeitverkürzung, weil es sicherlich sinnvoll ist, sich auch für Politik zu engagieren und für eigenes Fortkommen und Weiterbildung und sich überhaupt zu bilden und kulturell zu interessieren, weil die einen werden krank vor Arbeit und die anderen krank deshalb, weil sie nicht mitarbeiten können und nicht in diesem System, in der Gesellschaft integriert sind.

Ein letzter Satz noch mal zu Herrn Bergemann, wenn ich das sagen darf. Natürlich geht es um Freiwilligkeit der Entscheidung. Die Freiheit der Entscheidung setzt aber auch eine existenzielle Absicherung voraus. Wir sind dafür, dass Frauen und auch Männer frei entscheiden können, wie lange sie arbeiten und welcher Arbeit sie nachgehen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete. Für die Landesregierung hat Herr Staatssekretär Staschewski um das Wort gebeten.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werde jetzt versuchen, wieder ein bisschen zum Punkt zurückzukommen, auch wenn ich durchaus den Hinweis geben will, dass man auch nach der Wende an den Universitäten nach wie vor Karl Marx liest, weil er einer der bedeutenden Menschen ist, die Bücher nicht nur geschrieben haben, sondern die Bücher geschrieben haben, die es sich zu lesen lohnt. Aber Frau Leukefeld, erlauben Sie mir, dass ich jetzt auf Ihren Antrag zurückkomme und ein paar Anmerkungen dazu mache.

Lassen Sie mich zusammenfassen. Es gibt ein paar wichtige Sachen, die wir alle miteinander hier mitnehmen können. Erstens haben alle Fraktionen den Staatssekretär gelobt, das war auch mal gut.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite: Alle Fraktionen haben festgestellt, dass dieses Thema wichtig ist und weiter diskutiert werden muss und weiterentwickelt werden muss. Da bin ich bei dem Antrag. Ich denke, dass wir auch in der Landesregierung sehr deutlich gemacht haben, dass wir die Frage gleicher Lohn, gleiche Arbeit, Frau Pelke hat es sehr deutlich angesprochen, dass die beiden Fraktionen von CDU und SPD gemeinsam angreifen und einen konkreten Vorschlag vorlegen wollen, weil wir wissen, dass das sehr wichtig ist als ein Thema, das uns als Wirtschaftsstandort weiterbringen wird. Der zweite Punkt ist, dass wir uns selbstverständlich auch für einen Mindestlohn einsetzen und dass wir im Moment ringen, wie genau das auszuschauen hat. Wir sind hier mittendrin in den Diskussionen. Auch zu anderen Tagesordnungspunkten, zu anderen Sitzungen haben wir uns sehr deutlich dazu geäußert. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass selbstverständlich in Zusammenarbeit mit dem Gleichstellungsausschuss - mein herzliches Dankeschön nicht nur unsere Fachleute, sondern auch die politische Ebene bereit ist, im Rahmen der Fachkräftestudie zum Trendatlas die Rolle weiter zu beleuchten, die Rolle von Genderfragen zu beleuchten, weil, das glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt ist.

Herr Staatssekretär, es gibt den Wunsch auf Zwischenfrage durch den Abgeordneten Kemmerich.

Ja, gern.

Bitte, Herr Kemmerich.

Ich springe zwar ein bisschen zurück, aber Sie haben gerade zum Ausdruck gegeben, dass nach der Wende auch noch Marx gelehrt worden ist. Dem entnehme ich, Sie haben es vielleicht auch mal gelesen. Vielleicht können Sie mir erklären, ich habe es noch mal nachgeschlagen, das Wort Reproduktion wird hier in erster Linie mit Vermehrung definiert und weniger mit Erholung, das wird dann meistens mit Regeneration definiert. Vielleicht haben Sie eine andere Sichtweise der Dinge.

Ich kenne den Reproduktionsbegriff sowohl in dem Zusammenhang, den Sie angesprochen haben, obwohl ich mich dabei nicht beteilige, ich genieße das eher, aber ich kenne ihn auch

(Heiterkeit im Hause)

im Zusammenhang mit der Reproduktion der Arbeitskraft. Aber ich würde gern noch einmal zurückkommen zu diesem Thema, zu dem hier ein paar Anmerkungen gemacht worden sind, ich würde zu Ihnen auch gern, Herr Kemmerich, zwei, drei Punkte noch sagen. Sie haben angesprochen die Frage des Lohnunterschieds und haben darauf hingewiesen, dass in Ostdeutschland das Lohnniveau, also der Unterschied gar nicht so groß ist, insbesondere in den Bereichen bei der Teilzeitbeschäftigung. Da möchte ich ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, das ist ja eben das Problem, dass wir insgesamt ein niedriges Lohnniveau haben und das natürlich dann der Unterschied beim Lohnniveau zwischen Frauen und Männern etwas geringer ausfällt. Das ist aber nicht etwas, was wir als gut empfinden dürfen,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sondern daran müssen wir arbeiten, dass insgesamt das Lohnniveau steigt, damit wir wieder wettbewerbsfähig sind, wettbewerbsfähig sind im Sinne von Fachkräftesicherung. Sie haben ja dann auch gleich eine Mündliche Anfrage, zu der ich Stellung nehmen darf. Das ist doch genau unser Problem, wir brauchen insgesamt ein höheres Lohnniveau, deshalb sprechen wir über Fragen wie zum Beispiel Mindestlohn.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen natürlich darauf achten, dass wir insgesamt das Lohnniveau anheben, sowohl für Frauen als auch für Männer, auch bei Teilzeitbeschäftigung entsprechend ein ausreichendes Lohnniveau haben. Ich glaube, das ist genau der Punkt, bei dem wir im Rahmen der Fachkräftestudie und zum Trendatlas darüber sprechen werden und uns da auch Lösungsvorschläge erarbeiten müssen. Ich möchte auch noch mal auf den Punkt eingehen, was den Wert der Arbeit anbelangt. Da ist hier mal so kurz

darüber gesprochen worden, das ist, glaube ich, ein ganz zentrales Thema, was die Anerkennung der Werte der Arbeit anbelangt. Natürlich kann ich leicht formulieren „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, aber wir müssen auch gerade über den Punkt sprechen, wie bewerte ich Arbeit zum Beispiel im sozialen Bereich und wie muss der dann auch entlohnt werden. Wenn ich mir die Entlohnung anschaue zum Beispiel bei Erzieherinnen und Erziehern, dann ist das vollkommen klar, dass das eine ganz große Herausforderung ist, diese Wertigkeit in der Gesellschaft entsprechend zu diskutieren und zu einem besseren Lohnniveau zu kommen. Dann sind wir auch da,

(Beifall SPD)

dass wir bei sogenannten typischen Frauenberufen vielleicht eine bessere Entlohnung haben. Dann gehen vielleicht auch mehr Männer in diese Berufe, was ich mir sehr wünschen würde.

Also erster Schritt war, wachsende Erwerbsbeteiligung bei Frauen, wir brauchen Fachkräfte. Wichtiger Schritt ist, Frauen und Fachkräfte in Thüringen zu halten, Abwanderung zu stoppen. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen, die auch Frau Pelke bereits erwähnt hat, durchgeführt und umgesetzt. Der zweite Schritt, der sehr wichtig ist, ist, insbesondere prekäre Beschäftigung bei Frauen zurückzudrängen. Bitte helfen Sie uns alle dabei, insbesondere bei der Erstellung der Fachkräftestudie zum Trendatlas. Ich glaube, wir können hier gemeinsam eine vernünftige Lösung finden. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Herr Dr. Augsten, eine Zwischenfrage? Herr Staatssekretär?

Ich war zwar fertig, aber er kann noch gern.

Das entscheiden Sie ganz allein.

Er war jetzt so schnell fertig, ich wollte ihn aber nicht unterbrechen. Herr Staatssekretär, ich will dass mit dem Lob etwas relativieren und hatte ja auch in den Raum gestellt, dass wir uns fragen, ob Sie das als Privatmensch waren oder als Staatssekretär oder als Mitglied der Landesregierung. Ich frage deshalb, weil Sie ja damals in der Rede angekündigt haben, dass Sie sich auf Bundesebene für eine Verbesserung einsetzen. Wie bewerten Sie denn diese Ansage, gerade auch mit Blick darauf,

was ich mit Frau Pelke besprochen habe vorhin bezüglich des Ergebnisses, also Ihres Verhaltens oder des Verhaltens der Landesregierung im Bundesrat?

Wir haben uns zum Beispiel als Ministerium im Fachbereich, also in dem Ausschuss für Arbeit und Soziales ganz klar für den Antrag aus Baden-Württemberg eingesetzt. Ich denke, Sie sprechen das auch an. Es gibt immer wieder mal so Abstimmungen, das möchte ich hier mal erklären; ich dachte eigentlich, das ist allen klar. Da gibt es zum Beispiel den Ausschuss für Arbeit und Soziales und da stimmen dann die Länder entsprechend dazu ab und da gibt es breite Mehrheiten, teilweise sogar einstimmig, natürlich selbst so Länder, die schwarz-gelb regiert werden, da gibt es dann Situationen, die stimmen für einen Antrag und dann geht das Ganze ins Plenum des Bundesrats und da gibt es dann andere Verhaltensweisen von Ländern, weil dann entsprechende Abstimmungen zwischen den einzelnen Ressorts laufen, weil vielleicht dann andere Ausschüsse des gleichen Landes sich anders verhalten haben. So kommt es dann dazu, dass man sich zwar eingesetzt hat im Land, z.B. wie wir hier als Arbeitsministerium, haben in dem Ausschuss positiv gevotet, den Baden-Württemberger Antrag unterstützt, und dann insgesamt im Plenum kommt es dann zu einer Enthaltung. Das ist ein ganz normales Verfahren. Im Übrigen passiert das BadenWürttemberg in anderen Ausschüssen oder in anderen Abstimmungen genauso. Insofern haben wir uns hier dafür eingesetzt, wir haben das entsprechend gemacht und dann enthalten im Plenum, im Bundesrat.

Herr Staatssekretär, lassen Sie eine weitere Nachfrage zu? Herr Dr. Augsten.

Haben Sie das, was da in Berlin dann passiert ist, als Sie die Rede gehalten haben hier im Plenum, haben Sie das damals nicht kommen sehen?

Jetzt schauen Sie mal, ich bin ja kein Hellseher.

(Beifall CDU, SPD)

Wir sind in politischen Debatten und Prozessen und ringen darum, unsere Interessen durchsetzen zu können, und manchmal setzen wir uns durch und manchmal wird es dann auf eine Enthaltung hinauslaufen. Das ist ganz normal.