Protocol of the Session on June 21, 2012

Ansonsten bin ich der festen Überzeugung, dass wir gemeinsam im Untersuchungsausschuss, aber auch mit dem Innenministerium den Weg beschreiten werden, die Maßnahmen auf den Weg bringen werden, dass es zukünftig nicht zu solchem Konkurrenzdenken kommt einerseits, den Verfassungsschutz besser zu kontrollieren. Das ist, denke ich, erklärtes Ziel von allen, wenn wir das Gesetz jetzt ändern, Transparenz hineinbringen, die Parlamentarische Kontrollkommission stärken. Ich denke, das ist unsere Aufgabe und das bringen wir auf den

Weg. Ansonsten bin ich der festen Überzeugung, dass alle hier in diesem Haus gegen diesen Rechtsextremismus alle möglichen Formen des Kampfes aufnehmen, um diese rechtsextreme Gewalt in der Gesellschaft zurückzudrängen. In diesem Sinn vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dirk Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben im Vorfeld erlebt, dass man über eine Regierungserklärung auch sehr unterschiedlicher Auffassung sein kann. Ich denke aber, es ist trotzdem eine Frage der Höflichkeit, auch für die Regierungserklärung des Ministers zu danken, und das tue ich, Herr Minister.

(Beifall FDP)

Es ist richtig und wichtig, nach dem Bericht der Schäfer-Kommission auch ein Fazit zu ziehen. Es ist richtig und wichtig, dabei auch auf den Rechtsextremismus zu fokussieren angesichts der schlimmen Verbrechen, die wir in diesem Land erleben mussten und die uns seit Monaten nun so dramatisch beschäftigen. Dennoch hätte ich bei dem Titel erwartet, dass die gesamte Bandbreite verfassungsfeindlichen Handelns in diesem Land auch mit erfasst wird.

(Beifall FDP)

Es ist richtig, die Opferperspektive aufzugreifen; auch das hat Frau Kollegin Renner schon zu Recht bemerkt. Aber ich denke auch, dass wir auf Dauer nicht drum herumkommen, bei dem Blick auf die Opferperspektive uns auch damit zu beschäftigen, wie Opfern praktisch geholfen werden kann. Diese Betrachtungsweise dürfen wir uns nicht wegnehmen lassen.

(Beifall FDP)

Der Titel der Regierungserklärung „Freiheitliche Demokratie muss wehrhaft sein -…“ stützt sich auf einen Begriff, der eine feste Tradition besitzt und zu den Grundentscheidungen des Grundgesetzes gehört. Der Begriff „wehrhafte Demokratie“ kann aber auch missverständlich sein oder gezielt missverstanden werden. Wehrhaft bedeutet, dass unser Staat das Recht und den Willen hat, sich gegen seine Feinde von außen und innen aktiv zu verteidigen. Aber nicht die Demokratie als Begriff allein garantiert Abwehr und Freiheitsrechte, sondern unsere Verfassung, meine Damen und Herren. Die Verfassung ist es, die uns die Grundrechte und den Rechtsstaat gewährleistet und somit die freiheitlich

demokratische Grundordnung insgesamt. Der Begriff der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist definiert worden durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1952 wie folgt - ich zitiere: „So lässt sich die freiheitliche demokratische Grundordnung als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“

Den Vätern und Müttern, meine Damen und Herren, unseres Grundgesetzes ist es zu verdanken, dass wir eine Verfassung haben, die den Einzelnen stärkt und zugleich stark und wehrhaft gegen innere Feinde ist. Am 08.09.1948 bereits formulierte Carlo Schmid im Parlamentarischen Rat: „Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selbst die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Man muss auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“

(Beifall FDP)

Diese Erkenntnis kam aber nicht von allein, sondern sie stammt aus der schmerzhaften Erfahrung der Machtergreifung der Nazis und ihrer Schreckensherrschaft. Solche Ideologien, meine Damen und Herren, die damals für unendliches Leid bei Weitem nicht nur in unserem Land gesorgt haben, waren erneut Anlass, dass Menschen trauern und dass Menschen sterben mussten. Es ist deswegen richtig, meine Damen und Herren, dass wir ein Zeichen in Thüringen setzen gegen Extremismus, gegen ideologischen Stumpfsinn und somit für eine freiheitliche Demokratie.

Aber das allein reicht nicht aus. Wir haben uns die Aufgabe auferlegt, die Geschehnisse in Thüringen aufzuklären und daraus Konsequenzen zu ziehen. Dabei darf aber kein Schwarze-Peter-Spiel entfacht werden. Der Finger auf den jeweils anderen ist nicht ausreichend und nicht zielführend, wenn nicht offen und selbstkritisch alle Bereiche ausgeleuchtet werden. Ich füge hinzu: Es langt nicht, Fragen nur aufzugreifen und aufzuwerfen, es müssen auch Fragen beantwortet werden.

(Beifall FDP)

(Abg. Kellner)

Es langt nicht, Fragen so zu beantworten, dass der Eindruck entsteht, dass man eigentlich gar nichts dazu sagen möchte.

(Beifall Abg. Marx, SPD; FDP)

Meine Damen und Herren, es ist und bleibt aber unbegreiflich, wenn Banküberfälle, Rohrbomben, Mordanschläge auf das Konto einer kriminellen Gruppe gehen und niemand weiß und kann erklären, warum sich diese 14 Jahre lang in unserem Land verstecken konnte. Auch hat es nichts mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu tun, wenn eine Vielzahl der Funktionäre rechter Vereinigungen VMänner sind. Es kann nicht sein, dass solche Organisationen durch V-Männer geführt und mit Steuergeldern finanziert werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, FDP)

Der Verfassungsschutz soll aufklären, er soll mit den übrigen Sicherheitsbehörden kooperieren, aber er soll nicht mitmachen oder sogar anführen. Gerade dort, meine Damen und Herren, wo die Grenzen des Rechts unsichtbar werden, wo scheinbar kein Recht gilt, ist umso wichtiger, sich der Existenz dieser Grenzen und ihrer Lage sehr, sehr bewusst zu sein. Wenn der Staat seine eigene Grundordnung missachtet und dadurch im schlimmsten Fall sogar gegen sie kämpft, dann haben die Bürger zu Recht Angst um unsere Verfassung und somit um unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Wer aber Angst vor dem Staat hat oder dem Staat nicht mehr vertraut, der setzt sich nicht für ihn ein. Demokratie aber, meine Damen und Herren, lebt von dem Engagement und der Überzeugung der Bürger.

(Beifall FDP)

Demokratie lebt von Voraussetzungen, die der Staat nicht schaffen kann. Der Staat kann das Grundgerüst aufstellen, mehr aber auch nicht. Das Gebäude aufbauen und tragen können nur die Bürger als überzeugte Demokraten.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kommen Sie doch mal zum The- ma.)

Wenn die Menschen sich nicht einbringen, dann funktioniert auch Demokratie nicht. Deswegen bleibt für eine wohlverstandene, wehrhafte Demokratie das Engagement der Bürger unverzichtbar. „Wohlverstanden“, meine Damen und Herren, sage ich, weil ich meine, dass das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden darf. Die furchtbaren Morde, die gewaltsamen Übergriffe von Feinden der Demokratie in Verbindung mit dem Versagen von Behörden und auch Politik dürfen nicht als Alibi für die Aushöhlung der Bürgerrechte und für die Aushöhlung der Freiheit in unserem Land benutzt werden.

(Beifall FDP)

Von Benjamin Franklin stammt das Zitat: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“

(Beifall FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir eine gesunde Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Das ist unsere Aufgabe, hierfür auch den politischen Rahmen zu schaffen.

(Beifall FDP)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist unsere Aufgabe, auch gegen Politikverdrossenheit anzukämpfen. Wir müssen deutlich machen, dass jeder aufgefordert und eingeladen ist, Politik zu gestalten und sich zu beteiligen. Gemeinsam, meine Damen und Herren, wollen wir eine freie, tolerante und weltoffene Geisteshaltung entwickeln und nach vorn bringen, denn das ist die Grundlage für eine offene Gesellschaft.

Wenn Frau Kollegin Renner vorhin - ich zitiere - von einer „weit verbreiteten Vorstellung von der Ungleichheit der Menschen“ als Problem gesprochen hat, dann sagen wir, meine Damen und Herren, Gott sei Dank sind Menschen ungleich, vielfältig und bunt gefächert,

(Unruhe DIE LINKE)

denn das macht die Stärke einer pluralistischen, freien Gesellschaft aus.

(Beifall FDP)

Umso mehr Bürger sich einbringen, umso mehr Menschen in diesem Land sich für Demokratie engagieren, umso wehrhafter ist unsere Demokratie. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter. Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, darf ich einen Gast ganz herzlich begrüßen. Es ist der Präsident des Hessischen Landtags, Herr Norbert Kartmann. Herzlich willkommen, Herr Kollege, hier im Thüringer Landtag.

(Beifall im Hause)

Unsere beiden Länder verbindet nicht nur die Nachbarschaft, sondern freundschaftliche Beziehungen auf der Ebene der Menschen, der Behörden, aber vor allen Dingen auch der Parlamente. Ich freue mich auf die gemeinsamen Gespräche.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt spricht der Abgeordnete Uwe Höhn von der SPDFraktion.

(Abg. Bergner)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, normalerweise erfolgt an dieser Stelle nach einer gegebenen Regierungserklärung der respektvolle Dank an die Regierung für die Erklärung, für die geleistete Arbeit, die dahintersteckt. Selbst zu Zeiten der Opposition habe ich mich an dieses ungeschriebene Gesetz gehalten. Ich habe heute viele Gründe, dies nicht zu tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ehrlich gesagt hatte ich schon erwartet, Frau Ministerpräsidentin, dass Sie sich selbst dieser zugegeben schwierigen Aufgabe gestellt hätten. Die Tragweite der Erkenntnisse, die wir bis heute haben, hätte dies auf jeden Fall gerechtfertigt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Innenminister war offenkundig mit dieser Aufgabe überfordert.