Protocol of the Session on November 17, 2011

wenn er sich in diese Debatte, die ja beginnt, einmischt, wenn er sich aktiv einmischt, Herr Finanzminister. Wir würden Sie immer unterstützen, wenn Sie an dieser Front aktiv werden. Ich kann nur die Koalition auffordern, sich dieser Thematik Einnahmeseite zu stellen und mit uns eine Diskussion zu beginnen, welche Bausteine das sein können, und im Bundesrat auch entsprechend aktiv zu werden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter. Die Rednerliste der Abgeordneten ist erschöpft. Wünscht die Landesregierung das Wort? Ja, ich sehe, der Finanzminister. Herr Dr. Voß, Sie haben das Wort.

Herr Meyer, jetzt gleich? Es liegt keine Wortmeldung vor. Doch. Herr Abgeordneter Meyer, Sie haben das Wort.

Entschuldigung, Herr Präsident. Herr Minister, in 5 Minuten.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, vielen Dank für die beiden vorangegangenen Wortmeldungen. Die habe ich gebraucht, um mich von der davor ein bisschen wieder zu erholen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dann hätte ich nämlich wahrscheinlich meine Redezeit hier verbraucht für etwas, was gar nicht notwendig wäre, weil ich finde, wenn man den Grund, auf dem wir diskutieren wollen, schon auf diese Art und Weise ignoriert, zum Beispiel die Frage „Reden Sie nicht immer nur über Einnahmen, reden Sie auch einmal über Sparen“ und der Titel des LINKEN-Antrags heißt „Konsolidierung des Haushalts auch durch …“ - das heißt ja nicht „nur durch“, habe ich einmal gelernt, da merkt man einfach, welch Geistes Kind auf der von mir aus gesehen rechten Seite sitzt und einfach keine Kenntnis nehmen will davon,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass es wahrscheinlich tatsächlich in diesem Bereich auch kurz davor ist, dass wir viel drastischere Maßnahmen denken müssen, Frau Hitzing.

(Abg. Huster)

Herr Huster hat recht. Möglicherweise wird uns alle die Dramatik dieser Frage überrennen. Sie haben gesagt, Sie wollen sich nicht auf die Debatte von gestern berufen. Berufen Sie sich doch einmal auf gestern bei der Helaba-Debatte nach den Nachrichten von heute. Gestern reden wir in der Aktuellen Stunde über die Helaba und heute ist sie um zwei Stufen herabgestuft worden, weil man davon ausgeht, dass der Staat sie nicht mehr retten kann, respektive nicht mehr retten will.

(Zwischenruf aus dem Hause)

So ist es. Gut, dass wir heute nicht darüber reden müssen. Da kann man wieder wegschauen, blindes Huhn und so, das ist schon richtig. Das kann passieren. Herr Barth, bei Ihnen, was das Thema „Wegschauen“ angeht, das will ich mir jetzt nicht leisten. Wie gesagt, ich bin wieder herunter, ich habe zwei gute Reden vor mir gerade gehört.

Wir haben wenigstens einmal zu dem Boden, auf dem wir uns treffen sollten, doch folgende Feststellung zu machen, zu allen drei Punkten, um die es hier geht. Wir haben bei den reichsten 10 Prozent der Deutschen, bei den reichsten Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, da sind Menschen über 17 Jahre drin, habe ich mir statistisch einmal kurz herausgesucht, dort sind zurzeit über 61 Prozent des Vermögens vorhanden. Da rede ich jetzt einmal davon, dass es wahrscheinlich nicht die Mittelschicht ist, die Herr Barth unbedingt fördern möchte, die reichsten 10 Prozent.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Gut, dass wir heute nicht darüber reden müssen.)

Nein, nein, ich will erst einmal nur zur Kenntnis geben, es sind 61 Prozent. Das ist nicht schlimmer als in manchen anderen Ländern, aber es ist deutlich mehr als in vielen anderen Ländern in Europa, in den entwickelten Ländern.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Ist das so schlimm?)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

2007, das ist erst drei Jahre zurück, lag diese Zahl bei noch nicht 58 Prozent. Das heißt, innerhalb von drei Jahren ist bei den reichsten 10 Prozent der Reichtum um absolut 3 Prozent gestiegen. Man muss daran ja auch erinnern, dass der Reichtum insgesamt gewachsen ist. Die Produktivität ist gewachsen und wir haben ja produziert. Wir sind wohlhabender geworden.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das hängt mit der Senkung des Spitzensteuersatzes zu- sammen.)

In den letzten drei Jahren? Herr Barth, diese Art von Idee, die Sie da im Kopf haben, die kann nicht funktionieren und jetzt gebe ich es Ihnen trotzdem noch einmal. Ich nehme auch „Die Zeit“ von gestern

zur Kenntnis, die sagt, dass bei der Frage, wer Lösungskompetenz im Wirtschafts- und Steuerbereich hat, keiner, nicht einer die FDP genannt hat bei der Forsa-Umfrage.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Leute wissen schon, warum. Auch 60 Prozent Ihrer Wähler wissen, warum Sie selbst sagen, wir wollen keine Steuersenkung haben. Das ist ja Quatsch. Selbst die FDP-Wähler sind schon weiter als Sie. Das soll es dann auch zur FDP gewesen sein.

Wir stellen fest, dass die Reichtumsverteilung in Deutschland …

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Sie haben … genannt.)

15 Prozent - tut mir echt leid für Sie, das sagen zu müssen - wollen GRÜN wählen und 2 Prozent die FDP. Auch das zeigt deutlich, wohin Ihre Überlegung geht.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Es ging dar- um, wem sie die Lösung der Probleme des Landes zutrauen.)

Schauen Sie einmal hinein. Sie können ja selbst lesen, das ist ja kein Problem.

Viel schlimmer als die Tatsache, die Sie hier wieder als Neid diskutieren, dass die höchsten 10 Prozent von 58 auf 61 Prozent des deutschen Reichtums geklettert sind, ist die Tatsache, dass alle anderen neun Dezile, wie das so schön heißt im Fachchinesisch, also die neun Zehntel darunter, entweder nur gleich oder weniger Anteil haben. Nur die obersten 10 Prozent haben den Reichtum der letzten drei Jahre abgefischt, nur die obersten 10 Prozent. Und wenn dann hier diskutiert wird, dass der Mittelstand gefördert werden muss, dann müssten Sie als Erster aufstehen und sagen, das muss sich ändern, das dürfen nicht die unteren 30 Prozent bekommen, das sind Hungerleider und faule Säcke, aber es müssen wenigstens die bekommen, die, sagen wir einmal, oberhalb des Durchschnitts sind, die also ein durchschnittliches Einkommen verdienen und darüber. Das ist das, was ich Mittelschicht nenne. Aber die haben auch verloren gegen die Reichen. Und hier gibt es ein Beispiel für die Frage, wie man das wieder ändern könnte.

Es gibt übrigens noch einen Bereich oder eine Zahl, die dieses Thema aufgreift, der Gini-Koeffizient. Der Gini-Koeffizient misst die Ungleichheit im Einkommen von Gesellschaften und weist ziemlich deutlich nach, dass es nicht Sinn macht - um es gleich vorwegzunehmen -, die völlige Gleichheit zu propagieren, dann wäre der Gini-Koeffizient Null. Das wäre das, was Sie manchen hier unterstellen, dass sie es gern hätten. Denn das unterbricht jede Art von Wettbewerb und Kreativität. Aber der Gini

Koeffizient sollte auch nicht eins sein, da würde nämlich einer alles besitzen und alle anderen gar nichts haben. Der deutsche Gini-Koeffizient ist von 1985 bei 0,26 bis 2005 auf 0,3 gestiegen. Die deutsche Gesellschaft ist ungleicher geworden. Da kann man feststellen, dass das nicht mehr produktiv ist, selbst in Ihrer Denke nicht mehr produktiv ist, CDU und FDP. Das hat nichts mit sozialer Liebedienerei zu tun und dem Mittel, dass wir alle Armen reich machen wollen, nein, damit, dass das wirtschaftlich nicht funktionieren kann. Und dafür die Situation zu diskutieren, dass wir den oberen 10 Prozent etwas von dem wegnehmen, was sie allein und nur sie von dem volkswirtschaftlichen Reichtum, den alle 100 Prozent erwirtschaftet haben, bekommen, das zu negieren, das ist wahrscheinlich tatsächlich das, was Herr Huster zu Recht gesagt hat, da fehlt es an dem Bewusstsein der Notwendigkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Da fehlt es deshalb daran, weil es uns ja nicht darum gehen muss, hier irgendwelche Gleichmacherei zu machen. Es geht hier um die Frage, wer braucht eigentlich das Geld. Wer sich hier hinstellen kann und behaupten kann, nur durch Sparen schaffen wir es, auf die berühmten 7,5 Mrd. des Volumens des Landeshaushalts im Jahr 2020 herunterzukommen, der möchte mir einmal zeigen, was er sich damit denkt. Der soll aber bitte nicht bei den Bürgermeistern wieder hingehen, der KFA bleibt wie er ist, denn dann lügt er einfach nur.

Wir wissen genau, wir müssen die Einkommenssituation Thüringens stärken. Und wir wissen genau, wo sie stattdessen sinken wird. Wir können sie nur da erhöhen, wo wir vom Bund Geld bekommen. Frau Lehmann sagt so schön, wir haben ja die Grunderwerbsteuer erhöht. Stimmt, auf unseren Vorschlag hin. Letztes Jahr um diese Zeit haben die GRÜNEN in den Haushalt eingebracht, die Grunderwerbsteuer erhöhen. Im Januar kam der Gesetzentwurf der LINKEN, drei Wochen später war es dann eingeführt. Vielen Dank, dass Sie Vernunft angenommen haben.

Aber in diesem Fall brauchen Sie die auch. Wir werden keine Steuern indirekt aus Europa zurückbekommen. Denn Sie, die CDU und die FDP, wollen nicht mehr in Europa geben. Dann kann man nicht mehr zurückbekommen. Wir werden auch aus den westdeutschen Ländern nichts mehr bekommen, sondern weniger. Also müssen wir die Einnahmesituation erhöhen, da, wo wir es können, und das sind Bundessteuern, die auf uns kommen. Dementsprechend müssen wir beim Bund dafür eintreten. Wer das nicht tut, handelt gegen die Interessen Thüringens und gegen die Interessen eines konsolidierten Haushalts.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ändert ja nichts an der Tatsache, dass man auch sparen muss. Diese infame Unterstellung können Sie vielleicht den LINKEN gegenüber machen, weil sie ideologisch verbohrt sind. Aber es stimmt einfach nicht, selbst die LINKEN haben sich dem nicht widersetzt, jedenfalls in den Debatten, in denen ich dabei gewesen bin, nicht. Aber kommen wir doch einmal so weit zu sagen, wie viel Sparen und wie viel Mehreinnahme, und Mehreinnahme kann nur mehr Steuern auf Bundesebene heißen. Da gibt es keine andere Möglichkeit. Wofür wollen wir das Geld eigentlich haben? Zunächst einmal dafür, dass der Haushalt ausgeglichen sein kann in den nächsten Jahren, da sind sich alle hier einig, habe ich mir sagen lassen. Aber wie Sie in den nächsten Jahren 150 Mio. wieder einsparen wollen - jedes Jahr, jedes Jahr, jedes Jahr, jedes Jahr wieder -, ohne mehr Steuern einzunehmen, da habe ich noch kein einziges Wort gehört, weder von der Landesregierung - Entschuldigung -, bei der die Strukturkommission noch keine vernünftigen Ergebnisse hat, und auch nicht aus den Reihen der Koalition.

Ich will wenigstens noch einen Aspekt obendrauf setzen, der mir als GRÜNEM wichtig ist. Wir haben darunter - unter dem Finanzdebakel, das auf uns zukommt - auch noch das Problem Energiewende und Klimaschutz. Das kann man auch nicht oft genug hier vorn sagen. Tut uns leid, dass wir das immer machen, es kommt ja sonst keiner zu dem Thema. Wir müssen dafür in Thüringen mehr Geld ausgeben, wir müssen unsere Gesellschaft umbauen. Das ist locker dahingesagt, wir müssen hier fast alles umbauen, zum Beispiel die Transportströme ändern. Weniger Transport kann dafür sorgen, dass wir weniger Geld ausgeben müssen für Transporte. Da geht es nicht um Ideologie, ob man Benzin braucht oder nicht. Wir werden bald kein Benzin mehr haben. Dann macht es Sinn, wenn wir keine Transporte mehr generieren, weil wir raumbedeutsam im Landesentwicklungsprogramm dafür gesorgt haben, dass es weniger Transporte gibt.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Zur Sache!)

Das ist für Sie nicht zur Sache?

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Wann ist die Redezeit endlich vorbei?)

Nein, die Redezeit ist leider auch noch nicht um, da haben Sie Pech gehabt. Wissen Sie, wenn Sie dazu sagen, kommen Sie zur Sache, und ich habe zwei Sätze versucht, das ganze Thema Finanzen in einen Zusammenhang zu stellen und Ihre Kollegin Frau Lehmann hat einen weiten Bogen geschlagen, einen sehr weiten Bogen, aber was der mit dem Thema Konsolidierung des Landeshaushalts zu tun hatte, mit diesem Antrag, das wollen wir dahingestellt sein lassen, Herr Kollege. Das ist mir immer

unerklärlich bei dem Thema. Natürlich muss da das Big Picture gemacht werden, machen ja alle hier. Aber die FDP benutzt es, um abzulenken von ihrer eigenen Verantwortungslosigkeit auf Bundesebene, denn sie tut ja nichts in dieser Richtung. Sie haben ja keine anderen Einnahmemöglichkeiten. Nein, Sie machen weiter Schulden. Danke schön dafür, aber große Sprüche hier machen. Alle anderen stellen sich hin und sagen, mal sehen, was passiert, wir wollen die unangenehmen Nachrichten nicht verteilen. Wir sind dazu bereit, auch unangenehme Nachrichten zu verteilen und werden bei der Haushaltsdebatte zu dem Thema auch einiges zu sagen haben. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Herr Finanzminister Dr. Voß.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Debatte ist ja schon weit vorangeschritten und man könnte auch aus meiner Sicht vieles dazu sagen, aber ich möchte mich beschränken. Sie schlagen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer vor. Die wird wohl kommen und sie wurde ja von der Europäischen Kommission vorgeschlagen und war auch im Bundesrat. Im Bundesrat ist sie mit einer positiven Stellungnahme versehen worden und insofern besteht dort auch kein Konflikt mehr, wenn sie denn europaweit kommt. Das ist sehr wichtig. Der einzige Streitpunkt, wie ich ihn wahrgenommen habe, besteht darin, wer denn die Erträge aus dieser Finanztransaktionssteuer bekommt. Es ist hoch umstritten, Herr Barroso ist selbstverständlich der Meinung, dass diese Finanztransaktionssteuer ein eigenes Finanzierungsinstrument der EU sein soll, während natürlich der Bund sagt: Na ja, langsam, wir haben sehr viel ausgegeben und aufgewendet, um die Finanzkrise - wir erinnern uns einmal zwei Jahre zurück - zu stemmen, finanziell überhaupt hinzubekommen, also müssen wir auch zur Refinanzierung davon etwas haben. Und last, not least erhoffen sich auch die Länder das eine oder andere davon. Aber, ich denke, das ist nicht mehr strittig, das wird wohl kommen.

Ich möchte eingehen auf die beiden anderen Vorschläge, die Sie gemacht haben zur Vermögenssteuer. Irgendwo muss man auch bei der Frage, welche Steuern ich einführe und welche ich revitalisiere - bei der Vermögenssteuer wäre es ja eine Revitalisierung -, auch im Auge haben, was bekomme ich und was muss ich aufwenden. Wenn ich jetzt wieder eine Heerschar von Beamten losschicken muss und das in keinem vernünftigen Verhältnis steht zu dem, was man bekommt, dann sollte man auch ein Fragezeichen machen. Im letzten

Jahr der Erhebung der Vermögenssteuer 1996 kamen also gesamtdeutsch, also alle Länder, war ja eine Landessteuer, 4,6 Mrd. € ein, die Hälfte etwa auf Privatvermögen, die Hälfte auf Betriebsvermögen. Bei der Einführung muss man auch berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht den sogenannten Halbteilungsgrundsatz, das Urteil bezieht sich auf den Halbteilungsgrundsatz, also alles über 50 Prozent, dann wird es dann auch schwierig und man muss sehen, dass man mit der Verfassung nicht in Konflikt kommt. Wenn ich aber sehe, dass die Einkommensteuer 42 Prozent im Spitzensteuersatz hat, die Reichensteuer bei 45 Prozent ist, dann kann ich auch schon sehen, dass dieser Halbteilungsgrundsatz fast ausgeschöpft ist.

(Beifall CDU)