Protocol of the Session on October 14, 2011

Zunächst hat der Abgeordnete Baumann aus dem Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit das Wort zur Berichterstattung.

(Abg. Wolf)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, in der 59. Sitzung des Thüringer Landtags wurde der Antrag der Fraktion der FDP - Mittelstandsfreundlichere Gestaltung der Richtlinie des Freistaats Thüringen für die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ GRW-Richtlinie, Drucksache 5/2567 in der Version der zweiten Neufassung eingebracht, beraten und einstimmig an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen. Der Ausschuss hat den Antrag sowohl in seiner 21. als auch in seiner 22. Sitzung beraten. In der 22. Sitzung wurde der Beratungsgegenstand um einen Antrag der Fraktionen von CDU und SPD mit dem Titel - Auswirkung der zum 1. April 2011 geänderten GRW-Richtlinie und um den Antrag - Änderung der Vergabe der Investitionsförderung im Rahmen der GRW-Förderung - der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erweitert. Die in den Anträgen formulierten Fragenkataloge wurden von der Landesregierung beantwortet. Auch wurden von der Landesregierung weitere schriftliche Erläuterungen zugesagt, die sich in der Vorlage 5/1684 wiederfinden. Nach umfangreichen Beratungen hat der Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit in Drucksache 5/3240 schließlich die Ablehnung des Antrags empfohlen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat das Wort der Abgeordnete Weber von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ja, wir als SPD sind angetreten, um gerade im Bereich des Arbeitsmarktes, gerade im Bereich der Beschäftigung für faire Bedingungen in Thüringen zu sorgen. Das war unser Auftrag, das nehmen wir sehr ernst und vor diesem Hintergrund versuchen wir, alles in unseren Möglichkeiten Stehende zu tun - und ich bin dem Ministerium sehr dankbar für die Entscheidung -, die Richtlinie so auszulegen und so zu gestalten, dass wir uns für die Menschen, für faire Löhne und gegen prekäre Beschäftigung einsetzen. Gute Arbeit für Thüringen, unter dieser Überschrift steht diese Form der Förderpolitik. Wir meinen das ganz ernst, das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie hat deutliche Zeichen gesetzt, herzlichen Dank dafür. Förderung wird in den Betrieben nicht gewährt, die mehr als 30 Prozent Leiharbeiter beschäftigen. Es wird eine Basisförderung gewährt von 20 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen, 15 Prozent für Großunternehmen, bei Unter

nehmen, die einen Anteil zwischen 10 und 30 Prozent Leiharbeiter beschäftigen. Diejenigen, die unterhalb von 10 Prozent Leiharbeiter beschäftigen, bekommen die volle Förderung. Ich halte das für gerecht, ich halte das für fair und es gibt noch weitere Punkte, die im Rahmen der Richtlinie verändert wurden, zum Beispiel das Instrument, was innerhalb der Finanz- und Wirtschaftskrise eingeführt wurde, dass das Kriterium des bloßen Erhalts von Arbeitsplätzen schon ausreicht, um Investitionsförderungen zuzulassen, wieder abgeschafft wurde und nur noch diejenigen Arbeitsplätze gefördert werden, die durch die Investitionsförderung auch tatsächlich entstehen. Das ist eine vernünftige Förderpolitik, Herr Kemmerich, Sie werden das auch noch feststellen, ich weiß ja nicht, wie viele Leiharbeiter bei Ihnen im Unternehmen unterwegs sind, ich denke, das sind nicht viele und vor dem Hintergrund müssten Sie eigentlich gerade begeistert davon sein, dass wir seriöse Unternehmen, Unternehmen, die vernünftige Löhne zahlen, Unternehmen, die faire Beschäftigung garantieren, in Thüringen besser behandeln als diejenigen, die das nicht tun.

(Beifall SPD)

Die Arbeitsplätze, die durch die Investitionsförderung entstehen, das müssen auch feste Arbeitsplätze sein. Es wird nicht ermöglicht, dass damit Leiharbeitsplätze geschaffen werden. Als weiteren Punkt, die sogenannte Lohnkostenförderung, bei der statt der sonst üblichen Sachinvestitionen Löhne und Gehälter bezuschusst werden, wird ebenfalls abgeschafft, weil zum einen festgestellt wurde, dass seit 2004 nur 12 Unternehmen diese Förderung in Anspruch genommen haben und zum anderen diejenigen, die sie in Anspruch genommen haben, überdurchschnittlich hoch Leiharbeiter beschäftigt haben. Ich bin stolz auf diese Politik und sie hat die volle Unterstützung meiner Fraktion, das sage ich in aller Deutlichkeit. Ich kann denjenigen, die glauben, dass die selbsternannten Vertreter von Wirtschaft und Industrie, die sich in dieser Debatte immer wieder zu Wort gemeldet haben, die tatsächlich die Meinung der Unternehmen vor Ort vertreten, nur raten, sich mit Unternehmern vor Ort über diese Form der Förderung zu unterhalten. Die sagen Ihnen nämlich unisono eines: Endlich macht jemand in Thüringen etwas dagegen, dass die Großen diejenigen, die unsoziale, die prekäre Beschäftigung in Thüringen gefördert haben, nach vorn bringen, endlich macht jemand vonseiten der Politik etwas dagegen und sorgt dafür, dass seriöse Beschäftigung einen guten Platz hat in diesem Land.

(Beifall SPD)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist noch nicht das Ende dieser Politik, das ist erst der Anfang. Ein weiterer Punkt wird es sein, dass zukünftig im Rahmen des ESF die Lohn

kostenzuschüsse aus dem ESF an Tariflöhne und an eine feste Lohnuntergrenze gekoppelt werden, weil es nicht sein kann, dass wir öffentliche Mittel verwenden, um hinterher prekäre Beschäftigung, soziale Schieflagen und Lohndumping zu finanzieren. Wenn Sie das ernst meinen in der Frage der Fachkräftezuwanderung, in der Frage, junge Menschen, junge Familien in diesem Land zu halten, dann müssen Sie eine Antwort darauf haben und sagen, wir als Politik nehmen eure Sorgen und Ängste ernst, wir als Politik sorgen überall dort, wo wir können, dafür, dass faire und sichere Arbeitsplätze in Thüringen entstehen. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Kemmerich von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste an den Bildschirmen,

(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär: Er ist im Bundestag.)

(Heiterkeit im Hause)

mit unserem Antrag wollten wir eigentlich auf die Regierung zugehen, Herr Weber, Herr Staatssekretär - der Minister ist scheinbar gerade nicht da -, wir würden Ihnen gern die Protokolle der damaligen Diskussionen zuspielen, wo die Diskussion eine ganz andere Wendung hatte. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass sich die beabsichtigte Wirkung, die Sie hier noch mal breit erläutern wollten, Herr Weber, gar nicht eingestellt hat. Auf Nachfrage wurde uns zumindest mitgeteilt - und ich gehe davon aus, dass die Mitteilungen und Auskünfte des Ministeriums immer sehr ausführlich sind und der Wahrheit entsprechen -, es ist nicht eine Ablehnung oder eine Reduzierung erfolgt aufgrund dieser Tatsache.

Mir schwant nur heute, wenn wir hier stehen, dass mit diesen hektischen Änderungen der GRW-Richtinien davon abgelenkt werden soll, dass diese Erhöhung auf 200 Mio. € relativ schnell verfrühstückt war und dann nur noch 20 Mio. € standen. Was mit den ersten 180 Mio. € passiert ist, die Antwort ist das Ministerium, ist der Minister bis jetzt noch schuldig geblieben, die Antwort können wir nicht entnehmen. Wenn Sie sagen, wir haben sogar das Kriterium geändert, dass man nicht nur Arbeitsplätze erhalten sollte, sondern neue schaffen muss, dann sei die Frage erlaubt: Was ist denn mit Opel?

(Beifall FDP)

Sind dort neue Arbeitsplätze geschaffen worden oder ist es nicht ein unterstützenswertes Ziel, dass Opel die Arbeitsplätze erhält und mit neuen Investitionen zukunftsfähiger macht? An was sollen wir nun glauben? Woran sollen die Mittelständler glauben, die darauf vertrauen, dass hier mit gleicherlei Maß gemessen wird?

Gestern in der „Ostthüringer Zeitung“, ich brauche es nicht zitieren, ich will nur darauf hinweisen, wurde über die Firma Lust-Hybrid-Technik geschrieben. Sie hat sehr früh im Jahr einen Antrag gestellt und sich darauf verlassen, dass ihre Expansion mit Mitteln des Landes Thüringen unterstützt wird. Der Bescheid ist nicht abgelehnt worden, es ist nur darauf verwiesen worden, dass keine neuen Arbeitsplätze geschaffen worden sind, dass hier mit zweierlei Maß gemessen worden ist. Hier geht es um ein Unternehmen mit Sitz in Thüringen. Herr Weber, wenn Sie es wirklich ernst meinen, wenn es uns wirklich allen gemeinsam ernst damit ist, für nachhaltigere, für besser bezahlte Beschäftigung zu sorgen, dann müssen wir damit anfangen, hier ansässige Unternehmen, Unternehmen, die hier ihren Hauptsitz haben, die hier ihren Overhead haben, die hier ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen haben, zu stärken und dafür zu sorgen, dass Wertschöpfung originär entsteht.

(Beifall FDP)

Opel ist und bleibt ein Montagewerk, auch wenn es seine Basis ausweitet, aber hier werden eben die Hochtechnologien, die Hochwertschöpfungskette nicht losgetreten.

Meine Damen und Herren, es bleibt festzuhalten, dass Ihre Änderung der GRW-Richtlinien ein Placebo war, ein schönes Plakat, um uns vor Augen zu führen, was der eigentliche Wille des Wirtschaftsministers ist. Erstens, und das war manchen Äußerungen in der Presse zu entnehmen, möchte er scheinbar die Thüringer Unternehmen und Unternehmer erziehen. Soweit ich weiß, ist der Erziehungs- oder Bildungsauftrag nicht in seinem Ministerium angesiedelt. Ich glaube auch, die Mehrzahl der Thüringer Unternehmer braucht sich nicht erziehen lassen, was gut und was schlecht ist. Gut und schlecht ist bestimmt, darüber muss heute Zeit sein zu reden, die Zeitarbeit an sich. Man kann nicht müde werden zu sagen, dass es ein gutes Atmungsinstrument für die mittelständische Wirtschaft ist, was Bundeskanzler Schröder (SPD) begründet und was zu einem Aufschwung im deutschen Arbeitsmarkt beigetragen hat und was dazu beigetragen hat, dass wir die Krise 2008/2009 so gut überwinden konnten, was heute dazu führt in 2011, dass sich die Unternehmen in der ungewissen Lage, und wir erleben es ja gerade, trotzdem mit Arbeitskräften versorgen können, aber aufgrund der Unsicherheit natürlich ihre Atmungseffekte nicht aufgeben wollen und jetzt mitatmen müssen. Wir

(Abg. Weber)

erleben es leider auch schmerzhaft am Beispiel von Schott-Solar in Jena, die aufgrund von fehlgesteuerten Förderungen, Tatsachen leider Kurzarbeit anmelden müssen, was sich natürlich auch auf die Arbeitnehmerschaft in der Arbeitnehmerüberlassung ausweitete.

(Beifall FDP)

Aber auch hier kann Schott ein Instrument nehmen, um sich langfristig zu beweisen und am Arbeitsmarkt zu bleiben. Das andere an der Zeitarbeit ist das Interessante, der Klebeeffekt. Wenn Sie sich mit den Akteuren unterhalten, seien es die Unternehmen, die Zeitarbeiter in ihren Unternehmen aufnehmen müssen, sei es die Arbeitnehmerüberlassung, seien es Mitarbeiter dort, dann wissen Sie, dass sich dieser Klebeeffekt einstellt, dieser zurzeit sogar sehr hoch ist, weil die Unternehmen sehr schnell wissen, wenn ich einen Guten aus der Arbeitnehmerüberlassung habe, dann muss ich diesen möglichst schnell an mein Unternehmen binden, denn sonst tut es der Nachüberlasser und wird sich die gute Fachkraft vom Arbeitsmarkt wegholen.

(Beifall FDP)

Der andere Effekt, und Sie werden nicht müde zu betonen, wie gut die Ansiedlungspolitik ist, welche Erfolge wir hatten, Herr Staatssekretär, und dann fahren wir Zalando. Ich weiß nicht, ob wir alle vor Glück schreien, ich will nicht gegen die Investition wettern, aber sie ist nicht das nachhaltige, wertschöpfungsreiche und das langfristig Stabile, denn die größte Beschäftigung bei Zalando wird in den Lagerhallen stattfinden. Die Zentrale sitzt in Berlin, nicht in Erfurt.

(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär: 1.000 Beschäftigte in Thüringen.)

1.000 Beschäftigte in Thüringen, Sie wiederholen es. Aber 1.000 Beschäftigte, die sich in erster Linie mit einfachen logistischen Arbeiten befassen werden. Ich unterstütze das sehr, aber passt das zu dem, was Herr Weber uns gesagt hat, was wir unterstützen wollen?

(Beifall FDP)

Sind das die langfristig wertschöpfungsreichen Arbeitsplätze? Wird Zalando sicher keine Zeitarbeiter einsetzen? Ist das geprüft worden bei unserem Engagement bei Zalando oder wird dann doch der Thüringer Mittelstand wieder feststellen dürfen, dass wir hier mit anderem Maß gemessen haben, weil es sich besser macht, bei einer 1.000-Mann-Investition zu stehen, als dem Thüringer Mittelstand zur Seite zu stehen, der hier einen Arbeitsplatz schafft, da einen Arbeitsplatz schafft und nur 30.000 € oder 100.000 € in eine kleine Erweiterung seines Betriebes investieren will. Uns sind diese vielen kleinen Thüringer Unternehmen sehr, sehr wichtig,

(Beifall FDP)

denn sie sind das Rückgrat der Thüringer Wirtschaft und dafür fehlt oft Raum, Zeit und Platz, dies in dem tagespolitischen Einmaleins und den Abbildungen der Presse richtig darzustellen.

Meine Damen und Herren, was ist jetzt geblieben aufgrund unserer Richtlinie? Ist Thüringen durch die Kampagne des Ministers in Wirtschaftskreisen überregional bekannt geworden, durch die Brooklyn Bridge, durch Eva Padberg, durch Triebswerkwartungen oder durch relativ schöne, das gebe ich zu, aber ersetzbare Bilder?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So funktioniert Werbung.)

Ist das Tradition mit Zukunft? Herr Adams, wir können gern mal einen Workshop über Werbung besuchen.

Die Frage ist, jetzt haben Sie ja schöne Bilder gesehen, Herr Adams, aber wo kommt die Rückkopplung zu Thüringen. Und das ist die Frage. Ich weiß von vielen Unternehmern, die mich in Deutschland angesprochen haben, dass diese Kampagne über die Ächtung der Zeitarbeit nachhaltig Wirkung bei diesen Unternehmern hinterlassen hat und das sei keine positive.

(Beifall FDP)

Denn hier wird allein mit dieser Ächtung der Tatsache, auch mit der Diktion, die Herr Weber hier gewählt hat, der Eindruck erweckt, hier in Thüringen läuft alles falsch. Herr Staschewski hat es gesagt, Ausbeutung liegt hier an der Tagesordnung. Ich halte das für eine bodenlose Frechheit gegenüber dem Thüringer Mittelstand, so etwas zu behaupten.

(Beifall FDP)

Wenn hier einzelne in Thüringen tatsächlich dieses Instrument missbrauchen, dann sollten wir uns diesen widmen und nicht eine ganze Branche ächten und die Möglichkeit nehmen, sich eines sehr sinnvollen Instruments zu bedienen.

(Beifall FDP)

Und das andere, meine Damen und Herren, ich bin nach wie vor der Überzeugung, es wurde eine interessante Nebelkerze gezündet, um davon abzulenken, wer die ersten 180 Mio. € aus dem GRW-Topf bekommen hat.

(Unruhe DIE LINKE)

Trotz der oftmals spärlichen Auskünfte des Ministeriums werden wir dranbleiben und versuchen parlamentarisch zu klären. Wir werden irgendwann wissen, wo die 180 Mio. sind. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Korschewsky von der Fraktion DIE LINKE.