Protocol of the Session on April 13, 2011

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Vielen Dank.)

Deshalb meine ich, das war vernünftig, was heute gesagt worden ist. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hätte jetzt noch 3 Minuten. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit schließe ich die Aussprache im dritten Teil der Aktuellen Stunde.

Ich rufe den vierten Teil auf

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum The

ma: "Halbzeitbilanz für das Ausbildungsjahr 2011 in Thüringen: Mehr Stellen als Bewerber - Bewertung und Schlussfolgerungen" Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/2544

Für die CDU hat das Wort Frau Abgeordnete Holzapfel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeichnen ein Bild, welches wir als CDU als eine klare Herausforderung für den Ausbildungsmarkt und die Politik sehen. Ein paar Zahlen: Rund 8.200 Jugendliche registrierten sich bis Mitte März für eine betriebliche Ausbildung. Fast 10.300 betriebliche Ausbildungsplätze sind bisher gemeldet worden. Noch 5.500 Ausbildungsbewerber sind unversorgt. Noch 8.000 Lehrstellen sind unbesetzt, das sind 1.300 mehr als im gleichen Zeitraum 2010. Derzeit besteht rein rechnerisch fast ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage; auf 100 Bewerber kommen 127 Ausbildungsplätze.

Die Bundesagentur stellt fest, dass es sich hierbei um die beste Stellenbewerberkonstellation seit Anfang der 90er-Jahre handelt. Derzeit bieten sich also für unsere Jugendlichen beste Chancen in der beruflichen Ausbildung in Thüringen. In der Gesamtproblematik spielt die Fachkräftesicherung eine immer größere Rolle. Da erzähle ich nichts Neues, das war heute Hauptthema.

Unternehmen sind gehalten, durch attraktive Angebote wie Praktika, Ferienjobs sowie gute Ausbildungsentgelte motivierte und leistungsstarke Auszubildende zu finden. Um den zukünftigen Fachkräftebedarf zu sichern und die demographische Herausforderung zu meistern, muss insbesondere die duale Ausbildung gestärkt werden. Einer zunehmenden Akademisierung klassischer Ausbildungsberufe ist entgegenzuwirken. Insgesamt geht für uns duale Ausbildung vor vollzeitschulischer Ausbildung. Mit Blick auf die sich ständig ändernden Herausforderungen der Arbeitswelt wollen wir konsequent an einer Modernisierung der beruflichen Bildung arbeiten. Erforderlich ist eine Reduzierung der Überspezialisierung vieler Ausbildungsberufe. Durch die Schaffung von Berufsgruppen in Ausbildungsabschnitten könnten Kapazitäten gebündelt werden. Freiwillige Kooperationen zwischen Regel-, Oberschulen, berufsbildenden Schulen und Unternehmen sind der richtige Weg. Mit der Einführung des Qualitätssiegels Oberschule schaffen wir auch in diesem Bereich Anreize für eine Weiterentwicklung und stärkere Öffnung der Regelschulen. Denn

(Abg. Adams)

eine gezielte Vorbereitung auf eine Lehre, Ausbildungsfähigkeit, Abbrecherquote, Berufswahlvorbereitung muss für Regelschulen oberste Priorität haben.

Besonderes Augenmerk verdienen - und das liegt mir besonders am Herzen - ausbildungswillige Schülerinnen und Schüler, die nicht Hartz-IV als ihr Zukunftsmodell sehen. Auf sie sollten wir besonderes Augenmerk legen. Das sind Schülerinnen und Schüler mit schwachen Schulnoten, die aber für praktische Tätigkeit über ein gutes Händchen verfügen. Ihre Leistungen müssen durch Stützunterricht in der Berufsschule verbessert werden.

Wichtig ist auch der Beitrag, den die beruflichen Gymnasien leisten können. Der gestufte Weg zum Abitur oder zur Fachhochschulreife mit den Möglichkeiten der Verknüpfungen mit praktischen Anteilen ist ein wichtiger Weg in unserem Bildungssystem. Eine fundierte Einschätzung der Ausbildungsmarktentwicklung ist allerdings erst zum 30. September möglich. Dann liegt die endgültige Bilanz vor. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Abgeordnete Hennig zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren Abgeordnete, das, was hier heute passiert, kann ich in keinster Weise verstehen. Ich habe gedacht, die CDU macht eine polemische Feierstunde zur Ausbildungspolitik, die sie herbeigeführt hat allein aufgrund der demographischen Entwicklung und politischer Unterlassungsleistungen der letzten Jahre. Aber nein, die CDU ignoriert sogar die Anträge in der letzten Plenarsitzung, wo sie die Chance gehabt hätten, sich mit Fachkräfteentwicklung auseinanderzusetzen,

(Beifall DIE LINKE)

aber sämtliche Anträge der Fraktion DIE LINKE abgelehnt haben. Ja, die Bewerberinnen haben bessere Ausbildungschancen und das ist gut so. Endlich haben wir ein Verhältnis, wo Jugendliche sich ihren Beruf selbst auswählen können und nicht den fünften oder sechsten nehmen müssen. Und nein, Wirtschaft, Unternehmen, öffentlicher Dienst usw. haben noch nichts dazugelernt.

Werte Abgeordnete, die Situation ist nicht neu, sie ist lange vorhergesagt, seit vielen Jahren erkennbar. Der regierenden Politik war es relativ unwichtig, auch wenn wir in den vergangenen Jahren bis zu 50 Prozent Altnachfrager hatten, weil die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze nicht ausgereicht hat. Es war unwichtig und es ist in Kauf ge

nommen worden, dass Zehntausende ihrer Perspektiven beraubt und abgeschoben worden sind in ein Übergangssystem, was keine Perspektiven geboten hat und gleichzeitig ein selektives Bildungssystem etabliert hat.

(Beifall DIE LINKE, Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ausbildungspakt und Fachkräfteallianz - das Ergebnis ist das gleiche: Die Wirtschaft hat sich die besten Bewerberinnen ausgesucht und diejenigen, die sie nicht brauchen konnte, links liegen lassen und sich in keiner Weise davon beeindrucken lassen, dass in den nächsten Jahren Fachkräfte dringend gesucht werden. Heute, 2011, ist das Gejammer groß. Die Wirtschaft beschwert sich natürlich, wie nicht anders zu erwarten, dass Jugendliche nicht ausbildungsreif sind. Jetzt ist es allerdings nicht die Leistung in Mathematik oder in Deutsch, sondern jetzt ist es die Motivation, ist es die Disziplin, die Ausdauerfähigkeit. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, aus meiner Sicht gibt es keine ausbildungsunreifen Jugendlichen. Es gibt nur Jugendliche, die der Wirtschaft bzw. den Unternehmen nicht passen.

(Beifall DIE LINKE)

Schauen wir mal ganz genau hin, was in den letzten Jahren passiert ist. Da muss auch die Statistik infrage gestellt werden. Nicht alle, die sich um einen Ausbildungsplatz bewerben in der dualen Ausbildung oder wo auch immer, werden überhaupt als Bewerber zugelassen. Die IHKs, die Kammern in Thüringen haben es zugelassen, dass Auszubildende 20 Prozent unterhalb der tariflichen Vergütung bezahlt worden sind, und sind sogar noch darüber hinausgegangen, wie jetzt ein Arbeitsrechtsstreit im Bezirk Suhl gezeigt hat. Nach Gewerkschaftsangaben sind immer noch Hunderttausende bundesweit in Warteschleifen und haben im Moment keine Chance auf eine duale Ausbildung. Was Sie gerade gemacht haben, Hartz-IV-Kinder und Jugendliche abzustempeln als diejenigen, die das als ihre eigene Perspektive sehen, ist unglaublich Sie entschuldigen - asozial.

(Beifall DIE LINKE)

Eltern dafür verantwortlich zu machen, dass die deutsche Wirtschaft Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten beigebracht hat, dass sie keine Chancen haben, weil sie keine Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt haben, ist nicht zielführend. Über was reden wir überhaupt? Wir freuen uns, dass wir 10.300 Ausbildungsplätze in Thüringen haben. 10.300 - das ist in etwa die Zahl, die wir schon seit zehn Jahren beobachten können, egal ob wir 35.000, 24.000 oder 11.000 Bewerber haben. Statistisch können sich natürlich zwei Azubis auf drei Ausbildungsplatzangebote bewerben. Aber statistisch ist bei zwei Menschen - der eine verdient 1 Mio., der andere ist möglicherweise Hartz-IV-Emp

(Abg. Holzapfel)

fänger - auch das durchschnittliche Einkommen bei 500.000 €.

Aus meiner Sicht ist es hervorragend, dass die Jugendlichen jetzt eine Auswahl haben. Gleichzeitig haben wir natürlich politische Verantwortung und gleichzeitig müssen wir politisch handeln. Aufgrund der Zeit will ich es kurz machen: Wenn wir die Statistik diskutieren, haben wir noch nicht über Regionen, Branchen, Berufsbilder usw. gesprochen. Wir brauchen ein Mindestausbildungsentgelt. Wir brauchen eine wirkliche Mitbestimmung der Jugendlichen in ihren Ausbildungsbetrieben.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen eine konsequente Berufsschulnetzplanung auf der Landesebene. Wir brauchen das Abschmelzen von außer- und überbetrieblichen Maßnahmen. Das, was da aufgebläht worden ist, kann so nicht bleiben. Und was Sie immer vergessen in der Koalition: Wir brauchen auch eine finanziell angemessene Ausstattung der Kommunen, denn hier möchte niemand bleiben, wenn Kommunen trist sind, wenn sie langweilig sind und kein Leben bieten. Wir brauchen Integration von Migranten und wir brauchen die Stärkung der dualen Ausbildung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Baumann das Wort. Ist das ein Geschäftsordnungsantrag? Dann gibt es zunächst einen Geschäftsordnungsantrag aus der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Heym.

Ich habe eine Frage, Frau Präsidentin: Gehört die Bezeichnung „asozial“ von diesem Redepult aus gegenüber Kollegen zu diesem großen Katalog der Wörter, die man nicht sagen darf, oder ist das in Ordnung?

Darf ich das bitte mal klären? Ich gebe Ihnen nach dem Redebeitrag eine Antwort. Herr Abg. Baumann.

(Unruhe im Hause)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich wünschte mir schon einen besseren Umgang hier in diesem Haus. Ich glaube, wir haben noch nie gesagt, dass ein Abgeordneter asozial ist. Also das solltet ihr euch mal überlegen, welchen Sprachgebrauch man hier führt.

Meine Damen und Herren, zunächst herzlichen Dank an die Fraktion der CDU, dass wir uns heute dem Problem der Fachkräftesicherung widmen, um - das möchte ich mit Nachdruck sagen - die Unternehmen in Thüringen immer wieder auf diese Problematik aufmerksam zu machen.

Meine Damen und Herren, die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Agentur für Arbeit hat in ihrer Presseinfo 18/2011 eine Halbzeitbilanz für das Berufsberatungsjahr 2010/2011 gezogen und kurz gefasst Folgendes berichtet: Das Lehrstellenangebot übersteigt die Bewerbungsnachfrage deutlich. Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsstellen liegt 23 Prozent höher als im Vorjahr, die öffentlich geförderten Ausbildungsangebote haben sich um mehr als zwei Drittel reduziert. Die besten betrieblichen Ausbildungschancen bestehen im Fertigungs- und Dienstleistungsgewerbe. Im aktuellen Berufsbildungsjahr kommen auf 100 Bewerber rein rechnerisch 127 Ausbildungsplätze. Das ist eine gute Nachricht, zumindest für die künftigen Auszubildenden.

(Beifall CDU)

Es ist erfreulich, dass das Pendel nun auch mal in eine andere Richtung ausschlägt. Erstmals seit Anfang der 90er-Jahre gibt es für die Bewerber um Ausbildungsplätze eine so günstige Ausbildungssituation. Ich hoffe sehr, dass das den Einstieg in das erfolgreiche duale Ausbildungssystem, um das uns viele Länder beneiden, für viele junge Menschen ebnet und erleichtert, denn das sind die Fachkräfte von morgen. Diese Fachkräfte werden in Thüringen dringender denn je gebraucht. Wie die meisten hier sicher wissen, verliert Thüringen bis zum Jahr 2030 ein Drittel seines Fachkräftepotenzials. Allein bis zum Jahr 2020 werden laut Thüringer Fachkräftestudie 200.000 neue Arbeitskräfte benötigt. Das sind zuallererst Folgen der Demographie, der Abwanderung und sicherlich auch des Wirtschaftswachstums. Allerdings gilt: Ein guter Markt für Auszubildende heißt, dass die Unternehmen in Thüringen künftig vor immer größere Herausforderungen gestellt werden, was die Sicherung ihrer Fachkräfte betrifft. Ich will das an der Zahl der Schulabgänger noch verdeutlichen. Wenn wir im Jahr 2003 mehr als 30.000 Schulabgänger hatten, so haben wir in diesem Jahr noch 14.500 Schulabgänger. Das zeigt, dass nach dem ebenfalls Ende März zugestellten Berufsbildungsbericht die Unternehmen in ihrer Gänze immer noch nicht genug tun, was die Ausbildung junger Menschen angeht. Ein Blick auf die Ausbildungsquote zeigt das deutlich. Nach den Ergebnissen des IAB-Betriebspanels Thüringen bilden zum Stand 30.06.2010 nur etwa 27 Prozent der Unternehmen in Thüringen aus. Das Decken des Fachkräftebedarfs von morgen wird eine - wenn nicht sogar die - Schlüsselfrage für das Wohl und Wehe der wirtschaftlichen Entwicklung in Thüringen sein. Für mich heißt das auch, wir dürfen künftig

(Abg. Hennig)

niemanden mehr zurücklassen. Wir müssen die Zahl der Schulabbrecher weiter senken, auch wenn wir im Vergleich aller Länder ganz vorne stehen. Wir müssen unsere Jugendlichen besser auf die Arbeitswelt vorbereiten und die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft weiter intensivieren. Nur so stärken wir die Berufswahlkompetenzen der Jugendlichen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch die Schwächeren nicht zurückgelassen werden. Auch Leistungsschwächere brauchen eine vernünftige Ausbildungsperspektive. Genau so, wie es unser Anspruch sein muss, dass jeder mit einem Abschluss aus der Schule geht, sollte es unser Anspruch sein, künftig jedem Jugendlichen eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Die Koalition und die Landesregierung tun bereits vieles hierfür, ich denke an das neue Berufsorientierungskonzept oder an das Stichwort „Aktionsprogramm Fachkräftesicherung und Qualifizierung“. Die Strategie setzt auf einen Dreiklang aus Fachkräfte halten, Fachkräfte qualifizieren und Fachkräfte gewinnen. Ich ziehe für mich und meine Fraktion

Herr Abgeordneter Baumann, schauen Sie mal auf die Redezeit.

Ja, ich sehe es.

(Heiterkeit im Hause)

Schön.

die Schlussfolgerung, gemeinsam mit Wirtschaft, Schule und Politik weiter alles dafür zu tun, um den Fachkräftebedarf in Thüringen zu sichern. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)