Protocol of the Session on March 25, 2011

damit und mit dem Neofaschismus in Deutschland, und zwar tatsächlich inhaltlich auseinandersetzen und nicht durch Kriminalisierung die Auseinandersetzung zu verhindern versuchen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Staatsanwaltschaft Meiningen hat sich - das ist Punkt 2 unseres Antrags - durch die Beschlagnahmung der Tafeln zum Erfüllungsgehilfen dieses Kriminalisierungsversuchs gemacht

(Beifall DIE LINKE)

und sich damit von der CDU Thüringen zu einem politisch motivierten Manöver missbrauchen lassen, aus unserer Sicht rechtlich und rechtsstaatlich höchst fragwürdig.

Meine Damen und Herren der CDU, was Sie mit diesem Kriminalisierungsversuch bezweckten, nämlich die Ausstellung und damit eine Form der Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus in Deutschland zu verhindern, ist selbstverständlich nicht aufgegangen. Ganz im Gegenteil haben Sie sich selbst der Lächerlichkeit preisgegeben und das freut mich, es zu erwähnen - die Ausstellung und auch die auf den beschlagnahmten Tafeln zitierten Aussagen haben durch Ihr durchsichtiges Manöver mehr Aufmerksamkeit erhalten, als Ihnen lieb sein dürfte. Das ist ein möglicherweise positiver Nebeneffekt. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Danke. Ich eröffne die Aussprache. Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Dorothea Marx von der SPD-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Kollege Blech

schmidt, mit dem von Ihnen vorgelegten Antrag sollen wir einen angeblichen Missbrauch des Instituts einer Strafanzeige durch den CDU-Landesvorstand verurteilen und gleichzeitig der Staatsanwaltschaft Meiningen ein rechtswidriges Vorgehen bescheinigen, wie das eben ausgeführt wurde in der Begründung des Antrags. Beides werden wir nicht tun.

(Beifall CDU, FDP)

Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat, zu dessen Essentialia es gehört, dass jeder Bürger das Recht hat, Strafverfolgungsbehörden um Prüfung des Vorliegens von Straftatbeständen zu ersuchen. Das ist auch gut so, denn das staatliche Gewalt- und Strafverfolgungsmonopol ist im Unterschied zur Selbstjustiz demokratisch legitimiert und kontrolliert.

(Beifall CDU, FDP)

Es würde auch in diesem Haus niemanden kalt lassen oder gar freuen, wenn er oder politische Weggefährten des eigenen Lagers in die geistige Nähe zu Faschisten gerückt werden. Das trifft für alle Lager zu. Ich gestatte mir hier, an die heftige Debatte zu erinnern, die es auslöste, dass unser und Ihr ehemaliger Ex-Parteivorsitzender Oskar Lafontaine mit europakritischen Äußerungen in die Nähe von braunem Nationalismus gerückt wurde.

(Beifall CDU, SPD)

Da hatten wir auch eine heftige Debatte. Die Ausstellung, die auch im Internet betrachtet werden kann, worauf Sie auch hinweisen in Ihrem Antrag, weist ausdrücklich darauf hin, dass Neonazis auch immer wieder selbst versuchen, durch Aufnahme mehrheitsfähiger oder populistischer Bürgermeinungen in ihr Programm sich ein Schafsmäntelchen über den Wolfspelz zu ziehen. Auch da kommt es dann zu inhaltlichen Überschneidungen. Der CDULandesvorstand hat in den beanstandeten Tafeln eine rechtswidrige Verunglimpfung von Christdemokraten vermutet und deshalb eine Strafanzeige erstattet. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist in einem Rechtsstaat völlig legitim.

(Beifall CDU)

Der Vorstand hat keine Selbstjustiz verübt, er ist da nicht hingelaufen, er hat da nicht irgendwelche Farbbeutelchen genommen, er hat die Tafeln nicht selber irgendwohin verbracht, sondern er hat eine strafrechtliche Prüfung durch eine dazu zuständige Behörde verlangt. Das ist eine demokratische Selbstverständlichkeit, die jedem zusteht. Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin ihre Arbeit aufgenommen und nach kurzfristiger Beschlagnahme der Tafeln im Rahmen der Gefahrenabwehr das Vorliegen einer strafbaren Verunglimpfung hier der betrachteten Personen verneint. Ich komme darauf noch näher zurück. Die Tafeln wurden wieder an den Ausstellungsort gebracht und dort dann auch

(Abg. Berninger)

weiter gezeigt. Jetzt schreiben Sie aber in Ihrem Antrag weiter, die Staatsanwaltschaft habe sich von den Anzeigeerstattern instrumentalisieren bzw. missbrauchen lassen - das haben Sie eben auch noch einmal wiederholt -, diese vorübergehende Beschlagnahme zur Gefahrenabwehr sei fragwürdig, denn die Staatsanwaltschaft hätte doch die Tafeln fotografieren oder im Internet anschauen können, um den Inhalt auf Strafbarkeit hin zu überprüfen, und dann wäre das sozusagen entbehrlich gewesen, die Tafeln mitzunehmen. Hier verkennen Sie das Instrument der Gefahrenabwehr und wozu dieses dient. Die Gefahrenabwehr dient nicht dazu, dass ich mir etwas bequem anschaue, weil ich nicht im Internet nachblättern will oder kein Foto entwickeln oder auf CD laden möchte. Bei der Maßnahme zur Gefahrenabwehr geht es vielmehr darum, einen vermuteten rechtswidrigen Angriff auf Rechte Dritter bis zu einer Klärung der möglichen Strafbarkeit vorläufig erst einmal zu unterbinden, das heißt, die Tafel nicht öffentlich zu zeigen, bis die Strafbarkeitsprüfung abgeschlossen ist. Nachdem klar war, dass die beanstandeten Tafeln im Rahmen der Meinungsfreiheit hinzunehmen sind, wurden sie zurückgebracht, das war ja, glaube ich, dann noch am selben Tag der Fall. Darin kann ich kein Fehlverhalten entdecken. Die Begründung Ihres Antrags endet schließlich mit einer politischen Bewertung: Wenn Parallelitäten bestimmter Positionen in einer Ausstellung auftauchen, Parallelitäten also der Aussagen von Mitgliedern bürgerlicher Parteien zu der von der NPD, soll man nicht die Ausstellung mit - wie Sie schreiben - fragwürdigen Mitteln bekämpfen, sondern diese Parallelität. Darüber kann man ja durchaus diskutieren und darüber hat sich wahrscheinlich auch die CDU schon Gedanken gemacht, ob die letztlich unbegründete Anzeige dem Anliegen der Anzeigeerstatter am Ende nicht eher geschadet als genützt hat. Wir sind aber im Thüringer Landtag nicht dazu aufgerufen, ein Meinungsbild über die Auswahl der von politischen Mitbewerbern gewählten Wege herzustellen. Das ist hier nicht unsere Aufgabe, das machen wir auch sonst nicht. Da hätten wir viel zu tun.

(Beifall CDU)

Auch Kritik an Strafverfolgungsbehörden ist hier nicht zu üben, anders wäre es dann, wenn es wirklich ein Fehlverhalten öffentlicher Stellen gegeben hätte. Das hat hier aber nicht vorgelegen. Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass unser Rechtsstaat hier vollkommen ordnungsgemäß funktioniert hat, und Ihren Antrag lehnen wir daher ab.

(Beifall CDU, SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste! Zum wiederholten Mal befasst sich der Thüringer Landtag mit der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“. Sie erhält damit ein weiteres Mal ein öffentliches Podium, was sie weder durch ihre sachliche Tiefe noch durch ihre vorbehaltlose Aufarbeitung und Aufklärung über das Phänomen des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Anlass ist das juristische Vorgehen der Staatsanwaltschaft Meiningen, die aufgrund einer Anzeige des CDU-Landesvorstandes gegen das Suhler Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Rechtsextremismus die Ausstellungstafeln 21 und 22 beschlagnahmt hatte. Die Linksfraktion unterstellt der Staatsanwaltschaft, sie habe dabei politisch, exakt christdemokratisch, motiviert gehandelt.

(Beifall DIE LINKE)

Die Linksfraktion wirft dem CDU-Landesvorstand vor, Zitat - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis: „Offensichtlich missbraucht der CDU-Landesvorstand das Mittel der Strafanzeige zur Zensur einer missliebigen Kritik von CDU-Politikerinnen und -Politikern und der CDU nahestehenden Politikerinnen und Politikern und Organisationen.“ Was, meine Damen und Herren - und die Frage muss erlaubt sein - macht hingegen die Linksfraktion mit ihrem Antrag? Sie versucht offensichtlich, das Parlament als sogenannte Superrevisionsinstanz für ihre Zwecke zu missbrauchen. Sie instrumentalisiert das Parlament um ein rein juristisches Verfahren, das ausschließlich dem geltenden Recht, den anerkannten Verfahrenswegen und den vorliegenden objektiven Fakten folgt, über den Umweg des Parlaments in die Bahn zu lenken, die der LINKEN gefällt. Hier zeigt sich wieder einmal die Zwiespältigkeit von Partei und Fraktion DIE LINKE. Auf der einen Seite kritisiert

(Beifall CDU)

DIE LINKE das Vorgehen anderer politischer Parteien, wenn diese die ihr von Recht und Gesetz zustehenden juristischen Mittel benutzen, um vorverurteilende Teile dieser Ausstellung beschlagnahmen zu lassen und diffamiert die ermittelnde Behörde darüber hinaus als politisch motiviert agierender Erfüllungsgehilfe des CDU-Landesvorstandes. Das ist schon unerträglich, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Passt es der LINKEN hingegen in den Kram, dann instrumentalisiert dieselbe Partei, dieselbe Fraktion, Staatsorgane, um die Meinungsäußerungen anderer einzuschränken und ich erinnere an die Klage

(Abg. Marx)

gegen das JU-Plakat, das - ich darf es mal so nennen Bratwurstplakat aus dem Landtagswahlkampf 2009. Ohne hier, meine Damen und Herren, eine rechtswissenschaftliche …

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das ist aber erbärmlich. Bratwurstplakat …)

Hören Sie ruhig zu. Sie können hier vorn reden, Herr Ramelow, Sie werden es aushalten müssen, sogar Sie, hier zuzuhören.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ich halte Ihr Gerede aus....)

Offensichtlich nicht, sonst würden Sie sich anders benehmen.

Im Moment hat der Abgeordnete Bergner das Wort. Ich bitte darum, dass er seinen Vortrag fortsetzen kann.

Danke, Frau Präsidentin. Ohne hier eine rechtswissenschaftliche Debatte beginnen zu wollen, die Linksfraktion nutzt damit auch die Zwitterstellung aus, die die Staatsanwaltschaft im deutschen Rechtssystem innehat. Sie muss auf der einen Seite rein gestützt auf Fakten und das geltende Recht ermitteln, sie muss objektiv sein, wert- und politisch neutral ermitteln. Zugleich steht sie aber unter der Dienstaufsicht des jeweiligen auch nach politischen Maximen handelnden Justizministeriums. Deshalb ist es auch aus staats- und verfassungspolitischer Perspektive äußerst bedenklich, dass die Linksfraktion hier versucht, weil es ihr gerade zupasskommt, das Parlament gegen die Strafermittlungsbehörden in Stellung zu bringen, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, FDP)

Denn aus gutem Grund stellen die Unabhängigkeit der Justiz und Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden ein hohes Gut im bundesdeutschen Verfassungsstaat dar. Sie sind Basis für Glaubwürdigkeit und Verlässigkeit staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und richterlicher Entscheidungen. Schon aus diesen formalen Gründen, meine Damen und Herren, lehnen wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ab.

Zu der Ausstellung: Es kommen noch weitere und inhaltliche Gründe hinzu. Wir stimmen keinem Antrag zu, in dem eine Fraktion verlangt, die Kriminalisierung der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ zurückzunehmen, die zugleich aber eine Art der Meinungsäußerung zulässt oder zumindest billigend in Kauf nimmt, deren herausragende Merkmale Eindimensionalität und ideologisch motivierte Falschdarstellungen sind.

(Beifall CDU, FDP)

Über diese Ausstellung ist in den letzten Tagen und Wochen viel und kontrovers diskutiert worden. Wir Liberale bleiben bei unserem Urteil. Diese Ausstellung ist zwar eine legitime Form der freien und vom Grundgesetz geschützten Meinungsäußerung, aber sie ist eines nicht: Sie ist weder neutral noch objektiv und damit nicht geeignet zur unvoreingenommenen Information und Bildung über das Phänomen des Rechtsextremismus.

(Beifall CDU, FDP)

Die Tatsache, dass diese Ausstellung bereits an 50 Orten bundesweit gezeigt wurde - worauf der Antrag der Linksfraktion explizit hinweist - und an vielen weiteren Orten noch gezeigt wird, ist eben kein Beleg für die sachliche Richtigkeit dieser Ausstellung und noch weniger Beleg für ihren pädagogischen Wert, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, FDP)

Im Gegenteil, die Eckpunkte im Kampf gegen Rechtsextremismus, die der Thüringer Landtag und die Thüringer Landesregierung hier an gleicher Stelle mit dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit vor zwei Monaten auf den Weg gebracht hatten, reißt diese Ausstellung ich sage es salopp - mit dem Hintern gleich wieder ein. Das ist schade!