Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, grundsätzlich habe ich zum Antrag der FDP-Fraktion bereits im Januar ausgeführt. Aufgrund der Debatte am 19. Januar hatte ich angenommen, dass in dieser Problematik weitgehend Einigkeit herrscht und dass mit der Beratung in den Fachausschüssen der Antrag auch qualifiziert werden würde. Dem ist leider nicht so. Im Gegenteil ist der Antrag durch die Beschlussempfehlung noch unkonkreter geworden als ich dies schon im Januar kritisiert hatte.
Die Hinweise aus der Debatte am 19. Januar wurden in den Ausschüssen leider nicht aufgegriffen. Im Gegenteil sind nun noch die angemessene Frist,
die Mitteilung nötiger Zusatzqualifikationen bei Nichtanerkennung eines Abschlusses, das Zertifikat des mit deutschen Abschlüssen vergleichbaren beruflichen Niveaus und die Erstanlaufstelle aus dem FDP-Antrag verschwunden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie eine konkrete Verbesserung des Anerkennungsverfahrens und eine tatsächliche Chance für Migrantinnen und Migranten nicht wollen, dann stellen Sie sich doch nicht hier in aller Öffentlichkeit hin und streuen der Öffentlichkeit mit schönen Sonntagsreden wie am 19. Januar Sand in die Augen.
Auch die Herren und die Dame der FDP-Fraktion, Sie haben der Beschlussempfehlung, also der Beschneidung Ihres Antrags, den Sie im Januar noch so glaubwürdig eingebracht haben, zugestimmt. Sie loben sogar jetzt den Gesetzentwurf, den Frau Schavan am Mittwoch vorgelegt hat. Das macht Ihr Anliegen nun in der Tat unglaubwürdig, meine Dame und meine Herren.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist in der aktuellen Debatte aus unserer Sicht nicht weitreichend und nicht genau genug. In der Diskussion allgemein anerkannt ist, dass es derzeit erhebliche Nachteile bei der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen gibt. Insbesondere stehen dabei in der Kritik die lange Verfahrensdauer, dass es kein einheitliches Verfahren gibt, die Unübersichtlichkeit bei der und den zuständigen Stellen. Die Bundesregierung hatte schon lange angekündigt, dieses in einem Anerkennungsgesetz zu regeln, hat aber bislang aus unserer Sicht nur unzureichende Lösungsvorschläge eröffnet und veröffentlicht. Auch die vorgestern von Frau Ministerin Schavan vorgestellten Eckpunkte des Gesetzentwurfs können aus unserer Sicht nur als unzulänglich bezeichnet werden. Das von der Bundesregierung geplante Anerkennungsgesetz regelt nach wie vor keine bundeseinheitliche Struktur und keine klare institutionelle Zuständigkeit. Der Gesetzentwurf regelt darüber hinaus lediglich berufliche Abschlüsse von Migrantinnen und Migranten. Allgemeine Bildungsabschlüsse spielen keine Rolle. Noch nicht einmal ein Rechtsanspruch auf Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufs- und Hochschulabschlüsse ist in diesem Gesetzentwurf vorgesehen. Dort gibt es lediglich den Rechtsanspruch auf Bewertung, nicht auf eine tatsächliche Anerkennung. Das klingt jetzt wie Wortklauberei, meine Damen und Herren, ist aber ein himmelweiter Unterschied. Ich kann das vielleicht an einem Thüringer Beispiel verdeutlichen. Nach dem Kita-Gesetz haben Kinder in Thüringen einen Rechtsanspruch auf den Besuch einer Kindertagesstätte und das finde ich sehr gut. Im Gesetz steht nicht, sie hätten einen Rechtsanspruch auf Prüfung
Dass mit dem vorgestellten Gesetzesvorhaben der Bundesregierung aus der geforderten einheitlichen Anlaufstelle, wie sie auch von der durch den Integrationsbeirat hier in Thüringen einberufenen Expertenarbeitsgruppe gefordert wird, die gestern Morgen getagt hat, lediglich eine Telefonhotline geworden ist, spricht für sich, meine Damen und Herren. Ebenso spricht für sich, dass der Entwurf keine Beratung bzw. Begleitung für Migrantinnen und Migranten vor und während des Anerkennungsverfahrens vorsieht, wie es meine Genossin Agnes Alpers, Sprecherin für berufliche Aus- und Weiterbildung der LINKEN im Bundestag, kritisiert hat. Diesen Gesetzentwurf, der vorgestern vorgestellt wurde, bewerten kann ich ganz einfach, indem ich die Worte meiner Kollegin Sevim Dagdelen, ebenfalls aus dem Bundestag, verwende. Sie hat nämlich gesagt, ich zitiere: „Es ist zynisch, dass die Bundesregierung einerseits einen vermeintlichen Fachkräftemangel beklagt und Fachkräfte im Ausland anwerben will, andererseits aber qualifizierte Migrantinnen und Migranten in Deutschland ins Abseits drängt. Das ist weder sozial noch integrativ.“ Diesen Worten von Frau Dagdelen habe ich nichts hinzuzufügen. Wenn nun von der Bundesregierung die Aufforderung an die Länder kommt, wie es die Ministerin Schavan vorgestern verkündet hat, für den Vollzug auf Landesebene einheitliche Vollzugskriterien zu schaffen und dann, wie sie sagte, die Länderregelungen nach dem Muster dieses Bundesgesetzes planen, so kann das nur ein schlechter Scherz sein. Mit den Zukunfts- und Teilhabechancen von Menschen, meine Damen und Herren, scherzt man aber nicht. Ich denke, das wird auch die Thüringer Wirtschaft nicht lustig finden, die beklagt hat, dass ihr bis 2015 bis zu 80.000 Fachleute fehlen werden und dass dafür auch die mangelhafte Anerkennungspraxis ausländischer Abschlüsse mit verantwortlich ist.
Nicht, dass Sie mich missverstehen, wenn ich die Thüringer Wirtschaft hier anführe. Für mich und meine Fraktion ist nicht der Fachkräftemangel ausschlaggebend oder der Nutzen, den Thüringen oder die Bundesrepublik aus verbesserten Anerkennungsverfahren ziehen würden, wie das in dem von Herrn Koppe gelobten Gesetzentwurf ist. Dort steht nämlich unter § 1 - Zweck des Gesetzes -: „Dieses Gesetz dient der besseren Nutzung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen für den deutschen Arbeitsmarkt.“ Von Integration und den Teilhabechancen ist da nicht die Rede. Das sind für uns, also dieser Nutzen für Thüringen und die Bundesrepublik und den deutschen Arbeitsmarkt, positive Dinge, die nebenbei mit abfallen, wenn wir Menschen Teilhabe ermöglichen, wenn wir die Lebensleistungen und die Qualifikationen von Menschen anerkennen und wenn wir Migrantinnen/Mi
granten signalisieren: Ihr seid bei uns willkommen und wir brauchen euch; wir wollen, dass ihr bei uns arbeiten und mit uns gemeinsam gleichberechtigt hier leben könnt. Deshalb geht uns die Beschlussempfehlung nicht weit genug und deshalb liegt Ihnen unser Änderungsantrag vor, den wir auch schon im Innenausschuss eingebracht hatten, mit dem wir die schon angesprochenen Punkte aus dem ursprünglichen FDP-Antrag retten wollen, und darüber hinaus beantragen wir, die Veranlassung eines Anerkennungsgesetzes des Bundes, das einen Rechtsanspruch auf Feststellung, Bewertung und Bescheinigung, also Anerkennung der im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsqualifikationen für alle eingewanderten Menschen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, vorsieht.
Vielen Dank, Frau Kollegin Berninger. Sie wissen, dass ich mich auch ein bisschen mit dem Thema beschäftige. Für mich persönlich eine Lernfrage: Können Sie mir sagen, wie viele Anträge es eigentlich in Thüringen auf Anerkennung von beruflichen Qualifikationen aus der Klientel, von der Sie sprechen, tatsächlich gegeben hat und wie viele Anträge es zu Berufszugang und beruflichen Qualifizierungen bei den Handwerkskammern im letzten Jahr gegeben hat? Nur dass man auch einmal die Größenordnung hat. Ich bin bei allem bei Ihnen, was Sie sagen, dass man hier ernsthaft mit dem Thema umgehen muss, aber ich glaube - und deshalb stelle ich die Frage -, man muss auch sagen, über welche Größe der Personengruppe man hier spricht. Deshalb die Frage: Können Sie mir die Zahl nennen?
nicht sagen. Ich wollte nicht wiederholen, was ich am 19. Januar hier an diesem Pult gesagt habe. Da habe ich nämlich Zahlen genannt, und zwar die Zahlen, die ich aus der Antwort der Landesregierung auf Ihre Kleine Anfrage hatte. Vielleicht machen Sie sich die Mühe, lesen Sie die Antwort auf Ihre eigene Kleine Anfrage noch einmal durch,
Vielleicht auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer: Manche der Fragen, die hier gestellt werden, dienen nicht dazu, dass der Fragende eine Antwort möchte, sondern nur, um einen Redefluss zu stören oder denjenigen am Rednerpult
und werde weiter zu unserem Änderungsantrag reden, mit dem wir zweitens wollen, dass auch praktisch angeeignetes Wissen und langjährige Berufserfahrungen in einem solchen gesetzlich geregelten Anerkennungsverfahren Berücksichtigung finden. Wir wollen, dass die Verfahren innerhalb eines kurzen Zeitraums abgeschlossen sein müssen und dass sie unter Umständen auch bereits vor der Einreise eingeleitet werden können. Wir wollen, dass diesen Verfahren, die auch Teil- oder vorläufige Anerkennungen beinhalten können/sollen, auch Angebote zur Zusatzausbildung und zur sonstigen Förderung, Beratung und Qualifizierung in Bezug auf die spezifischen Erfordernisse des deutschen Arbeitsmarkts unmittelbar folgen. Soweit es um die Kompetenzen der Bundesländer geht, soll die Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, mit der Kultusministerkonferenz, mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung, mit regierungsun
abhängigen Sachverständigen und allen maßgeblichen Akteuren - dazu zählen wir Migrantinnen- und Migrantenorganisationen, die Berufsverbände, die Gewerkschaften usw. - schnellstmöglich ein Konzept für eine bundeseinheitliche Struktur und klare institutionelle Zuständigkeitsregelungen in den Bundesländern entwickeln, damit nicht wie bisher die Zuständigkeiten und Verfahren in jedem Bundesland andere sind. Dies würde nämlich den Menschen zugute kommen, die im Ausland Abschlüsse erworben haben; nicht nur diesen, sondern dies würde auch den prüfenden und anerkennenden Stellen zugute kommen, die sich dann nämlich miteinander verzahnen und auch austauschen könnten.
Ich kann abschließend nur eindringlich empfehlen und darum werben: Bitte stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, damit in Zukunft tatsächlich im Ausland erworbene Abschlüsse besser und leichter anerkannt werden können und nicht Placebobeschlüssen, die das nur vorgaukeln. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der FDP ist nach der Debatte im Plenum in den Ausschüssen beraten worden. Wir haben es schon gehört, es gab ein einstimmiges Votum zur geänderten Beschlussvorlage im Bildungsausschuss. Es gab eine Empfehlung dieses Beschlussvorschlags im Wirtschaftsausschuss und im Innenausschuss, der nicht federführend war, wurde im letzten Moment ein Änderungsantrag, der zur Sitzung nicht mal allen Abgeordneten vorlag, eingereicht.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das lag aber nicht an der Landtagsverwal- tung und auch nicht an der Fraktion DIE LIN- KE.)
Auf das, was Sie eben gesagt haben, komme ich noch einmal zurück. Manche Fragen, aber auch Zwischenrufe, dienen doch sicher dazu, den Redner in seinem Redefluss zu beeinflussen.
Jetzt liegt uns ein erneuter Änderungsantrag der LINKEN vor, aber meine Fraktion wird nach dem abgestimmten Verfahren in den Ausschüssen diesem heute nicht zustimmen.