Protocol of the Session on October 7, 2010

1. Wer entscheidet, auf welcher Faktenund Rechtsgrundlage über Einleitung und Fortführung solcher Rechtsstreite, die das Land in der „Rolle“ als Beitragsschuldnerin führt - insbesondere wie stellte bzw. stellt sich dies für den konkreten Fall Altenfeld dar?

2. Welche Möglichkeiten haben die für derartige Rechtsstreite zuständigen Behörden des Landes, in solchen Fällen auf die Fortführung bzw. (vorzeitige) Beendigung des Verfahrens hinzuwirken, z.B. durch Anordnung der Klagerücknahme oder Anbieten eines Vergleichs?

3. Wie viele Verfahren/Prozesse führte bzw. führt das Land bzw. führ(t)en Landesbehörden als Beitragsschuldnerinnen gegen Thüringer Kommunen in den Jahren 2004 bis 2010 mit welchem Ergebnis (eingeschlossen Verfahrenskosten) ?

Für die Landesregierung antwortet das Finanzministerium, Herr Staatssekretär Dr. Spaeth.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Enders wie folgt:

Zu Frage 1: Die Entscheidung trifft die Behörde, die die Liegenschaft verwaltet und bewirtschaftet bzw. die Behörde, die nach den im jeweiligen Geschäftsbereich geltenden Vertretungsregelungen zuständig ist. Im vorliegenden Fall ist das Forstamt Gehren die zuständige Behörde. Eine Entscheidung über eine anwaltliche Vertretung folgt im deutschen Prozessrecht. Für das in Rede stehende Verfahren war vor dem Verwaltungsgericht keine anwaltliche Vertretung erforderlich. Der Straßenausbaubeitragsbescheid für die landeseigene Liegenschaft in Altenfeld ist vom Verwaltungsgericht Weimar mit Urteil vom 22. September 2010 aus formellen Gründen aufgehoben worden. Das Gericht hat deshalb weitere Punkte der Klage nicht aufgegriffen.

Zu Frage 2: Wie jedem privaten Grundstückseigentümer stehen den zuständigen grundstücksverwaltenden Behörden des Landes neben der Annahme und Zahlung eines Beitragsbescheides auch alle Rechtsmittel zur Verfügung, sich gegen diesen Bescheid zu wenden. Die Behörden haben die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Diese Prüfung ist schon aus haushaltsrechtlichen Gründen zwingend erforderlich, da Ausgaben nur soweit nicht eher geleistet werden dürfen als sie zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung erforder

lich sind. Auch der Abschluss eines Vergleichs darf aus haushaltsrechtlichen Gründen nur erfolgen, wenn dies für das Land zweckmäßig und wirtschaftlich ist.

Zu Frage 3: Eine Recherche in der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat ergeben, dass der Freistaat Thüringen im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 30. September dieses Jahres wegen der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen insgesamt 13 Prozesse gegen Kommunen geführt hat. Ein Verfahren wurde eingestellt, zehn Verfahren wurden abgeschlossen, ein weiteres Verfahren wurde auf sonstige Weise von Amts wegen erledigt. Lediglich ein Verfahren ist derzeit noch nicht rechtskräftig, das in Frage 1 beschriebene. In den überwiegenden Fällen waren die Kosten durch die Kommunen zu tragen. Auf den Freistaat Thüringen entfielen Gerichtskosten in Höhe von 631,50 €. Weitere Detailangaben könnten nur bei vollständiger Durchsicht der Gerichtsakten ermittelt werden. Dies ist wegen des zeitlichen Rahmens, den wir alle in eine Mündliche Anfrage setzen, leider nicht möglich.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung: Der Freistaat Thüringen nimmt als Grundstückseigentümer wie jeder private Grundstückseigentümer mit sämtlichen Rechten und Pflichten am Grundstücksverkehr teil. Schon allein aus diesem Grund kann die Kommunalaufsicht des Landes zum Beispiel bei Ausbausatzung keine Behörden des Landes, die es als Grundstückseigentümer vertreten, um ihre Meinung fragen. Der Grundstückseigentümer Land ist genauso zu behandeln wie der private Grundstückseigentümer. Ich danke Ihnen.

Es gibt den Wunsch auf Nachfrage durch die Fragestellerin.

Eine Nachfrage hätte ich dann doch noch: Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass die Rechtsaufsicht des Landes - das ist ja die Kommunalaufsicht hier in dem Fall des Ilm-Kreises gewesen - die Satzung der Gemeinde Altenfeld genehmigt hat und es keine Beanstandungen dazu gab und gleichzeitig jetzt das Land sagt, diese Satzung ist rechtswidrig? Es ist nicht ordentlich veröffentlicht worden im Amtsblatt und geht damit auch gegen die Beitragserhebung der Gemeinde Altenfeld hier als Grundstückseigentümerin vor.

Dieses Vorgehen ist doch richtig. Ich habe gerade aus der Landeshaushaltsordnung zitiert, die letztendlich übersetzt besagt, dass man nicht blind einfach irgendwelche Beiträge entrichten soll, sondern dass der Beitragsschuldner - in diesem Falle das

(Abg. Enders)

Forstamt Gehren - prüfen muss, ob diese Erhebung rechtens ist. Wenn nicht, stehen ihm ja Rechtsmittel frei. Diesen Weg hat es mit Erfolg beschritten. Insofern gibt es daran nichts auszusetzen.

Es gibt eine Nachfrage durch den Abgeordneten Kuschel.

Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, die Aufhebung des Bescheides durch das Gericht erfolgt ja aus formalen Gründen - Veröffentlichungsfehler. Das wissen ja auch die Juristen, die sicherlich in dem Fall aktiv sind, dass formale Fehler heilbar sind. Mit welchen materiellen Gründen wurde denn das Rechtsmittel gegen den Straßenausbaubeitragsbescheid der Gemeinde Altenfeld begründet?

Ich kenne dieses Schreiben nicht. Insofern kann ich Ihnen dazu leider nichts sagen.

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke, Herr Staatssekretär. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Huster von der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/1570.

Glücksspielstaatsvertrag vom Europäischen Gerichtshof „kassiert“ - Wie weiter?

Am 8. September 2010 entschied der EuGH in einem Urteil zu sechs zur Entscheidung verbundenen Rechtssachen, dass die Ausgestaltung und Begründung des staatlichen Glücksspielmonopols im derzeitigen Glücksspielstaatsvertrag nicht mit den Regelungen des europäischen Rechts vereinbar ist. Insbesondere moniert der Gerichtshof, dass unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung der Spielsucht der Adressaten bzw. Betroffenenkreis im Staatsvertrag nicht konsequent - und damit in rechtswidriger Weise - bestimmt wurde. So sind z.B. die von Fachleuten als besonders suchtgefährdend bzw. -erzeugend eingestuften Automatenspiele vom Glücksspielstaatsvertrag nicht erfasst.

Der Staatsvertrag muss nun infolge des EuGH-Urteils nachverhandelt werden. Zu klären bleibt, ob das bisherige Modell stringenter gestaltet oder ob ein Modellwechsel vollzogen werden soll. Darüber hinaus bleibt zu klären, ob vom Vertrag bisher negativ betroffene Anbieter einen Anspruch auf Wiederzulassung und Schadenersatz haben und welche finanziellen Auswirkungen das auf Bund und Länder voraussichtlich haben wird. Da auch in Thü

ringen entsprechende Anbieter ansässig sind bzw. waren, ist auch das Land unmittelbar von diesen Vorgängen und Problemstellungen betroffen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Konsequenzen und notwendigen bzw. möglichen inhaltlichen Positionen ergeben sich nach Ansicht der Landesregierung für den zukünftigen verfahrenstechnischen Umgang sowie die inhaltliche Gestaltung eines nachverhandelten bzw. neu zu verhandelnden Glücksspielstaatsvertrags?

2. Welche Initiativen und Vorschläge in Sachen Konsequenzen aus dem Urteil des EuGH für den bisherigen bzw. einen zukünftigen Glücksspielstaatsvertrag gibt es nach Kenntnis der Landesregierung aus anderen Bundesländern?

3. Welche Auswirkungen hat das EuGH-Urteil zum Glücksspielstaatsvertrag für die in Thüringen (frü- her) ansässigen bzw. tätigen Anbieter hinsichtlich der Ansprüche auf Wiederzulassung/Zulassung und/oder Schadenersatz?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Geibert.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Herrn Huster beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Es ist anzumerken, dass entgegen dem Titel der Mündlichen Anfrage und den Vorbemerkungen in derselben der EuGH den Glücksspielstaatsvertrag nicht kassiert hat. Die Darstellung des Inhalts zu EuGH-Urteilen in den Medien war insoweit unzutreffend. Vielmehr hat der EuGH in den Entscheidungen vom 8. September 2010 seine bisherige Rechtsprechung zum Glücksspielrecht wiederholt und bestätigt, dass staatliche Glücksspielmonopole mit dem Europäischen Unionsrecht vereinbar sind und bleiben, wenn sie in kohärenter und systematischer Weise das Ziel des Monopols verfolgen. In den genannten Entscheidungen hat der EuGH auch keine Regelung des geltenden Glücksspielstaatsvertrags für europarechtswidrig erklärt. In Sachen Internetverbot für Glücksspiele hat er sogar ausdrücklich bestätigt, dass ein solches Verbot mit dem Europarecht vereinbar ist. Der EuGH hat, wenn man so formulieren will, den Ball an die vorlegenden deutschen Verwaltungsgerichte zurückgespielt und diesen geantwortet, dass nur dann ein europarechtswidriger Zustand gegeben ist, wenn ein nationales Gericht im konkreten Fall tatsächlich feststellt, dass das Glücksspielrecht nicht in kohärenter und systematischer Weise ausgestaltet ist.

(Staatssekretär Dr. Spaeth)

Hier gilt es zunächst einmal, die Entscheidung der Verwaltungsgerichte, insbesondere auch des Bundesverwaltungsgerichts, abzuwarten, ob in den einzelnen Bundesländern tatsächlich ein solcher Zustand gegeben ist.

Dies vorausgeschickt, werden die Fragen wie folgt beantwortet:

Zu Frage 1: Die Entscheidungen des EuGH werden zurzeit zwischen den Ländern diskutiert. Die Auswirkungen der Urteile des EuGH auf den Glücksspielstaatsvertrag stehen derzeit noch nicht fest. Wie zuvor bereits dargelegt, ergibt sich aus den Entscheidungen des EuGH jedenfalls keine europarechtliche Pflicht, das staatliche Glücksspielmonopol aufzuheben.

Zu Frage 2: Inwieweit die Meinungsbildungen in den anderen Landesregierungen aufgrund der EuGH-Entscheidung abgeschlossen sind, ist mir nicht bekannt. Im Übrigen nimmt die Landesregierung zu politischen Vorstellungen und Überlegungen anderer Länder grundsätzlich keine Stellung.

Zu Frage 3: Wie bereits ausgeführt, hat der EuGH in seinen Entscheidungen vom 08.09.2010 keine Norm des Glücksspielstaatsvertrags für unwirksam erklärt, im Gegenteil, er hat ein staatliches Glücksspielmonopol ausdrücklich für grundsätzlich vereinbar mit dem Europarecht angesehen. Daraus folgt, der geltende Glücksspielstaatsvertrag sowie die Regelungen des Thüringer Glücksspielgesetzes bilden nach wie vor die rechtlichen Grundlagen für das Glücksspielwesen in Thüringen. Weder ist die rechtliche Grundlage für Verbotsverfügungen und ihre sofortige Vollziehbarkeit entfallen, noch können illegale Wettbüros ohne Genehmigung öffnen.

Die Frage 4, die auf der Rückseite Ihres Zettels stand, wurde nicht gestellt, insoweit würde ich da auf die Antwort verzichten.

Es gibt trotzdem eine Nachfrage durch den Fragesteller.

Sie können als meine erste Nachfrage die Frage 4 als gestellt betrachten und ich erspare uns allen, dass ich das noch mal vorlese. Sie sehen mir bitte das Versehen nach.

Die zweite Frage, Herr Staatssekretär, die ich habe, ist eher die grundsätzliche Frage nach der Bewertung der Landesregierung aufgrund des jetzigen Urteils. Auch wenn das EuGH-Urteil in der Tat das Monopol nicht ausschließt und sogar bestätigt, weist es ja auf Konsequenzen hin und erwartet von den Ländern, dass sie künftig entweder konsistenter in diese eine Richtung gehen, die dieses Monopol glaubwürdiger rechtfertigt, oder aber diesen

Markt begrenzt im Zuge von Konzessionen für Private öffnen. Das ist ja eine der Grundfragen, die jetzt in der Diskussion ist. Gibt es in der Landesregierung in Thüringen bezüglich dieses Paradigmas schon eine Positionierung und wenn ja, wären Sie bereit, dem Thüringer Landtag Ihre diesbezüglichen Überlegungen mitzuteilen?

Herr Abgeordneter Huster, zunächst zu Frage 4: Der Glücksspielstaatsvertrag 2008 - und ich betone dies noch einmal - ist nach gegenwärtigem Stand weder verfassungs- noch europarechtswidrig. Die Auswirkungen der Entscheidungen des EuGH auf den Landeshaushalt und die kommunalen Haushalte sind im derzeitigen Stadium der Diskussion nicht absehbar. Insoweit bleibt abzuwarten, mit welchem Inhalt die Länder das Glücksspielrecht fortentwickeln werden. Diesen Diskussionen will ich nicht vorgreifen. Über den Stand der Verhandlungen wird die Landesregierung den Landtag unterrichten.

Dann zu den Zusatzfragen: Selbstverständlich bin ich jederzeit gern bereit, Ihre Fragen für die Landesregierung zu beantworten. Die Meinungsbildung ist aber insoweit noch nicht abgeschlossen, sie hängt auch von dem ab, was in Korrespondenz mit den anderen vom Glücksspielstaatsvertrag betroffenen Ländern als Ergebnis diskutiert werden wird.

Danke, Herr Staatssekretär. Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Entschuldigung, es gibt eine Nachfrage vom Abgeordneten Barth.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte doch schon mal nachfragen, was Kollege Huster eben gefragt hat. Habe ich das richtig verstanden, dass es innerhalb der Thüringer Landesregierung jetzt keine eigenständige Meinungsbildung zur Frage und das ist ja die Grundsatzfrage - Erhalt des staatlichen Glücksspielmonopols oder eben alternative Vorgehensweise gibt und Sie sich sozusagen dann der Mehrheit in der Ministerkonferenz anschließen, oder wie muss ich die Antwort jetzt verstehen?

Herr Abgeordneter Barth, wenn Sie meine Äußerungen insoweit verstanden haben, haben Sie mich missverstanden.

Die zweite Nachfrage, Herr Abgeordneter.

(Staatssekretär Geibert)

Dann würde mich nur noch interessieren, weil ja die Frage der Suchtgefährdung in dieser ganzen Debatte immer ein sehr zentrales auslösendes Moment ist: Hat denn die Landesregierung Kenntnis über Zahlen, wie viele Glücksspielsüchtige es in Thüringen oder in der Bundesrepublik tatsächlich gibt?

Es gibt zu diesem Thema Untersuchungen, diese Untersuchungen sind der Landesregierung selbstverständlich auch bekannt.

Vielen Dank. Ich schließe an dieser Stelle die Fragestunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 1