Protocol of the Session on May 28, 2010

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Dr. Augsten.

Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags und für die Landesregierung erteile ich jetzt das Wort Herrn Minister Reinholz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nach der Koalitionsvereinbarung soll die Thüringer Strategie für die biologische Vielfalt als umfassende und die Politik der Thüringer Landesregierung mitbestimmende Landesstrategie fortentwickelt werden. Hiermit wird an die bisherigen Aktivitäten zum Erhalt der Biodiversität im Freistaat Thüringen angeknüpft. Die Thüringer Landesregierung hat mit ihrer Auftaktveranstaltung im April 2008 im Thüringer Landtag eine eigenständige Biodiversitätskampagne gestartet und sich darüber hinaus an der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in Bonn beteiligt. Dies ist zum Anlass für die Erstellung einer auf Thüringen speziell ausgerichteten Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt genommen worden und hat auch dabei breite Zustimmung erfahren. Ein erster Entwurf einer solchen Strategie liegt inzwischen bereits vor und wurde zunächst in den Fachkreisen, unter anderem mit dem Landesnaturschutzbeirat, erörtert. Seither wurde die Öffentlichkeit in zahlreichen Veranstaltungen, insbesondere in den Nationalen Naturlandschaften, für dieses Thema sensibilisiert. Die diesjährigen Thüringer Aktivitäten sind in einen bundesweiten Veranstaltungskatalog einbezogen. Die Thüringer Landesregierung wird diese bisher erfolgreiche Arbeit des Naturschutzes in Thüringen konsequent fortsetzen und noch im Jahr 2010, dem internationalen Jahr der biologischen Vielfalt, den vorliegenden Entwurf einer

Thüringer Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in einem dialogorientierten Diskussionsprozess mit allen relevanten Akteuren mit dem Ziel breiter Konsensfindung zu einer umfassenden und die Politik der Thüringer Landesregierung mitbestimmenden Landesstrategie fortentwickeln. Es sind bereits die notwendigen Schritte unternommen worden, um hierfür im federführenden Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz die notwendigen personalwirtschaftlichen Voraussetzungen auch zu schaffen. Die Landesregierung wird jährlich über den Arbeitsstand zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Thüringen berichten.

Meine Damen und Herren, das Ziel der EU, den Erhalt der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 zu sichern, ist leider europaweit nicht erreicht worden. Aktuell findet eine intensive politische Diskussion über die Ursachen und neue Zielstellungen statt, Studien zu dem mit dem Verlust an biologischer Vielfalt einhergehenden materiellen und wirtschaftlichen Verlust und Schaden machen letztendlich deutlich, dass übergreifend und lückenlos der Verlust an biologischer Vielfalt so rasch wie möglich aufgehalten werden muss. Deshalb ist in Thüringen die Naturschutzpolitik gezielt und erfolgreich auf eine Gebietskulisse bezogen worden, die u.a. mit den Natura2000-Gebieten, den nationalen Naturlandschaften oder aber dem Grünen Band die für die Erhaltung der biologischen Vielfalt zentralen Gebiete Thüringens umfasst. Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Verwaltung der nationalen Naturlandschaften, mit den Trägern der Naturschutzgroßprojekte, der Liveprojekte oder anderer Naturschutzprojekte ist positiv, glaube ich, hervorzuheben. Beispiele wie die Beweidungsprojekte zur Erhaltung des Grünlandes im Biosphärenreservat Rhön und dem Naturpark Kyffhäuser, die Errichtung eines Obstsortengartens im Naturpark Kyffhäuser zur Erhaltung alter und vom Aussterben bedrohter Obstsorten oder die Maßnahme zur Moorrevitalisierung im Biosphärenreservat sind hier zu nennen.

Zukünftig, meine Damen und Herren, sollten diese Aktivitäten in eine landesweite Schutzgebietskonzeption eingebettet werden und von einer Konzeption für landesweiten Biotopenverbund dann auch flankiert werden. Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz wird in Anknüpfung an diese bisherigen Erfolge und auf der Basis der bisher erreichten hohen Naturschutzqualität in diesem Jahr eine zukunftsgerichtete und den Wirkungen nachprüfbare Strategie im Konsens, hoffe ich, mit allen Akteuren auch vorlegen können. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Herr Minister Reinholz. Als Nächste hat sich zu Wort gemeldet die Abgeordnete Eleonore Mühlbauer für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kollegen, die Vereinten Nationen haben 2010 - Herr Augsten, Sie haben es schon genannt - zum internationalen Jahr der biologischen Vielfalt erklärt. Ich erlaube mir jetzt an dieser Stelle die Bundeskanzlerin zu zitieren: „Der Schutz der biologischen Vielfalt hat dieselbe Dimension wie die Frage des Klimaschutzes. Wir brauchen eine Trendwende jetzt unmittelbar und nicht irgendwann.“ Ja, das ist richtig.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Schutz der biologischen Vielfalt muss besser erklärt und erforscht werden. Er muss stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft treten, denn wir haben eine enge Verzahnung von Artenschwund und Klimawandel. Aus diesem Grunde haben wir uns ein Thema in unserem Koalitionsvertrag gestellt. Der im Rahmen der Auftaktveranstaltung zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Thüringer Landtag 2008 erstellte Entwurf - Sie haben ihn gerade vorgestellt - eine „Thüringer Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt“ muss umfassend fortentwickelt werden. Es war und ist erforderlich, eine speziell auf Thüringen ausgerichtete Strategie zu erarbeiten, fortzuentwickeln und weitreichend abzustimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, besonders für Thüringen ist es wichtig, denn hier bei uns kommen zwei Drittel aller Tier- und Pflanzenarten, die im Bundesgebiet heimisch sind, vor. Wir haben bundesweit bedeutsame Landschaftselemente, die zum Erhalt der Artenvielfalt wichtig sind. Ich möchte hier beispielsweise den Südharz, den Kyffhäuser, das Thüringer Becken, das Werratal, die Rhön oder die Muschelkalkhänge des Mittleren Saaletals nennen. Das ist unsere Grundlage, eine gute Grundlage, um die notwendigen Maßnahmen abzuleiten. Unser Ziel muss es sein, alle verfügbaren Mittel und personellen Kapazitäten so wirksam wie möglich zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Thüringen einzusetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind hier am Anfang eines Diskussionsprozesses und dieser ist wichtig und richtig, denn Naturschutz rentiert sich. Bekanntlich kosten Investitionen in den Schutz der Ökosysteme Geld. Deren Zerstörung ist aber wesentlich teurer. Denn mit der Zerstörung von Ökosystemen entstehen erhebliche wirtschaftliche Schäden. Aus diesem Grund ist eine Sensibilisierung für dieses Thema wichtig und es ist auch richtig, Plä

ne auf Optionen zu überprüfen und neu zu justieren. Aus diesem Grunde bedanke ich mich ausdrücklich bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ihren Antrag. Ja, dieses Thema ist wichtig und richtig. Die bisher vorgeschlagenen Ziele, der Aktionsplan und die Aktionsfelder, wie z.B. Kampagne: 33 Arten, Lebensräume für Thüringen und der Maßnahmekatalog erfordern eine Überprüfung, Überarbeitung und Präzisierung. Wir müssen gemeinsam mit der Landesregierung diskutieren und dies in die Öffentlichkeit tragen. Dafür sind wir zuständig, meine sehr geehrten Damen und Herren, und aus diesem Grunde bitte ich um Überweisung an den zuständigen Ausschuss und freue mich parteiübergreifend auf eine gemeinsame fruchttragende Diskussion. Danke schön.

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Mühlbauer. Bitte verzeihen Sie mir, ich hatte eben vergessen zu fragen, wer die Beratung zum Sofortbericht wünscht. Es hatten sich aber von allen Fraktionen Rednerinnen und Redner zu Wort gemeldet. Insofern kann ich davon ausgehen, dass alle die Aussprache zum Sofortbericht wünschen, auch zu den Punkten 2 bis 4 des Antrags. Danke schön. Dann hat jetzt das Wort Abgeordneter Tilo Kummer für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. In einer Hinsicht möchte ich der Intention des Antrags der GRÜNEN gleich am Anfang widersprechen. Frank Augsten hat das allerdings vorhin bei seinen einführenden Worten auch ein Stück weit zurückgenommen, Thüringen hat sehr ambitionierte Ziele beim Schutz der Biodiversität. Das möchte ich hier erst einmal festhalten. Diese Ziele bestehen in der Eindämmung des Artenverlustes, in der Verbesserung der Erhaltungszustände der Arten und Biotope, in der ökologischen Durchgängigkeit a) der Gewässer, b) der Landökosysteme und auch im Erhalt alter Rassen und Sorten sowie in der Umstellung der Waldbewirtschaftung. Es sind hehre Ziele, die nicht einfach umzusetzen sind, und da ist der Punkt, Herr Minister, die Umsetzung dieser Ziele ist sehr schwer zu erreichen. Da kommt man zu Dingen, die vielleicht doch auch nicht so einseitig zu beurteilen sind.

Wir haben bisher die Fokussierung auf die Landnutzung bei der Umsetzung dieser Ziele. Die Fokussierung auf die Landwirtschaft, auf die Waldbewirtschaftung und Instrumente, die diesem dienen, nämlich Schutzgebiete, das Kulturlandschaftsprogramm in der Landwirtschaft, wo Thüringen viel Geld ausgibt, naturnahe Waldbewirtschaftung, den Waldumbau, der

vorangetrieben wird, alles sehr lobenswerte Sachen. Da kann man sicherlich auch das eine oder andere noch besser machen, wie es der GRÜNEN-Antrag hier darstellt, wo man auch ins Gespräch kommen kann mit Umweltverbänden zum Beispiel. Ich würde Ihnen hier empfehlen, nicht in einer letzten Branche die Landnutzer und Landeigentümer dazuzunehmen, sondern auch gleich mit den Verbänden ins Gespräch zu gehen, das gehört sich so.

Bei dieser Betrachtung muss man doch feststellen, die Fokussierung auf die Landnutzung allein ist zu einseitig. Wir brauchen genauso eine Umstellung der Verkehrspolitik, wir brauchen genauso eine Umstellung der Energiepolitik und anderer Dinge, um die Erfolge voranzutreiben. Ich komme nun aus der Fischerei, da hat man sich natürlich mit Gewässern beschäftigt. Ein Beispiel, was für uns im Studium ein ganz wichtiges war, der nahezu einzige oligotrophe See, heißt sehr saubere, sehr klare See im Osten Deutschlands ist der Stechlinsee. Er hat so gut wie keine negativen Beeinträchtigungen durch menschliche Einleitungen. Es gibt dort also fast nichts Direktes, was an Nährstoffen diesem See zugeführt wird. Trotzdem besteht eine immense Gefahr, dass dieser See seinen nährstoffarmen Status verliert allein durch Schadstoffeinträge aus der Luft. Diese Schadstoffeinträge nehmen in den letzten Jahren immer stärker zu. Die Bundeswaldinventur hat für den Thüringer Wald vorhergesagt, dass wir inzwischen über 10 Festmeter Zuwachs haben pro Hektar, früher waren es nur 8. Das liegt zum großen Teil daran, dass aus dem Verkehr viel mehr Stickstoff in den Wald eingetragen wird. Da finden wir Dinge, wo wir dachten, der Wald ist völlig unberührt, kilometerweit weg von einer Straße, die trotzdem aus diesen Emissionen herrühren und dazu führen, dass es zu massiven Beeinträchtigungen der Ökosysteme kommt. Ich will bloß mal daran erinnern, Erich Honecker hat mal gegenüber den Schweden gesagt, wir haben in der DDR keinen sauren Regen. Das war völlig albern. Aber es hat damals auch deutlich gemacht, dass Handeln von Menschen auch in sehr weiten Entfernungen, Auswirkungen auf andere Ökosysteme hat, die man nicht vernachlässigen darf. Die Braunkohlewirtschaft der DDR hat unter anderem in Schweden dazu geführt, dass Gewässer versauert sind. Deshalb muss man den Gesamtzusammenhang sehen und deshalb gehört nicht nur das Landwirtschafts- und Umweltministerium hier mit eingebunden, wir müssen genauso auch die anderen Bereiche Verkehr, Wirtschaft mit einbinden, um klarzumachen, hier bedarf es Veränderungen im Handeln, wenn wir wirksam Biodiversität schützen müssen, denn die vielen Ausweisungen von Schutzgebieten in den letzten Jahren haben nicht dazu geführt, den Artenrückgang wirksam zu stoppen.

Meine Damen und Herren, wir müssen aber auch den Arten- und Biotopschutz, wie er zurzeit läuft, prüfen, denn das, was ich immer wieder feststelle ist, dass wir uns nach dem ausrichten, was wir schön finden. Das älteste Schutzgebiet Thüringens, die Orchideenregion im Leutrathal, natürlich haben Menschen Orchideen schön gefunden und haben deshalb gesagt, das ist Kulturlandschaft, die wir erhalten wollen. Der Hainich - sein Symbol ist die Wildkatze. Die ist auch schön kuschelig. Sie ist eine Leidart. Deshalb macht es auch Sinn, diese Wildkatze zu schützen, weil ihre Ansprüche für viele andere gelten. Aber, einmal ehrlich, es gibt zum Beispiel - ich habe überlegt, welche Art ich nehme, da ich gleich beim Vorkommen mit Salzhering begrüßt wurde, liegt natürlich etwas aus der Fischerei nahe - eine Art, die wird im Gewässer geboren, kommt später an Land, wird 20 Meter lang und allein durch Änderung von Ernährungsgewohnheiten der Menschen ist sie inzwischen massiv bedroht und keiner schützt sie. Sie ist einfach vergessen. Das ist der Fischbandwurm. Wir könnten ihm als Mensch einfach ein Heim geben, in dem wir wohnen, Hecht oder rohen Karpfen essen würden. Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren, ist der Fischbandwurm nicht auch schützenswert? Wenn wir es mit der Biodiversität ernst meinen, müssen wir auch solche Fragen betrachten, und man weiß nicht, ob man aus ihnen nicht irgendwann einmal ein wertvolles Medikament entwickeln kann. Auch das sind Fragen, die bei Biodiversität eine Rolle spielen müssen. Man sollte den Schutz von Biodiversität nicht einfach nur daran festmachen, ob man vielleicht touristisch damit Geld verdienen kann.

Dann sind wir auch bei der Frage Landschaftsschutz. Welche Landschaften sind denn schützenswert? Ich habe ein landwirtschaftliches Grundlagenstudium gemacht. Unser Ökologieprofessor hat uns am meisten gestriezt mit der Ökologie des Straßengrabens, weil in den typischen deutschen landwirtschaftlichen Gebieten der Straßengraben das Refugium ist, wo ich die höchste Artenzahl und die meisten bedrohten Arten habe. Einfach, weil er strukturreicher ist als alles andere rundum - leider. Er bietet Organismen auch die Möglichkeit, sich auszutauschen durch Strecken hinweg, wo sonst nichts wächst, wo sie keine Strukturen haben, wo sie sich auch einmal verstecken können. So schlimm wie das ist, aber man muss es zur Kenntnis nehmen. Deshalb gibt es auch hier keine einfachen Antworten. Es kann nicht einfach nur heißen: Kulturlandschaft oder Wildnis.

Meine Damen und Herren, wir brauchen Vernetzungen, wir brauchen Trittsteine für Arten, damit wir wirklich auch flächendeckend Ausbreitungsmöglichkeiten sichern. Das ist, glaube ich, eine der ganz großen Herausforderungen an eine Biodiversitätsstrategie, Arten die Möglichkeiten zu geben, sich ihre Areale immer wieder erschließen zu können. Der

Biotopverbund spielt hier eine ganz wichtige Rolle. Thüringen hat beschlossen, einen solchen zu schaffen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass wir hier verbindliche Fristen setzen. Das ist bisher nicht erfolgt. Wir liegen noch ein ganzes Stück weit zurück, obwohl wir, gerade, was die Frage Lebenslauf Wildkatze und Verbindung Hainich mit dem Thüringer Wald betrifft, sicherlich auch bundesweit positive Schlagzeilen in diesem Bereich gemacht haben.

Meine Damen und Herren, ich glaube, das Beispiel Vessertal, was im Koalitionsvertrag aufgeführt ist und zu sehr kontroversen Diskussionen geführt hat, zeigt deutlich, wie unterschiedlich auf der einen Seite Ansprüche von Menschen an ihre Umwelt und auf der anderen Seite Ansprüche innerhalb des Naturschutzes sind. Da gibt es diejenigen, die sich Prozessschutz wünschen, da gibt es diejenigen, die sich den Schutz der Kulturlandschaft wünschen. Beides ist in diesem Gebiet notwendig und beides ist in einigen Bereichen schwer in Übereinstimmung zu bringen. Ich glaube, wir brauchen hier eine sehr intensive Diskussion, welche Schutzinstrumente an welchem Ort die geeigneten sind und die müssen wir aus naturschutzfachlicher Sicht mit wissenschaftlicher Begleitung führen.

Auf der anderen Seite müssen wir aber auch menschliches Handeln generell dabei betrachten. Welche Ansprüche haben wir an die Natur? Welche Ansprüche sollten wir davon auch wirklich umsetzen? Denn Waldbewirtschaftung bedeutet auch, dass wir einen nachwachsenden Rohstoff gewinnen, der, wenn wir ihn nicht hier gewinnen, in anderen Regionen dieser Welt zu massiven negativen Beeinträchtigungen führt. Deshalb haben wir auch eine Verantwortung, uns ein Stück weit selbst zu versorgen, auch wenn naturschutzfachliche Wünsche sicherlich oft weitgehend sind.

Wenn wir über die Ausweisung von Schutzgebieten reden, wenn wir unsere naturschutzfachlichen Wünsche äußern, müssen wir aufpassen, dass wir von wirtschaftlichen, infrastrukturellen Entwicklungen nicht überholt werden. Ich denke dabei im Bereich des Thüringer Waldes an Autobahnen, ICE- und 380-kV-Trasse. Hier geht uns teilweise so schnell wertvoller Lebensraum verloren, dass wir kaum noch darüber nachdenken können.

Meine Damen und Herren, auch der Tourismus spielt in dem Bereich eine Rolle, denn Tourismus ist nicht nur der Mensch, der den naturnahen Tourismus mag und sich gern Wälder und schöne Landschaften ansieht; es ist eben auch der Golfer, es ist der alpine Skifahrer, der seine Piste braucht. Auch das sind Dinge, die in diesem Konzept mit bedacht werden müssen, die Auswirkungen haben werden. Sie sehen, eine sehr breite Betrachtung des Themas ist notwen

dig, deshalb bitte ich im Namen meiner Fraktion nicht nur um die Überweisung an den Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz, sondern auch an den Ausschuss für Bau, Landesentwicklung und Verkehr und an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kummer. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christina Tasch für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vereinten Nationen haben das Jahr 2010 zum „Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt“ ausgerufen. Der am letzten Samstag begangene „Tag der biologischen Vielfalt“ gibt Anlass, daran zu erinnern, dass wir mit unseren Anstrengungen, die biologische Vielfalt zu erhalten, nicht nachlassen dürfen. Biologische Vielfalt ist die Grundlage unseres Lebens.

Sehr geehrte Damen und Herren, bereits im April 2008 hat die Thüringer Landesregierung eine eigene Biodiversitätskampagne gestartet und sich darüber hinaus an der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in Bonn erfolgreich beteiligt. In der Folge wurde eine auf Thüringen speziell ausgerichtete Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt erarbeitet. Der erste Entwurf dieser Strategie ist Ihnen bekannt; wem nicht, der kann es gern im Internet nachlesen. Dieser Entwurf war Gegenstand zahlreicher Diskussionen mit den entsprechenden Fachleuten, unter anderem - das wurde auch schon genannt - dem Landesnaturschutzbeirat. Auf breiter Front wurde Zustimmung zu den Zielen signalisiert. Naturschutz kann nur erfolgreich sein, wenn die Menschen mitgenommen und sensibilisiert werden. Das heißt, Umweltbildung, aber auch öffentliche Veranstaltungen zum Thema „Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen“ müssen als ein wichtiger Schwerpunkt in der Arbeit des Naturschutzes verstetigt werden. Nur so wird es uns gelingen, noch mehr Menschen zu gewinnen, die sich für den Naturschutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt engagieren. Wichtig ist für uns die im Entwurf der Strategie schon vorgesehene Öffentlichkeitskampagne, um die Notwendigkeit des Schutzes von wild lebenden Arten, speziellen Rassen und besonderen Lebensräumen besser in den Blick der Öffentlichkeit zu bringen. Deshalb wurde auch der Korb „33 Arten und Lebensräume für Thüringen“ entwickelt. Sympathieträger wie die Wildkatze im Hainich oder Fledermäuse im Kyffhäuser, das Fleder

mausfest in Neidhartshausen in der Rhön sind nur drei einzelne Beispiele dafür, wie erfolgreich mit symbolträchtigen Tierarten für den Naturschutz geworben werden kann, Herr Kummer. Das ist doch ganz wichtig und wir wollen auch keine Art vergessen, aber gerade durch diese zwei Arten, die ich jetzt genannt habe, ist es gelungen, viele, gerade auch Kinder, in der Umweltbildung zu begeistern, sich für den Naturschutz zu engagieren. Wie gesagt, wir können nur erfolgreich im Naturschutz arbeiten, wenn wir die Menschen begeistern, wenn wir sie mitnehmen, wenn wir sie dazu bringen, auch nachzudenken und sich zu engagieren. Also an den Menschen vorbei werden wir nichts erreichen.

Trotzdem ist es uns noch nicht gelungen bei den vielen Anstrengungen, den Verlust an Arten auch hier aufzuhalten. Darum, glauben wir, müssen wir handeln. Gerade wir in Deutschland, in Thüringen haben auch eine besondere Verpflichtung, dies zu tun. Das war sicher auch der Anlass, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, den vorliegenden Antrag zu stellen. Sie liegen nicht falsch, es ist auch unser Ansinnen, uns hier sehr zu engagieren. Das ist ja auch im Koalitionsvertrag festgehalten. Die beiden Koalitionspartner haben sich verpflichtet, eine Strategie 2010 noch zu verabschieden, und das werden sie auch tun, da bin ich mir sicher. Ich glaube auch, dass diese Strategie inhaltlich und auch mit den Zielen sehr ambitioniert sein wird. Wir freuen uns da auch auf die Debatte im Umweltausschuss.

Aber ich sage auch: Wir können an die erfolgreichen Aktivitäten zum Erhalt der Biodiversität im Freistaat Thüringen anknüpfen. Da fangen wir auch nicht bei null an, sondern wir haben in Thüringen schon Achtungserfolge erzielt. Unser Land hat sich gezielt und erfolgreich auf Leitprojekte konzentriert. Ich möchte da nur einige nennen: das Grüne Band, die Nationalen Naturlandschaften, den Nationalpark Hainich oder die Naturschutzgroßprojekte. Thüringen setzt auf verschiedenen Wegen die Sicherung seines Naturreichtums um. So wurden und werden seit 1993 - insbesondere in den Bereichen, für die Thüringen eine besondere, ja nationale Verantwortung zum Erhalt der biologischen Vielfalt besitzt -, 12 von der EU und dem Bund maßgeblich geförderte Naturschutzgroßprojekte mit einem auf Thüringen bezogenes Volumen von über 52 Mio. € umgesetzt. Ich möchte hier auch nur den Kyffhäuser nennen, die Steppenrasen, die Binnensalzstellen im Thüringer Becken, die Rhön oder die Orchideenregion in Jena oder auch - was uns auch sehr wichtig ist - der Waldkomplex der Hohen Schrecke.

Einen weiteren Schwerpunkt hat Thüringen beim Erhalt des Grünen Bandes gesetzt. Von den ca. 1.400 Kilometern deutschlandweit liegen 763 Kilometer in Thüringen. Sie wissen alle noch, dass Thü

ringen hier auch in Deutschland eine Vorreiterrolle übernommen hat. Ohne das Engagement Thüringens wäre es nicht gelungen, die Flächen vom Bund auf den Freistaat zu übertragen. Das ist so, darauf sind wir auch stolz.

Mit bislang drei Großprojekten werden ca. 390 Kilometer im Sinne des Erhalts der biologischen Vielfalt auch als Teil des Großen Europäischen Biotopverbunds GREEN BELT länderübergreifend mit Niedersachsen, Hessen und Bayern gesichert. Darüber hinaus unternimmt Thüringen besonders bedeutsame Flächen des nationalen Naturerbes. Die besondere Naturausstattung Thüringens wird auch deutlich daran, dass nahezu 17 Prozent der Landesfläche zum europäischen Schutzgebiet Natura 2000, 212 Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, 44 Vogelschutzgebiete neben 35 Objekten zum Schutz der Fledermäuse gehören.

Managementplanung und Monitoring zur genauen Analyse der jeweiligen Situation sind auf den Weg gebracht und sichern die Erhaltung der mit der Meldung der Gebiete eingegangenen Verpflichtungen. Bewährte und im Konsens mit den Landnutzern praktizierte Landnutzerförderung im Wald und Offenland, und hier besonders anderweitig nicht wirtschaftlich nutzbare Offenlandflächen, unterstützen den Erhalt der biologischen Vielfalt und helfen gleichzeitig, die Wirtschaftskraft im ländlichen Raum zu stabilisieren.

Mit der Ausweisung der nationalen Naturlandschaften leistet Thüringen weiterhin einen ganz wesentlichen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt und knüpft hierbei auch erfolgreich an die Entwicklung des ländlichen Raums an. Ein Beispiel ist hier der Nationalpark Hainich.

Die bisher erzielten Erfolge beim Erhalt der biologischen Vielfalt sind dabei zu einem ganz entscheidenden Teil den Vorgaben zu verdanken, bei allen Vorhaben umfänglich zu informieren und einen Konsens - das ist auch ganz wichtig - mit den Betroffenen und der Öffentlichkeit zu führen. Sonst nutzen die besten Pläne nichts, wenn sie nicht auch vor Ort angenommen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Thüringer Landesregierung ist nun aufgerufen, auf der Basis der bisher erreichten hohen Naturschutzqualität eine zukunftsgerichtete und in den Wirkungen nachprüfbare Strategie im Konsens mit allen Akteuren vorzulegen. Deshalb ist es wichtig, die Landesregierung zu bitten, ihre erfolgreiche Arbeit für den Naturschutz in Thüringen konsequent fortzusetzen und den vorliegenden Entwurf einer Thüringer Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt fortzuentwickeln. Das Jahr 2010, wir haben es schon mehrfach gehört, das internationale Jahr der biologischen Vielfalt, bietet

hierzu Gelegenheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so soll es gelingen, die Biodiversitätsstrategie zu einer umfassenden und die Politik der Thüringer Landesregierung mitbestimmenden Landesstrategie weiterzuentwickeln. Deshalb werden wir auch der Überweisung an den Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz gern zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin Tasch. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Bergner für die FDPFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, ich freue mich, dass dieses Thema hier in dieser Runde doch weitgehend so einmütig beraten wird. Ich denke, dass das Thema Biodiversität, also Artenvielfalt, zu wichtig ist, um es politisch zu zerreden. Biodiversität ist die Vielfalt des Lebens in all ihren Formen, in Ökosystemen, Arten und Genen. Dies zu schützen, ist wichtig, richtig, gut, sozial und auch wirtschaftlich sinnvoll und notwendig. Vor allem ist die Schutzbedürftigkeit unserer Vielfalt des Lebens aber auch ein zukunftsträchtiges Problem, eine große Aufgabe, die mit wenig finanziellen Mitteln und guter konzeptioneller Arbeit weitreichende und gute Erfolge bringen kann. Da möchte ich auf Ihre Worte, Frau Kollegin Mühlbauer, zurückkommen: Ökologie kostet Geld - das ist richtig und dazu stehen wir auch ausdrücklich. Aber wir werben auch ausdrücklich dafür, an der Stelle nicht die Dinge zu vergessen, wo man schlicht und einfach auch mit einem gewissen Umdenken, mit einer gewissen Geisteshaltung ökologisch handeln kann. Ich denke, das dürfen wir an dieser Stelle dabei nicht vergessen und ich darf das auch aus der eigenen beruflichen Praxis sagen. Man kann eben auch bei verschiedenen Maßnahmen mit weniger Geld ökologisch handeln: Ich denke an ökologische Entwässerungssysteme, ich denke an Rückbau von versiegelten Flächen, wenn es mit geringeren Flächen auch langt usw. Das sind Dinge, da sollten wir auf alle Fälle auch gemeinsam diesen Weg beschreiten, diesen Weg gehen.

(Beifall SPD, FDP)

Ich möchte auch an das anknüpfen, was Frau Kollegin Tasch gesagt hat. Natürlich sehen wir dabei den Menschen als integralen Bestandteil von Natur und Umwelt. Lebensqualität und sozialer Zusammenhalt können deshalb nur gewährleistet werden, wenn die

Menschen im Mittelpunkt der Umwelt stehen und wenn wir die Menschen bei ökologischen Überlegungen und ökologischen Entwicklungen mitnehmen,