Protocol of the Session on March 26, 2010

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Des- halb heißt es „Mindestlohn“.)

Ja, schon völlig klar. Aber deshalb muss man es auch praktisch über die Branchen hinweg differenzieren und da, glaube ich, muss man in Zukunft oder sollte man darüber reden. Frau Leukefeld, weil Sie gerade ans Pult gehen, den Satz noch bitte: Sie haben vorhin gesagt, lesen bildet. Das muss man nicht unbedingt tun. Keiner weiß alles. Frau Rothe-Beinlich hat zum Beispiel von meinem Kollegen Henry Worm den freundlichen Hinweis bekommen, wo was steht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe es nachgelesen.)

Herr Abgeordneter Bergemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich gern.

Bitte. Das Mikrofon ist nicht an.

Es ging bestimmt um Mindestlohn, Frau Leukefeld.

Genau. Herr Bergemann, Sie haben zu Recht darauf verwiesen, 7,50 € sind niedrig, also Grundsicherung im Alter, Armut im Alter. Aber Sie wissen doch - und meine Frage ist, wie bewerten Sie das -, dass viele Menschen, Frauen und Männer, vorwiegend Frauen, deutlich unter diesen 7,50 € sind und dass der Deckel Mindestlohn, gesetzlich flächendeckender Mindestlohn tatsächlich nur die untere Schiene ist. Man kann natürlich tarifgerecht deutlich mehr verdienen. Also wie bewerten Sie das?

Das ist völlig klar, daraus mache ich überhaupt keinen Hehl, das ist eine katastrophale Entwicklung. Da gibt es gar keine Frage, da sind wir uns einig. Deshalb müssen wir auch schauen, wie es geht. Aber ich habe auch klargemacht, man muss schauen in der Verantwortung auf beiden Seiten, wie kann man das hinbekommen, dass wir in der Lohnentwicklung nach oben kommen. Das hängt auch mit der Produktivität des Unternehmens zusammen, mit vielen Faktoren. Aber ich bin da sehr bei Ihnen, dass wir an der Stelle gegen Altersarmut vorsorgen müssen. Das Problem kommt, wir bekommen das. Aber ich denke, wir sind da doch auf gutem Wege, weil sich die Partner inzwischen auch verständigen. Dafür brauchen wir kein Gesetz, sondern das sollen bitte schön die Tarifpartner machen; das haben die bisher gemacht.

(Beifall FDP)

Das hat sich in der deutschen Geschichte bewährt, so bleibt es auch.

Ein letzter Hinweis von mir noch mal, weil das interessant ist, wenn man vor Ort ist, nicht hier im Plenarsaal diskutiert. Ich habe vor zwei Tagen mal am Anger gestanden, weil heute keine Chance ist, weil wir alle hier sein dürfen. Ich habe mich da wegen Equal Pay Day im Vorfeld mit meiner Vereinigung der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft präsentiert und bin mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen, auch vorwiegend mit Frauen, weil die Männer nicht so begeistert davon waren. Das ist auch so ein Punkt. Die waren erstaunt, dass überhaupt ein Mann mit dasteht und mitwirkt. Aber es war interessant. Ich habe mit vielen Frauen gesprochen, die gesagt haben, ich bin gar nicht betroffen oder es interessiert mich nicht. Ein wichtiger Grund ist, weil es heute von Rednern angesprochen worden ist, weil sie mit dem Equal Pay Day nichts anfangen konnten. Man kann im Vorbeigehen auch nicht immer alles so genau erläutern. Manche hat man dort dafür begeistern können, manche weniger. Aber es ist schon noch viel Arbeit zu leisten an der Stelle. Ich habe bei mir im Stimmkreis eine junge Dame, die ist in einem technischen Beruf und vertritt dort sehr häufig einen Meister. Dieser Meister ist dann eines Tages weggegangen und die Stelle wurde neu ausgeschrieben. Sie hat die Stelle nicht bekommen, obwohl ich versucht habe zu helfen, weil man ihr gesagt hat, sie hat nicht genug technisches Verständnis. Das war die Begründung. Ich denke, das ist auch ein Problem in der Gesellschaft nach wie vor,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist strukturelle Diskriminierung.)

über das man reden muss. Das kann der Thüringer Landtag für sich ganz anders in Anspruch nehmen, die Ministerpräsidentin, die Landtagspräsidentin, die Vizepräsidentinnen, außer Heiko, der das Männerquorum natürlich nicht erfüllt bei der Vielzahl von Frauen in der Führungsposition. Also bei uns klappt das hier schon ganz gut.

Letzter Hinweis, liebe Kollegen von den GRÜNEN, sehr nett, 1,00 €, 22 Prozent unter Wert, vielleicht können Sie es korrigieren. Inzwischen sind es schon 23 Prozent. Danke schön.

(Beifall CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Bergemann. Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bergemann, vielen Dank für den Hinweis, dass wir eigentlich noch eine Zacke abschneiden müssten an dem Euro. Es ist traurig, dass die Entwicklung so schnell vorwärtsgeht, dass die Schere zwischen den Löhnen von Frauen und Männern noch immer weiter auseinandergeht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das allein muss uns eigentlich zu denken geben. Ich danke Ihnen auch wirklich für Ihren Beitrag. Ich hatte das ja auch vorhin in meiner Rede schon erwähnt.

(Beifall SPD)

Ich habe das auch durchaus ernst gemeint, dass ich mich gefreut habe, dass es ein Faltblatt der Frauen in der CDA gibt. Sie haben ja schon gesagt, es sind die Frauen, die sich überwiegend auch in dieser Frage engagieren. Sie waren dabei und haben die Ehre gerettet. Haben Sie herzlichen Dank dafür.

(Beifall SPD)

Ich möchte aber noch einmal sagen, warum wir die 7,50 € erwähnt haben. Wir haben die 7,50 € erwähnt, obwohl wir wissen, dass Frau oder Mann 54 Jahre arbeiten müssen, um mit 7,50 € Lohn überhaupt auf das Niveau der derzeitigen Grundsicherung zu kommen. Wir haben 7,50 € mit Bedacht gewählt, weil wir nicht in einen Wettlauf eintreten wollten, wer bietet die höchste und die schönste Zahl, sondern weil wir

gesagt haben, es muss eine Unterschranke geben, eine gesetzliche Unterschranke, wo alles, was darunter bezahlt wird, schlichtweg nicht vertretbar ist, und zwar in keinster Weise, weil davon kein Mensch auch nur annähernd leben kann. Deswegen diese Unterschranke tatsächlich als das Unterste, darunter darf nicht gezahlt werden. Ich habe mir allerdings schon die Frage gestellt, warum es einen Alternativantrag gibt. Sie haben jetzt gesagt, weil es Ihnen so wichtig ist, deswegen hätten Sie auch viel darüber gesprochen und gibt es jetzt diesen Antrag. Ich frage Sie: Warum haben Sie nicht von sich aus einen Antrag für diese Plenarsitzung eingereicht? Ich sage ganz ehrlich, was ich denke. Sie haben gesehen, es gibt einen Antrag, dem Sie nicht zustimmen wollen. Es kommt natürlich in der Öffentlichkeit nicht besonders gut an, wenn CDU und SPD - insbesondere der Tatsache geschuldet, dass die SPD ja viele Jahre mit uns am Equal Pay Day durchaus auch zu den gleichen Forderungen gemeinsam gestritten hat - jetzt plötzlich nichts sagen oder unseren Antrag einfach ablehnen. Also haben Sie sich unseren Antrag genommen, das, was Ihnen gefallen hat rüberkopiert und zwei weiterhin nicht besonders „bewegende Punkte“ angefügt, nämlich diese Berichtspflicht, die Sie aufführen und ansonsten keinerlei tatsächlich fundierte Forderungen niedergeschrieben. Deswegen sage ich ganz deutlich, diesen Etikettenschwindel - und nichts anderes ist es für mich - werden wir nicht mitmachen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Wenn Sie wollen, dass wir tatsächlich zu diesem Thema etwas verabschieden, was auch nur annähernd Hand und Fuß hat, dann werbe ich um Unterstützung für unseren Antrag. Sie hätten gut und gern die Möglichkeit gehabt, dazu Änderungsanträge zu stellen, wir hätten jeden davon gern mit Ihnen diskutiert, wir hätten gern die Auseinandersetzung im Ausschuss geführt. Das wollten Sie nicht. Deswegen müssen Sie sich leider den Vorwurf gefallen lassen - ich habe es vorhin gesagt -, dass es offenkundig nur um Effekthascherei geht, aber wenn es darum geht, tatsächlich etwas zu beschließen, dann sind Sie nicht mehr so sehr mit dabei. Zu dem Hinweis auf das Dossier zur Entgeltungleichheit, was Sie zitiert haben; Sie haben es mir ja leider nicht gegeben, aber wir leben ja im modernen Zeitalter, also habe ich es mal eben gegoogelt, habe es auch gefunden, da sind mitnichten Zahlen für Thüringen aufgeführt, sondern schlichtweg die Unterschiede zwischen Ost und West. Allerdings ist auch genau beschrieben, warum und wie man zu solchen Unterschieden kommt und auch die Schwierigkeit, weil nämlich die Parameter überhaupt nicht genau festgeschrieben sind. Das ist auch eine Kritik von uns. Deswegen sagen wir auch nicht - das will ich auch

jetzt noch einmal ausführen, warum -, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, sondern gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Das ist ein sehr langwieriger Diskussionsprozess. Herr Lemb mindestens dürfte es wissen, auch mit den Gewerkschaften, dass es gleichwertig sehr entscheidend ist, nicht, weil irgendetwas abgewertet wurde, sondern weil man versuchen muss, in ganz unterschiedlichen Berufsfeldern vergleichbare Maßstäbe zu finden. Da habe ich eine nette Passage in dem von Ihnen vorhin zitierten Dossier gefunden, da heißt es nämlich: „Die Bewertung von Arbeit drückt die Wertschätzung aus, die die Gesellschaft bestimmten Tätigkeiten beimisst.“ Wenn wir mal konkret werden, dann ist es doch immer wieder interessant, dass jeder und jede, der an einen Maurer, natürlich an einen Mann denkt, weiß, dass er schwer körperlich arbeitet, wenn wir aber über die Altenpflegerinnen noch bis vor Kurzem geredet haben, dann war es überhaupt nicht selbstverständlich, dass diese ebenfalls mindestens genauso schwere körperliche Arbeit leisten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dies wird nämlich oft übersehen. Sie können ja mal als Kindergärtner in einer Gruppe mit 20 Kindern diese binnen weniger Minuten alle anziehen, hochheben, wickeln und so weiter und so fort. Das ist auch eine richtig schwere körperliche Arbeit. Das ist bis jetzt überhaupt nicht aufgenommen worden in den Bewertungsmaßstäben von Arbeit - deswegen gleichwertige Arbeit.

(Beifall DIE LINKE)

Dann finde ich es schon sehr interessant, in Richtung FDP heute feststellen zu dürfen, ich bin ja sehr froh, dass es die Einigung für den Pflegebereich gibt, interessanterweise mit einer Diskrepanz, die ich nicht wirklich erklären kann, nämlich dass die Pflegenden künftig im Osten 7,50 € als Mindestlohn bekommen sollen, im Westen 8,50 €. Das ist auch so eine Ungleichheit 20 Jahre nach der friedlichen Revolution. Aber was ich das Interessanteste daran finde - man hat sich ja sechs Monate lang gestritten, um zu dieser Einigung zu kommen -, ist, dass die Regierungskoalition bestehend aus CDU und FDP gesagt hat, sie wird dies unterstützen. Offenkundig kann sich auch die FDP auf Mindestlöhne einlassen, wenn der Streit darum nur lange genug dauert, und zwar in einer Höhe - wie eben beschrieben - von mindestens 7,50 €. Wir meinen, genau das ist auch wichtig.

Um einen letzten Punkt noch anzuführen. Sie kennen die Studie „Fatale Fakten“ vom Landesfrauenrat Thüringen. Da können Sie über Thüringen sehr dezidiert und sehr kleinteilig nachlesen, wie es Frauen hier in Thüringen geht und unter welchen Bedingun

gen sie leben müssen. Wir meinen, es ist höchste Zeit, tatsächlich etwas zu tun. Da habe ich durchaus vernommen, dass Sie vier wichtige Projekte mindestens schon auf den Weg gebracht haben. Ich hoffe, dass Wirtschaftsminister Machnig - auch wenn mir die Bezeichnung ebenfalls aus meiner Sicht zumindest erst einmal eigenartig vorkam, die der nicht anwesende Fraktionsvorsitzende für ihn gefunden hat - sich seines Zitats bewusst ist, dass er dieser menschenunwürdigen Ungleichbehandlung begegnen will, und zwar mit aller Kraft. Dafür wäre ein erster Schritt, unseren Antrag zu unterstützen. Ich danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Recknagel von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, das ist schon eine spannende Diskussion, die wir heute hier haben. Eine, von der ich den Eindruck habe, da darf man ja gar nicht dagegen sein.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist ja immer so. Die politische Linke, die hat die Weisheit und die Wahrheit gepachtet und wer sich dagegen erhebt,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja.)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und die FDP die Steuern.)

zu erheben wagt, der hat von vornherein schon einmal schlechte Karten. Die Rolle übernehme ich gern. Eben war von diesen roten Taschen die Rede, die leere Taschen oder geringer gefüllte Taschen symbolisieren sollen. Mir ist dabei eingefallen, wenn man an den deutschen Steuerzahler denkt, dann sollten das Taschen sein mit einem Loch drin, weil da verliert man immer eine ganze Menge.

(Zwischenruf Abg. Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben Mitleid mit Ihnen.)

Hier wird mit Halbwahrheiten und Legenden gearbeitet.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die FDP hat die Weisheit gepachtet.)

Mit Halbwahrheiten und Legenden, das will ich Ihnen auch erläutern. Wenn Sie, Frau Leukefeld, davon reden, das sei ja bei der Vermittlung schon klar, dass Frauen schlechtere Chancen haben und bei Einstellungen sowieso, die Arbeitgeber suchen sich ja viel lieber Männer aus, dann frage ich mich: Woher nehmen Sie die Weisheiten? Da können Sie Studien anführen so viel Sie wollen, da gilt das alte Wort,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was soll denn das?)

glaube nur den Statistiken, die du selbst gefälscht hast. Die Frage ist, wie man hier die Fragen stellt und wie man die Statistiken aufbereitet. Hier wird doch ganz intensiv mit statistischen Rechentricks gearbeitet. Hier wird tatsächlich - wo passte es besser als an dieser Stelle - mit Vergleichen zwischen Äpfeln und Birnen gearbeitet. Ich habe heute Morgen den Deutschlandfunk gehört.

(Beifall SPD)

Ja, ich höre den gern. Da war ein Interview mit Frau Sehrbrock, DGB, meines Wissens auch Mitglied des CDA und die hat ein interessantes Beispiel gebracht. Die sagte, sie könne es nicht verstehen, dass eine Bibliothekarin anders bezahlt würde, geringer bezahlt würde als ein Ingenieur. Damit aussagend: Die Bibliothekarin - häufig Frauen, Ingenieure in der Regel Männer. Also, Frau Rothe-Beinlich, Sie brachten das eben auch, da wittert man die strukturelle Diskriminierung. Aber ich frage Sie, wo ist denn da die strukturelle Diskriminierung? Jede Bibliothekarin hat die Möglichkeit, ein Ingenieurstudium aufzunehmen. Jeder Ingenieur hat die Möglichkeit, Bibliothekar zu werden, also die passende Ausbildung zu machen. Jeder ist seines Glückes Schmied und jeder sollte den Beruf wählen, in dem er glücklich ist.