bei diesen Themen wird mir immer meine persönliche Fehlbarkeit besonders bewusst, ich bin kein Jurist. Und schaffe ich es immer nicht, Montesquieu zu zitieren und in das Mittelalter zurückzugehen. Ich schaffe es noch nicht mal bis 1872. Das ist Ihr Glück, das spart ein paar Minuten von meiner Redezeit.
Aber ich bin vielleicht trotzdem bei Ihnen. Ich bedanke mich übrigens ganz im Ernst auch für die Beiträge zu dem Thema. Die Idee, die die FDP bei ihrem Antrag hat, zielt darauf hin, die Abschaffung des externen Weisungsrechts im Einzelfall - wir reden da über jetzt im engsten Fall und nicht im allgemeinen - sondern eine größere Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften von der Exekutive erwirken. Das war jetzt mal meine nichtwissenschaftliche Zusammenfassung des Themas. Da haben dann auch alle Vorrednerinnen und Vorredner das Thema in der Frage aufgespannt, wo besteht denn eigentlich bei diesem Fall das Risiko? Frau Marx hat es ganz groß gemacht und gesagt, da ist sogar eine Gefahr in der demokratischen Kontrolle. Na ja, würden dann die Gegner dazu wieder sagen, das kann nicht sein, weil die Richter sind bekanntlicherweise auch unabhängig, keiner behauptet, dass sie undemokratisch, nicht kontrolliert sind.
Ja, genau, das mit der Gewaltenteilung. Da ist zum Beispiel die Frage: Wo sehen wir die Staatsanwaltschaft? Darauf hatte Herr Scherer, glaube ich, rechtlich hingewiesen, dass sie ein Mittel, sozusagen eine Behörde ist in der Mitte - hoffentlich genau in der richtigen Mitte - zwischen der Exekutive und der Judikative. Und dann lautet eben die Frage, in welche Richtung fällt das Pendel der Art und Weise der Kontrolle.
Die eigentliche Fragestellung, die wir in der aktuellen Situation haben, ist doch, gibt es - das kann man schon vorher bejahen - politisch motivierte Weisungen durch die Ministerien. Ich benutze jetzt mal Ministerien und meine damit den Minister oder die Ministerin, das große „I“ ist immer zu schwierig auszusprechen.
Ja, das hat es in der Vergangenheit gegeben, das waren aber in Deutschland Einzelfälle, Gott sei Dank. Das ist einer der großen Vorteile unseres Systems, dass das Einzelfälle geblieben sind und die in der Regel herausgekommen sind. Die meisten Minister - da kann ich Herrn Scherer recht geben - sind damit nicht froh geworden, wenn sie das versucht haben und das ist auch gut so.
Auf der anderen Seite fragt man sich natürlich, wie viele und ob es sachlich fehlerhafte Entscheidungen im Einzelfall durch Staatsanwaltschaften gegeben hat. Und auch da kann man leider nur feststellen, selbstverständlich hat es das gegeben. Weil es
mehr Staatsanwaltschaften gibt als Ministerien, hat es auch mehr von diesen Fällen gegeben. Und da ist der Fall Mollath natürlich tatsächlich einer, der besonders herausgeragt hat in der Fragestellung, warum der sozusagen in diesem Fall durch eine Einzelfallentscheidung der Ministerin sozusagen wieder zum Laufen gekommen ist und wir eigentlich alle froh sind, dass das passiert ist.
Da stehen wir nun mit dieser mehr oder weniger wissenschaftlich untersetzten Fragestellung. Die Frage stellt sich, was machen wir mit ihr? Dann haben sie beide völlig recht, die in der Frage so aufgespannt haben, wie groß muss man mit diesem Thema umgehen? Da reicht es natürlich nicht aus, in dem ganzen Gefüge nur diesen Einzelfall zu diskutieren, wenn man der Meinung ist, das dort Reformbedarf besteht.
Ein Aspekt ist genannt worden, meine Meinung dazu zu nennen, will ich auch Ihnen nicht ersparen, das Vorgesetztenweisungsrecht. Ich bin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und wenn man das so will - auch wenn ich aus dem Westen komme, bin ich eigentlich eher auf der BÜNDNIS-90-Seite. Ich träume schon von einer herrschaftsfreien Gesellschaft.
Aber bevor das in den Gerichten passiert, haben wir noch ganz viele andere Ebenen, wo es dann schon lange keine Herrschaft und auch keine Vorgesetztensituationen mehr gibt, das ist die letzte Bastion, wo es fallen wird. Also nach meiner Erfahrung jedenfalls, bevor es da passiert, ist die Revolution schon ganz schön weit fortgeschritten. Das hat die Revolution 1919 nicht geschafft.
Jedenfalls das Vorgesetztenweisungsrecht ist, solange das nicht passiert ist, das Vehikel, das man braucht, um die Fehlbarkeit auf allen Ebenen, wenn es geht, halbwegs einzudämmen. Und da reden wir ganz sicherlich nicht in erster Linie davon, dass man politisch motivierte Entscheidungen trifft oder auch nur persönlich motivierte, sondern da reden wir erst mal ganz simpel vom Alltag und der heißt Arbeitsverweigerung, Wegducken und Feigheit vor der Entscheidung, um mal nichts anderes zu sagen. Dass das von Vorgesetzten kontrolliert und auch geahndet werden kann, das findet unsere Zustimmung, solange die Verhältnisse sind, wie sie sind.
Vielen herzlichen Dank, Herr Meyer. Als Nächster hat jetzt der Abgeordnete Dirk Bergner für die FDPFraktion das Wort.
Ein bisschen Zeit habe ich noch, also vielen Dank. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen Dank auch für die Debatte, obwohl natürlich klar wird, dass die Meinungen da sehr unterschiedlich sind.
Aber, Frau Kollegin Marx, bevor ich in die eigentliche Debatte einsteige, möchte ich noch mal kurz zurück auf Ihre Schleife aus dem 19. Jahrhundert kommen. Ich meine schon, dass man selbst der Sozialdemokratie zugestehen kann, dass sie andere Positionen hat als zu Zeiten des Kaiserreichs und es haben mit Sicherheit auch die Liberalen andere Positionen als zur Zeit des Kaiserreichs, weil einfach auch die Themen andere sind. Im Kaiserreich haben sich Liberale etwa noch mit den Privilegien von Adligen auseinandergesetzt, haben sich mit dem damals noch unterschiedlichen Wahlrecht auseinandergesetzt, alles Themen, die heute keine mehr sind. Insofern war das schon sehr an den Haaren herbeigezogen.
Ich will kurz erläutern. worum es in dem Antrag der FDP-Fraktion konkret geht. Ich glaube, es ist wichtig zu erklären, um auch keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Es ist ja so, dass der Justizminister neben der Möglichkeit mittels genereller Weisungen auch für bestimmte Fallgruppen als Teil der Exekutive Weisungen im konkreten Einzelfall auf ein einzelnes Ermittlungsverfahren vornehmen kann. Bei dem Weisungsrecht im Einzelfall, meine Damen und Herren, geht es gerade nicht darum, die Einheitlichkeit von Fallbearbeitungen herzustellen, sondern darum, dass der Minister in besonderen Ermittlungsverfahren die Möglichkeit hat, der Staatsanwaltschaft Anweisungen zu geben, wie dieser konkrete einzelne Fall zu behandeln ist. Wir sind der Meinung, dass genau das nicht richtig sein kann.
Unser Antrag, meine Damen und Herren, sieht nicht vor, die Staatsanwälte auf die gleiche Stufe wie einen Richter zu stellen, die Dienstaufsicht bleibt erhalten und Frau Kollegin Marx, alles andere, was Sie da behauptet haben, sagt mir nur, Sie können den Antrag nicht gelesen haben. Einige europäische Länder und insbesondere der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zur
Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft sehen ausdrücklich die Unabhängigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft vor. Genau diese Entwicklung, meine Damen und Herren, einer modernen Staatsanwaltschaft, sollte bei uns zumindest den Gedanken aufkommen lassen, sich mit dem externen Weisungsrecht des Justizministers auseinanderzusetzen. Unser Antrag sieht genau dies vor. Bei der geplanten EU-Staatsanwaltschaft wird ein externes Weisungsrecht sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Deswegen stellt sich doch die Frage, ob es wirklich notwendig oder eher ein Vehikel ist, welches einer modernen Staatsanwaltschaft entgegensteht. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sind der Überzeugung, dass das externe Weisungsrecht einer modernen, unabhängigeren Staatsanwaltschaft entgegensteht und wir in der heutigen Zeit gut beraten sind, die Unabhängigkeit und das Ansehen der Justiz weiter zu stärken und somit das sogenannte externe Weisungsrecht im Einzelfall abzuschaffen.
Eine solche Möglichkeit des Justizministers diskreditiert aus unserer Sicht die Arbeit der Staatsanwaltschaft und schafft den bösen Anschein, die Politik nähme Einfluss auf die Justiz und ich will das in aller Form sagen, es hat nichts mit handelnden Personen zu tun. Es kann niemand wissen, was intern gelaufen ist und schon allein das, meine Damen und Herren, bietet Raum für Spekulationen. Jetzt hat Frau Kollegin Berninger ein aktuelles Beispiel gebracht und auch uns den Vorwurf gemacht, wir hätten genau darauf abgestellt. Das passt schon von der Zeitschiene her nicht, aber
okay, dann habe ich das falsch verstanden, ich habe gedacht, Sie meinen den aktuellen Fall in dieser Woche des ehemaligen Wirtschaftsministers, denn genau da passt die Zeitschiene unseres Antrags nämlich nicht zusammen. Das würde diesen Vorwurf nicht rechtfertigen. Aber Kollege Scherer hat gerade das Thema der Imageschäden bei prominenten Fällen beschrieben und genau diese Imageschäden, die Sie beschrieben haben, Herr Kollege Scherer, sind alle bei bestehendem Weisungsrecht entstanden - doch, natürlich
oder alle von diesem Weisungsrecht nicht verhindert wurden, nennen wir es so. Herr Kollege Scherer hat auch formuliert und den Satz fand ich sehr gut, es kommt darauf an, die Staatsanwaltschaft in ihrer Unabhängigkeit zu schützen.
Meine Damen und Herren, eine überzeugende Begründung, warum die Beibehaltung des externen Weisungsrechts notwendig ist, habe ich bislang auch noch nicht erhalten. Natürlich hat die Staatsanwaltschaft eine Zwitterstellung zwischen Exekutive und Judikative. Dieser besonderen Stellung müssen wir auch Rechnung tragen. Auch ist nachvollziehbar, dass es immer mal wieder besondere Fälle gibt, die brisant sind und ein gewisses Fingerspitzengefühl benötigen. Aber warum, bei aller Wertschätzung, warum sollte der Justizminister einen Sachverhalt besser einschätzen können als ein Staatsanwalt oder ein sich damit auseinandersetzender Richter?
Es bestehen hinreichend Rechtsbehelfe und eine dichte richterliche Kontrolle, die rechtstaatliches Handeln der Staatsanwaltschaft absichern. Ein externes Weisungsrecht ist deswegen nach unserer festen Überzeugung in der heutigen Zeit nicht mehr gerechtfertigt. Und nach unserer Überzeugung, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, widerspricht das externe Weisungsrecht im Einzelfall deshalb der Stellung der Staatsanwaltschaft als einem zur Gerechtigkeit und Objektivität verpflichteten Rechtspflege- und Justizorgan.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nach unserem liberalen Rechtsverständnis sollten wir uns einer moderneren Justiz nicht verschließen. Ich habe ein paar Mal die Formulierung gehört, dass das viel mehr ist als man in einer halben Stunde an diesem Pult besprechen kann. Das will ich gern zugestehen und deswegen bin ich auch gerne bereit, mich mit Ihnen im Ausschuss darüber auseinanderzusetzen. Im Ausschuss bestünde auch die Möglichkeit, andere Ideen einzubringen. Der Sache verweigere ich mich überhaupt nicht, da sind auch bei Frau Kollegin Berninger interessante Gedanken dabei gewesen, gar keine Frage. Deswegen beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Justiz und Verfassung.
Vielen herzlichen Dank, Herr Bergner. Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten vor. Für die Landesregierung hat sich der Herr Justizminister zu Wort gemeldet. Herr Poppenhäger, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, das Beste kommt zum Schluss, vom Thema her, meine ich natürlich, und ich bedanke mich für die Diskussion zum externen Weisungsrecht. Ich will wenige Sätze zum Weisungsrecht sagen, bevor wir uns den zentralen Fragen nähern. In Deutschland sind die Staatsanwaltschaften der Exekutive zugeordnet. Wir hatten vorhin verschiedene Begriffe, die Staatsanwaltschaft stehe „in der Mitte“, nein, die Staatsanwaltschaften sind der Exekutive zugeordnet. Sie sind zwar keine Verwaltungsbehörde, sondern als Organ der Rechtspflege eine Institution sui generes, sagen die Juristen. Die Tragweite ihrer Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse bringt sie aber durchaus in die Nähe der rechtsprechenden Gewalt, die jedoch durch das Grundgesetz eindeutig den Richtern zugewiesen ist. Die Staatsanwaltschaften sind auf die Judikative hingeordnet, bleiben aber insoweit Teil der Exekutive. Daher sind sie in einen hierarchischen Behördenaufbau eingegliedert, an dessen Spitze der dem Parlament verantwortliche Justizminister steht. Dies ist bundesrechtlich in den §§ 144 bis 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes geregelt. Damit er diese parlamentarische Verantwortung wahrnehmen kann, ist der Justizminister grundsätzlich berechtigt, allen staatsanwaltschaftlichen Beamten des betreffenden Landes Weisung in Bezug auf die formelle und sachliche Erledigung der Dienstgeschäfte zu erteilen. Das ist das sogenannte externe Weisungsrecht. In der jüngeren Vergangenheit ist dieses sich aus der parlamentarischen Verantwortung des Justizministers ergebende Recht in einigen Zeitungsmeldungen erörtert worden und ich glaube schon, Herr Abgeordneter Bergner, dass das einer der Anlässe für den Antrag der FDP-Fraktion war. Gleichwohl möchte ich Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, bitten, aus grundsätzlichen Erwägungen den Antrag der FDP-Fraktion abzulehnen. Und zwar aus folgenden Gründen: Der da zu zahlende Preis wird übrigens von der FDP-Fraktion verschwiegen. Der zu zahlende Preis wäre ein Weniger an demokratischer Kontrolle des staatsanwaltschaftlichen Handelns. Wenn kein externes Weisungsrecht besteht, kann der Justizminister gegenüber dem vom Volk gewählten Parlament schlechthin keine Verantwortung - wir sprachen bereits darüber - für die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft übernehmen. Ich frage auch Sie noch mal: Haben Sie schon mal über die dann interne Hierarchie der Staatsanwaltschaft nachgedacht? Dann würden die Anweisungen vom Generalstaatsanwalt kommen. Soweit diese Verantwortung für entbehrlich gehalten werden sollte, weil ohnehin eine gerichtliche Kontrolle bestehe, möchte ich darauf hinweisen, dass das staatsanwaltschaftliche Handeln, aber vor allem auch das Nichthandeln, nicht in jedem Fall einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Beispielsweise ist
Folgendes zu nennen: Bei der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über mitunter eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen sowie inwieweit angeordnete Maßnahmen tatsächlich vollzogen werden, unterfällt regelmäßig dem Ermessen der Staatsanwaltschaften.
Weiterhin ist das Beispiel Klageerzwingungsverfahren zu nennen, dem gerichtlichen Verfahren, mit dem Oberlandesgerichte die Staatsanwaltschaft zur Aufnahme von Ermittlungen oder gar zur Anklageerhebung anweisen können, das nur dem Verletzten einer Straftat offensteht. Verletzter ist häufig ausschließlich der Staat, zum Beispiel bei Delikten des Staatsschutzes oder des Subventionsbetrugs. Auch die Einlegung staatsanwaltschaftlicher Rechtsmittel gegen erstinstanzliche gerichtliche Entscheidungen ist gerichtlich nicht erzwingbar. Insbesondere bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen, die zugunsten des Angeklagten getroffen worden sind, zum Beispiel bei einem Freispruch oder bei der Verhängung einer äußerst milden Strafe sowie bei der Ablehnung beantragter Ermittlungsmaßnahmen, ist außer der Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittelberechtigter vorhanden. Mit dem Wegfall eines solchen externen Weisungsrechts ich sagte es bereits - könnte der Justizminister in all diesen Fällen nicht die Verantwortung für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft übernehmen. Dies ist in der parlamentarischen Demokratie aber unabdingbar. Anderenfalls wäre eine dem Parlament gegenüber verantwortliche Person zu benennen. Dies könnte, ich deutete es bereits an, womöglich ein erneut „politisierter“ Generalstaatsanwalt sein. Ausführungen hierzu habe ich der bisherigen Diskussion nicht entnehmen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Berninger hat gesagt, die Konferenz der Justizminister könnte sich mit dem Thema befassen. Ich kann Ihnen mitteilen, dass sich die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister erst auf ihrer Herbsttagung am 14. November 2013 in Berlin unter dem TOP 2.3 ganz aktuell mit dem Thema der Regelung des externen Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften auseinandergesetzt hat