Protocol of the Session on November 21, 2013

die eine noch größere Struktur haben wollten, ist das auf fünf reduziert worden. Jetzt der Vorschlag, im Landesverwaltungsamt eine Bündelungsbehörde für alle Schulämter zu finden - mein Gott, mit Verlaub, bei allem Respekt vor neuen Ideen, aber das gehört dann doch eher in den Bereich des Absurden.

(Beifall SPD)

Die Minister Taubert, Matschie, Poppenhäger und Machnig haben ihre nachgeordneten Bereiche bereits reformiert und dafür bedurfte es noch nicht einmal einer Regierungskommission, meine Damen und Herren. Beispiele gefällig?

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Noch nicht einmal des Regierungsantritts.)

Der Justizminister hat veranlasst, dass die bisherigen sechs Arbeitsgerichtsstandorte zu vier zusammengelegt werden. Die Zusammenlegung der Schulämter habe ich erwähnt und Frau Ministerin Taubert hat mehrere Behörden im Landesamt für Verbraucherschutz gebündelt, in dem auch das bisher zum Wirtschaftsministerium gehörende Landesamt für Mess- und Eichwesen nunmehr aufgeht.

Deshalb - und ich wiederhole es - ist das auch der Grund, weil diese Reformschritte offenkundig aus voluminösen Gründen in dieser Reform mit subsumiert sind, das ist auch ein Grund, warum die SPDgeführten Ministerien bzw. ihre Minister sich dieser Reform jetzt nicht in den Weg stellen. Wir halten die Straffung von Behörden für notwendig, auch wenn es, wie gesagt, dazu keiner Kommission, sondern einfach nur einer wirklich vernünftigen Arbeit aller zuständigen Minister bedurft hätte. Am Ende, meine Damen und Herren, lässt sich mit Fug und Recht fragen: Wozu der ganze Aufwand? Wozu eine Expertenkommission, die dem Freistaat

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

neben einer Verwaltungsreform, die ihren Namen auch verdiente, unmissverständlich auch eine Kreis- und Gebietsreform empfiehlt? Wozu eine Regierungskommission, die fast ein Jahr lang getagt hat, um diese Vorschläge zu bewerten, und ein Konzept zu deren Umsetzung vorgelegt hat, wenn am Ende nur die Zusammenlegung einzelner Behörden herauskommt? Wenn ich nicht genau wüsste, dass in dieser Regierungskommission viel weitergehende Vorschläge eingebracht worden sind durch die SPD-Minister, dann könnte ich ja nun sagen, es wäre ja gar kein Wunder,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Was denn?)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Eine SPD, die dann umfällt.)

wenn ein solches Reförmchen nur dabei herauskäme, aber die Ausgangsposition war eine andere und es ist über die Zeitschiene und über juristische Bedenken und sonstige - am Ende helfen immer bzw. beliebt sind verfassungsrechtliche Bedenken, um Vorschläge einzudampfen und am Ende auch einzustampfen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Vorschlä- ge, nenne doch mal einen, den ihr einge- bracht habt, der nicht drin ist!)

(Unruhe CDU)

Und das Ergebnis liegt hier vor.

Lieber Kollege Mohring, Sie können ja gerne von hier aus, von der Stelle aus Ihre Ideen einbringen. Das, was ich zu diesem Thema zu sagen habe, mache ich jedenfalls mit aller Deutlichkeit von dieser Stelle aus. Und auch die Mitgliedschaft und das Mitwirken in einer regierungstragenden Koalition bedeutet für die SPD nicht, dass wir unser Denken und unser Hirn am Eingangstor der Staatskanzlei abgeben. So viel dazu.

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, kommen wir zur kommunalen Ebene. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass die Beibehaltung der kleinteiligen Strukturen, da sind wir wieder bei der gelebten Kleinteiligkeit, letztendlich zu Effekten bei den Kommunen führt. Manche sagen, es führt zum Aushungern, manche sagen, es führt zum Ausbluten. Das sind alles martialische Begriffe. Aber seltsam ist tatsächlich, dass diejenigen, die diese Kleinteiligkeit in Strukturen wie eine Monstranz vor sich hertragen, genau diejenigen sind, die die Kommunen aus ihrer prekären Situation dann wieder retten wollen. Oder glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, dass die Probleme der Kommunen und die Klagen der Landkreise tatsächlich nichts mit den derzeitigen Strukturen zu tun haben?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser von unser beider Fraktionen getragene Kommunale Finanzausgleich, den ich vom Grundsatz her nach wie vor für richtig halte und den ich an allen Stellen auch in den eigenen Reihen vehement verteidige, aber dieser Kommunale Finanzausgleich, wenn er denn diese Wirkungen entfalten soll, die wir uns alle wünschen, der schreit doch geradezu nach Strukturveränderungen auf der kommunalen Ebene. Es funktioniert doch gar nicht anders, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Und zu dem Thema Identität, da habe ich auch so meine ganz eigene Meinung. Ich muss das mal an der Stelle so sagen. Ich gebe ja dem Kollegen Kuschel nicht gerne recht, aber an der Stelle will ich es ausdrücklich tun, weil ich auch jemand bin, der seit 1990 in verschiedenen kommunalpolitischen Verantwortungen Veränderungen, Gebietsveränderungen nicht nur mitgetragen, sondern selber mit gestaltet hat. Die Identität, meine Damen und Herren, macht sich weder am Kreissitz noch am Verwaltungssitz der Gemeinde fest. Die Identität von Menschen mit ihrem Heimatort, mit ihrer Heimat, die begründet sich doch zunächst aus ihrem ganzen sozialen Umfeld. Das fängt bei der Nachbar

schaft an, das geht im Vereinsleben weiter, in der dörflichen Gemeinschaft oder im Stadtteil, wo auch immer, wie die Menschen miteinander kommunizieren, das ist gelebte Identität, meine Damen und Herren, und das geht auch mit veränderten Strukturen nicht verloren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil, wir können dafür sorgen, dass diese Identität vor Ort sogar noch gestärkt wird, trotz veränderter und vergrößerter Strukturen, die auf Effizienz ausgelegt sind. Und das ist etwas, das sind Zusammenhänge, die würde ich mir wünschen, dass sich die hier im gesamten Haus im Thüringer Landtag breitmachen, aber das vermisse ich leider nach wie vor.

Meine Damen und Herren, die Expertenkommission hat im Januar 2013 Vorschläge unterbreitet, wie ein zukunftsfähiges Thüringen, das vielfältigen Herausforderungen gerecht wird, aussehen kann. Diese Vorschläge sind es nach wie vor wert, ernsthaft diskutiert zu werden. Wir brauchen angesichts dieser Herausforderungen, die Sie ja richtigerweise beschrieben haben, Frau Ministerpräsidentin, vor denen wir stehen, vor denen Thüringen steht, eine Reform, die wirklich aus einem Guss alle Bereiche des Landes und der Landesverwaltung mit umfasst. Wir brauchen die Neustrukturierung der Landesverwaltung mit einer parallel einhergehenden Gebietsreform. Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern. Wenn das Subsidiaritätsprinzip tatsächlich bei uns wirklich Platz greifen soll, wenn wir der Meinung sind, die Landesverwaltung straffen zu müssen, dann bedeutet doch das, dass die kommunale Ebene dabei eine größere Bedeutung erlangt, dass ein größerer Aufgabenkatalog von der kommunalen Ebene kommt. Da meine ich jetzt Kreis- und Gemeindeebene mal ausnahmsweise in Summe. Dieser vergrößerte Aufgabenkatalog der kommunalen Ebene, dafür müssen die doch strukturell in der Lage sein, diesen qualitativ so zu erfüllen, dass auch die Bürgerinnen und Bürger am Ende zufrieden sind. Da kommt man doch von einer ganz anderen Seite zur Notwendigkeit von umfassenden Reformen. Ich verstehe nicht, dass diese Zusammenhänge so ignoriert werden und dass am Ende das Prinzip der gelebten Kleinteiligkeit das Primat für Thüringen sein soll. Dafür, meine Damen und Herren, fehlt mir wirklich jegliches Verständnis.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zum Schluss, ich komme wieder auf den Mut, die von mir beschriebenen Reformschritte brauchen Mut. Sie brauchen persönlichen Mut, aber Sie brauchen vor allem politischen Mut. Wir von der SPD sind dazu bereit. Frau Lieberknecht, ich rufe Sie und Ihre CDU ebenfalls dazu auf. Herzlichen Dank.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Macht doch mal eine Koalitions- runde auf!)

(Beifall SPD)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. „In jedem Sprichwort steckt ein Fünkchen Wahrheit“, sagt zumindest der Volksmund. Doch wenn ich nun das Sprichwort „Was lange währt, wird endlich gut“ an diese Verwaltungsreform anlege, dann ist das eine grobe Fehleinschätzung.

(Beifall FDP)

Diese Verwaltungsreform, die CDU und SPD nach immerhin vier Jahren Koalition vorlegen, zeigt, was die Koalition zu bewegen imstande ist, oder richtiger, wozu sie nicht imstande ist, nämlich zu mutigen Reformen. Dieses Reförmchen ist halbherzig, mutlos, und ob es zumindest das hält, was es verspricht, steht auf einem ganz anderen Blatt, meine Damen und Herren. Für mich ist das deshalb bestenfalls Bühnennebel, wenn Sie, Frau Ministerpräsidentin, diese Vorlage als Meilenstein oder als großartigen Erfolg der Koalition verkaufen.

(Beifall FDP)

Aber nicht nur das Ergebnis ist beschämend für vier Jahre Schwarz-Rot, auch der Weg dorthin zeugt nicht von stringentem Regierungshandeln, geschweige denn von einem stringenten Reformpfad, sondern von Machtspielchen und einem Intrigentheater. Es ist geradezu absurd, mit welchem Komödientheater CDU und SPD eine dringend notwendige Funktional- und Verwaltungsreform für Thüringen ins Leere laufen lassen.

(Beifall FDP)

Schon deshalb ist es mir ein Anliegen, diesen Weg heute noch einmal Revue passieren zu lassen. Das Trauerspiel, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, begann mit der Bildung der schwarz-roten Koalition und dem Koalitionsvertrag.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In ihrem Koalitionsvertrag vereinbarten CDU und SPD ein Gutachten über eine Gebiets- und Funktionalreform, auf dessen Grundlage eine Entscheidung über die zukünftige Entwicklung Thüringens getroffen werden sollte. Lange Zeit passierte - genau! - gar nichts. Ich nenne das Regierungsmikado: Wer sich als Erster aus der Deckung wagt, hat verloren. Als sich im Jahr 2011 dann doch etwas be

wegte, gab es lange Diskussionen über die Auftragsvergabe eines entsprechenden Gutachtens. Wochenlang stritten sich CDU und SPD wie die Kesselflicker über die Höhe des Honorars der Gutachter und Ausschreibungsmodalitäten. Das Ergebnis war, dass auf ein Gutachten nun völlig verzichtet wurde. Stattdessen wurde der Innenminister damit betraut, eine Funktional- und Gebietsreform zu überprüfen. Im Sommer 2011 dann der vermeintliche Lichtblick am Horizont. Die Ministerpräsidentin erklärte das Thema Gebiets- und Funktionalreform zur Chefsache und das Kabinett beschloss, eine unabhängige Expertenkommission einzusetzen. In der Staatskanzlei wurde eine Stabsstelle Funktional- und Gebietsreform eingerichtet und ein Beirat gegründet, dem von vornherein de facto - und so zeigte es die Erfahrung - bestenfalls eine Feigenblattrolle zugestanden wurde. Der Bericht der sogenannten Expertenkommission wurde im Januar 2013 vorgestellt. Da der Expertenbericht offenbar weit von einer umsetzungsfähigen Reform entfernt war, bildete die Ministerpräsidentin nun ein neues Expertengremium. Eine Regierungskommission sollte den Expertenbericht nun erst einmal auswerten.

Meine Damen und Herren, ich muss nun ehrlicherweise zugeben, dass ich auch froh bin, dass man nicht blauäugig die Vorschläge der Expertenkommission umgesetzt hat.

(Beifall CDU)

Das neu gebildete Expertengremium bestand aus der Ministerpräsidentin selbst, dem Justizminister, der Sozialministerin, dem Finanzminister, dem Bauminister und dem Kultusminister. Bezeichnend ist, dass ausgerechnet der Innenminister außen vor blieb.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Der Innenmi- nister?)

Schaut man sich das Organigramm des Innenministeriums an, ist er ja eigentlich der für kommunale Angelegenheiten zuständige Minister.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, eigentlich.)

Warum der für kommunale Angelegenheiten zuständige Minister nicht in das Expertengremium berufen wurde, bleibt im Reich der Spekulationen. Wenn man aber nun die Reformvorschläge kennt, kann man zumindest Vermutungen darüber anstellen, weshalb der Innenminister ausgeschlossen wurde.

Viel wichtiger als der zeitliche Ablauf, meine Damen und Herren, ist natürlich das Ergebnis.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Welches Ergebnis?)

(Abg. Höhn)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sagte es bereits, ein Meilenstein, Frau Ministerpräsidentin, ist diese Verwaltungsreform ganz bestimmt nicht.