Protocol of the Session on September 18, 2013

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landesregierung muss vorlegen. Ich gehe davon aus, wir haben ja auch noch ein paar wichtige Dinge, die im Land gerade stattfinden, ich glaube, Ende der Woche ist das vorbei. Wie sagt man so schön? Ich gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass das in Kürze durch das Kabinett geht und wir uns dann parlamentarisch damit auseinandersetzen. Und da lege ich großen Wert darauf, dass hier insbesondere die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ein Wörtchen mitzureden haben, ohne die Fraktionen dort auszugrenzen, weil wir, denke ich, am

(Abg. Adams)

besten wissen, wie das Ganze vonstatten geht. Wir möchten uns auch nicht noch einmal, wie es da und dort geschehen ist, vorführen lassen.

Und noch ein letztes Wort zur LINKEN: Es ist ja müßig, mit der LINKEN zu reden, weil DIE LINKE ihn ja sowieso abschaffen will. Also brauchen wir nicht darüber zu reden mit Ihnen, das ist doch ganz klar. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Richtig.)

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Aber wir würden dir helfen, die Verfassung zu ändern.)

Und ich rufe für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Renner auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ja, Herr Fiedler, Sie haben recht und ich finde dieses Thema tatsächlich auch ungeeignet für eine Aktuelle Stunde

(Beifall DIE LINKE)

und ich finde es auch unpassend - und ich will es auch gleich erklären -, unpassend für ein Parlament, das tatsächlich darum ringen müsste, welche Konsequenzen wir aus dem NSU-Skandal ziehen. Da müssten wir Fragen finden zur Ausbildung der Polizei, zur kriminalpolizeilichen Praxis, zum Landesprogramm und seiner Neujustierung.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was hat das denn damit zu tun?)

Wir müssten uns positionieren gegen den Extremismusbegriff und wir müssten eine Gedenkkultur entwickeln, die alle Opfer von Nazigewalt nach 1989 einschließt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Stattdessen wird hier um eine sogenannte Reform des Verfassungsschutzes gebettelt fast und diese Reform wird justiert aus Sicht der Regierung und aus Sicht der Sicherheitspolitik. Ich glaube, da gehen Sie fehl und vor allem hören und sehen Sie nicht das, was gesprochen wird. Gehen Sie raus auf die Straße. Der Inlandsgeheimdienst ist bis in die Basis delegitimiert,

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist kein Geheimdienst.)

(Beifall DIE LINKE)

und das nicht nur aus seiner Gründungsgeschichte heraus, sondern auch aus den Verbrechen, in die er verstrickt ist, und das schon lange vor NSU. Ich sage nur Celler Loch, Oktoberfest-Attentat oder Schmücker-Prozess. Und das, was die Untersuchungsausschüsse in Bund und in den Ländern zutage gefördert haben, hat im Grunde nur den Argumentationsrahmen erweitert, auf dessen Grundlage wir sagen können und deutlich sagen müssen, der Verfassungsschutz und alle Inlandsgeheimdienste gehören aufgelöst.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will das noch einmal für Thüringen ganz kurz begründen. Unser Landesamt hat den Thüringer Heimatschutz, also die Neonazidachorganisation, in den 90er-Jahren gegründet, über seine Spitzel versucht, diesen zu steuern, Neonazis alimentiert, Verbrecher geschützt, die Polizei sabotiert und die Justiz manipuliert.

(Beifall DIE LINKE)

Zu seinen besten Zeiten haben sich die Adlaten von Roewer und die Nocken-Brigade gegenseitig operativ im Gehege gestanden und zur Krönung dann Spitzel an- und abgeschaltet, teilweise auch enttarnt, als wäre es deren privates Hobby gewesen. Wir glauben nicht, dass diese Behörde zur Katharsis fähig ist und ich will das auch begründen. Diejenigen, die Anfang der 2000er-Jahre gerufen wurden, in dem Laden aufzuräumen, Herr Sippel und Herr Gasser, was hat sich unter deren Egide dann verändert? Diejenigen haben später genauso weitergemacht, wie die Skandale in den 90er-Jahren begonnen haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das können wir an der V-Mann-Führung des NPDFunktionärs Kai-Uwe Trinkaus deutlich erkennen. Ein Betrüger und Krimineller, der Demokraten infiltriert, mit Gewalttätern paktiert, wird verpflichtet und erhält zum Lohn dafür nicht nur Geld, sondern gleich noch eine Adressliste des politischen Gegners, damit er seine Neonazi-Hooligan-Freunde schicken kann, damit diese dann diese attackieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nichts hat sich geändert und nichts wird sich ändern.

(Unruhe CDU)

Man muss an den Grund des Übels gehen. Nur dann kann man tatsächlich über die Zukunft eines wirklichen Verfassungsschutzes einer echten Demokratiebehörde nachdenken. Ein Geheimdienst mit nachrichtendienstlichen Befugnissen ist ein Anachronismus in einer offenen Gesellschaft. Er gefährdet Demokratie und er ist nicht kontrollierbar.

(Abg. Fiedler)

Und zum Scheitern der Kontrolle habe ich hier wenig gehört, Herr Fiedler. Was ist eigentlich mit der Parlamentarischen Kontrollkommission? Von Anfang bis zum Ende hat man sich belügen lassen, man hat sich missbrauchen lassen oder man wollte es nicht besser wissen. Ich kann es nicht klären, es ist ja eine geheime Institution, deswegen kann ich nicht reingucken.

(Beifall DIE LINKE)

Wenigstens im Fall von Herrn Trinkaus wäre ein Eingeständnis der Akteure in der Parlamentarischen Kontrollkommission längst überfällig gewesen,

(Unruhe CDU)

dass es auch das Versagen der Parlamentarischen Kontrollkommission war, dass dieser Fall überhaupt erst geschehen konnte.

(Beifall DIE LINKE)

Und jetzt wollen Sie auch noch einen zivilgesellschaftlichen Beirat gründen, der in Zukunft das Wesen des Geheimdienstes bemänteln soll. Ich bin so froh, dass sich die Bürgerbündnisse in Thüringen deutlich positioniert haben und gesagt haben, für so eine Alibiveranstaltung stehen sie nicht zur Verfügung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie sehen dieser Tage unsere Wahlplakate und wir haben ja ein bisschen selbstironisch plakatiert: Revolution mit Fragezeichen und dann sagen wir Nein, wir machen Realpolitik, Mindestlohn, Abschaffung der Leiharbeit und so weiter. Aber ich sage Ihnen ganz klar: In der Frage der Geheimdienste wollen wir einen klaren Bruch, einen klaren Bruch mit der Logik dieses Geheimdienstes, mit den Befugnissen und der Praxis. Dieses Amt muss geschlossen werden. Es braucht keinen Umzug, es braucht auch keinen neuen Chef, es braucht auch keine neuen Mitarbeiter, es braucht keine neuen Vorschriften und Gesetze, die sowieso nicht eingehalten werden, das wissen wir dann auch. Wir wollen auch keine Offensive in der Öffentlichkeitsarbeit, um Gottes Willen das nicht, wir wollen tatsächlich eine Diskussion, eine Landesbehörde zu schaffen, die Demokratiezentrum ist, die öffentlich-wissenschaftlich arbeitet, transparent ist und die tatsächlich dann das leistet, was geleistet werden muss, die Verfassung schützen, die Demokratie stärken. Ich glaube, dann könnte sich Thüringen einen Namen machen als Reformland, das wäre zu wünschen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Gentzel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN glaubt, über die Ausgestaltung dieser Aktuellen Stunde fehlende Gestaltungskraft bei der Landesregierung zu entdecken. Dazu will ich zunächst ganz grundsätzlich bemerken: Wenn es ein Gestaltungsdefizit gibt, was ich verneine, dann betrifft das wohl die Landesregierung und das Parlament, denn Gesetzgeber sind beide. Ich erinnere bei diesem Gesetz daran, dass sowohl DIE LINKE, als sie ein Gestaltungsdefizit wahrgenommen hat bei einem Gesetz, und auch die SPD in der letzten Legislaturperiode in der Opposition einen eigenen vollständigen Gesetzesvorschlag zu dieser Problematik vorgelegt haben.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was hatten wir vorgelegt?)

Ab und zu sollte man selber das leisten, was man anderen abverlangt.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja unglaublich, letzten Frühling hatten wir vorgelegt …)

Und wie haben Sie in diesem Zusammenhang vor fünf Minuten gerade formuliert, Herr Adams, es ist so einfach und man könnte, wenn man wollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der vorgelegte Gesetzentwurf des Innenministers in einigen Passagen strittig ist im Kabinett und noch weiterer Erläuterung bedarf, wird von niemandem bestritten. Dazu frage ich, was haben Sie denn für eine Vorstellung, wie so ein Kabinett arbeitet? Der verantwortliche Minister legt ein Gesetz vor und alle anderen Kabinettsmitglieder heben die Hand?

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch vollkommen logisch, dass die gleichen Debatten, die Sie für dieses Parlament einfordern, auch im Kabinett geführt werden. Ich halte das bei der Flut von Vorschlägen, die abzuwägen sind, auch für vollkommen normal. Nur anhand von drei Aspekten will ich nachweisen, warum ich die Debatte im Kabinett verstehen kann. Da gibt es zum Beispiel den Strukturvorschlag des Ministers, den wir von vornherein nicht verworfen haben. Aber trotzdem ist zu prüfen, warum dieser, welche Vorteile hat dieser Strukturvorschlag im Gegensatz zu anderen Vorschlägen? Und da bin ich zum Beispiel auch ganz bei Wolfgang Fiedler, wenn ich in seinem Duktus die Frage stelle: Wie hilft uns dieser Strukturvorschlag beim Aussieben und wie können und wie werden wir dann aussieben? Vollkommen klar, dass sich das Kabinett darüber unterhält. Es

(Abg. Renner)

ist gut, dass der Innenminister in seiner Fraktion Herr Fiedler hat das ja eben noch mal deutlich gesagt - die entsprechende Überzeugungsarbeit geleistet hat und dass sie ihm jetzt in Gänze folgt. Aber diese Überzeugungsarbeit ist auch im Kabinett zu leisten.