Es ist ja zum einen erstaunlich, welche Aufregung es schon macht, wenn ich hier vorn stehe, obwohl ich noch gar nichts gesagt habe. Zum anderen möchte ich aber tatsächlich noch einmal etwas sagen zu den Äußerungen von Herrn Baumann und Herrn Kemmerich. Es ist ja so, Sie haben noch einmal darauf abgestellt, der ganze Prozess ist nur ein formales Gesetz, um das es hier geht. Es ist nur ein formaler Akt, ein technischer Akt und dass man das sauber herausarbeiten muss, dass es eben nur ein technischer Akt ist. Wenn es tatsächlich nur ein technischer Akt ist, der völlig losgelöst ist von jeglichen inhaltlichen Positionen, die man zum SGB II, also zu Hartz IV, einnehmen kann, dann frage ich mich: Warum diskutieren wir dieses Gesetz hier eigentlich im Landtag? Warum kommt es hier in dem Landtag in das Plenum hinein, wenn es ja tatsächlich doch nur ein technischer Akt sein soll? Wo, wenn nicht hier in dieser Gesetzesbehandlung in diesem Landtag, wo wir Demokratie üben wollen und sollen, soll man die Inhalte, die mit dem SGB II und mit Hartz IV verbunden sind, ansprechen? Von diesem Recht hat die Linksfraktion Gebrauch gemacht. Wir haben diesbezüglich einen Entschließungsantrag vorgelegt. Das ist doch der Kern der Demokratie, dass man Gesetze, die hier diskutiert werden, eben auch tatsächlich diskutiert und sich Gedanken macht, wie man hier Veränderungen herbeiführen kann.
Es ist ja nicht nur so, dass die Betroffenen tagtäglich ihr Leid klagen, sondern das Gesetz ist tatsächlich in vielen Punkten ständig als verfassungswidrig charakterisiert worden, zum Beispiel durch das Bundesverfassungsgericht. Was ist denn mit der Berechnung der Regelsätze? Was ist mit der Frage von Zumutbarkeit etc. pp.? Das sind doch alles Probleme und Sie werden stets und ständig zum Beispiel vom Verfassungsgericht gedrängt, dieses Gesetz an den vielen, vielen Stellen zu verändern. Darum geht es uns.
Die etwa 50 Novellierungen, die es bislang gegeben hat, das sind ja zum Teil Novellierungen, die aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils gelaufen sind. Das sind aber zum großen Teil eben auch Novellierungen, wo Sie Rechtsansprüche der Betroffenen abgebaut haben. Die SGB II-Instrumentenreform ist das beste Beispiel, wo eine ganze Reihe von vorherigen Pflichtleistungen, die die Träger zu erfüllen hatten, in Ermessensleistungen umgewandelt wurden. Wo jetzt die Betroffenen bibbern müssen, ob der Daumen nach oben oder nach unten geht, wo also irgendjemand im Jobcenter sagen muss: Das ist angemessen oder das ist nicht angemessen. Das ist das Problem. Zu welcher Position werden eigentlich die Betroffenen, die Arbeitslosen degradiert? Das hat Frau Leukefeld, glaube ich, ganz gut gemacht.
Herr Baumann, ich habe eine Frage: Was sollte denn eigentlich Ihre Ausführung, dass man das mit der sanktionsfreien Grundsicherung doch bitte mit dem Rechnungshof diskutieren sollte? Was ist denn das für eine Haltung, die dahinter steht? Ich meine, natürlich müssen wir auf die Sparsamkeit oder die sparsame Ausgabe von Mitteln achten. Das ist auch völlig richtig. Sie haben auch immer diese Missbrauchsdebatten, die Sie da vor sich hertragen. Aber ich sage Ihnen eins: Auch SGB-IIEmpfänger sind Menschen, sie sind zuallererst Menschen. Ich glaube, das muss man hier noch einmal in den Fokus stellen. Gestern haben wir diskutiert über Herrn Zimmermann, der mit immens viel Geld als Ruhegehalt in den - ja, Ruhestand ist es ja eben nicht -, aber mit immens viel Geld abgespeist wird und sich ein schönes Leben machen kann und die Betroffenen in den Jobcentern, die müssen stets und ständig zur Verfügung stehen und müssen sich für alles Mögliche rechtfertigen. Das ist der Unterschied, der hier gemacht wird.
Da gibt es einmal 3.000 € für einen ehemaligen Staatssekretär, der jetzt auf der Insel der Glückseli
gen lebt, und dann gibt es die Hartz-IV-Betroffenen, die tagtäglich überhaupt dafür ringen müssen, dass sie die entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen bekommen. Ja, da gibt es Leute, die sich bei uns in der Sprechstunde melden, Menschen, die ein Staatsexamen gemacht haben, als Referendare jetzt mit dem Lehrerstudium fertig sind und vom Jobcenter ein Angebot bekommen als Umschulung für Fernfahrer. Das sind all die kleinen Probleme, wo DIE LINKE durchaus sagt, hier muss etwas getan werden und hier müssen wir auch schauen, wie die Qualifizierungsmaßnahmen auf die Individuen zurechtgeschnitten sind, so dass individuell geschaut wird, welche Qualifikation haben die Leute, was brauchen sie, wo sind ihre beruflichen Wünsche und wo können sie sich weiterentwickeln und wo ist der Fachkräftemängel. Da ist natürlich tatsächlich Veränderungsbedarf da. Herr Baumann, wenn Sie das nicht einsehen wollen, dann tun Sie uns leid. Für uns als LINKE ist das nicht nur eine formale und fachliche Frage, sondern es ist vor allem eine Frage des politischen Willens, wie man mit den Betroffenen von Erwerbslosigkeit umgeht. Vielen Dank.
Danke schön. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, gestatten Sie mir folgende Bemerkung: Ich bitte doch sehr darum, als Abgeordnete angemessen im Sprachgebrauch miteinander umzugehen. Herr Abgeordneter Bärwolff, wie jemand anatomisch ausgestattet ist, mit mehr oder weniger Haaren, das sollten wir hier nicht abfällig bemerken. Dafür rüge ich Sie.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? Seitens der Landesregierung hat Herr Staatssekretär Staschewski das Wort. Bitte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten und ganz besonders auch mein herzlicher Gruß an Sie, die Sie heute da sind, und ich würde gerne auch mit Ihnen, die Sie ja offensichtlich auch Probleme bei der Erzieherausbildung und Erzieherinnenausbildung haben, anfangen. Es ist immer ein bisschen ungewöhnlich, wenn man im Plenum dann mit einem aktuellen Thema konfrontiert wird. Frau Leukefeld, Sie kennen das. Sie können sich auf uns verlassen, wenn Sie ein Problem haben oder von einem Problem wissen, zu uns kommen, kümmern wir uns auch. Das werden wir selbstverständlich in diesem Fall auch machen. Ich habe eben auch noch mit Herrn Merten Kontakt
aufgenommen, der von dem Fall auch nicht wusste. Bei der DEHOGA habe ich niemanden erreicht. Also wir kümmern uns drum. Wir können uns danach zusammensetzen. Wir müssen uns erst einmal den Fall anschauen, um was es da konkret geht, und dann können wir versuchen, da den einen oder anderen Schritt voranzukommen. Dass ich jetzt in den letzten 10 Minuten oder der letzten Viertelstunde niemanden bei der DEHOGA erreicht habe, dürfte jetzt kein Problem sein.
Es ist oftmals so, dass Leute dann einfach auch in der Verzweiflung vielleicht auf Abgeordnete zugehen und da um Hilfe und Unterstützung bitten. Aber ich glaube, die Erfahrung zeigt, dass man mit uns da reden kann, dass wir, soweit wir da helfen können, auch gerne bereit sind. Zu einem Gespräch stehen wir auf jeden Fall zur Verfügung. Vielleicht können wir unmittelbar danach schon einmal einen ersten Kontakt aufnehmen, dass ich mir erst einmal anhöre, um was es denn überhaupt geht. Ich bin ja heute den ganzen Tag da, ich weiß nicht, vielleicht klappt es ja danach.
Dann zu den Grundsätzen: Ich bin schon sehr erstaunt; da gibt es jetzt eine technische Angleichung an eine Bundesgesetzgebung - Frau Siegesmund, Sie haben das richtig benannt, da bin ich sehr dankbar dafür - und da wird jetzt hier ein Fass aufgemacht von Grundsicherung, Schuldenbremse und über all das zu sprechen. Das kann man machen. „Parlament“ hat es ja im Namen, im Italienischen kann man es noch hören: parlare - sprechen. Es ist auch ein Gremium, wo man über alles diskutieren kann. Aber da muss man, Herr Bärwolff, auch erst mal ganz ehrlich sein, es geht hier um ein Gesetzgebungsverfahren, die Gesetzgebungskompetenz liegt hier beim Parlament. Wir müssen einfach eine Bundesgesetzvorgabe hier auf landesgesetzlicher Ebene anpassen. Es ist im Verfahren ein technischer Vorgang.
Jetzt sage ich, wenn wir über dieses Thema sprechen, darüber haben wir - das können Sie nicht wissen, Herr Bärwolff - im Ausschuss auch länger gesprochen. Ich als Vertreter des Wirtschaftsministeriums habe im Ausschuss auch zugestanden, übrigens wie alle anderen Fraktionen auch, dass wir selbstverständlich dann über das weitere Problem, das sich im SGB II ergeben kann, gern auch weiter diskutieren wollen. Wir haben im Ausschuss einen Fahrplan verabschiedet und vereinbart, über die weitergehenden Probleme zu sprechen. Das ist vollkommen klar, das wollen wir machen und wir stellen uns dieser Diskussion. Ich sage auch ganz klar, wir haben noch Probleme.
rhein-Westfalen sind in der Statistik, dass wir kurz vor Hamburg sind, dann heißt es doch nicht, dass wir uns nicht der Aufgabe stellen, die noch vor uns steht. Deshalb macht ja unser Wirtschaftsministerium, deshalb machen wir zum Beispiel das Landesarbeitsmarktprogramm, deshalb arbeiten wir an den Richtlinien, dass wir uns für bessere und gute Arbeit einsetzen.
Herr Kemmerich, bei einer Sache muss ich Ihnen widersprechen: Nicht alles ist sozial, was Arbeit schafft, es gibt auch unsoziale Arbeitsverhältnisse.
Deshalb sage ich auch, wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir gute Arbeitsbedingungen hier in Thüringen haben, dass wir attraktive Arbeitsplätze schaffen und dass wir selbstverständlich auch dann unseren jungen Menschen Zukunft geben können.
Ich möchte noch mal auf ein paar Sachen eingehen, wo ich auch die Gedanken aufnehme, die hier schon mal gesagt worden sind. Es ist tatsächlich so, dass zwei Dritteln aller Arbeitslosen in Thüringen Leistungen nach SGB II gezahlt werden und deswegen das Problem, das wir mit 109.500 Bedarfsgemeinschaften 2013 und knapp 187.500 Personen viel zu viele Leute haben, die in den Thüringer Jobcentern noch betreut werden. Was ich übrigens sehr bemerkenswert finde, da bin ich wieder bei der guten Arbeit, nur etwa 60.000 der 140.000 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind arbeitslos und davon nur 26.800 langzeitarbeitslos. Ich kann nur sagen, 2012 haben die Thüringer Jobcenter Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Höhe von etwa 450 Mio. € ausgezahlt. Das ist viel zu viel. Viel besser wäre es, wenn es uns gelänge - und deshalb machen wir ja diese Programme, wie Landesarbeitsmarktprogramm, Eingliederung usw., wo der Eingliederungstitel leider abgesenkt worden ist, wo wir dagegensteuern auf Landesseite, deshalb machen wir so viel, damit diese eben in Lohn und Arbeit kommen. Es bleibt noch viel zu tun, denn immerhin sind fast 40.000 Leistungsberechtigte bereits seit dem Jahr 2005 im Leistungsbezug.
Hier geht es aber schlicht und einfach um eine technische Angleichung an Bundesgesetzgebung. Sie haben das auch gesagt, es gab sehr, sehr viele und umfangreiche Änderungen in den letzten Jahren. Hier geht es darum, dass Festlegungen für das Verfahren zur Zulassung von Optionskommunen getroffen werden und die Verpflichtung der kommunalen Träger zum Abschluss von Zielvereinbarungen mit der obersten Landesbehörde und deren Einbindung in das von SGB II vorgesehene System von Zielvereinbarungen konkretisiert wird und einige weitere Kleinigkeiten.
Ich denke, zu diesen technischen Sachen, die wir heute beschließen müssen, ist genügend gesagt und ich bedanke mich für die Unterstützung. Wir müssen diese Angleichung machen. Die weiteren Debatten können wir im Ausschuss führen, können wir im Parlament noch weiterführen. Um die konkrete Sache mit euch kümmern wir uns gleich. Herzlichen Dank.
Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, als Erstes über den Gesetzentwurf, dann über den Entschließungsantrag. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Arbeit in der Drucksache 5/6310. Wer dieser seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der CDU
- die Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf, ja, gut -, der FDP, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? Niemand ist dagegen. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion der LINKEN. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Jetzt stimmen wir ab über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 5/5668 in ZWEITER BERATUNG unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung der Beschlussempfehlung in der Drucksache 5/6310. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? Ich sehe keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.
Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung. Wer hier seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Danke schön. Gegenstimmen? Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen bei der Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung zum Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der FDP, der CDU, der SPD. Wer enthält sich? Es enthält sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt und ich schließe den Tagesordnungspunkt.
Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung und anderer Gesetze Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD - Drucksache 5/5829 dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 5/6340
Das Wort hat der Abgeordnete Gumprecht aus dem Innenausschuss zur Berichterstattung. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung und anderer Gesetze in Drucksache 5/5829 wurde in der 113. Plenarsitzung am 21. März in erster Lesung behandelt. Der Kern des Gesetzes ist die Einführung einer kommunalen Anstalt als eine neue Form der kommunalwirtschaftlichen Betätigung. Zugleich sieht der Gesetzentwurf Änderungen der Bestimmungen zum Eigenbetriebsrecht sowie eine Verschlankung der Vorschriften im Bereich des kommunalen Prüfungsrechts vor. Der Gesetzentwurf wurde federführend an den Innenausschuss sowie an den Justiz- und Verfassungsausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen.
In der 56. Sitzung des Innenausschusses am 19. April wurde mehrheitlich die Durchführung einer schriftlichen Anhörung beschlossen. Ebenso wurde die Liste der Anzuhörenden beschlossen. Sie umfasst neben dem Gemeinde- und Städtebund und dem Landkreistag weitere 15 Anzuhörende. Zusätzlich hat der Rechnungshof eine Stellungnahme abgegeben. Übrigens: 8 der Anzuhörenden gaben keine Stellungnahme ab. Meine Damen und Herren, die Fraktion der LINKEN hat mit Vorlage 5/3689 einen Änderungsantrag eingebracht. Er beinhaltet acht Änderungsvorschläge.