Ich möchte aber noch auf den Punkt 5 - Kollege Gumprecht hat da schon was gesagt - des Antrags noch mal eingehen, nämlich auf diese Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über klinische Prüfungen mit humanen Arzneimitteln. Ich habe mich mit unserer Europaabgeordneten Gabi Zimmer in Verbindung gesetzt, mit ihrem Büro. Jawohl, diese Verordnung wird im Europäischen Parlament diskutiert. Die ist nicht - jedenfalls das, was ich bisher recherchieren konnte - dem Landtag als Frühwarndokument zugegangen. Wir konnten zu dieser Tatsache hier nicht im Landtag darüber behandeln. Fakt ist, dass die Europäische Kommission versucht, die Bestimmungen bezüglich medizinischer Tests zu liberalisieren. Das heißt, die Bedingungen für medizinische Tests innerhalb der EU aufzuweichen. Sie begründet das mit der Erkenntnis, dass immer mehr Pharmakonzerne diese Tests wegen hoher ethischer Standards und Patientenschutzrechten in der EU in Schwellenländer verlagern. In der Tat entwickeln sich solche Länder wie z.B. Indien zu wahren Paradiesen für diese Pharmakonzerne, wenn sie solche Tests durchführen. Diese Konzerne nutzen dann auch das Leid dieser Menschen aus, weil das auch für diese Menschen die einzige Möglichkeit ist, an solche Medikamente oder überhaupt an eine medizinische Behandlung heranzukommen.
Deshalb hatte ich gestern auch unsere Forderung noch mal aufgemacht. Wenn Medikamente entwickelt werden, dann haben alle Menschen, egal, wo sie wohnen, Anspruch auf solche Medikamente, wenn sie sie benötigen. Das gehört zur medizinischen Notwendigkeit und das müsste Standard sein.
an den Folgen von Arzneimitteltests gestorben sein. Ich habe gesagt „sollen“. Aber wenn das Ministerium das veröffentlicht, dann wird auch schon etwas dran sein an dieser Sache. Und diese Zahlen unterstreichen auch das, was Herr Gumprecht noch einmal gesagt hat. Das kann nicht sein, dass man in der EU darüber nachdenkt, diese Standards aufzuweichen, nur damit die Konzerne diese Tests hier durchführen können, nicht in Indien. Da soll das in der EU aufgeweicht werden. Im Gegenteil, die müssen Auflagen kriegen, diese Konzerne, egal wo sie diese Medizintests durchführen. Zu den gleichen Standards wie sie in der EU gegenwärtig gültig sind, haben sie diese Tests auch im Ausland durchzuführen. Das muss eine Forderung sein und das muss eine Schlussfolgerung sein, die hier aus diesem Haus auch herausgeht bei diesen Sachen.
Deshalb ist auch diese Logik der Kommission nicht zu verstehen. Deshalb brauchen wir diese wissenschaftliche Aufarbeitung. Wir wollen ja auch - ich glaube, da sind wir uns auch einig - die wissenschaftliche Aufarbeitung nicht nur machen zum Selbstzweck, oder wieder mal zu sagen, da ist etwas passiert, sondern wichtig ist ja für diese wissenschaftliche Aufarbeitung, dass in der Zukunft solche Tests auf Grundlage gesetzlicher Regelungen, auf Grundlage von Transparenz durchgeführt werden und nicht zum Schaden von Menschen. Medizinische Tests wird es immer geben und wird es geben müssen, aber auf Grundlagen und nicht zum Schaden von Patienten. Das sollte das Fazit sein. Diese Tests haben den Patienten zu dienen und nicht den Konzernen. Danke.
Herr Kubitzki, das Thema Frühwarnsystem möchte ich ansprechen und vielleicht können Sie mit einem klaren Ja oder Nein antworten. Es gibt eine Vorlage 5/2712 des Landtags an die Mitglieder des Europaausschusses vom 23. Juli 2012. Das ist genau in der Sommerpause gewesen. Dieser Antrag, der das beinhaltet, ist leider nie behandelt worden. Könnten Sie da bitte mal aufklären, woran das lag, dass das sozusagen auch uns durch die Lappen
gegangen ist, denn es wäre möglich gewesen, am 14.09. oder am 12. Oktober das zu behandeln. Der Sozialausschuss war gar nicht beteiligt. Insofern ist es hier bedauerlich, dass wir an vielen Dokumenten beteiligt sind, hier aber nicht. Also die Frage: Wären Sie bereit, das zu prüfen?
Klar. Wir haben im Europaausschuss, da bin ich überzeugt, selbst Interesse daran, warum wir das nicht gemacht haben, warum das an uns vorbei gegangen ist. Und ich werde auch über den Europaausschuss, das werden wir dort auf die Tagesordnung setzen, wir werden das beantworten und diese Antwort geht bestimmt auch dem Sozialausschuss zu. Mehr kann ich jetzt dazu nicht sagen, ich kann es nicht beantworten, warum nicht.
Vielen Dank, Herr Kubitzki. Jetzt gibt es noch den Wunsch auf eine Zwischenfrage. Lassen Sie auch die zu?
Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, Kollege Kubitzki. Würden Sie denn mit mir übereinstimmen, dass, wenn ein Parlamentarier Kenntnis von so einem Dokument hat, dass dann vielleicht auch kollegial damit umgegangen wird und vielleicht dem Vorsitzenden des Europaausschusses oder seinen eigenen Kollegen in der CDU mitgeteilt wird, damit es uns möglich gewesen wäre als Europaausschuss, uns damit zu befassen?
Also wenn das Europaausschuss-Mitglieder gewesen wären, so will ich das beantworten, die hätten das bestimmt getan.
Also so eine Kollegialität erwarte ich ganz einfach, weil, es gibt so ein Sprichwort: „Manche dürfen arbeiten, manche kritisieren.“ Ein zweites Sprichwort: „Dort, wo gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht.“
Danke, Herr Abgeordneter Kubitzki. Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Hartung für die SPDFraktion.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Pharmaversuche in der DDR, Menschen als Versuchskaninchen, Ärzte, die für eine Stange Zigaretten oder Kosmetik für die Frauen ihren Patienten geschadet haben - das sind die Schlagworte, die derzeit viele Menschen in unserem Land umtreiben. Die Verunsicherung ist groß und sie wird auch dadurch nicht geringer, dass sich führende Vertreter unserer Thüringer Ärzteschaft offen und früh dazu bekannt haben: Ja, ich habe auch solche Tests durchgeführt. Und dabei geht in der öffentlichen Wahrnehmung sehr häufig verloren, dass dann gleich nachgeschoben wird: Ich habe mich aber an alle geltenden Gesetze gehalten und ich habe nicht wissentlich Patienten geschadet. Und weil genau dieser Nachsatz oft verloren geht, haben wir eine große Verpflichtung, hier eine Aufklärung anzuschieben, die sich an wissenschaftlichen Prinzipien orientiert und die auch objektiv mit den tatsächlich noch vorhandenen Akten umgeht und ohne irgendeine Vorverurteilung oder tendenziöse Berichterstattung genau diese Sachverhalte aufklärt.
Aus meiner Sicht muss diese Aufklärung mindestens drei Hauptfelder umfassen und wir müssen danach auch als Politiker eine Schlussfolgerung ziehen. Das erste Hauptfeld muss natürlich der Patient sein und da müssen wir auch immer erst mal feststellen: Was ist denn passiert? Es sind klinische Studien durchgeführt worden, das ist verschiedentlich schon gesagt worden, die sind notwendig, die muss man machen, weil die Medikamente, die man in einem Laborversuch erfindet, kann man nicht eins zu eins einfach auf den Menschen übertragen und sagen, das wird schon funktionieren. Man muss das in klinischen Studien testen und da gibt es einfach Wirksamkeitsstudien und dann gibt es auch Blindstudien, das hatte Herr Kubitzki gerade gesagt, wo der Patient entweder den Wirkstoff bekommt, um den es geht, oder einen anderen Wirkstoff oder aber tatsächlich auch, und da muss ich Ihnen widersprechen, ein Placebomedikament. Auch das gibt es. Das hängt von der Schwere der Krankheit ab und von der Art des Wirkstoffs, ob der Patient ein anderes Medikament bekommt oder ob er ein Placebo bekommt. Es liegt in der Natur der Sache, dass Menschen dabei möglicherweise bei solchen klinischen Studien zu Schaden kommen, denn nicht jedes Medikament, das in diese Studienphase reinkommt, wird am Ende zugelassen, sonst bräuchten wir die Studien ja nicht machen. Das heißt, auch wenn alles richtig läuft, können Men
Wir müssen aber auch feststellen, dass die Bereitschaft von Patienten, sich solchen Studien anzuschließen oder sich für so etwas zur Verfügung zu stellen, unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Wenn jemand eine unheilbare Krankheit hat, dann ist er natürlich durchaus bereit, nach jedem Strohhalm zu greifen, das ist normal, das kann jeder nachvollziehen. Aber mit abnehmender Schwere der Krankheit, die er hat, ist natürlich die Bereitschaft, ein experimentelles Medikament an sich selbst als „Versuchskaninchen“ zu testen, weniger stark ausgeprägt. Jeder einmal hier im Raum, Hand aufs Herz, angenommen, wir haben eine leichte Krankheit, ich sage einmal eine Mandelentzündung, wer wäre denn bereit, zu sagen okay, ich teste jetzt einmal ein experimentelles Medikament und greife nicht auf die üblichen Mittel, die man kennt und die man hat, zurück. Wer wäre denn selber bereit, sich für so einen Test zur Verfügung zu stellen? Klar ist natürlich auch, dass gerade bei den Blindversuchen, wenn man eventuell gar kein Medikament bekommt, ein Placebo oder eben ein schwächeres Medikament, oder wenn man zur Gruppe mit dem Wirkstoff gehört, dessen Wirkung man nicht kennt, da stehen die Patienten nicht unbedingt Schlange, wenn man solche Tests macht. Das ist völlig klar und das ist auch verständlich.
In der DDR damals war das alles noch etwas komplexer. Denn da war es ja so, dass die Mittel, die aus dem Westen kamen, erst einmal einen großen Vertrauensbonus genossen. Wenn nun der Arzt sagt, ich habe hier ein Mittel aus dem Westen, das ist noch ganz neu, das ist in der Versuchsphase, wollen Sie das nehmen, dann hat man erst einmal ja gesagt. Und je schwerer die Erkrankung war, umso geringer war der Vorbehalt gegen ein experimentelles Medikament. Das macht die Sache nicht besser, wenn die Aufklärung nicht wirklich sachdienlich und komplett und vollständig war. Aber das müssen wir zur Kenntnis nehmen. In einer Zeit, in der wir die Spritzen ausgekocht haben, in der wir die Kanülen wieder scharf geschliffen haben, wo wir Tupfer gedreht und Platten gelegt haben, da war mancher Arzt froh, wenn er so ein Testmedikament hatte, um seinen Patienten überhaupt behandeln zu können. Das war so in der Mangelwirtschaft.
Man muss auch sagen, eine schriftliche Einverständniserklärung für solche Tests war nicht verlangt. Sie war vor 1986 überhaupt nicht verlangt und nach 1986 musste nur der Arzt dokumentieren, dass er ein Gespräch mit dem Patienten geführt hat. Der musste dem nicht zustimmen und das unterschreiben, wie wir das heute kennen. In jedem einzelnen Sachverhalt, wenn wir den jetzt klären
wollen, ist jetzt die Frage, wie ist diese Dokumentation beschaffen. Wenn da kein schriftlicher Vermerk vorliegt, weil es gar nicht verlangt war, wird am Ende die persönliche Erinnerung des Arztes gegen die persönliche Erinnerung des Patienten stehen. Ich würde mir niemals anmaßen, da entscheiden zu wollen, wer hat denn nun in dieser Situation recht. Deswegen warne ich ganz intensiv vor jeglicher Vorverurteilung.
Der zweite große Komplex, der meines Erachtens untersucht werden muss, ist die Situation der Ärzte. Die waren ja in einer doppelten Zwangslage. Zum einen waren sie natürlich verpflichtet und gehalten, ihre Patienten nach den ethischen Maßstäben und natürlich nach den gesetzlichen Vorgaben zu behandeln. Da muss man auch einmal feststellen, was das Wissen und den Stand der theoretischen Technik anging, war die DDR ganz vorne mit dabei bei den Industriestaaten. Wir waren kein medizinisches Entwicklungsland, was die Theorie anging, aber durch die Mangelwirtschaft, ich habe es angesprochen, konnte nur ein kleiner Teil der DDR-Bürger von diesem hohen Wissensgrad tatsächlich partizipieren. Die allermeisten waren Opfer dieses Mangels.
Man muss natürlich dann auch sagen, dass an diesem Mangel die Ärzte nicht schuld waren, es war das System, das schuld war. Natürlich war es hin und wieder einfach möglich, ich habe das schon erwähnt, dass der Patient eventuell die Wahl hatte, gar keine Behandlung mit einem vernünftigen Medikament oder eben eine experimentelle Behandlung zu erhalten. Die Aufklärung tritt dann zurück. Denn Aufklärung ist nur dann wirklich von einer Bedeutung, von einer wesentlichen Bedeutung, nämlich im Sinne von: Ich treffe eine Entscheidung, wenn ich eine Wahl habe. Wenn ich keine Wahl habe, dann ist die Bedeutung dieser Aufklärung und die Bedeutung dieser Wahl sehr relativ und tritt in den Hintergrund.
Wir müssen auch feststellen, und das war im Osten wie im Westen so zu dieser Zeit in den 80er-Jahren, die allermeisten Ärzte haben sich da nicht großartig damit aufgehalten, ihren Patienten die notwendige Therapie wirklich zu erörtern. Die haben gesagt, das und das hast du, das muss gemacht werden. Bist du damit einverstanden? Dieser letzte Satz war schon nicht immer das, was gesprochen wurde, sondern die allermeisten Patienten haben, ich zitiere mal den Halbgott in Weiß „das getan, was ihre Ärzte ihnen empfohlen haben“. Das, was wir heute kennen, der mündige, selbstbestimmte Patient, der in jeden Behandlungsschritt einbezogen werden muss, ist das Ergebnis einer Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Wenn wir uns die vielfach zitierte Deklaration von Helsinki mal anschauen, dann will ich gar nicht ins Detail gehen, ich verweise nur mal auf die Abstände, in denen das überarbeitet wird. Vom Erlass 1964 bis zur ers
ten Überarbeitung sind 12 Jahre vergangen. Jetzt sind in den letzten sechs oder sieben Jahren vier oder fünf Überarbeitungen dieser Deklaration erfolgt, weil hier etwas im Fluss ist. Die Patientenrechte entwickeln sich und alles das, was für uns heute selbstverständlich ist, war vor 30 Jahren bei Weitem nicht selbstverständlich. Ich wage mal die Prognose, wenn in 20 Jahren unsere Kollegen auf uns zurückschauen, was bei uns zuletzt war, dann werden die vielleicht mit dem Kopf schütteln, weiß ich nicht, aber ich gehe mal davon aus, das ist durchaus möglich.
Der Punkt ist, jetzt komme ich wieder zurück zu den Ärzten, wir müssen all das in der Aufklärung in den historischen Kontext setzen. Selbst ein Arzt, der nicht wegen des Mangels gezwungen war, den Patienten diese Westmedikamente zu geben, selbst so ein Arzt konnte durchaus unter Druck geraten. Das müssen wir untersuchen, ob tatsächlich ein Arzt, der gesagt hat, ich muss das jetzt meinen Patienten nicht geben, ich habe es nicht nötig, wir haben andere wirksame Medikamente, ob da von staatlicher Seite Druck ausgeübt worden ist. Das muss Gegenstand dieser Untersuchung sein, ob Druck ausgeübt worden ist und von wem und wer die Verantwortung dafür trägt. Bei der ganzen Sache völlig unerheblich ist für mich die Frage, welcher Arzt nun mal eine Flasche Sekt, eine Stange Zigaretten oder Kosmetik für die Frau bekommen hat, vielleicht auch Südfrüchte oder ein bisschen Westgeld. Das ist unerheblich, denn das ist ein System, was in der Bundesrepublik völlig normal war. Pharmavertreter, Firmenvertreter haben mit kleinen Präsenten, mehr oder weniger kleinen, bei Ärzten um guten Willen geworben, das war normal, also Bücher, Präsentkörbe, Weinflaschen, es waren Kleinigkeiten,
Einladungen zum Essen, Weiterbildungen, wobei der Begriff Weiterbildung sehr dehnbar war. Die Orte, wo diese Weiterbildungen stattgefunden haben, waren so international bedeutsame Kliniken, wie Miami Beach zum Beispiel. Das war vollkommen normal und diese Form der Bestechung hat in der Bundesrepublik jahrzehntelange Tradition gehabt. Erst Ende der 90er-Jahre im Zuge von verschiedenen Bestechungsskandalen bei Herzklappenvergaben und so was ist das dann näher untersucht worden und ist auch irgendwann dann abgeschafft worden, Ende der 90er-Jahre, Anfang dieses Jahrtausends. Wir müssen jetzt feststellen, dass die Pharmareferenten, so war es im „Spiegel“ zu lesen, dieses Geschenkesystem in die DDR mit hineingetragen haben. Das stellen wir fest, das macht es nicht besser, es ist aber so. Es ist ein System, was in der Bundesrepublik viele Jahre Tradition hatte.
Nun kommen wir zum dritten Gegenstand der Untersuchung. Da müssen wir sagen, welche Rolle hat die DDR gespielt, wie war das Verhältnis zu den Pharmafirmen und natürlich ist es ein moralischer Skandal, wenn die DDR für medizinische Experimente an ihren Bürgern Geld genommen hat. Das ist moralisch nicht akzeptabel, selbst dann nicht, wenn alle DDR-Gesetze immer eingehalten worden sind, selbst dann ist das ein Skandal.
Viel dramatischer ist es allerdings, wenn Druck ausgeübt worden ist, wenn Gesetze nicht eingehalten worden sind, wenn Druck auf Ärzte oder gar auf Patienten ausgeübt worden ist, dann muss natürlich die Aufklärung eine ganz andere Richtung nehmen und wir müssen auch ganz andere Konsequenzen fordern. Wie auch immer das Ergebnis bei der Untersuchung ausfällt, wir lernen eine neue unappetitliche Facette unseres früheren Staats hier kennen, der für Geld alles verhökert hat. Das ging von Petitessen, beim historischen Straßenpflaster fing das an, das aus DDR-Städten genommen und an die Weststädte verkauft wurde, über Blutprodukte, über Häftlinge, die an schwedische Möbelhäuser vermietet worden sind oder wenn die Häftlinge nur Dissidenten waren, wurden sie auch im Ganzen verhökert. Jetzt hat man eben auch so was gemacht, das ist unappetitlich, wir lernen kennen, das dieser Staat alles zu Geld gemacht hat, was nicht nietund nagelfest war und da wenig moralische Skrupel gekannt hat.
Das ist so, müssen wir an dieser Stelle feststellen. Aber jedes noch so moralisch verwerfliche Geschäft findet nur dann statt, wenn es auch jemanden gibt, der auf der anderen Seite steht. Also, wenn ich etwas unmoralisch verkaufen will, muss es auch einen Käufer geben, damit es das Geschäft gibt. Auch diese Rolle muss untersucht werden. Es muss untersucht werden, warum es möglich war, dass Pharmafirmen in einer Zeit, wo sich Patientenrechte entwickelten, auf die Suche gemacht haben, wo man möglichst billig, in Ländern, wo man niedrige rechtliche Standards hatte, Tests machen konnte. Auch das muss klar sein, dass den Pharmafirmen bewusst war, was sie da tun. Wir haben gehört, Pharmareferenten waren durchaus zur Kontaktpflege bei den Ärzten, in Kliniken, auf den Stationen, die müssen gewusst haben, was da vorgeht, die müssen gewusst haben, unter welchen Bedingungen diese Studien stattgefunden haben, und das muss untersucht werden. Damit ist es aber immer noch nicht vorbei. Wenn diese Pharmafirma aus dieser Studie einen Gewinn ziehen wollte, musste sie die Ergebnisse bei einer westdeutschen Behörde einreichen und da muss man fragen, ob diese Behörde denn tatsächlich davon ausgehen konnte, dass es in der DDR solche Versuche immer
nach rechtsstaatlichen Prinzipien abgelaufen sind. Konnten sie tatsächlich dieses Vertrauen haben oder haben sie nicht lieber alle Augen zugedrückt, genauso wie sie es jetzt tun, wenn dieselbe Firma mit einer Studie aus Indien kommt? Da sind wir bei den Schlussfolgerungen, die wir aus diesen Untersuchungen ziehen müssen. Natürlich ist es richtig, dass, wenn Patienten, die nicht aufgeklärt worden sind, zu Schaden gekommen sind, die dafür in irgendeiner Art und Weise entschädigt werden müssen. Für mich persönlich tritt der Schaden aber nicht mit dem körperlichen Schaden ein. Jeder Patient, der ohne sein Wissen zum Versuchskaninchen gemacht worden ist, ist in seiner Würde verletzt worden und die Würde steht nach den Grundrechten sogar noch über der persönlichen Unversehrtheit. Das heißt, völlig gleichgültig, ob derjenige einen körperlichen Schaden davongetragen hat: Ist er nicht aufgeklärt worden, ist er in seiner Würde verletzt worden und darauf müssen wir dann reagieren. Aber, das ist die rückwärtsgewandte Konsequenz, für mich persönlich ist es völlig undenkbar, dass wir aus dieser ganzen Debatte herausgehen und es akzeptieren, dass dieselben Techniken, dieselben Praktiken in anderen Ländern außerhalb Europas weiterbestehen.
Es kann nicht sein, dass wir akzeptieren, dass klinische Studien in Indien durchgeführt werden, wo wir hören, man braucht ja nur die Berichte von Kollegen, die dort tätig sind in verschiedenen Hilfsorganisationen, lesen, dass Familienvorstände ihre Kinder verkaufen für Medikamententests für eine Handvoll Rupien. Das ist auch nicht verwunderlich in einem Land, wo man für 500 € eine Niere kaufen kann. Und das müssen wir sagen, dass wir hier nicht nur nach hinten gewandt aufklären und sagen, da müssen Leute entschädigt werden, dem ich eventuell zustimme, sondern es muss notwendig und richtig sein, dass wir daraus die Konsequenz ziehen, dass solche Zustände von unseren Firmen in keinem anderen Land auf dieser Welt genutzt werden dürfen. Das muss die Konsequenz aus diesen Untersuchungen sein.
Wenn wir das nicht machen, hat es lediglich ein historisches Interesse und kein praktisch relevantes. Aber wir sollten nicht nur nach hinten schauen, sondern wir sollten nach vorne schauen und wir müssen feststellen und festlegen, was ist notwendig, dass solche Dinge nicht nur nicht mehr in Deutschland passieren, sondern nirgends auf der Welt. Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter Dr. Hartung. Ich sehe jetzt aus den Reihen der Abgeordneten keine Redemeldung. Das Wort hat jetzt Frau Ministerin Taubert.