Protocol of the Session on April 25, 2013

met, weil es eben nicht nur um die holzschnittartige Zuschreibung geht, ob er oder sie für das MfS gearbeitet hat oder aber für die K1, sondern weil es noch sehr, sehr viele mehr kleine Rädchen gab, die das System, die Diktatur der DDR, die SED-Diktatur und das System der Bespitzelung am Laufen gehalten haben. Da muss ich ganz deutlich sagen, bin ich schwer enttäuscht, wenn Sie sich dann mit fadenscheinigen Argumenten und angeblichen Gleichstellungsmythen hier der Verantwortung entziehen, für umfassende Aufklärung zu sorgen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau deshalb haben wir uns für zwei Schritte entschieden. Wir sagen, Ja, wir wollen die Überprüfung, gar keine Frage, wir wollen Sie aber so, dass sie nicht zu einer Show gerät, das will ich auch ganz deutlich sagen, und wir wollen diese begleiten mit unserem Entschließungsantrag, der sagt, es geht um eine unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung, die eben nicht durch politische Mehrheiten motiviert ist, denn jeder und jede kann irren, meine Damen und Herren.

Ich sage es noch mal, auch wenn es vielleicht manchem wehtut, die Rolle der Blockparteien wurde viel zu lange außer Acht gelassen genauso wie viele andere Stellschrauben im System der SED-Diktatur, die es zu betrachten gilt. Dafür werben wir, für umfassende Aufarbeitung, und hoffen nach wie vor darauf, dass Sie sich einer Überweisung unseres Entschließungsantrags an den Justizausschuss nicht weiter versperren. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Als Nächster spricht der Abgeordnete Dr. Pidde von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe schon in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs auf die besondere Verantwortung gegenüber den Opfern hingewiesen. Aufgrund der Debatte vor vier Wochen, aber auch aufgrund des heute Gesagten möchte ich noch einmal die besondere Hochachtung vor den Menschen, die die politische Wende eingeleitet haben, ausdrücken.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Der Ausgang der inneren Revolte in der DDR war im September, Oktober 1989 noch vollkommen offen. Eine blutige Lösung à la Peking lag noch immer in der Macht von Honecker und Co. und ich denke an die Zeit im Landkreis Gotha zurück, wie

viel Schiss wir hatten, wie uns bei jeder Aktion die Beine gezittert haben.

(Beifall FDP)

In diesen Tagen, die von Hochspannung erfüllt waren, haben beherzte Menschen die Stasibehörden blockiert, besetzt und verhindert, dass die Akten geschreddert worden sind. Hut ab vor diesen Menschen, die dort aktiv waren, und denen gegenüber sind wir es einfach schuldig, das Geschehene aufzuarbeiten und die Stasiüberprüfung fortzusetzen.

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich habe das deshalb noch einmal so hervorgehoben, weil ich die Ausführungen von Herrn Korschewsky in der letzten Beratung, aber auch heute mit Befremden zur Kenntnis genommen habe.

(Beifall FDP)

Einerseits sagen Sie, Sie wollen einen offenen und transparenten Umgang mit den politischen Biografien der damals Handelnden, und dann, wenn es um entsprechende Schlussfolgerungen geht, versagt Ihre Partei, dann setzen Sie entsprechende Leute auf aussichtsreiche Listenplätze und erklären dann hier, diese sind vom Volk in den Landtag gewählt worden.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall SPD, FDP)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Was ist Ihr Vorwurf?)

Auch heute werden Sie wieder der erneuten Stasiüberprüfung nicht zustimmen und machen das am Verfahren fest. Wenn ich das sehe, einerseits verkünden Sie hehre Ziele, zum anderen keine Schlussfolgerungen und als Drittes Ablehnung aus Verfahrensfragen. In diesem Dreieck bewegt sich die Partei DIE LINKE.

Meine Damen und Herren, wir wollen eine erneute Stasiüberprüfung aus zwei Gründen, einerseits wird es neue Erkenntnisse geben - es ist gerade schon darauf hingewiesen worden -, es gehen die Forschungen zu den Rosenholz-Akten weiter zu anderem Aktenmaterial und die Bearbeitung und Rekonstruktion von geschreddertem Material schreitet voran, so dass es wirklich auch neue Erkenntnisse gibt. Zum Zweiten sind wir es aber auch schuldig gegenüber den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes. Für diese ist eine Stasiüberprüfung bis 2019 vorgesehen. Wir können als Abgeordnete nicht einfach anders verfahren, sondern sollten das analog durchführen. Deshalb sind wir für eine einfache Verlängerung des jetzt bestehenden Gesetzes.

Frau Rothe-Beinlich hat für ihre Fraktion vorgetragen, dass sie das alles ändern will. Änderungsan

(Abg. Rothe-Beinlich)

trag und Entschließungsantrag liegen vor. Man kann über das Überprüfungsverfahren auch streiten, ob das verbesserungswürdig ist oder nicht. Da könnte man lange Diskussionen führen. Jetzt, wo das Ganze auslaufen soll, sollten wir das Rad nicht noch einmal neu erfinden.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hätten wir gern gemacht, das diskutieren.)

Vielleicht wäre die Diskussion vor 10 oder 15 Jahren sinnvoll gewesen und man hätte sie dann auch anders führen sollen. Meine Fraktion ist der Meinung, dass wir jetzt nicht noch einmal eine Grundsatzdiskussion dazu aufmachen sollten, sondern dass wir einfach das bestehende Gesetz noch einmal verlängern sollten. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Dirk Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, den vorliegenden Gesetzentwurf haben wir im März-Plenum bereits beraten. Rein formal geht es nur um die Verlängerung eines Gesetzes auf die 6. Wahlperiode. Aber wie wir in der vergangenen Beratung bereits festgestellt haben, hat die Verlängerung emotional für jeden Einzelnen, vor allem aber gerade für die Opfer des SED-Regimes, eine große Bedeutung. Meine Damen und Herren, ich habe beim letzten Mal Ihnen eine Reihe von Biografien exemplarisch angerissen, was ich jetzt gar nicht weiter fortsetzen möchte, schon auch, um von den Reden, die ich hier gehört habe, das Andenken an diese Menschen nicht weiter beschädigen zu lassen. Ich will hier kurz auf den Änderungsantrag der GRÜNEN eingehen. Wenn hier - und das ist nicht das erste Mal, meine Damen und Herren - mit einem Heiligenschein über dem Kopf von einer Abgeordneten erklärt wird, wie unerträglich der Begriff „parlamentsunwürdig“ für sie sei, möchte ich diejenige an ihren FacebookEintrag vom letzten Dezember erinnern. Sie, Frau Rothe-Beinlich, haben diesen Begriff „parlamentsunwürdig“ auf eine große Anzahl der Abgeordneten hier im Hohen Haus verwendet, meine Damen und Herren.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Und wenn Sie hier den Moralapostel spielen wollen, dann sollten Sie in Zukunft Ihre eigene Wortwahl überdenken.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist scheinheilig!)

Ich persönlich glaube Ihnen die Nummer nach diesem Vorfall nicht. Deswegen, meine Damen und Herren, ist der Änderungsantrag nichts weiter als Schaufensterpolitik von den GRÜNEN.

(Beifall CDU, FDP)

Die Streichung des § 8 aus dem Gesetz ist ebenfalls nicht zwingend notwendig. § 8 ist nach dem Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 25. Mai 2000 nichtig und somit auch nicht mehr anwendbar. Und da es so ist, kann auch jeder im Gesetz nachlesen, meine Damen und Herren. Und bei § 8 befindet sich eine Fußnote, die genau das genannte Urteil und den Tenor wiedergibt.

Weiter zum Entschließungsantrag der GRÜNEN. Hier findet sich leider nur ein richtiger Satz. Der Landtag bekennt sich dazu, „dass eine umfassende und rückhaltlose Aufarbeitung der Funktionsweisen des SED-Unrechtsregimes und die Aufklärung darüber auch heute noch notwendig sind“, das war ein Zitat. Das, meine Damen und Herren, ist absolut richtig. Genau wegen diesem Punkt soll das Gesetz auch auf die 6. Wahlperiode verlängert werden. Die weiteren Sätze erschließen sich mir nicht. Zum einen weiß ich nicht, wie wir die Wähler über das Ausmaß der Verstrickung aller Landtagskandidaten informieren sollen und warum wir nun zusätzliche wissenschaftliche Aufarbeitung benötigen. Dies gibt es schon und umfangreich; Bundesbeauftragte, Landesbeauftragte, Verbände, Stiftungen und Vereine leisten hier eine sehr gute Arbeit, für die ich ausdrücklich danken möchte.

(Beifall FDP)

Darüber hinaus gibt es einen Satz in Ihrem Entschließungsantrag, der bei mir auf absolutes Unverständnis stößt. Ich zitiere: „Auch heute noch sollen Abgeordnete politische Verantwortung übernehmen.“ Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass das nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft und für die Vergangenheit

(Beifall FDP)

für Abgeordnete selbstverständlich ist, politische Verantwortung übernehmen zu müssen. Deswegen, meine Damen und Herren, halte ich den Entschließungsantrag, außer den ersten Satz, nicht für zustimmungsfähig.

(Beifall FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, ansonsten ist nicht mehr viel zu der Verlängerung des Gesetzes zu sagen. Ohne eine Verlängerung würde es nach der 5. Wahlperiode außer Kraft treten. Das kann keiner von uns, der es ernst meint mit den Opfern und der es ernst mit Aufklärungsarbeit meint, wirklich wollen. Ich habe es schon in der letzten Bera

(Abg. Dr. Pidde)

tung gesagt, meine Damen und Herren, und ich wiederhole es gern wieder. Es wäre ein fatales Signal für diejenigen, die unter der DDR-Diktatur leiden mussten, wenn wir als Abgeordnete, als Repräsentanten des Volkes nach außen für Aufklärungsarbeit werben und bei uns selber vor Konsequenzen und Aufklärungsarbeit haltmachen würden.

(Beifall FDP)

Deswegen, meine Damen und Herren, wird die FDP-Fraktion der Verlängerung des Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten zustimmen und Ihre Anträge, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ablehnen.

Ich möchte aber trotzdem noch ein paar Worte aufgreifen, die ich, ich will es höflich ausdrücken, mehr als bemerkenswert fand. Ich glaube, wenn ein Satz fällt von Herrn Korschewsky wie, Aufarbeitung darf nicht in billige Abrechnung abgleiten, ausgerechnet aus einer Vergangenheit, wo er auch zu der führenden Partei des Systems damals gehörte, dann ist das etwas, was den Opfern dieser Diktatur nicht gerecht wird, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Es wird den Opfern von Gulag und Stasiknast nicht gerecht. Ich will auch eines sagen: Wenn Sie meinen, was Abrechnung ist und was Aufarbeitung ist, selbst entscheiden zu können, dann trifft das nicht zu. Das betrifft das ganze Volk, meine Damen und Herren.

Ich möchte auch auf die Formulierungen von Frau Rothe-Beinlich zum Thema „Blockparteien“ kommen. Ich kann das in großer Unbefangenheit tun, weil ich zu DDR-Zeiten selbst nicht Mitglied einer Partei war. Aber ich war politisch interessiert und ich habe mir sehr genau angesehen, was in welcher Partei geleistet wurde und ich habe es auch in der Schule gesehen, in der meine Mutter unterrichtet hat, die selbst parteilos war. Es gab dort sehr viele Mitglieder von Blockparteien und die sind dort hingegangenen aus verschiedenen Gründen, die in meinen Augen nicht ehrenrührig sind. Die sind dort hingegangen, weil sie sich der Werbung der SED entziehen wollten. Andere sind hingegangen, weil sie die Hoffnung hatten, in einer Blockpartei etwas an der Änderung des Systems bewegen zu können.