Also die Unwürdigkeit festzustellen, haben Sie in Ihren Antrag reingeschrieben, sei mit dem Demokratieprinzip, dem parlamentarischen Prinzip und der Menschenwürde nicht zu vereinbaren. So steht es in Ihrem Antrag. Das ist aber doch eine völlig unhaltbare Begründung.
Wir haben mehrere Gesetze - angefangen von Artikel 18 Grundgesetz über Artikel 39 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz bis ins Strafgesetzbuch hinein, in denen sogar eine Verwirkung von Grundrechten vorgesehen ist, in denen man das passive und aktive Wahlrecht aberkennen kann.
Und Sie sagen, die schlichte Feststellung der Parlamentsunwürdigkeit sei ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Gegen wessen Menschenwürde ist denn damals verstoßen worden? Denken Sie einmal an die Opfer, an die Menschenwürde der Opfer. Darum geht es doch eigentlich, es geht um die Menschenwürde der Opfer.
Also in den Fällen, in denen selbst das Grundgesetz die Aberkennung von Grundrechten vorsieht, da geht man davon aus, dass da jemand gegen das Grundvertrauen verstoßen hat, mit dem man in der Öffentlichkeit zusammenlebt und nichts anderes ist die Bespitzelung seiner arglosen Mitbürger. Oftmals sind es doch Bekannte und Freunde gewesen.
Die Bespitzelung für das MfS ist ein grundlegender Verstoß gegen die Regeln eines selbstbestimmten Zusammenlebens. Nichts anderes ist das. Das rechtfertigt doch allemal die sanktionslose - das muss man noch dazu sagen - Feststellung der Parlamentsunwürdigkeit. Das rechtfertigt das aber allemal.
Die soll zum Ausdruck bringen, genau dasselbe, weshalb man zum Beispiel Grundrechte aberkennt, dass jemand in so schwerwiegender Weise gegen die Menschenwürde anderer verstoßen hat, dass man feststellt, dass er eigentlich unwürdig ist, in einem Parlament zu sitzen. Genau diese Feststellung soll damit verbunden sein.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wann? Unter welchen Bedingun- gen wurde in der Bundesrepublik jemals ein Grundrecht aberkannt? Wann ist das jemals geschehen?)
Lesen Sie doch mal den Artikel 18 Grundgesetz, da steht es drin. Und aktives und passives Wahlrecht werden ständig aberkannt, schauen Sie doch mal ins Strafgesetzbuch, das geht sogar automatisch bis zu fünf Jahre. Natürlich.
Jetzt zum Entschließungsantrag. Der Entschließungsantrag ist auch nicht besser. Dort wird zunächst gefordert, das ist ja ganz schön und liest sich auch ganz gut, dass Wähler über das Ausmaß der Verstrickung in das System der SED-Diktatur informiert werden sollen. Das liest sich ganz gut, ja. Aber, das Aber kommt gleich, es ist eigentlich unerträglich, wenn dann die Tätigkeit für das MfS in Verbindung gesetzt wird mit einer Mitgliedschaft in einer Blockpartei. Das wird so schön verknüpft, so nach dem Motto, wer in einer Blockpartei war, das ist genauso schlimm, wie wenn einer für das MfS gespitzelt hat.
Na ja, so liest sich das. Dieser Zusammenhang, den Sie da herstellen wollen, ist doch offensichtlich und er dient doch nur dazu, das in einen Vergleich zu bringen und letztlich die Tätigkeit für das MfS zu verniedlichen. Nicht anders kann man das verstehen und deshalb ist dieser Entschließungsantrag für uns unannehmbar. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe interessierte Gäste, wir haben hier eine ausgesprochen emotionale Debatte und das ist auch nachvollziehbar, geht es doch um Biografien, geht es um das Erleben von vielen Menschen und geht es aber vor allen Dingen auch um eine Gesetzlichkeit, über die wir gern in der gebotenen Fachlichkeit auch im Ausschuss diskutiert hätten. Das muss ich an dieser Stelle noch einmal sagen. Leider war die Koalition zur Diskussion nicht bereit.
Warum haben wir entsprechende Änderungsanträge zum Abgeordnetenüberprüfungsgesetz eingereicht? Zum einen, noch einmal vorweg, damit Sie es sich nicht so einfach machen. Auch wir sagen, es braucht die Überprüfung der Abgeordneten, ja, dazu stehen wir auch in der 6. Legislaturperiode, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir sagen aber auch, eigentlich ist das der zweite Schritt. Zunächst braucht es die Offenlegung derjenigen, die sich um ein Mandat im Thüringer Landtag bewerben. Damit die Bürgerinnen und Bürger
wissen, wen sie und warum sie wen wählen. Da ist man natürlich darauf angewiesen, dass der- oder diejenige auch die Wahrheit über das sagt, was er oder sie getan hat. Aber das ist ein erster ganz wichtiger Schritt und genau dafür werben wir mit unserem Entschließungsantrag.
Herr Korschewsky, Sie haben leider nicht recht, wenn Sie sagen, dass wir die Systematik des Gesetzes nicht verändern. Wir verändern diese durchaus, und zwar verändern wir diese an den Stellen, wo wir das für richtig und wichtig halten. Im Moment ist die Praxis folgende, die meisten von Ihnen kennen sie: Es werden Überprüfungen vorgenommen. Bei der Erstanfrage soll es auch bleiben, sprich, ob Erkenntnisse vorliegen, dass der oder die Abgeordnete, der oder die vor 1970 geboren ist, so sagt es das Gesetz, für die Staatssicherheit oder aber auch die K1 gearbeitet hat. Entscheidend aus unserer Sicht ist aber, dass, wenn es keine neuen Erkenntnisse gibt, und wir wissen alle, es können neue Erkenntnisse hinzukommen, weil nach wie vor geforscht wird, weil immer noch Daten zusammengepusselt werden, weil immer noch Erkenntnisse gewonnen werden, dass aber, wenn keinerlei neue Erkenntnisse vorliegen und der oder die Abgeordnete bereits einmal überprüft wurde und bewertet wurde, keine weitere Überprüfung und keine weitere Einschätzung stattfindet. So ist das im Übrigen auch in Mecklenburg-Vorpommern und in SachsenAnhalt längst Praxis und dafür werben wir, weil wir alle wissen, was sonst am Ende dabei herauskommt. Da, sage ich ganz deutlich, halte ich es in der Tat nicht für richtig, erneut zu beraten, insbesondere wo es nur ein sehr kleines Gremium ist, das dies tut, und nicht der gesamte Landtag, der über die betroffenen Abgeordneten an dieser Stelle „urteilt“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau diese Systematik brechen wir. Zum Zweiten ändern wir im Gesetz in der Tat die Zuschreibung der Parlamentsunwürdigkeit. Herr Scherer, wir meinen das sehr ernst;
wer kann einem Menschen warum auch immer Parlamentsunwürdigkeit attestieren? Wollen wir uns jetzt gleichmachen mit einem Unrechtssystem, das die Würde der Menschen mit Füßen getreten hat? Das ist überhaupt gar keine Frage, natürlich, das ist geschehen. Uns geht es auch um die Opfer, uns geht es auch um deren Situation. Wir wissen das sehr gut, wir kommen zum großen Teil selbst aus Familien, die jahrzehntelang einer permanenten Bespitzelung und Unterdrückung ausgesetzt waren. Aber steht es uns zu, über einen Kollegen oder eine Kollegin zu „urteilen“, dass er oder sie parlamentsunwürdig ist, nachdem der Souverän, sprich der Wähler oder die Wählerin, ganz bewusst ent
Ich finde im Übrigen auch bedenklich, wenn Menschen beispielsweise die NPD wählen und trotzdem können sie es tun. Wenn Menschen sich entscheiden, jemanden zu wählen, dessen Biografie sie kennen, weil er oder sie offen damit umgeht, und sagen, er überzeugt mich trotzdem oder ich sehe eine demokratische Bewährung an der Stelle gegeben, dass sie sagen, ich sehe mich durch den oder die vertreten, haben wir dann als Kolleginnen und Kollegen das Recht zu sagen, er oder sie ist parlamentsunwürdig und doch erfolgt nichts daraus? Denn das ist der entscheidende Knackpunkt. Sie wollen ein Gesetz verlängern inklusive eines Paragraphen, der bereits vor 13 Jahren vom Thüringer Verfassungsgericht für nichtig erklärt wurde.
Sie hatten nicht einmal die Größe, diesen Fehler des Gesetzes zu heilen, einen Paragraphen zu streichen, der mit einem Sternchen versehen ist im Gesetz, wo man am Ende auch in der Fußnote nachlesen kann, dass das Verfassungsgericht geurteilt hat, dass der Entzug des Mandats überhaupt keinen Bestand hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, da muss man sich dann fragen, geht es hier um eine politische Mehrheitsbeurteilung oder geht es um Aufarbeitung? Uns geht es um Aufarbeitung, und zwar ohne Wenn und Aber.
Lieber Herr Scherer, ich kann mir vorstellen, dass es dann wehtut, wenn wir sagen, zu umfassender Aufarbeitung gehört die umfassende Offenlegung der Verstrickung in das System der SED.
Ja, das ist so. Wer oder was hat denn in welcher Art und Weise das System stabilisiert; selbstverständlich auch die Blockparteien.
(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Es geht nicht um eine Stabilisierung, es geht um eine Bespitzelung.)
Auch Funktionsträgerinnen und Funktionsträger der Blockparteien waren beispielsweise weisungsbefugt und haben selbstverständlich ohne Wenn und Aber das System der DDR mit Zähnen und Klauen und damit die Diktatur verteidigt. Wovor haben Sie denn Angst?
Warum wehren Sie sich denn gegen unseren Entschließungsantrag und qualifizieren ihn ab als ein Gutachten, was verwaschen würde, wenn wir sagen, wir wollen einen wissenschaftlichen Forschungsauftrag vergeben, der sich genau dem wid
met, weil es eben nicht nur um die holzschnittartige Zuschreibung geht, ob er oder sie für das MfS gearbeitet hat oder aber für die K1, sondern weil es noch sehr, sehr viele mehr kleine Rädchen gab, die das System, die Diktatur der DDR, die SED-Diktatur und das System der Bespitzelung am Laufen gehalten haben. Da muss ich ganz deutlich sagen, bin ich schwer enttäuscht, wenn Sie sich dann mit fadenscheinigen Argumenten und angeblichen Gleichstellungsmythen hier der Verantwortung entziehen, für umfassende Aufklärung zu sorgen.