Ich möchte auch auf die Formulierungen von Frau Rothe-Beinlich zum Thema „Blockparteien“ kommen. Ich kann das in großer Unbefangenheit tun, weil ich zu DDR-Zeiten selbst nicht Mitglied einer Partei war. Aber ich war politisch interessiert und ich habe mir sehr genau angesehen, was in welcher Partei geleistet wurde und ich habe es auch in der Schule gesehen, in der meine Mutter unterrichtet hat, die selbst parteilos war. Es gab dort sehr viele Mitglieder von Blockparteien und die sind dort hingegangenen aus verschiedenen Gründen, die in meinen Augen nicht ehrenrührig sind. Die sind dort hingegangen, weil sie sich der Werbung der SED entziehen wollten. Andere sind hingegangen, weil sie die Hoffnung hatten, in einer Blockpartei etwas an der Änderung des Systems bewegen zu können.
Herr Adams, Sie können dann ja hier noch reden. Und wieder andere sind da hingegangen, weil sie dem grundsätzlichen Gedanken, der sich hinter der jeweiligen Partei versteckt hat, zugetan waren.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da gab es auch schon einige, die das bei der SED geglaubt haben.)
im Gegenteil, man sollte sich ja mal vor Augen führen, warum ist es denn möglich gewesen, diese Parteien gleichzuschalten. Wenn Sie in den Raum im Nachbargebäude gehen, dann sehen wir ja dort Namen von Menschen, die verfolgt worden sind und ich darf als Liberaler sagen, eben auch von Herrmann Becker, der in einer Pause des Thüringer Landtags abgeholt und nach Russland verfrachtet worden ist und dass man Parteien so gleichschalten kann, darf man ihnen heute nicht vorwerfen, meine Damen und Herren.
Doch, genau das gibt es und dazu sollten Sie auch stehen und Sie sollten nicht heute die decken, die das damals gemacht haben, meine Damen und Herren.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir decken überhaupt nie- manden, Herr Bergner. Das ist der Unter- schied!)
Und ich will noch eines sagen, was ich erst recht unverschämt finde: Ich finde es unverschämt, Schild und Schwert der führenden Partei der Arbeiterklasse auf eine Stufe zu stellen mit den Blockparteien zu DDR-Zeiten, denn das ist eine Unverschämtheit.
Es ist immerhin so gewesen, dass es auch in diesen Parteien Leute gab, die bespitzelt worden sind, die verfolgt worden sind und denen man die Zukunft zerstört hat. Und das will ich überhaupt nicht anders sagen, selbstverständlich geht es hier auch um diejenigen, die sich als Stasispitzel in anderen Kräften und Gruppierungen schuldig gemacht haben; es geht hier nicht um einzelne Parteien, es geht hier bei diesem Gesetzentwurf um die Staatssicherheit, darum geht es und deswegen werden wir zustimmen.
Ich möchte, wenn ich beim letzten Mal auf persönliche Biografien abgestellt habe, noch einen Satz sagen, warum es mir wichtig ist, dass diese Stasisache weiter ordentlich aufbereitet wird. Noch 1988 gab es an der damaligen Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar eine klitzekleine Flugblattaktion, vielleicht ein bisschen entlehnt bei der Weißen Rose. Da wurde im „Langen Jakob“ ein ganzer Stapel Flugblätter im Treppenhaus herun
tergeworfen. Da stand nichts weiter drauf als der Satz „Heute der Sputnik und was morgen?“. Zur Erklärung für die, die das damals vielleicht nicht mitbekommen haben: Der Sputnik war eine sowjetische Zeitschrift, die durch die SED verboten worden ist. Und auf diesen Flugblättern stand „Heute der Sputnik und was morgen?“. Das hat gereicht, damit die Staatssicherheit wochenlang die gesamte Hochschule durchforstet hat und das hat gereicht, diejenigen, die man dann nach etlichen Wochen auch erwischt hat, von der Hochschule zu exmatrikulieren. Und solche gebrochenen Biografien, die dürfen wir hier nicht verraten
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Pidde, ja, natürlich wollen wir die Überprüfung fortführen und ich habe ehrlich gesagt überhaupt keinen Redebeitrag gehört, der sich heute hier von der Überprüfung verabschieden will.
Was unterstellen Sie hier Ihren Mitdiskutierenden? Erstens, die Überprüfung muss weitergehen. Das wollen wir.
Lieber Herr Kollege Korschewsky, Ihre Rede hat mich auch sehr verwundert. Wer tatsächlich argumentiert, dass man nicht die Diktatur sich anschauen muss, um das Glück der Freiheit kennenzulernen, der ist, glaube ich, wirklich auf einer schiefen Ebene.
Man muss die Diktatur kennen, um die Freiheit zu lieben, und man kann nicht Bildung für Demokratie durchführen, ohne sich mit Diktaturen auseinanderzusetzen. Das, glaube ich, wäre hier noch einer Richtigstellung wert.
Lieber Herr Kollege Scherer, wir beide wissen es, Sie sind ein hervorragender Jurist, aber dass Sie es tatsächlich unternehmen, die Frage der Würde mit einer partiellen Verwirkung nach Grundgesetz der Grundrechte, einzelner Grundrechte, gleichzusetzen, das erstaunt mich sehr. Unumstößlich steht der Artikel 1 Abs. 1 Satz 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Und da hat auch ein Parlament nicht Hand anzulegen,
nicht die Würde in der Frage der informationellen Selbstbestimmung, nicht die Würde, wählen zu dürfen,
nicht die Würde, offen reden zu dürfen. Nichts und niemand kann einem Menschen das absprechen und dafür stehen wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Dafür sind wir auf die Straße gegangen und dazu stehen wir und dafür werden wir kämpfen, auch wenn der Wind, so wie an diesem heutigen Tag, außerordentlich hart ins Gesicht bläst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kollege Barth, wer überlegt, Menschenwürde und Würde zu relativieren, ist nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. Das sage ich Ihnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen aufarbeiten. Wir wollen aufarbeiten, und zwar nicht nur mit der Schwarz-Weiß-Schablone, dass man sagt,
es gibt in diesem Parlament einen Täter und der heißt Kuschel, weil er IM war, es gibt nur einen Täter und es gibt 87 Leute, die in der DDR mit den Füßen gescharrt haben und es gar nicht aushalten konnten, dieses Unrechtsregime zu beenden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das glaubt Ihnen überhaupt keiner. Das glaubt Ihnen keiner und es ist auch nicht wahr! Es ist auch nicht wahr, Herr Barth!
Die Menschen haben mitgemacht zu einem großen Teil. Darum hat die DDR Bestand gehabt, nicht die paar Hanseln von der Staatssicherheit.