Protocol of the Session on April 24, 2013

Und unsere Zukunft als Deutsche mit unseren Nachbarn, auch und gerade den Franzosen, meine Damen und Herren, wird geprägt von Frieden und Partnerschaft. Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist keine Selbstverständlichkeit, das ist vielmehr ein zerbrechliches Gut, ein zartes Pflänzchen, bei dem durch ungeschicktes Verhalten schnell, viel zu schnell alte Wunden aufgerissen und Ressentiments bedient werden können. Deshalb verhehle ich mein Entsetzen nicht, als ich zur Kenntnis nehmen musste, dass mit dem Thüringer Wirtschaftsminister ausgerechnet ein Mitglied unserer Landesregierung in ungehöriger, ja blamabler Weise eine Partnerregion düpiert mit den Worten „Die Zukunft findet man nicht in der Picardie“.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, wenn das die Privatmeinung eines x-beliebigen SPD-Basismitglieds ist, mag das ja noch angehen. Beim Minister einer Landesregierung jedoch erhalten solche Aussagen ein anderes Gewicht in der öffentlichen Wahrnehmung.

(Beifall FDP)

Im Bemühen, die Ministerpräsidentin im lächerlichen Koalitions-Klein-Klein zu düpieren, schießt der Wirtschaftsminister gewaltig über das Ziel hinaus und brüskiert letztlich nicht nur die Picardie, nicht nur Frankreich, sondern Partnerregionen insgesamt.

(Beifall FDP)

Es soll doch, meine Damen und Herren, niemand glauben, dass so ein rüpelhaftes Benehmen nicht in den Partnerregionen wahrgenommen wird. Und es soll doch bitte schön niemand denken, dass Thüringen so den Ruf besonderer Zuverlässigkeit, besonderer Fairness erlangt.

(Beifall FDP)

Die Aussage, die Zukunft finde man nicht in der Picardie, ist erst in zweiter Linie ein Affront gegen die Ministerpräsidentin. In erster Linie brüskiert Minister Machnig damit die Thüringer Partnerregionen Picardie, Kleinpolen, Shaanxi in China und unsere Partnerländer Ungarn sowie auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit Kambodscha.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Wirtschaftsminister brüskiert damit alle Anstrengungen für ein vertrauensvolles Verhältnis mit den Partnerregionen. Er brüskiert das Engagement vor allem der ehrenamtlich aktiven Thüringer Bürger, Vereine und Organisationen, die sich außerhalb der Politik um einen engen Kontakt zu den Partnerregionen bemühen und die sich mit vielfältigen Projekten, zum Beispiel im kulturellen Bereich oder durch gemeinsame Initiativen Umwelt, Naturschutz und so weiter und so fort um die Internatio

(Präsidentin Diezel)

nalität Thüringens verdient gemacht haben. Mittlerweile sind daraus zahlreiche persönliche Kontakte entstanden, meine Damen und Herren. Was Thüringer in den letzten zwei Jahrzehnten mit den Händen aufgebaut haben, das reißt ein temporärer Landesbürger mit seinem Hintern wieder ein.

(Beifall FDP)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es eben nicht in Ordnung, wenn die Ministerpräsidentin milde oder vielleicht sogar feige darüber hinweggeht, als gelte es nur, einen persönlichen Affront zu übersehen.

(Beifall FDP)

Vielmehr, meine Damen und Herren, muss man hier die Frage stellen, wie die Ministerpräsidentin zu ihrer eigenen Richtlinienkompetenz steht und ob sie diese Landesregierung überhaupt noch führt.

Meine Damen und Herren, es ist höchste Zeit, sich offiziell zu entschuldigen und den Vertrauensverlust zu begrenzen.

Meine Damen und Herren, unsere Zukunft - und ich komme damit zum Ende - liegt vielleicht nicht ausschließlich in der Picardie, aber sie liegt im friedlichen Miteinander mit den Völkern dieser Welt, im gegenseitigen Respekt und Verständnis, sie liegt im Miteinander mit unseren Partnern und Partnerregionen und nicht zuletzt in diesem Sinne ganz besonders auch in Frankreich und in unserer Partnerregion Picardie. Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Danke schön. Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Gustav Bergemann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, „Die Zukunft findet man nicht in der Picardie“, jeder hier im Saal weiß, von wem dieses Zitat stammt. Wenn ich Lehrer wäre, würde ich sagen, setzen - 6.

(Beifall FDP)

Das ist wohl die beste Benotung dafür. Aber wir wissen auch, in einem immer enger zusammenwachsenden Europa und seinen Regionen, da kann sich heute nur der Gehör verschaffen, der tatsächlich auch miteinander redet, der gemeinsam seine Interessen bündelt und sie auch vertritt. Minister Poppenhäger ist im Moment gerade nicht da, aber wir merken das ja im AdR oder in der KGRE, auf dieser Ebene kann man hautnah miterleben, wie sich Regionen zusammentun, wie sie gemeinsam abstimmen und wie sie auch miteinander gleiche

Ziele verfolgen. Durch so eine Aussage wird das sicherlich nicht der Fall sein in der Zukunft.

(Beifall FDP)

Wenn man in Zukunft auf partnerschaftliche Beziehungen baut, ich will nur mal sagen, ob das jetzt in der Wirtschaft ist oder im Tourismus, in der Landwirtschaft, in der Bildung, in der Forschung, Entwicklung - man muss halt selbige auch pflegen, das gehört dazu. Die Zukunftsstrategie „Thüringen 2020“, durch die Ministerpräsidentin ins Leben gerufen, bietet uns den notwendigen Rahmen dafür. Es ist gut, dass sie gemeinsam mit Wirtschaftsunternehmen, auch mit Parlamentariern im Rahmen von Wirtschaftskontakten solche Projekte annimmt, da gibt es auch den politischen Dialog. Aber all das sind ja auch Bedingungen oder Auswirkungen unserer europapolitischen Strategie der Thüringer Landesregierung, die wir hier alle im Saal gemeinsam beschlossen haben.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Offenbar nur von bestimmten Teilen der Landesregierung, nicht von allen.)

Deshalb reden wir ja darüber. Ich selbst konnte ’93 damals noch als Mitarbeiter im Europaministerium dabei sein, als wir einen Grundstein für viele Partnerschaften gelegt haben. Dass wir mit der Picardie diese enge Partnerschaft haben, ist letztendlich der damaligen Europaministerin Christine Lieberknecht zu verdanken, auf diesem Sektor überhaupt diesen Kontakt hergestellt zu haben nach der Wendezeit.

(Beifall CDU)

Dass der Wirtschaftsminister noch nicht so lange in Thüringen ist, gut, da kann er offensichtlich die Bedeutung für partnerschaftliche Entwicklung in Thüringen, die jetzt nicht nur zwischen Erfurt, Jena und Weimar stattfinden soll, sondern dem Zitat zufolge wahrscheinlich auch nicht beurteilen. Diese Partnerschaften leben ja vor allem auch von den Menschen in den Regionen.

(Beifall CDU)

Das beweisen auch die vielen Initiativen, die wir haben, ob das in den Vereinen ist oder in den Kommunen oder in den Schulen. Mit 37 Prozent ist die Partnerschaft zur Picardie die höchste prozentual. Gerade deshalb war es wichtig, dort auch hinzufahren und zu sagen, wir Thüringer sind dabei. Was mir noch wichtig ist, ist der Wettbewerb Adream. Frau Ministerin Walsmann hat voriges Jahr hier in der Staatskanzlei die Ehrung vorgenommen, wir haben die Projekte gesehen, Architektur und Design aus nachwachsenden ökologischen Materialien.

Auch die Initiierung von Wirtschaftskooperationen ist dort gegeben, wenn man dort hinfährt, wenn man das dort auch - wo wir es gesehen haben, einige Kollegen waren mit dabei - das liegt auf der

(Abg. Bergner)

Hand. Wenn das keine Zukunftsfragen sind, was sind dann Zukunftsfragen? Noch ein Beispiel: Die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung der Universität in Compiègne mit der Technischen Universität Ilmenau letztes Jahr, Herr Minister Matschie, das sind bestehende Partnerschaftsprogramme. Ich denke, auch das ist ein Beispiel dafür, das muss gepflegt werden. Auch das französische Studentenwerk, das Thüringer Studentenwerk macht hier Zusammenarbeit in Bildungsfragen. Man könnte viele solcher Beispiele aufzählen, die eigentlich unmissverständlich klarmachen, die Zukunft Thüringens liegt auch ganz wesentlich in den zu pflegenden Partnerschaften, in den Beziehungen, die

(Beifall FDP)

der Freistaat Thüringen hat, aber die auch das Parlament hat. Herr Kollege Bergner, ich will nur an die Partnerschaft mit Litauen erinnern. Nicht nur die Landesregierung, sondern auch wir als Parlament haben Partnerschaften zu pflegen, tun das

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Genau.)

und da weiß man, wer dabei war, da sind immer Gespräche über Zukunftsinvestitionen dabei über Projekte, die man gemeinsam macht. Diese Beziehungen sind ein wichtiger Punkt. Wie sagt man immer? Beziehungen schaden nur dem, der keine hat. Der Wirtschaftsminister hat wahrscheinlich keine Beziehungen. Gut, dass die Ministerpräsidentin die Kontakte knüpft und auch pflegt. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Danke schön. Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort der Abgeordnete Jörg Kubitzki.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, als ich die Ankündigung bekam mit dem Thema Ihrer Aktuellen Stunde, war ich erst einmal erschrocken, das gebe ich zu. Ich musste sagen, was will denn hier die FDP, hat die etwas gegen die Beziehung zur Picardie und dergleichen. Ende November, Frau Vizepräsidentin Hitzing, haben wir gerade hier die Delegation der Picardie in diesem Haus empfangen, haben über unsere Arbeit hier als Landtag berichtet, haben Gespräche geführt und haben dafür auch geworben, die Zusammenarbeit der Parlamente, des Parlaments der Picardie und unseres Parlaments zu stärken, und dann lese ich diesen Antrag. Bis man dann einmal hinterfragt hat und ich dann auch recherchiert habe und die Ursache dieses Antrags auch erkannt habe, die bei der Äußerung des Wirtschaftsministers liegt.

Ich weiß ja jetzt auch nicht, ob das angebracht ist, mit diesem Thema, wie Sie das formuliert haben,

die Auseinandersetzung mit dem Wirtschaftsminister zu führen. Wenn ein Außenstehender das liest, die Überschrift kommt von Ihnen,

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: In der Sa- che schon.)

in dem Moment erkenne ich nicht, dass dies ein Zitat des Wirtschaftsministers ist. Wichtig ist, dass da - ich sage das einmal sprichwörtlich - der Herr Wirtschaftsminister - manche werden sich noch daran erinnern - hier eine echte Gurke geschossen hat oder gezeigt hat mit diesem Ausspruch,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

weil - ich muss sagen, wie das meine Vorredner schon gesagt haben - gerade Europa beginnt in der Zusammenarbeit mit der Picardie, gerade Europa beginnt in der Zusammenarbeit mit Kleinpolen, gerade Europa beginnt mit dem Schüleraustausch und gerade Europa beginnt unter anderem mit Jugendaustausch, mit Städtepartnerschaften. Wir haben im vorigen Jahr auch hier in diesem Landtag eine Veranstaltung gehabt mit Jugendlichen, in der ihnen die Perspektive aufgezeigt wurde, die die Zusammenarbeit in Europa hat. Deshalb ist die Formulierung des Wirtschaftsministers falsch und schädlich und hilft uns in keiner Weise,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch die Menschen in diesem Land für Europa zu begeistern. Das ist doch das Problem. Wir sollten dort wirklich - wie das schon gesagt wurde - sehr sensibel mit diesem Thema umgehen. Gegenwärtig erleben wir in Vorbereitung der Bundestagswahl, dass sich hier eine neue Partei gründet und am Wochenende soll die sich in Thüringen gründen. Es steht mir an dieser Stelle erst einmal nicht zu, diese Partei zu bewerten, aber ihre Haltung zu Europa und zum Euro hat diese Partei schon dargelegt. Gerade jetzt, wo sich die Menschen in der Staatsschuldenkrise befinden, die wir hier in Europa haben, oft über den Euro reden, ohne die Ursachen für diese Krise, diese Staatsschuldenkrise zu kennen, ist es leicht für Demagogen, eine europafeindliche Stimmung zu erzeugen. Und wir, die wir hier eigentlich in diesem Haus fraktionsübergreifend diese Vereinbarung auch, die jetzt zwei Jahre alt ist, abgeschlossen haben, die die Europaarbeit stärkt in diesem Haus, wir sollten nichts tun, sowohl vonseiten dieses Hauses als auch vonseiten der Landesregierung, dass im Prinzip da Sachen stattfinden, die diesen Weg beeinträchtigen. Aus diesem Grunde auch namens meiner Fraktion sagen wir, jawohl, wir als LINKE stehen zu einer europäischen Zusammenarbeit, wir stehen zu Europa, auch wenn wir hier mit anderen Fraktionen zu bestimmten Inhalten der Europapolitik unterschiedliche Ansichten haben, das ist normal. Aber wir möchten diese Zusammenarbeit pflegen, diesen