Aber die Verfassungsrichter wiesen - und jetzt bitte ich auch mal zuzuhören, denn das ist eine wesentliche Begründung auch für den heute vorgelegten Gesetzentwurf - in ihrer mündlichen Urteilsbegründung darauf hin, dass der Gesetzgeber natürlich das Niveau der Mitbestimmung zwischen der unteren Schranke aus Artikel 37 Abs. 3 der Thüringer Verfassung und der oberen Schranke nach dem Bundesverfassungsgerichtsentscheid durch Gesetze regeln könne.
Zudem wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das Thüringer Personalvertretungsgesetz an der unteren Schranke der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit angesiedelt sei, nur eben diese noch
nicht unterschritten habe. Der Gesetzgeber hat auch mit der Novellierung im Jahr 2011 wiederum nicht alle nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil verfassungsrechtlich gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Wen wundert es, die CDU sitzt ja weiterhin in den regierungstragenden Mehrheiten hier in diesem Haus
und steht einem tatsächlich modernen und den Anforderungen der Zeit entsprechenden Personalvertretungsrecht weiterhin im Wege.
Auch die Möglichkeiten, die die Thüringer Verfassung birgt, sind noch nicht voll ausgeschöpft. DIE LINKE-Fraktion sieht es daher als wichtige Aufgabe, mit einer Änderung des Artikel 37 Abs. 3 für mehr Regelungsklarheit einzutreten, aber vor allem den von der Verfassung zu beschreibenden Handlungs- und Gestaltungsspielraum für Beschäftigtenmitbestimmung so weit wie möglich auszudehnen. Warum ist das notwendig? Um es gleich vorwegzunehmen, und das haben Sie unserer Begründung schon entnommen, weil es uns darum geht, nachfolgend dann uns hier im Parlament das Personalvertretungsgesetz noch einmal vorzunehmen
und es dann an den durch Verfassungsänderung erweiterten Gestaltungsspielraum anzupassen, diesen dann auch tatsächlich voll auszuschöpfen. Weder Verfassungsänderung noch Neufassung des Personalvertretungsgesetzes erfolgen zum Selbstzweck, sind ein Ritual, was hier in irgendwelchen Zeitabständen im Parlament zu vollführen ist. Es ist ein Vorgehen, was für uns tatsächlich notwendig ist, um den Anforderungen in den Personalvertretungen tatsächlich gerecht zu werden. Dafür gibt es für uns drei Punkte.
1. Wir lassen uns in unserer Position von einem anderen Verständnis des öffentlichen Dienstes leiten und damit steht im Mittelpunkt die Vorstellung einer gemeinsamen Verantwortungswahrnahme zwischen Dienststelle und Beschäftigten, die effektiv im Sinne von Transparenz und Bürgernähe, aber auch motiviert, den einheitlichen Rechtsvollzug garantiert und dabei eigene Kreativität gegen das Vorurteil starrer und unbeweglicher Verwaltungsapparate setzt. Wir setzen darauf, dass die Beschäftigten selbst die besten Ratgeber für die Gestaltung der Organisationsabläufe in ihrer Verwaltung sind.
Nicht leiten lassen wollen wir uns von einem Bild der Angst vor mehr Mitbestimmung und von der ebenso falschen wie denunziatorischen Auffassung, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst seien egoistische Wesen, die alles Erdenkliche tun würden, um den Behördenablauf zu stören.
2. Die Thüringer Verwaltung steht vor großen Herausforderungen. Für den Herbst dieses Jahres hat der Thüringer Innenminister eine umfassende Reform des Dienstrechts angekündigt. Eine Funktional- und Verwaltungsreform ist unausweichlich und der Stellenabbau droht wie ein Damoklesschwert über den Beschäftigten und Bediensteten. Da wäre zum einen der Stellenabbaupfad der Landesregierung, der darüber noch hinausgehende Bericht der Expertenkommission Funktional- und Gebietsreform und die völlig überzogenen Äußerungen des Finanzministers zum Tarifabschluss im öffentlichen Dienst.
In dieser Debatte und in den bevorstehenden konkreten Umsetzungsschritten braucht es starke Personalvertretungen, deren Stärke und Gestaltungsmöglichkeiten durch das Personalvertretungsrecht entscheidend mitbestimmt wird.
Alle Macht den Menschen und Beschäftigten, ja, natürlich. Wer denn sonst soll über das, wie Verwaltung ausgestaltet wird, entscheiden, wenn nicht die, die dort arbeiten, die kompetent sind und tatsächlich dann auch die Weichen stellen müssen für die Entwicklung der nächsten Jahre.
Wie wollen Sie denn erfolgreich eine Verwaltungsund Funktionalreform zum Abschluss bringen, wenn diejenigen, die diese erst mit Leben erfüllen wollen, das sind nämlich nicht Maschinen, sondern Menschen, die Erfahrung machen müssen, dass sie in diesem Prozess, der sie gegebenenfalls auch sehr weitreichend in ihren Arbeits- und Lebensumständen betreffen wird, nicht aktiv mitgestalten können. Dass es dafür Anhaltspunkte gibt in Thüringen, dass diese Mitbestimmung in diesem Prozess nicht funktioniert, sehen wir zum Beispiel mit Blick auf die Polizeistrukturreform oder die derzeit tagenden Arbeitsgruppen zur Umstrukturierung des LKA. Da können Sie gern mal fragen, inwieweit dort die Personalvertretungen, die Berufsvertretungen in diesen Prozess einbezogen sind. Da werden Sie, wenn Sie sich mit diesen mal in Verbindung setzen, eine eindeutige Antwort bekommen: nicht in dem Maße, wie es sich die Berufsvertretungen und die Interessenvertretungen wünschen.
Wir schlagen Ihnen eine Neufassung des Absatzes 3 der Thüringer Verfassung vor, die angemessen, ausgewogen und verfassungskonform ist.
Sie steht in Übereinstimmung mit den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben zum Verhältnis der Funktion des Dienstherren - das ist sonst immer Ihre Sorge bei Personalentscheidungen - und den Mitbestimmungsbefugnissen der Personalvertretungen und Beschäftigten. Entscheidend ist aber, die vorgeschlagenen Änderungen schöpfen den vom Bundesverfassungsgericht und der Thüringer Verfassung selbst gegebenen Gestaltungsspielraum für den Artikel 37 Abs. 3 zugunsten der Ausweitung der Beschäftigtenmitbestimmung aus. Bisherige Defizite werden beseitigt. Die bisherige Fassung des Abs. 3 in Artikel 37 Thüringer Verfassung lautet, ich zitiere: „Die Beschäftigten und ihre Verbände haben nach Maßgabe der Gesetze das Recht auf Mitbestimmung in Angelegenheiten ihrer Betriebe, Unternehmen oder Dienststellen.“ In dem Ihnen allen bekannten Kommentar zur Thüringer Verfassung von Linck/Jutzi/ Hopfe heißt es hierzu, Zitat: „Die Bedeutung des Artikel 37, der primär Gesetzgebungsauftrag ist, ist jedoch nicht nur wegen seiner unpräzisen Fassung beschränkt, um dann auf bundesrechtliche Schranken zu verweisen.“ Besonders deutlich wird das an der Formulierung „nach Maßgabe des Gesetzes“. Damit kann bisher allein durch einfache gesetzliche Ausgestaltung faktisch Inhalt und Reichweite der Verfassungsgarantie bestimmt werden. Auf dieses Kernproblem verweist der Gesetzentwurf auch in seiner Begründung. Mit dieser Formulierung „nach Maßgabe der Gesetze“ wird also das eigentlich im Rechtsstaat vorgesehene Rangverhältnis von Verfassung und einfachem Gesetz, hier dem Thüringer Personalvertretungsgesetz, faktisch in sein Gegenteil verkehrt.
Sowohl das konkrete Personalvertretungsrecht als auch die damit von Personalvertretung und Beschäftigten gemachten praktischen Erfahrungen und darauf aufbauende Praxis bestätigen die Existenz eben gerade dieses Problems. Das ist, so meinen wir als Fraktion DIE LINKE, sowohl rechtlich als praktisch ein unhaltbarer Zustand, der dringend beseitigt werden muss. Um in Zukunft wieder sicherzustellen, dass die Verfassung tatsächlich den Handlungsrahmen für Gesetzgebung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes bestimmt, heißt es nun in unserem Vorschlag: „Das Nähere regelt das Gesetz.“ Das heißt, diese Regelungen füllen dann den von der Verfassung gesetzten Rahmen mit inhaltlichen Details zur praktischen Umsetzung aus.
Ebenso wichtig für uns, Artikel 37 Abs. 3 wird auch in seiner inhaltlichen Ausgestaltung bestärkt. Zwei
wesentliche Punkte werden mit dem Vorschlag der Fraktion DIE LINKE in der Verfassung verankert: Erstens, die Personalvertretungen bestimmen bei allen Angelegenheiten und Maßnahmen mit, die die Belange der Beschäftigten betreffen, und zwar als einklagbarem Rechtsanspruch mit Verfassungsrang, und zweitens, die Personalvertretungen haben zur wirksamen Erfüllung ihrer Aufgaben das Recht, das heißt den einklagbaren Rechtsanspruch mit Verfassungsrang. Herr Hey, das ist genau das, worauf ich Sie aufmerksam machen wollte. Wo ist er? Ich sehe ihn gerade nicht.
Ach da, okay. Sie hatten danach gefragt, ob die Frage des Informationsanspruches nicht schon geregelt sei. Da führte ich gerade aus, nein, weil jetzt bekäme das einen Verfassungsrang und damit ein einklagbares Recht. Das ist für uns der Unterschied, weswegen wir tatsächlich diese Änderung auch vorsehen.
Aus dem Recht der Information ergibt sich zwangsläufig auch die Pflicht für die Dienststelle, die Personalvertretung rechtzeitig und umfassend zu informieren. Mit diesen zwei Punkten werden wesentliche Forderungen der Personalvertretungen und der Gewerkschaften, die im Übrigen den Vorschlag zur Änderung der Verfassung begrüßt haben, aufgegriffen und umgesetzt.
Diese Verfassungsvorgaben durch Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes noch konkreter für den Arbeitsalltag im öffentlichen Dienst wirksam werden zu lassen, ist dann eine weitere Aufgabe, die sich das Parlament stellen kann. Wichtig ist, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf dazu die Tür zu öffnen. In diesem Sinne wäre es also wünschenswert, dass der Landtag an der Veränderung des bisher so beschäftigtenunfreundlich gestalteten und angewendeten Artikels 37 Abs. 3 arbeitet, damit das noch offene Verfassungsversprechen der Beschäftigtenmitbestimmung auch wirklich eingelöst wird. Damit würde der Landtag ein modernes Verständnis des öffentlichen Dienstes beweisen und eine wichtige Voraussetzung für dessen auch zukünftige gute Arbeit trotz anstehender Herausforderungen und Reformen leisten.
Meine Kollegin Sabine Berninger hat beantragt, unseren Gesetzentwurf an den Innenausschuss zu überweisen. Wir bitten auch darum, vor dem Hintergrund des großen Interesses der Interessensvertretungen und Gewerkschaften dort eine Anhörung durchzuführen. Angesichts der Ankündigung, die eben durch die SPD hier am Rednerpult verkündet wurde, dass man gegebenenfalls der Ausschuss
überweisung nicht zustimmen wird, bitte ich darum, gelegentlich darüber nachzudenken, wie nah oder weit die SPD denn heute noch mit den Anliegen der Gewerkschaften und Personalvertretungen verbunden ist. Dieser Gesetzentwurf ist dort besprochen und wird unterstützt und ich würde es als falsches Signal bezeichnen, wenn die Sozialdemokratische Partei Deutschlands einer solchen Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss heute widersprechen würde.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist immerhin ein Gesetz zur Verfassungsänderung, über das wir hier diskutieren. Wenn ich mir ansehe, wie die erste Reihe besetzt ist, dann halte ich das für bemerkenswert und ich halte es auch für eine Missachtung des Parlaments.
Wenn ich das richtig beobachtet habe, war der Finanzminister mal 3 Minuten da, der stellvertretende Ministerpräsident hat es nicht viel länger geschafft. Ich glaube, so sollten wir nicht miteinander umgehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE hat mich schon überrascht. Nicht weil er besonders originell oder innovativ ist, sondern weil der Landtag vor gut einem Jahr ein Personalvertretungsgesetz verabschiedet hat, durch das die Mitbestimmungsrechte wesentlich gestärkt werden. Warum DIE LINKE meint, nun noch eine Verfassungsänderung herbeiführen zu müssen, ist für mich auch unverständlich. Die Diskussion haben wir auch in der Richtung schon gehört.
In der Begründung ist zu lesen, dass zahlreiche Erfahrungen aus der Praxis belegen, dass im Arbeitsalltag der Beschäftigten wenig an tatsächlicher Mitbestimmung stattfände, vor allem weil das bisher geltende Thüringer Personalvertretungsgesetz wenig Spielraum ließe. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren von der LINKEN, woher Sie diese zahlreichen Erfahrungen nehmen. Ich habe eine solche Erfahrung jedenfalls nicht und schon gar nicht nach der letzten Gesetzesänderung.