Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, während Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Einweihung des Mahnmals für die ermordeten Sinti und Roma von einer Mahnung für die Zukunft gesprochen hatte, machte Bundesinnenminister Friedrich diese Worte zu einer leeren Hülse, indem er anhand steigender Zuwanderungszahlen von angeblichem Asylmissbrauch durch die Gruppe der Sinti und Roma hetzte. Andere Unionspolitiker sprangen dankbar auf diesen Zug auf.
Die Debatte, meine Damen und Herren, erinnert in erschreckender Weise an die unsägliche Polemik Anfang der 90er-Jahre, die am Ende de facto zur Abschaffung des Grundrechts auf Asyl führte und die mitverantwortlich ist für die damals stattgefundenen Pogrome.
Ich stehe jetzt hier, weil die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE beantragen, den Ihnen vorliegenden Antrag „Abschiebestopp von Roma, Ashkali, Ägyptern und Ägypterinnen in die Staaten der Balkanhalbinsel“ auf jeden Fall noch während dieser Plenardebatte zu behandeln. Wir meinen, dass, wenn wir erst im Dezember im Plenum darüber reden würden, dies der Situation der betroffenen Menschen nicht gerecht würde.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schreibt, subsidiärer Schutz gilt in Fällen, in denen das Asylrecht nicht greift, aber dennoch schwerwiegende Gefahren für Freiheit, Leib oder Leben drohen, etwa durch politische Verfolgung. Solche Gefahren können die Landesbehörden berücksichtigen, wenn sie prüfen, ob Abschiebungen ausgesetzt werden sollen. Genau das ist die Intention des Ihnen vorliegenden Antrags, ein Abschiebestopp gemäß § 60 a Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes. Dort ist geregelt, ich zitiere: „Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.“
Meine Damen und Herren, völkerrechtliche oder humanitäre Gründe liegen vor, wenn eine Minderheit in bestimmten Ländern diskriminiert wird. Das
ist bei den Angehörigen der Roma, Ashkali und Ägypterinnen unstrittig der Fall. Auch die Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik ist ein wichtiger Grund, nimmt man Angela Merkels Worte ernst. Eine deutsche Tageszeitung schrieb: „So sind die nachdenklichen Worte Merkels an diesem Tag doch nur wieder leere Hülsen, wenn jetzt nicht Taten folgen, die den Worten angemessen sind.“ Diese Taten, meine Damen und Herren, sollten im Interesse der betroffenen Menschen nicht erst im Dezember folgen.
Ich möchte noch auf ein sogenanntes Argument eingehen, das uns möglicherweise in der Debatte begegnen wird. Dass es nicht um Zuwanderung aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils geht, also nicht um den vorgeblichen Asylmissbrauch, das belegen die in anderen Ländern der EU, wie Belgien oder Schweden, ebenfalls gestiegenen Zahlen. Dort hat es nämlich kein solches Gerichtsurteil gegeben. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag auf Behandlung in dieser Plenarsitzung zuzustimmen und nicht etwa hilfsweise durch eine mögliche gemeinsame Behandlung mit der Frage des Asylbewerberleistungsgesetzes in Tagesordnungspunkt 13 den Eindruck zu verstärken, mit dem der Bundesinnenminister derzeit rassistischen Vorurteilen Vorschub leistet. Denn die Frage, ob Thüringen seine in § 60 a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz geregelte Kompetenz nutzt, solche Abschiebungen auszusetzen, hat mit dem Asylbewerberleistungsgesetz nichts zu tun. Vielen Dank.
Danke schön. Möchte jemand dagegen sprechen? Das sehe ich nicht. Dann stimmen wir darüber ab. Der Antrag lautet, diesen Tagesordnungspunkt 24 in der Drucksache 5/5197 in jedem Fall in dieser Plenarsitzung bis Freitag zu behandeln. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe Zustimmung bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der FDP. Wer ist dagegen? Dagegen sind die Fraktionen der CDU und der SPD. Wer enthält sich? Ich sehe keine Enthaltung. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33, Aktuelle Stunde, auf. Alle Fraktionen haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt. Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten für jedes Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt grundsätzlich 10 Minuten für jedes Thema. Hat die Landesregierung eine Redezeit von mehr als 10 Minuten in Anspruch genommen, so verlängert sich die Aussprache für die jeweiligen Themen
um die über zehn Minuten hinausgehende Zeit. Die Aufteilung der Verlängerungszeit auf jede Fraktion erfolgt zu gleichen Teilen.
a) auf Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Sparen mit extremer Unwucht - Thüringer Kommunen vor unlösbaren Aufgaben?“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/5198
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, „Sparen mit extremer Unwucht - Thüringer Kommunen vor unlösbaren Aufgaben“ - manche, meine Damen und Herren, bezeichnen diese Fragestellung zugegebenermaßen als rhetorisch. Wenn man das Finanzministerium hört, könnte man an eine schöne heile Welt glauben. Wie sehen aber ganz konkret vor Ort die Fakten aus? Nehmen wir Eisenach, eine Stadt, die 42 Mio. € Schulden hat, erhält durch die Änderung des KFA 6,3 Mio. € weniger; Suhl mit 70 Mio. € Schulden erhält 6,6 Mio. € weniger; Sonneberg mit 27 Mio. € Schulden erhält wegen der geringeren Schlüsselzuweisung 1,9 Mio. € weniger. Jetzt nehmen wir die andere Seite der Latte: Die kleine Gemeinde Hohenölsen mit rund 600 Einwohnern hat 2,7 Mio. € Schulden, erhält 6.000 € weniger. Die Lage, meine Damen und Herren, ist so prekär, dass ohne Hilfe weder die Kreisumlage noch die VG-Umlage gezahlt werden kann. Hohenölsen hat einen Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen von 2007 bis 2011 um sage und schreibe 151.242,40 € auf 66.132,11 € hinnehmen müssen. Woher da die derart prognostizierten Steuereinnahmen kommen sollen, bleibt rätselhaft, meine Damen und Herren. Steinsdorf, 2,5 Mio. € Schulden, 12.000 € weniger Zuweisung - Steinsdorf hatte 1999 298.832,96 € Gewerbesteuer, 2007 noch 82.060 € Gewerbesteuer und 2011 53.016,01 €.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wer soll denn die Zahlen nachvollziehen? So schnell kann ich gar nicht schreiben.)
Woher, meine Damen und Herren, die Landesregierung den Optimismus nimmt, dass Steuererhöhungen die Situation reißen werden, bleibt mir schleierhaft.
1,3 Mio. €, Hohenölsen - gerade genannt - soll angeblich 48.000 € mehr Steuern erhalten, was nicht weit von einer Verdoppelung ist und deswegen auch in seiner Wahrscheinlichkeit durchaus angreifbar. Steinsdorf mit 27.000 € rund 50 Prozent von 2011 obendrauf - auch das, meine Damen und Herren, kann ich mir wirklich nicht vorstellen.
Trotz sinkender Zuweisungen steigen die Belastungen der Gemeinden. Durchschnittlich wird mit ca. 6,5 Prozent Erhöhung der Kreisumlage gerechnet. Personalkosten haben sich erhöht durch die jüngsten Tarifanpassungen und sind somit auch in den Kommunen erheblich gestiegen. Weitere Kostensteigerungen sind auf die Kommunen durch Aufgabenübertragungen zugekommen, ich nenne hier nur die Stichworte Kampfhundegesetz und KitaG. Wenn wir einmal beim KitaG sind: In der Begründung zum FAG wird der ungedeckte Finanzbedarf in Höhe von 530,4 Mio. € für das Jahr 2013 beziffert. Durch eine Landespauschale sollen 2013 186 Mio. € ausgeglichen werden. Demnach müssten durch die Schlüsselmasse noch 344,6 Mio. € gedeckt werden. Die Schlüsselmasse beträgt aber für das Jahr 2013 für die Gemeinden insgesamt nur 539.112.300 €.
In Sonneberg, meine Damen und Herren, sind trotz strikter Sparbemühungen Mehrausgaben in Höhe von 1,5 Mio. € gegenüber 2012 zu erwarten. Der Garantiefonds von 70 Mio., der die Unwuchten des neuen KFA lindern soll, ist keine wirkliche Unterstützung, da dieser sich jährlich aus 10 Mio. € des Landesausgleichsstocks speist. Man gibt dem KFA demnach kein Geld hinzu, sondern verlagert es von der allgemeinen Überbrückungshilfe in den Garantiefonds und entzieht somit dem Landesausgleichsstock die 10 Mio. €.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, niemand, der die Haushaltssituation des Landes kennt, wird den Sparzwang bestreiten. Was wir aber kritisieren, ist die klare Unwucht zulasten der Kommunen. Kommunen dürfen nicht das Sparschwein des Landes sein. Ich hätte jetzt noch etliches, worüber ich gerne mit Ihnen diskutieren würde, wenn wir an die Haushaltsberatungen denken, meine Damen und Herren. Ich würde auch gern mit Ihnen noch diskutieren über den Mehrbelastungsausgleich, aber mit Blick auf die Zeit werde ich das jetzt kürzen. Aber eines, meine Damen und Herren, will ich noch sagen. Der Investitionsstau, der in den Kommunen bereits existiert, wird immer größer und die Kommunen fallen als Auftraggeber für unsere Wirtschaft weg, als Lebensraum für die Menschen in unserem Land werden sie immer unattraktiver.
Deshalb fordern wir, meine Damen und Herren, das Land muss wesentlich deutlicher vor der eigenen Tür kehren, um die Unwucht zulasten der Kommunen zu beseitigen. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist eindeutig von der Zeit her zu wenig, um sich über das Thema Kommunaler Finanzausgleich hier ausführlich austauschen zu können.
Dazu bedürfte es wesentlich mehr Zeit. Diese Zeit haben wir in den letzten Wochen auch im Ausschuss genutzt und werden sie, das kann ich für unsere Fraktion sagen, auch in den nächsten Wochen weiterhin nutzen, um über die Systematik des neuen Finanzausgleichs und über die Sorgen und Probleme, die die Kommunen damit haben, weiterhin zu diskutieren und Lösungen zu finden. Ich will aber noch einmal etwas zu dem FDP-Antrag sagen. Herr Kollege Bergner, die Überschrift, Sie sagten es selbst, ist etwas merkwürdig gefasst, weil der Begriff der Unwucht …
Ja, Sie haben es so gefasst, weil Sie Aufmerksamkeit in den Medien erlangen wollen. Der Begriff der Unwucht, sage ich Ihnen, der gehört zum Bereich der Fahrzeugtechnik und nicht zum Bereich der Finanzen, da ist mir das noch nie untergekommen.
Aber, Herr Kollege, Sie haben sicherlich auch ein Fahrzeug mit vier Rädern, und Unwuchten kann man auswuchten.
Insofern, ich lasse das bei meinem Fahrzeug immer machen. Darüber reden wir jetzt auch beim Thema, dass wir die Dinge, die den Kommunen Sorge bereiten, auch aufgreifen und ernst nehmen, um in den nächsten Wochen bis zum Beginn des Jahres auch entsprechend Lösungen zu finden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben es sicherlich verfolgt, wir hatten einen Landesparteitag, auf dem wir uns auch intensiv mit der Ausgestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs auseinandergesetzt haben. Und wir haben einen
entsprechenden Beschluss gefasst und wollen das kann ich ganz klar sagen - eine ausreichende Finanzierung der kommunalen Aufgaben. Das ist ein Kernanliegen der Thüringer Union und unserer Landtagsfraktion. Die dafür zu findende Lösung muss auskömmlich, aber auch für alle Seiten, auch für das Land, verkraftbar sein. Auch wir müssen sparen. Wir haben über 16 Mrd. € Schulden, die wir tilgen wollen,
und wir haben ganz klare Grundsätze, Schuldentilgung und keine neuen Kredite aufnehmen. Das sind unsere beiden Punkte, die die absolute Grenze auch markieren, an der wir uns orientieren wollen bei der Diskussion auch des Kommunalen Finanzausgleichs, aber auch aller Haushaltspositionen im Doppelhaushalt. Der neue Kommunale Finanzausgleich muss die Kommunen zukünftig nachvollziehbar in die Lage versetzen, ihre Pflichtaufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungskreis zu erfüllen sowie die verfassungsrechtlich vorgegebene sogenannte freie Spitze oder für freiwillige Leistungen diese Mittel auch vorzuhalten. Die Kommunen müssen in der Lage sein, Aufgaben wie Kindergarten, Schule, Betreuung der Langzeitarbeitslosen, Hilfe für Behinderte und ältere Menschen, Jugendhilfe und all die Dinge vor Ort zu erfüllen. Es gibt Sorgen, die uns auch in den Zuschriften im Rahmen der Anhörung dargelegt wurden, dass die Zuweisung keine ausreichende Haushaltsfinanzierung aus Sicht der Kommunen darstellen und es zu massiven Anhebungen der Kreisumlagesätze kommen wird. Meine Fraktion sagt, die Kreisumlagesätze dürfen nicht über 50 Prozent steigen. Das ist auch eine Marke, die nicht gerissen werden darf. Sie wissen alle, aus welchem Landkreis ich komme. Da gibt es bereits 49,5 Prozent und ich weiß daher auch, wie sich das auf die kommunalen Haushalte der Städte und Gemeinden, die das zahlen müssen, auswirkt.
Den Bereich der Sozialhilfe möchte ich hier auch noch ansprechen, das ist uns ganz wichtig. Die Leistungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter, die zu einer finanziellen Entlastung der kommunalen Haushalte führen sollen und auch bei den Landkreisen und kreisfreien Städten ankommen sollen, müssen zu einer tatsächlichen Haushaltsentlastung dort führen. Auch die erwarteten Bundesleistungen zum SGB XII ab dem Jahr 2014 im Rahmen des Fiskalpakts müssen bei den Landkreisen und kreisfreien Städten als Träger dieser Aufgaben ankommen und zu einer tatsächlichen Entlastung führen. Wir wollen uns noch mal genauer mit dem Gebot der Verteilungssymmetrie befassen. Die Kritik dazu ist uns zugegangen und wir werden dem nachgehen.
Es gibt eine Reihe von Auffassungsunterschieden zu den Auswirkungen des Reformwerks. Es gibt dazu Beispielrechnungen und auch das ist noch nicht abgeschlossen. Es muss weiterhin nach einer tragfähigen Lösung für alle Beteiligten - wie gesagt, auch das Land ist hier maßgeblich beteiligt - gesucht werden.
Das Thema Standards ist uns wichtig, dazu haben wir bereits einen Entschließungsantrag aus dem letzten Jahr hier im Landtag verabschiedet. Das Thema Standardabsenkung ist gerade jetzt wieder aktuell, wenn wir wahrnehmen, dass zum Beispiel eine neue Hortkostenbeteiligungsverordnung erlassen werden soll, neue Standards, neue Aufgaben kommen auf die Landkreise zu. Das ist ein Thema, mit dem wir uns hier weiter beschäftigen wollen.