Protocol of the Session on November 13, 2008

Es antwortet Staatssekretär Hütte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Berninger beantworte ich für die Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Zum Anteil von Asyl Suchenden aus Zentral- und Südafrika an der Gesamtzahl der aufgenommenen Flüchtlinge im Bund und in den anderen Bundesländern liegt der Thüringer Landesregierung keine statistische Erhebung vor.

Zu Frage 2: Die Verteilung der in Deutschland aufgenommenen Asylbewerber auf die Länder wie auch die Festlegung der Bearbeitungszuständigkeiten der jeweiligen Außenstellen obliegt ausschließlich dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Zu Frage 3: Entsprechende Vereinbarungen liegen für Thüringen nicht vor. Inwieweit in anderen Ländern Absprachen bestehen, ist der Thüringer Landesregierung nicht bekannt. Vielen Dank.

Es gibt Nachfragen. Abgeordnete Berninger.

Herr Staatssekretär, meines Wissens ist in den Jahren vor 2003 die Anzahl der nach Thüringen verteilten Flüchtlinge aus Zentral- und Südafrika vergleichsweise höher gewesen. Entspricht es der Wahrheit, dass insbesondere der Einsatz von Flüchtlingsselbsthilfeorganisationen für diese Gruppe der Flüchtlinge dazu geführt hat, dass jetzt vergleichsweise nicht mehr sehr viele Flüchtlinge aus Zentral- und Südafrika hierher verteilt werden?

Das kann ich nicht bestätigen. Es erschließt sich aus den mir vorliegenden Fakten auch nicht, denn die Verteilung, wie ich schon sagte, obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und richtet sich danach, welche spezialisierten Mitarbeiter für bestimmte Länder in den jeweiligen Außenstellen vorhanden sind. Wie Sie wissen, hat es da eine Veränderung in den Außenstellen in Thüringen gegeben. Die Außenstelle des Bundesamtes in Mühlhausen ist geschlossen worden. Die Veränderungen, was die süd- und mittelafrikanischen Flüchtlinge angeht, führe ich eher auf diese Veränderungen im Bereich des Bundesamtes und seiner Außenstellen zurück.

Weitere Nachfragen gibt es nicht. Ich rufe die nächste Mündliche Anfrage auf des Abgeordneten Gentzel, SPD-Fraktion, in Drucksache 4/4579.

Verbot und Auflösung krimineller Rockervereinigungen

Laut dem Verfassungsschutzbericht 2007 zeichnen sich kriminelle Rockervereinigungen in Thüringen durch massive Expansionsbestrebungen und Verbindungen zur organisierten Kriminalität aus. Die Szene besitzt ein hohes Bedrohungs- und Gewaltpotenzial. Aus den Rockervereinigungen heraus werden Straftaten geplant und begangen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der kriminellen Rockerszene, sogenannte „Outlaws Motorcycle Gangs“, in Thüringen allgemein?

2. Wie entwickeln sich insbesondere die Schwere sowie die Anzahl der unter dem Schutz und im Auftrag krimineller Rockervereinigungen begangenen Straftaten und die Verbindungen solcher Vereinigungen zur organisierten Kriminalität?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeiten des Verbots und der Auflösung krimineller Rockervereinigungen, wenn sie nachweisbar einem strafgesetzwidrigen Zweck dienen oder strafgesetzwidrig tätig sind?

Es antwortet Staatssekretär Hütte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gentzel beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: In Deutschland gibt es ca. 300 sogenannte Chapter polizeilich relevanter Rockergruppierungen mit über 3.000 Mitgliedern. Damit hat Deutschland im europäischen Maßstab gesehen die meisten Chapter an Rockergruppierungen. Diese Gruppierungen sind zum Beispiel Hells Angels, Bandidos, Outlaws, Gremium und unterhalten insgesamt über 170 Chapter mit ca. 2.000 Mitgliedern. In Bayern und Baden-Württemberg existieren über 35 Prozent dieser Chapter der genannten vier großen Rockergruppierungen Deutschlands. Zusammen mit Nord

rhein-Westfalen konzentriert sich damit über die Hälfte dieser Rockergruppierungen in diesen drei Bundesländern. Im Osten Deutschlands ist seit längerer Zeit eine verstärkte Ausbreitungstendenz zu beobachten. Auch in Thüringen sind die gerade genannten vier Rockergruppierungen vertreten. Die Rockerszene als solche stellt im Freistaat zwar keinen Schwerpunkt dar, gleichwohl nimmt die Landesregierung die auch in Thüringen bestehenden Strukturen von Rockergruppierungen und die in der letzten Zeit zu beobachtenden Auffälligkeiten ihrer Mitglieder sehr ernst. Diese Motorradclubs, diese sogenannten Motorradclubs muss man sagen, in Thüringen stehen unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden. Dies gilt insbesondere für die Bandidos MC Jena mit Sitz in Weimar. Die Aktivitäten der Mitglieder dieses Motorradclubs sind Gegenstand umfangreicher polizeilicher Ermittlungen. Dies zeigt erste Wirkung.

Zu Frage 2: Die organisierten Rockergruppierungen sind in der Regel international organisiert und hierarchisch strukturiert. Grundlegende Entscheidungen werden durch internationale Gremien bzw. führende Chapter dieser Vereinigungen getroffen und sind für die gesamte Organisation bindend. Die strenge Hierarchie, ausgerichtet auf Expansionsbestrebungen und der damit verbundenen Durchsetzung von Gebietsansprüchen, ist ein Grund, weswegen die Rockerkriminalität auch der organisierten Kriminalität zugerechnet wird. Die Schwerpunkte der angestrebten sogenannten Geschäftserweiterungen zum Beispiel liegen im Sicherheitsgewerbe, im Rotlichtmilieu und bei Tattoo-Shops. So kann zum Beispiel über Türsteherdienste die Verteilung von illegalen Betäubungsmitteln begünstigt oder organisiert werden. Sowohl bei der Schwere als auch bei der Anzahl der von Mitgliedern von Rockervereinigungen begangenen Straftaten stellt der Bandidos MC Jena den Hauptanteil in Thüringen. Es werden hauptsächlich Bandendiebstahls- und Körperverletzungsdelikte begangen; weitere Deliktsfelder sind Bedrohungen, Beleidigungen, Verstöße gegen das Waffengesetz und Erpressungsdelikte. In einem sogenannten Sammelverfahren des Landeskriminalamts gegen Mitglieder der Bandidos wurden bisher 7 Haftbefehle erlassen und 20 Durchsuchungen durchgeführt. Allein im laufenden Jahr 2008 wurden bisher über 60 Ermittlungsverfahren eingeleitet. In einem anderen Verfahren, in das Mitglieder eines sogenannten Motorradclubs aus Ilmenau, aber auch Mitglieder der Bandidos aus Weimar verwickelt sind, beginnt heute die Hauptverhandlung vor dem Erfurter Landgericht wegen Landfriedensbruch.

Zu Frage 3: Nach Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung

richten. Die Einzelheiten sind im Vereinsgesetz geregelt. Ein Vereinsverbot ist das letzte Mittel staatlicher Handlungsmöglichkeiten. Es muss sich danach um eine Vereinigung im Sinne des Vereinsgesetzes handeln, die entweder selbst strafgesetzwidrige Zwecke verfolgt oder deren Mitglieder in einer dem Verein zurechenbaren Weise - das ist das Entscheidende - gegen Strafgesetze verstoßen. Es ist eine Aufgabe der Verbotsbehörde, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen in nachweisbarer und gerichtsverwertbarer Form vorliegen. Wenn diese Verbotsvoraussetzungen des Vereinsgesetzes vorliegen, sollte der Staat von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger und um auch deutlich zu machen, dass kriminelle Vereinigungen und Bandenkriege in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Platz haben. Vielen Dank.

Es gibt Nachfragen, Abgeordneter Gentzel, bitte.

Herr Staatssekretär, geht nach Meinung der Landesregierung von den kriminellen Rockervereinigungen eine Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung aus?

Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen geht von den Rockervereinigungen keine Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung aus, aber sie stehen unter Beobachtung auch des Verfassungsschutzes. Ich weise auch auf die Ausführungen dazu im jüngsten Verfassungsschutzbericht hin.

Weitere Nachfragen gibt es nicht. Danke. Damit kommen wir zur nächsten Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Hausold, Fraktion DIE LINKE, in Drucksache 4/4580, vorgetragen durch Abgeordneten Blechschmidt.

Schadensersatz zugunsten ehemaliger Beschäftigter der insolventen Patrol-GmbH möglich?

Medienberichten - so einem Artikel in der Ostthüringer Zeitung (OTZ) vom 18. Oktober 2008 - ist zu entnehmen, dass der ehemalige Geschäftsführer der insolventen Patrol Sicherheitsdienst GmbH in Gera auf Grundlage eines 13-seitigen Haftbefehls am Flughafen in Berlin auf seinem Weg nach Zypern festgenommen worden sein soll. Ihm wird die Unterschla

gung bzw. Veruntreuung von Firmengeldern in Höhe von ca. 3 Mio. € zur Last gelegt; ein Geständnis des ehemaligen Geschäftsführers liege inzwischen vor. Zeitgleich zu den o.g. aktuellen Vorgängen sollen immer noch Gerichtsverfahren laufen, in denen der derzeitige Insolvenzverwalter von ehemaligen Beschäftigten der Patrol-GmbH Gehälter, die allein wegen der verspäteten Auszahlung durch den Arbeitgeber in den Sog der Insolvenz geraten haben, zur Aufstockung der Insolvenzmasse zurückfordert bzw. Gerichte ehemalige Beschäftigte zur Rückzahlung der Gehälter verurteilt haben. Ein Schutz der Arbeitnehmer vor dem Zugriff der insolventen Firma sieht die Insolvenzordnung in den o.g. Fällen nicht vor.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist schon ein Termin für den Beginn des Gerichtsverfahrens gegen den ehemaligen Patrol-Geschäftsführer wegen des Tatvorwurfs der Unterschlagung bzw. Veruntreuung von Firmengeldern festgesetzt und wenn ja, welcher?

2. In welcher Höhe beläuft sich nach Informationen der Landesregierung der Gesamtbetrag der vom Insolvenzverwalter gegenüber den ehemaligen Beschäftigten geltend gemachten bzw. durchgesetzten Gehaltsrückforderungen?

3. Welche (rechtlichen) Möglichkeiten gibt es für die von den Gehaltsrückforderungen betroffenen ehemaligen Patrol-Beschäftigten, vom ehemaligen Geschäftsführer der Patrol-GmbH Schadensersatz für die durch die Gehaltsrückforderungen entstandenen finanziellen Verluste einzufordern eingeschlossen etwaiger Kosten aus Gerichtsverfahren?

4. Welchen Handlungsbedarf, insbesondere mit Blick auf Novellierung rechtlicher Regelungen, sieht die Landesregierung hinsichtlich der unter Frage 3 erfragten und dargestellten Schadensersatzregelungen?

Es antwortet Ministerin Walsmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hausold beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen, Schwerpunktabteilung für Wirtschaftsstrafsachen, führte mehrere Ermittlungsverfahren wegen Unterschlagung, Untreue und Insolvenzstraftaten im Verfahrenskomplex Patrol-Sicherheitsdienst GmbH. Das Amtsgericht Mühlhausen hat am 27.08.2008 seinen Untersuchungshaftbefehl gegen den Geschäftsführer

der Patrol-Sicherheitsdienst GmbH gegen strenge Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mühlhausen dauern noch an. Der Verfahrensabschluss ist derzeit noch nicht absehbar.

Zu Frage 2: Mangels statistischer Erfassung liegen der Landesregierung diesbezüglich keine Informationen vor.

Zu Frage 3: Diese Frage werden letztlich die hierzu berufenen Gerichte und nicht die Landesregierung zu beurteilen haben.

Zu Frage 4: Nach jetzigem Erkenntnisstand gibt es keine Anhaltspunkte, dass das gesetzliche Instrumentarium unzureichend ist.

Gibt es Nachfragen? Abgeordneter Gerstenberger, bitte.

Frau Ministerin, das heißt, nach Außervollzugsetzung des U-Haft-Befehls am 27.08.2008 ist es zum Fluchtversuch gekommen und anschließend erst zur Festnahme für die betroffene Person?

Und die Frage 2: Da würde ich gern noch mal die Antwort auf Frage 1 wissen, ob schon ein Termin für den Beginn des Gerichtsverfahrens gegen den ehemaligen Geschäftsführer festgesetzt ist? Das habe ich nicht erfasst.

Ich hatte ja ausgeführt, der Verfahrensabschluss ist noch nicht absehbar, also ist auch noch kein Termin anberaumt. Zu dem anderen kann ich nur sagen: Ist mir nicht bekannt.

Ich wiederhole es noch mal zum Verständnis. Sie haben gesagt, am 27.08.08 ist der U-Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden. Die Verhaftung nach Zeitungsberichten ist aber nach diesem Termin erfolgt. Ist das zutreffend?

Nach meinen Erkenntnissen oder dem, was ich mitgeteilt bekommen habe, nicht. Es ist nicht zutreffend.

Damit sind die Fragen beantwortet. Danke schön. Wir kommen zur letzten Mündlichen Anfrage für heute,

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD-Fraktion, in Drucksache 4/4582.

Neutralitätsgebot kommunaler Organe und Wahlorgane

In Thüringen stehen die Kommunalwahlen bevor. Die Kommunalverwaltungen sowie zahlreiche auch ehrenamtliche Bürgermeister müssen im kommenden Jahr die Wahlen begleiten. In diesem Zusammenhang ist ein erheblicher rechtlicher Aufklärungs- bzw. Klarstellungsbedarf besonders bezüglich des Neutralitätsgebots kommunaler Organe, Verwaltungsangestellter und Wahlorgane deutlich geworden.