Protocol of the Session on July 9, 2008

Aber zurück zu dem, was zur Wahl passiert war und zu meinem Orden. Ich habe anschließend bei der CDU in der Heinrich-Mann-Straße angesagt, hört zu Leute, ich habe gesehen, da wurde betrogen. Das hat das Ergebnis nicht so gravierend verfälscht, dass man das Ergebnis damit komplett hätte infrage stellen müssen, aber es wurde betrogen. Da habe ich damals schon gesagt, stellt das ab, geht zu euren Freunden von der SED, klärt das auf, passiert das noch mal, zeige ich diese Geschichte an. Ein halbes Jahr darauf bekam ich diesen kleinen Verdienstorden, der überhaupt nicht dotiert war, das silberne Nadelblechstück für hervorragenden Einsatz in der Wahlbewegung. Damit hat man versucht, mich ruhigzustellen. Das Ding habe ich genommen, es liegt noch irgendwo, aber ich habe mich nicht davon abhalten lassen, 1989 noch mehr aufzupassen. Im Ergebnis meiner Beobachtungen und der vieler anderer Bürger habe ich dann am letzten Tag der Einspruchsfrist, die die Nationale Front und das Wahlgesetz vorgesehen hatten, Anzeige wegen Wahlbetrugs erstattet. Das, Herr Kuschel, ist mein Einsatz

dafür, dass Sie heute hier sitzen dürfen. Ich habe Anzeige erstattet wegen Wahlbetrugs und habe dazu beigetragen, dass wir heute eine frei gewählte Demokratie haben. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wäre ich im Gefängnis gelandet. Zum Glück haben Sie nicht recht bekommen, zum Glück.

(Beifall CDU)

Sie sind genau der, der sich hier zu dem Thema überhaupt nicht äußern sollte. Es ist eine Schande für dieses Parlament, eine Schande!

(Beifall CDU)

Frau Dr. Klaubert, Sie haben etwas ausgeführt, das ich Ihnen auch abnehme. Ich weiß von einem hohen Bundeswehroffizier, der hier, als die Bundeswehr die Strukturen der NVA übernahm, auch mit den Offizieren der NVA ins Gespräch kam, und er hat mir glaubhaft gemacht, dass es Offiziere der Nationalen Volksarmee gegeben haben soll, die mit der Verfassung der DDR in der Hand den Befehl ihrer eigenen Führung - und das ist die zweite Seite der Medaille, die Sie nicht genannt haben - verweigert haben, mit Waffengewalt gegen Bürger des eigenen Landes vorzugehen. Da hieß es, wir sind für den Einsatz nach außen, für die Verteidigung, aber nicht für den Einsatz nach innen da. Das hatte man den Kampfgruppen überlassen, die lagen dann auch an strategisch wichtiger Stelle.

Ich war mit unserem großen Sohn, den kleinen haben wir zu Hause gelassen, weil wir nicht wussten, ob wir die Hucke voll kriegen, am 7. Oktober 1989 in der Kaufmännerkirche in Erfurt zum Gottesdienst. Es war so voll, dass der Gottesdienst zweimal gehalten werden musste. Es sprach sich in Windeseile herum, dass im Innenhof der Hauptpost - sie ist heute nicht mehr Hauptpost, aber sie heißt immer noch so - die Kampfgruppen schon aufmarschiert waren. Da standen die Mannschaftswagen und die bewaffneten Organe Ihrer Partei bereit, uns friedlich demonstrierende Bürger zusammenzuschlagen, am 7. Oktober 1989. So wie es Einzelne gab, die die großen Schweinereien dann im Herbst 1989 nicht mehr mitmachen wollten, müssen wir doch aber darüber reden, deshalb ist die Auseinandersetzung heute so wichtig. Nicht nur in den Schulbüchern müssen wir da noch nachbessern, da kommt die Geschichte unserer jüngeren Zeit viel zu kurz weg,

(Beifall CDU)

sondern wir müssen darüber reden, dass es überhaupt solche Befehle gab, gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen, dass es erneut den Versuch gab wie 1953, den großen Bruder in der Sowjetunion dazu zu bringen, mit den Panzern einzugreifen, was

dann aber unterblieb. Man hatte genügend eigene Probleme dort.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Geschichte ist nicht Ihre Stärke. Sie lü- gen hier ein Zeug zusammen.)

Nun ist es aber gut. Nun ist es aber gut.

Abgeordneter Kuschel, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf wegen „Sie lügen hier ein Zeug zusammen“.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dieser Ordnungsruf ist ein Skandal.)

Ihr Geschichtsbild ist wirklich ein Skandal und dass Sie das, was damals passiert ist und Ihre eigene miese Handlungsweise noch verteidigen, ist der Skandal hier,

(Beifall CDU)

den Nächsten anschwärzen, den Judas geben und die Silberlinge nehmen. Sie sollten sich schämen.

(Beifall CDU)

Man hat damals tatsächlich versucht, die Demonstrationen in Leipzig und in Berlin mit Waffengewalt niederzumachen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dies ist eine Lüge!)

Aber der große Bruder hat sich verweigert und die eigenen Leute haben wenigstens zum Teil widersprochen. Dann gab es zum Glück ein paar Besonnene in der SED-Führung, aber das waren doch die absoluten Ausnahmen. Ich will es aber doch auch gerne betonen, dass es das gab. Zum Glück gab es das. Ich will aber auch sagen, dass wir aus unserer Mitverantwortung für diese DDR weitaus mehr gelernt haben als Sie. Wir haben unsere ganze Programmatik umgestellt. Wir haben jegliche Anerkennung einer führenden Rolle einer Partei weit weggeschoben und mit den Leuten, die uns da verkauft haben, massiv abgerechnet.

Ich muss ein Weiteres sagen: Es wird immer mal wieder, auch durch solche Wortmeldungen, die wir eben gehört haben, versucht, Geschichte umzudeuten. Da müssen wir uns wehren. Herr Kuschel, es wird nicht besser, wenn Sie zum fünften Mal hier dazwischen rufen. Ich habe jetzt zwei aktuelle Beispiele aus den letzten 14 Tagen. Zum einen hat das

Stadtratsmitglied Rebhahn vor kurzem in einer Zeitschrift der LINKEN betont, man müsse die Stasigedenkstätte in der Erfurter Andreasstraße so lange verhindern, bis alles andere geklärt sei, was in dieser Stadt noch zu machen ist. Wer lesen kann, kann lesen, man will sie nicht, weil man an die Opfer ihrer Partei erinnert, das ist ganz deutlich. Und gestern war ich im Hauptausschuss, im öffentlichen Teil, deshalb kann ich darüber berichten, habe ich von der zweiten Diktatur auf deutschem Boden im vorigen Jahrhundert gesprochen. Da gab es den Widerspruch der Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Erfurter Stadtrat, das sei keine Diktatur gewesen. So weit ist man schon wieder, man hebt das Haupt sehr keck und behauptet Unglaubliches. Zum einen ist das in allen Ihren Propagandaschriften zu lesen, das wäre die leichte Deutung. Sie haben uns immer wieder beibringen wollen, Sie errichten die Diktatur des Proletariats. Wenn da nicht das Wort Diktatur drin vorkommt, verstehe ich gar nichts mehr von deutscher Sprache. Aber zum Zweiten muss man auch deutlich machen, was zeichnet eine Diktatur aus? Eine Diktatur zeichnet aus, dass die Meinungsfreiheit fehlt, dass die, die diese Meinungsfreiheit wollen, als politische Gefangene im Gefängnis landen, dass in der Diktatur die Meinungsfreiheit eingeschränkt, wenn nicht gar verboten ist

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Schwäblein?

- am Schluss bitte -, dass man dann Bürger, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, auf freie Wahl des Arbeitsplatzes und des Wohnortes in Anspruch nehmen, an den Grenzen erschießt, dass man Bürger zwangsumsiedelt in völlig rechtswidriger Art und Weise, das zeichnet eine Diktatur aus. Dass man Andersdenkende verfolgt, diffamiert, zersetzt, mithilfe dieser Kuschels zersetzt, sie in ihrer Persönlichkeit bricht, die Familien auseinandertreibt, das zeichnet eine Diktatur aus. Und das alles soll nicht wahr gewesen sein? Millionen haben das erlebt. Das alles soll nicht wahr gewesen sein? Das können wir nicht so stehen lassen. Deshalb ist die Debatte um den Gedenktag anlässlich der ersten freien Wahl in diesem Teil Deutschlands unbedingt notwendig. Die erste freie Wahl war auch der erste Sieg der Volksbewegung des Herbstes von 1989, daran sollten wir wirklich immer denken.

(Beifall CDU)

Abgeordneter Blechschmidt, Ihre Frage.

Danke, Kollege Schwäblein. Sie haben den Stadtrat Herrn Rebhahn zitiert, aus einem Papier richtig zitiert, und haben daraus geschlussfolgert, dass die LINKE gegen die Gedenkstätte Andreasstraße wäre. Können Sie mir bitte sagen, wie das Abstimmverhalten der LINKEN im Stadtrat Erfurt gewesen ist zum Gedenkstättenkonzept Andreasstraße.

Der größte Teil hat mitgestimmt, aber längst nicht alle.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Was ist dann mit Ihrer Argumentation?)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Doch, Abgeordneter Hahnemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, für mich war die Debatte jetzt in großen Teilen ein guter Beleg dafür, warum die parlamentarische Demokratie, insbesondere Ihre Parlamente und Ihre Parlamentarier, ein ziemliches Hindernis darstellen, Ihrer so andachtsvoll und so erfurchtsvoll zu gedenken, weil, man stellt sich in diesem Hause eben hin und spricht einem von Bürgerinnen und Bürgern gewählten Abgeordneten dieses Landes einfach mal kraft Wassersuppe Mehrheit sein Recht, in diesem Parlament zu sitzen, ganz locker ab. Und man erteilt einem Maß von Geschichtsklitterung

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist doch wohl eine Unverfrorenheit sonder- gleichen.)

einen Wert hier in diesem Hause, dass es einen schaudern kann.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Kollege Mohring, ich bin jetzt einige Zeit hier in diesem Hause, aber wie hält sich eigentlich so wacker in dieser parteiendeformierten Demokratie die ebenso falsche Auffassung, dass man zum Beispiel zu DDR-Zeiten hätte Parteimitglied werden müssen? Das musste man nicht. Und Sie stellen sich hin und sagen: „Sie haben, Sie haben“, also ich habe erst einmal gar nichts. Aber wenn Sie die Differenzierung, die Sie Ihrer Partei gegenüber anzulegen bereit sind, nicht bereit sind, an die anderen Mitglieder

anderer Parteien anzulegen, dann sollten Sie auch mit sich nicht so zaghaft umgehen. Denn das gehört auch zur Bereitschaft, Geschichte ordentlich zu betrachten, dass man nicht die Maßstäbe wechselt, wie es dem Herrschafts- oder Machtkalkül gerade gefällt. Weil Herr Schwäblein so munter aus seinem Widerstandsleben berichtet hat, will ich Ihnen einfach zur Information eines sagen: Ich hatte es einmal mit einem gierigen Vermieter zu tun und habe mich zu diesem Zwecke an die Parteien der DDR gewandt, mein ausgefeiltester Gegner war ein LDPD-Stadtverordneter. Ich habe einmal einen Kampf um eine Wohnung geführt, mein wirklich kräftigster Gegner war ein CDU-Ratsmitglied. Also tun Sie doch nicht so, als seien die Vorgänger oder Kollegen von uns oder Freunde von uns, die sich zur Linken Seite bekennen, als seien die allein verantwortlich für die Geschichte im Osten Deutschlands. Tun Sie bitte nicht so.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will Sie an eine Situation erinnern, die mir während dieser Debatte eingefallen ist. Wir haben in der 1. Legislatur - ich kann das Jahr nicht mehr sagen - einmal über diesen Gegenstand im Thüringer Landtag diskutiert. Da hatte sich der Herr Kollege Böck, der war damals, glaube ich, nicht Innenminister, sondern er hatte sich, glaube ich, als Abgeordneter geäußert, er hat uns die DDR beschrieben mit dem Bild eines Schiffes, das da fuhr. Er hatte uns ausgemalt, dass die SED-Leute auf der Brücke standen und die CDU-Leute im Kesselraum Kohlen geschippt haben.

Herr Dr. Hahnemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sonntag?

Gleich, Herr Sonntag.

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Der hat doch ein Segelschiff gemeint.)

Wenn das so gewesen sein sollte, dass die SEDLeute oben auf der Brücke gestanden haben und die CDU-Leute im Kesselraum die Kohlen geschippt haben, dann denken Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, einfach mal darüber nach, könnte es sein, dass auch Sie den lecken Kahn am Fahren gehalten haben?

Herr Abgeordneter Sonntag, Ihre Zwischenfrage.

Herr Kollege Hahnemann, habe ich das richtig verstanden, dass Sie die Anzeige einer Wahlfälschung vom Kollegen Schwäblein mit einem sicherlich zu seiner Zeit gravierenden Wohnungsproblem ihrerseits gleichsetzen?

Entschuldigung, davon habe ich nichts gesagt.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Abgeordneter Fiedler, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wenn es auch schon einige Jahre her ist seit 1989, es nähern sich ja langsam die 20 Jahre, dass man wirklich die Debatte weiterführt. Herr Hahnemann, ich bin genauso wie Sie gelernter DDR-Bürger, nichts anderes. Die einen waren mehr beteiligt, die anderen weniger, wir alle waren irgendwo im System drin, aber eines stimmt nicht, da will ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Das ist Frage so unter dem Motto: Man musste ja nicht in die Partei gehen. Das mag zum gewissen Punkt auch gestimmt haben. Wenn man aber nicht in die SED gegangen ist, dann ist man ab einer bestimmten Stelle nicht weitergekommen. Ich will es doch nicht schönreden! Ich will Ihnen nur sagen, ich war bei Carl-Zeiss Jena, ich habe bei Carl-Zeiss Jena gearbeitet, ich war ganz normaler Vorfertigungsmechaniker (Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)