Protocol of the Session on January 25, 2008

viele Gründe, die dazu beigetragen haben, aber es nur darauf zu schieben, so ganz einfach kann man es, glaube ich, auch nicht machen. Diese 287 Seiten dieses Reformvertrags sind auch inhaltliche und rechtliche Grundlagen der EU - die haben dort ein Zeichen gesetzt, finde ich, wenngleich auch das Verfassungskonzept gescheitert ist. Das muss man auch an der Stelle sagen.

Ausgangslage war, die bestehenden Verträge von Maastricht über Amsterdam und Nizza zusammenzufassen, in einen einheitlichen Kontext zu bringen mit der Bezeichnung „Verfassung“. Das ist nicht gelungen. Dass dieses Scheitern der Mitgliedstaaten auch noch im Juni 2007 festgestellt wurde, genau von den Mitgliedstaaten, die 2004 in Rom einheitlich diesen Vertragsentwurf feierlich ratifiziert haben, zeigt auch den Zustand vor der Übernahme der Deutschen Ratspräsidentschaft in dieser Europäischen Union. Wenn nun auch diesem Reformvertrag insgesamt der Verfassungscharakter fehlt, so hat sich doch die geleistete Vorarbeit gelohnt, meine ich an der Stelle. Sie haben es auch, glaube ich, gesagt, 90 bis 95 Prozent der Substanz des Verfassungsvertrags wurde in den Reformvertrag übernommen. Da haben wir inhaltlich eine völlig andere Meinung, als sie hier Herr Kollege Kubitzki vorgetragen hat.

Warum haben wir den Antrag gestellt als Fraktion, auf den Sie dann ja freundlicherweise mit einem zweiten Antrag aufgesprungen sind, auf den fahrenden Zug? Weil wir Inhalt und Ziel dieses Reformvertrags den Bürgerinnen und Bürgern erklären wollen und müssen. Das ist doch überhaupt gar keine Frage, wenn wir das ernst nehmen, denn auch da hat eine unlängst durchgeführte Umfrage, die es zuhauf gibt, da kann man auch über Zahlen völlig anderer Meinung sein, noch mal deutlich gemacht, dass die Bürger und die Menschen mit der Berichterstattung nicht zufrieden sind. Das ist einer der wichtigen Punkte. Da, glaube ich, auch selbst den Eindruck gewonnen zu haben, dass an vielen Stellen die nationalen und regionalen Medien einfach zu wenig über Europa und Europaangelegenheiten berichten. Ich könnte mir da durchaus eine intensivere Befassung vorstellen. Dass Europa - man kann auch Brüssel sagen - und die Mitgliedstaaten in dieser folgenden Reflexionsphase dazugelernt haben, das war klar; denn wenn ich Europapolitik gestalten will, wenn ich den Menschen Chancen einräumen will mitzumachen, dann müssen sie auch die Ergebnisse verstehen können. Da müssen sie in den Gemeinden, in den Städten überall mitgestalten können, wie sich Europa umsetzt, wenn man diese vorgegebene Lissabon-Strategie auch tatsächlich ernst nimmt.

Was mich besonders freut, das ist schon die Tatsache, dass nach fast acht Jahren - es waren fast acht Jahre - zumindest mit dem Reformvertrag die

Grundrechtecharta eine Rechtsverbindlichkeit erreicht. Sicher ist sie nicht Bestandteil des Vertrags, aber mit einem Hinweis wird in diesem Vertragswerk darauf verwiesen. Das bedeutet natürlich, dass 25 der 27 Mitgliedstaaten - die Briten und die Polen sind ausgeschert, das zeigt auch noch, wie schwierig der Weg ist, zeigt aber, dass unmittelbar dadurch die Charta natürlich auch verbriefte Grundrechte sind. Das halte ich schon für einen Erfolg, der ja auch hier in Thüringen maßgeblich mitgestaltet worden ist in den Jahren zuvor, wie wir alle wissen und aus mehreren Debatten auch hier im Parlament dazu beigetragen haben. Das bedeutet natürlich auch, dass zum Beispiel auch die Bürger in Zukunft vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg direkt einen Anruf starten können, wenn sie sich in ihren Rechten irgendwo verletzt fühlen. Das bedeutet natürlich auch, dass rein äußerlich der europäische Reformvertrag wie seine Vorgänger von Nizza bis Maastricht ein Änderungsvertrag mit zahlreichen Protokollerklärungen am Rande ist, auch die Ausnahmeregelungen, die dabeistehen. Das zeigt, dass natürlich inhaltliche Abweichungen vom Verfassungsvertragsentwurf wie auch Ausnahmeregelungen zur Grundrechtecharta und auch zur Abgrenzung zu Zuständigkeiten zwischen der Union und zwischen den Mitgliedstaaten unterschiedlich bewertet werden. Es bleibt jedenfalls dabei, zwei rechtlich gleichrangige Grundlagenverträge primär rechtlicher Natur, einmal den in sechs Titeln zusammengefassten gegliederten Vertrag über die Europäische Union und dann den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Europäische - das haben Sie, glaube ich, auch gesagt - Gesetze und Rahmengesetze gibt es nach dem Vertrag von Lissabon nicht. Das ist wie bei den bisherigen Rechtsakten auch und wir bleiben bei Verordnungen, Richtlinien, bei Entscheidungen. Lediglich die Entscheidungen sind dann umgewandelt worden in Beschlüsse. Der Minister ist sehr ausführlich auf die zahlreichen Änderungen und Neuerungen im vertragsrechtlichen Sinne eingegangen. Ich will nur noch mal sagen, was ich ganz gut finde an der Stelle, ist auch die Aufgabe der halbjährlich rotierenden Präsidentschaft, die allerdings nur für den Präsidenten zutrifft; bei den Fachministerräten bleibt es bei der halbjährlichen Rotation. Das halte ich persönlich für nicht so glücklich, aber das ist die Tatsache.

Die Ausweitungen der Entscheidungen des Rates mit der qualifizierten Mehrheit sind angesprochen worden auf die insgesamt 181 Bereiche. Man sollte zumindest aber mal die Stärkung der Rolle der nationalen Parlamente in Artikel 8 des Europäischen Vertrags beleuchten, da geht es um die Subsidiaritätskontrolle, da ist das Frühwarnsystem angesprochen worden, das will ich nicht weiter ausführen, vor allen Dingen aber auch die Achtung der kommunalen und der regionalen Selbstverwaltung - für uns als regiona

les Parlament ein schon sehr wichtiger Punkt. Das Bürgerbegehren hat Herr Kubitzki angesprochen mit einer Million Bürger und einer Mehrheit aus Mitgliedsländern, auch eine ganz wesentliche Neuerung für die Demokratisierung, und natürlich auch die Möglichkeit eines freiwilligen Austritts aus der Union, auch die ist inzwischen verankert. Ich glaube, das ist auch bisher noch nicht der Fall gewesen.

Vielleicht noch ein paar Bemerkungen zu der Frage „Bürgernähe und Mittlerfunktion“ insgesamt: Ich glaube schon, dass wir hier im Landtag eine ganz besondere Verantwortung haben, ein Augenmerk darauf zu legen, denn die Kommission wird auch in Zukunft genauer hinschauen müssen, wo ihre Regierungskompetenz endet und wo die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten beginnt. Explizit sind in diesem Vertrag die regionalen und lokalen Ebenen deutlich erwähnt worden. Das heißt, auch wir werden über das Frühwarnsystem die Chance haben. Wir werden in den Regionalparlamenten die Gesetzgebungsbefugnisse haben, im Subsidiaritätsprotokoll erscheinen und wir werden auch das Klagerecht des AdR bei Verstößen gegen dieses Prinzip wahrnehmen können. Aber wir haben es mehrfach in den Ausschüssen gemerkt, die Mitwirkung im Parlament in EU-Angelegenheiten nach Artikel 67 Abs. 4 unserer Verfassung hat die Landesregierung in der Vergangenheit immer wahrgenommen und wird sie mit Sicherheit auch weiterhin pflegen. Davon bin ich überzeugt. Das haben wir im Ausschuss in der Vergangenheit sehr gut praktiziert. Und auch weitere acht andere Bundesländer haben das gleiche Verfahren.

Herr Kubitzki, Sie haben an der Stelle, wenn man das einmal einwerfen darf, der Verfassung des Freistaats Thüringen nicht zugestimmt. Wenn ich mich recht entsinne, sind Sie damals im Pallas der Wartburg aus dem Saal gegangen. Aber was ist jetzt wichtig? Eigene Initiativen einbringen, letztendlich im Kontext mit den Regionalpartnern, vor allen Dingen auch neue Informationskanäle öffnen. Wir sollten auch das Büro in Brüssel kontaktieren, was sehr hilfreich sein kann, nicht nur unsere Partnerregionen, sondern auch über andere Parlamentsebenen und wir sollten zu Meinungsaustauschen kommen. Wir sollten notwendige Debatten führen, nicht nur hier, sondern auch vor Ort in die Schulen gehen, was wir auch im Rahmen der Europawoche bisher getan haben.

Vielleicht als letzter Punkt noch einmal ganz kurz, weil die Stimme sonst weg bleibt, zu Ihrem Antrag. Dass wir jetzt in einer schweren Situation sind, wo ich einfach glaube, jetzt geht es darum, diesen Vertrag zu ratifizieren, ist klar. Wir müssen die Iren überzeugen, aber wir müssen natürlich die Menschen mitnehmen, was in den Inhalten drinsteht, das ist doch gar keine Frage. Ihr zweiter Punkt, den Sie aufrufen, nach einer Thüringer Bundesratsinitiative über

die Volksabstimmung zum Reformvertrag, das ist ja in vielen anderen Bereichen ähnlich von Ihnen zu hören. Wenn Sie auch da einmal nachlesen, was die Kollegin Naumann damals gesagt hat, ich könnte es fast wörtlich wiedergeben: Wir sind gegen den Verfassungsvertragsentwurf, aber wir wollen einen Volksentscheid darüber. Das halte ich für populistisch an der Stelle wirklich intensiv.

(Beifall CDU)

Sie wissen auch ganz genau, das hat Kollege Höhn inhaltlich schon ausgeführt, dass 27 dieser europäischen Staaten, außer den Iren, den Reformvertrag durch ein Referendum ratifizieren werden. Das steht fest. Die Ungarn haben es schon gemacht. Wir wollen es bis Mai dieses Jahres tun. Glauben Sie einfach, es wird doch nicht besser, wenn Sie immer unterstellen, nur Volksabstimmungen sind demokratisch, alles andere wäre undemokratisch. Das ist falsch und das wissen Sie auch ganz genau. Sie können da einmal nachlesen im Grundgesetz in Artikel 20 und 38, da steht das noch einmal deutlich geschrieben. Deshalb werden wir Ihren Antrag in diesem Punkt ablehnen. Danke schön.

(Beifall CDU)

Weitere Wortmeldungen von Abgeordneten liegen mir nicht vor. Möchte die Landesregierung noch einmal das Wort ergreifen? Auch nicht. Dann schließe ich die Aussprache. Ich gehe davon aus, dass das Berichtsersuchen zum Antrag der CDU-Fraktion und zu Punkt 1 des Antrags der Fraktion DIE LINKE erfüllt ist. Es gibt keinen Widerspruch. Dann ist das so. Damit kommen wir zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Herr Abgeordneter Blechschmidt bitte.

Frau Präsidentin, namens meiner Fraktion verlange ich namentliche Abstimmung.

Dann werden wir den Punkt 2 in namentlicher Abstimmung abstimmen lassen. Ich bitte entsprechend die Stimmkarten einzusammeln.

Hat jeder seine Stimmkarte abgeben können? Nein? Ich will ja nun nicht, dass man die Präsidentin vergisst.

So, sind alle Stimmkarten eingesammelt? Hatte jeder Abgeordnete die Möglichkeit, seine Karte abzugeben? Das ist so. Dann ist der Abstimmungsvorgang

beendet und ich bitte auszuzählen.

Ich kann jetzt das Abstimmungsergebnis bekannt geben. In namentlicher Abstimmung wurden abgegeben 77 Stimmen, davon Jastimmen 21, Neinstimmen 56, keine Enthaltungen. Damit ist die Ziffer 2 des Antrags der Fraktion DIE LINKE mit Mehrheit abgelehnt (Namentliche Abstimmung siehe Anlage).

Ich schließe die Tagesordnungspunkte 12 a) und b) und rufe auf den Tagesordnungspunkt 13

Thüringer Ladenöffnungsgesetz - ein Jahr in Kraft Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/3657 -

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung hat Sofortbericht angekündet. Ich erteile Minister Dr. Zeh das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Namen der Landesregierung darf ich Sie über die ersten Erfahrungen mit dem Thüringer Ladenöffnungsgesetz informieren.

Das Thüringer Ladenöffnungsgesetz basiert im Wesentlichen auf dem Grundsatz, der Staat sollte nicht alles regeln, was er kann, sondern nur das regeln, was er unbedingt muss. Die Freigabe der Ladenöffnungszeiten von Montag 0.00 Uhr bis Samstag 20.00 Uhr folgte genau diesem Prinzip. Es sollte den Handlungsspielraum der Handel Treibenden erweitern. Das bedeutete nicht, dass die Handel Treibenden in dieser Zeit nun den maximalen Zeitraum öffnen müssen. Sie können innerhalb dieser Zeiträume öffnen. Der wenige, aber wichtige Reglungsbedarf in diesem Gesetz betrifft den Schutz der Sonn- und Feiertage sowie den Arbeitnehmerschutz.

Am Sonn- und Feiertagsschutz als einem wichtigen Element des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes wurde bei gleichzeitiger Fortführung von bewährten Ausnahmebestimmungen festgehalten. Gemäß Thüringer Ladenöffnungsgesetz finden die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes vollumfänglich Anwendung. Damit gelten für Beschäftigte im Handel die gleichen Arbeitsschutzrechte wie für die übrigen Beschäftigten. Eine zusätzliche Begrenzung der zulässigen Beschäftigung am Samstag auf 20.00 Uhr sowie auf maximal 22 Sonn- und Feiertage im Jahr ist damit festgelegt.

Die Rolle der Landkreise und kreisfreien Städte als ortsnahe und sachkundige Entscheidungsträger wur

de mit dem Thüringer Ladenöffnungsgesetz gestärkt. Der Gesetzgeber hatte von vornherein klargestellt, dass das Thüringer Ladenöffnungsgesetz weder direkten Einfluss auf den Umsatz von Unternehmen noch automatisch einen arbeitsmarktpolitischen Aspekt haben kann. Vielmehr wurden der Abbau von Verwaltungsaufwand, die Reduzierung des Regelungsumfangs und die Vereinfachung von Ausnahmebestimmungen angestrebt, wobei möglichst ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Verbraucher, der Händler und der im Handel Beschäftigten erreicht werden sollte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thüringer Ladenöffnungsgesetz findet seit dem 30. November 2006 Anwendung und ist somit reichlich ein Jahr in Kraft. Eine erste, noch nicht abschließende Bewertung des neuen Gesetzes soll nachfolgend auf der Grundlage von Umfrageergebnissen und Einschätzungen des Einzelhandelsverbandes des Freistaats Thüringen, der Industrie- und Handelskammern, des Interessenverbandes der Groß- und Mittelbetriebe BAG, Landesorganisation Thüringen e.V., und der Gewerkschaft ver.di sowie der Behörde zusammenfassend dargestellt werden.

Eingehen möchte ich sowohl auf wirtschaftliche Erfahrungen der Einzelhändler als auch auf die Betroffenheit der Arbeitnehmer. Umfragen des Einzelhandelsverbandes des Freistaats Thüringen e.V. und der Thüringer Industrie- und Handelskammern zufolge öffnen die Thüringer Händler weitgehend ihre Geschäfte an Werktagen unverändert bis längstens 20.00 Uhr. An Standorten wie in Erfurt am Domplatz, Marktstraße, Fischmarkt hielten lediglich 2 Prozent der Händler und in Weimar 3 Prozent der Innenstadthändler ihre Verkaufsstellen bis 22.00 Uhr offen. Nach Informationen durch die Industrie- und Handelskammer Ostthüringen in Gera testeten 21 Prozent aller befragten Einzelhändler in unterschiedlichem Umfang und an unterschiedlichen Tagen Öffnungszeiten bis 22.00 Uhr. Vor allem traf dies für Lebensmitteleinzelhändler oder größere Einkaufszentren zu. Ausnahmeregelungen zur Verlängerung der Öffnungszeiten an Samstagen über 20.00 Uhr hinaus wurden nur wenig beantragt. Händler erwarten Erfolge von den sogenannten Verkaufsevents wie Mitternachtsshoppings, Modenächten und Ähnlichem, die nunmehr möglich sind. Diese Shoppingnächte werden bei Händlern und Kunden mit zunehmendem Interesse angenommen und sollen im Jahr 2008 fortgesetzt werden. Hier kann ich mir gut vorstellen, dass sich dabei auch neue Traditionen aufbauen lassen.

Nach Beurteilung der Verbände und Kammern war es richtig, die Ladenöffnungszeiten zu liberalisieren. Grundsätzlich haben sich die Bestimmungen nach dieser ersten Einschätzung bewährt. Übereinstim

mend wiesen der Einzelhandelsverband des Freistaats Thüringen e.V., die Industrie- und Handelskammer Ostthüringen in Gera sowie der Handelsverband BAG auf den Unmut der Händlerschaft über die Thüringer Regelungen zur Öffnung an den Adventssonntagen hin. Das Thüringer Ladenöffnungsgesetz gibt vor, dass die Geschäfte im Rahmen der bis zu vier verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage im Jahr lediglich am 1. Adventssonntag öffnen dürfen. Die Händler würden sich diesbezüglich im Wettbewerb gegenüber den Händlern in Sachsen und Sachsen-Anhalt benachteiligt sehen und von erheblichen Umsatzverlusten ausgehen. Die Gesetze der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt lassen die Ladenöffnung an allen Adventssonntagen im Rahmen der jährlich zulässigen vier Öffnungstage zu. Der Einzelhandelsverband des Freistaats Thüringen e.V. sowie der Handelsverband BAG fordern hierzu im Interesse der Thüringer Händler Änderungen. Mit der Begründung, die Adventszeit sei die umsatzstärkste Zeit im Handel, sollte der verkaufsoffene Adventssonntag entsprechend territorialer Besonderheiten frei wählbar sein. Im Ländervergleich zeigt sich jedoch, dass es in den anderen Nachbarländern Hessen und Niedersachsen keine Ladenöffnungen an den Adventssonntagen gibt. Im Freistaat Bayern gelten noch immer die Bestimmungen des alten Ladenschlussgesetzes. Danach waren alle Dezembersonntage geschützt, falls der 1. Advent auf einen Novembersonntag traf, konnte dann am 1. Advent geöffnet werden. Die sehr weitgehenden Ausnahmeregelungen der Stadt Leipzig zur Ladenöffnung an den Sonn- und Feiertagen im Dezember 2007 wurden durch Verwaltungsgerichtsurteil verboten.

Sehr geehrte Damen und Herren, Kritik an verlängerten Ladenöffnungszeiten äußerten Vertreter der Gewerkschaft ver.di. Die Arbeitsbelastungen würden durch die Verlagerung der Arbeitszeit in die Abend- und Nachtstunden deutlich steigen. Von mehreren Verkäuferinnen wurde gegenüber dem Petitionsausschuss vorgetragen, dass Arbeitszeiten bis 22.00 Uhr eine individuelle Beeinträchtigung des Familienlebens zur Folge haben und die Kinderbetreuung erschwert.

Wir sind der Auffassung, dass mitarbeiterorientierte Arbeitszeitsysteme eine wichtige Begleitung von Arbeitszeiten nach 20.00 Uhr darstellen. Dazu zählt auch, beim Einsatz des Personals Belange wie die Betreuung von Kindern zu berücksichtigen. Wir fordern ausdrücklich die Einzelhändler dazu auf, diese Belange, die ich eben genannt habe, auch entsprechend in ihre Planungen mit einzubeziehen.

Ebenso gibt es beim Verwaltungsvollzug des Gesetzes derzeit wenig Probleme oder Hindernisse. Vonseiten der Landkreise und kreisfreien Städte gab es bislang nur wenige Anfragen, was auf geringen

Problemdruck beim Vollzug des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes schließen lässt. Die Landkreise und kreisfreien Städte können jetzt gemäß ihrer Zuständigkeiten im übertragenen Wirkungskreis regionalen Gesichtspunkten besser Rechnung tragen. Das Thüringer Landesverwaltungsamt teilte mit, dass im Jahr 2007 eine befristete Ausnahme im öffentlichen Interesse von überregionaler Bedeutung erteilt wurde; nämlich aus Anlass der Bundesgartenschau 2007 wurde den Händlern in den Stadtzentren Gera und Ronneburg gestattet, an bis zu zehn ausgewählten Sonntagen ihre Geschäfte offen zu halten.

Der Einzelhandelsverband des Freistaats Thüringen e.V. sowie der Gemeinde- und Städtebund Thüringen haben darauf aufmerksam gemacht, dass sich bei freiwilligen Gemeindezusammenschlüssen die Bestimmungen zur Durchführung verkaufsoffener Sonn- und Feiertage nachteilig auswirken können. Nach einem Gemeindezusammenschluss ist die Zulassung von Ausnahmen aus Anlass jeweils langjähriger Traditionsveranstaltungen in den beteiligten Gemeinden nicht mehr im bisherigen Umfang möglich. Jedoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, dass freiwillige Gemeindezusammenschlüsse durch die Landesregierung natürlich ausdrücklich gewollt sind. Das war an dieser Stelle kein kritischer Unterton. Inwieweit sich hier ein Novellierungsbedarf des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes ergibt, wird die Thüringer Landesregierung prüfen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Thüringer Ladenöffnungsgesetz hat sich in der vorliegenden Form bewährt. Es ist ein Angebot an die Einzelhändler, es ist keine Verpflichtung. Dies sollte man bei aller Diskussion nicht vergessen. Das Gesetz eröffnet den Einzelhändlern in Thüringen erweiterte Handlungsspielräume, die eigenverantwortlich genutzt werden können. Ich kann deshalb keinen aktuellen Änderungsbedarf bzw. Anpassungsbedarf erkennen.

Sicherlich kann dieses Ergebnis nach etwas mehr als einem Jahr Inkrafttreten des Gesetzes nur vorläufig sein. Mittelfristig kann ich mir jedoch Ergänzungen oder auch Präzisierungen im Gesetz, soweit sie dann als notwendig erachtet werden, vorstellen. Wir sollten jetzt aber erst einmal das Gesetz wirken lassen und nach einer längeren Frist entscheiden, was weiter zu tun bleibt.

Letztlich möchte ich noch einmal betonen, dass das Gesetz in der vorliegenden Form einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den jeweils berechtigten Interessen der Einzelhändler, der Kirchen sowie der Arbeitnehmerinteressen und der Gewerkschaften darstellt. Daran sollten wir in jedem Fall festhalten. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Danke für den Sofortbericht. Wird die Aussprache hierzu gewünscht? CDU-Fraktion, Fraktion DIE LINKE und SPD-Fraktion. Danke schön. Dann eröffne ich die Aussprache und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Dr. Schubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Ladenöffnungsgesetz hat der Gesetzgeber Raum für Freiheit geschaffen. Dafür trägt der Landtag die Verantwortung. Ich bin deshalb froh darüber, dass wir heute die Auswirkungen dieser Entscheidung vor Augen geführt bekommen. Ich möchte daran erinnern, dass wir damals Ende 2006 uns wenig Zeit gelassen hatten, die CDU hatte es sehr eilig mit der Verabschiedung dieses Gesetzes. Diesen Eifer habe ich damals schon nicht so richtig verstanden und auch kritisiert. Ich hatte darauf hingewiesen, dass es einige Ungereimtheiten geben wird. Unsere Bedenken wurden aber von der Mehrheit dieses Hauses nicht geteilt.

Jetzt, über ein Jahr danach, ziehen wir erstmals Bilanz und ich muss sagen, eine Erfolgsstory sieht etwas anders aus.

(Beifall SPD)

Sicher, für eine endgültige Einschätzung ist es noch zu früh, zumal die Zeit für allerlei Experimente genutzt wurde, aber die bisherige Bilanz verheißt nichts Gutes. Sie lautet: Die Ladenöffnungszeiten, so schätzt zum Beispiel die IHK Erfurt ein, sind weitestgehend unverändert geblieben, abgesehen von wenigen Geschäften in exponierter Lage oder in Einkaufszentren. Die Umsätze sind mitnichten gestiegen, auch wenn die Geschäfte länger offen sind. Man kann das Geld halt immer nur einmal ausgeben. Ein Mehr an Arbeitsplätzen, von vollwertigen ganz zu schweigen, davon kann erst recht nicht gesprochen werden. So konstatiert dann auch der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Thüringen Herr Bernhard klipp und klar: Die Regelungen des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes haben sich nicht durchgesetzt. Aber es ist ja nicht so, dass sich mit dem Ladenöffnungsgesetz gar nichts geändert hat.

Schauen wir uns also mal an, was geblieben ist oder was bleibt - die Probleme in Bezug auf die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage in der Vorweihnachtszeit, wo nämlich vor allen Dingen unsere Nachbarn in Sachsen-Anhalt und Sachsen andere Regelungen gefunden haben -, dann sind da die bürokratischen und umständlichen Regelungen, um das Verfahren

zu den verkaufsoffenen Sonntagen in den Behörden durchzuführen. Das ist vor allen Dingen die unbefriedigende Situation der Beschäftigten des Einzelhandels, wovon Frauen im besonderen Maße betroffen sind. Da ist weiterhin der andauernde Personalabbau im Einzelhandel und die verschärfte Konkurrenzsituation, der erhöhte Druck auf die kleinen und mittelständischen Einzelhandelsunternehmen und deren Beschäftigte.

Natürlich hat diese von mir beschriebene Situation auch ganz andere Ursachen, nämlich die, dass die Kaufkraft der Bevölkerung nicht weiter steigt, sondern immer weiter abnimmt. Die Stichworte dafür sind, dass Thüringen unter den neuen Ländern ein unterdurchschnittliches Einkommensniveau besitzt. In der Industrie hat Thüringen die niedrigsten Löhne aller Bundesländer. Thüringen hat die niedrigste Beschäftigungsquote der neuen Bundesländer, Thüringen ist das Billiglohnland schlechthin, dafür hat die Landesregierung ja auch immer geworben. Ich denke, daran haben Sie von der CDU, die Landesregierung einen erheblichen Anteil, indem Sie sich zum Beispiel bei dem Thema „Mindestlöhne“ total verweigern, wo man auch etwas für die Kaufkraft der Bevölkerung tun könnte.