Protocol of the Session on October 12, 2007

hältnisse, der Verleiher also Arbeitnehmerrisiko und die Anstellung der Belegschaft in der Leiharbeitsfirma ist dann eine mit allen Rechten und Pflichten, mit Urlaubsansprüchen, Weihnachtsgeld und Betriebsrat gebildet, sogar zwei freigestellt von der Firma, zu der ich gleich vielleicht auch noch etwas sagen kann, und sogar, meine Damen und Herren, von der von mir aus jetzt rechten Seite, mit einem gesicherten Einkommen über die gesamte Zeit der Anstellung. Der spannende Unterschied zum Beispiel zu der Leiharbeit in Großbritannien ist, sie kriegen nur Geld, wenn sie in der Arbeit sind. Die Frage für den Leiharbeiter ist es ja oder für den, der in dieser Firma beschäftigt ist: Was passiert denn, wenn im Augenblick durch die Konjunktur oder durch die Situation in der Branche keine Arbeit da ist? Dann ist der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin normalerweise daheim und bekommt in England kein Geld. Das ist klar, das sagen die dort. Ich sage einmal hier, er bekommt auch weiterhin sein Einkommen. Man kann nun über den angestrebten Mindestlohn der Branche streiten, aber 6,22 € als Mindestlohn in Ost- und Mitteldeutschland und zu wissen, es kommt jeden Monat, egal, ob ich in Beschäftigung bin oder nicht, ist also auch schon ein Stückchen soziale Sicherheit, die man einfach nicht so wegwischen kann. Ich habe auch deutlich gemacht, wir müssen hinschauen, mit welchen wir es zu tun haben. Es ist von beiden Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden, wenn man mal befragt, wer die Kunden der Zeitarbeitsbranche sind, aus welcher Motivation heraus sie denn Arbeitnehmerüberlassungen nehmen, also Zeitarbeitskräfte nehmen, da sagt ein großer Block, um die 50 Prozent: weil ich in meinem Unternehmen Personal dann habe, wenn ich es brauche. So ein bisschen hat das etwas mit Kündigungsschutz zu tun, wie sie eigene Belegschaften aufbauen können und wie sie flexibel auch auf Spitzen reagieren können. 10 Prozent sagen - es ist eine aktuelle EmnidUmfrage, aus der ich jetzt zitiere: Das Unternehmen kann die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Das ist die Frage Fachkräfte, die dahinter steht. Das will ich der guten Ordnung halber auch sagen, 30 Prozent sagen: Ich kann im Unternehmen Kosten sparen. Nun ist das ja per se nichts Schlechtes. Schlecht finde ich nur - und das muss man auch so deutlich sagen -, wenn dieses Instrumentarium nach meinem Dafürhalten im Grundsatz missbraucht wird, um geltende Tarifverträge einfach auszuhebeln, um Belegschaften auszukehren. Aber Sie kennen diese, Herr Blechschmidt, Missbrauchstatbestände immer mal wieder. Ich erinnere, es gab von der Arbeitsverwaltung die Einstellungszuschläge für Frauen beispielsweise aus der Arbeit heraus. Ich habe das selber erlebt, dass Unternehmer mit der Belegschaft zum Arbeitsamt gefahren sind im Bus und haben gesagt, ihr seid jetzt gekündigt und dann geht rein, ich stelle euch wieder ein. Es ist dann ein Reflex darauf, dass die entsprechenden Regeln auch geändert worden sind, dass

man sagt, das Unternehmen muss die Belegschaftshöhe schon eine ganze Zeit auch haben und nicht durch einen Abbau erst die Freisetzung hervorgerufen haben. Das kann man ja dann, glaube ich, auch noch einmal bereden, wie man möglicherweise im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz noch Änderungen herbeiführen müsste, um diesen Missbrauch einzuengen. Ich sage es einmal so, nie werden wir ihn ganz verhehlen. Ich will aber noch einmal deutlich sagen, das unterscheidet uns möglicherweise in der Betrachtung der Branche. Ich sage, es sind normale Arbeitsverhältnisse, es ist auch keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, es ist der erste Arbeitsmarkt, nur in einer sehr spezifischen und flexiblen Art und Weise, wie gesagt, auch mit den Möglichkeiten, die dort aufgeführt sind. Es gibt auch andere Branchen. Pendler fahren auch jeden Tag hin und her und leben mit einer gewissen Unsicherheit. Deshalb von mir oder von meiner Fraktion der Antrag, diese spannende Thematik im Wirtschaftsausschuss weiterzuberaten und durch eine Anhörung auch aufzuhellen und dann möglicherweise mit einer Beschlussempfehlung hier in den Landtag zurückzukommen.

(Beifall CDU)

Seitens der Abgeordneten liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung Minister Reinholz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit ihrem Antrag fordert die SPD-Fraktion, die Leiharbeit in das Entsendegesetz einzubeziehen und den mit dem DGB vereinbarten Mindestlohn für allgemein verbindlich zu erklären.

Meine Damen und Herren, ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass zumindest die großen Verbände der Zeitarbeit Tarifverträge abgeschlossen haben und somit auch tariflich vereinbarte Löhne und Gehälter gezahlt werden. Dennoch gibt es in der Zeitarbeit mit Blick auf Bezahlung und Arbeitsbedingungen immer noch die eine oder andere unerfreuliche Entwicklung. Im Wesentlichen unterliegt die Branche aber mittlerweile den üblichen arbeitsrechtlichen Bedingungen. Die beiden großen Verbände mit Tarifverträgen repräsentieren nach eigenen Angaben immerhin zwei Drittel des Zeitarbeitsvolumens.

Wie Sie wissen, hat sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung darauf verständigt, weitere Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf

zunehmen. Darüber haben wir gestern hier zum Thema Mindestlohn auch schon einmal miteinander gesprochen. Voraussetzung dafür, das hatte ich gestern auch gesagt, ist ein gemeinsamer Antrag von Tarifparteien einer Branche bis zum Stichtag 31.03.2008. Ein offizieller Antrag von Tarifparteien aus dem Bereich der Zeitarbeit liegt nach meinem Kenntnisstand derzeit aber noch nicht vor. Auch innerhalb der verschiedenen Verbände der Branchen besteht noch keine Einigkeit, auch wenn die beiden führenden Verbände BZA und IGZ für eine Aufnahme sind. Unabhängig davon ist trotzdem jederzeit eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach dem Tariftreuegesetz möglich. Mit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung würden die Tarifverträge von BZA und IGZ dann auch zwingend für alle Unternehmen im Inland gelten, die von ihrem Geltungsbereich erfasst sind. Neben anderen Voraussetzungen setzt dies aber den Antrag von mindestens einer dieser Tarifparteien erst einmal zwingend voraus. Die Tarifpartner der Zeitarbeitsbranche haben bisher aber noch keinen Antrag beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales gestellt. Die Aufnahme einer Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz erleichtert das Verfahren auf Allgemeinverbindlichkeitserklärungen. Sie schützt zusätzlich inländische Arbeitgeber vor ausländischer Konkurrenz. Es obliegt deshalb zunächst den zuständigen Tarifpartnern, die Voraussetzungen für die Aufnahme in das Entsendegesetz auch zu klären und dann eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch einen entsprechenden Antrag herbeizuführen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Bundeskabinett hat auf seiner Kabinettsklausur in Meseberg in Brandenburg jüngst Beschlüsse zur Zeitarbeit gefasst. Demnach will die Bundesregierung die Entwicklung im Bereich Zeitarbeit zunächst analysieren und prüfen. Auf Basis der Sachlage soll anschließend über weitere Schritte folgerichtig entschieden werden. So sollten wir es, meine Damen und Herren, auch in Thüringen halten. Wir werden erst auf Grundlage dieser angekündigten Analyse eine ernsthafte und ernst zu nehmende Haltung überhaupt formulieren können. Ein Vorpreschen halte ich jetzt nicht für sinnvoll, und zwar unabhängig davon, ob eine Aufnahme der Zeitarbeit in das Entsendegesetz überhaupt der richtige Weg ist. Die Landesregierung wird deshalb die geforderte Bundesratsinitiative nicht ergreifen. Wir werden stattdessen an der fachlichen Diskussion über das Für und Wider einer Aufnahme in das Entsendegesetz teilnehmen.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen und das bekräftigen, was auch Kollege Kretschmer schon gesagt hat. Der Anteil von Zeitarbeit an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland liegt bei 2,3 Prozent und in Thüringen gar nur bei 1,7 Prozent. Auch in

der Zeitarbeit, meine Damen und Herren, gelten die Marktregeln. Zumindest für qualifizierte Fachkräfte müssen mittelfristig deutlich höhere Löhne auch geboten werden, um sie überhaupt für Zeitarbeitsjobs gewinnen zu können. Eine stärkere Nachfrage nach Arbeitskräften, besonders nach qualifizierten Fachkräften, und das haben wir gestern auch schon diskutiert, stärkt generell die Chancen der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt. Auch Löhne müssen dann mittelfristig steigen, wenn Fachkräfte gesucht werden, und, meine Damen und Herren von der SPD und von der LINKEN, das wissen Sie auch, für viele Langzeitarbeitslose bleibt die Zeitarbeit trotzdem oft die einzige Möglichkeit, sich in den Arbeitsmarkt wieder zu integrieren. Immerhin ein Drittel der Zeitarbeitnehmer wird von den Kundenunternehmen anschließend auch in eine Festeinstellung übernommen. Diese selbstverständliche Chance darf, denke ich, durch zu hohe Hürden bei der Entlohnung den Langzeitarbeitslosen nicht verbaut werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.

Es ist beantragt worden, diesen Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die gibt es Gegenstimmen? Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Gibt es auch nicht. Damit ist dieser Antrag an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Regelsätze bei Arbeitslosen- geld II und Sozialgeld anheben Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/3339 - dazu: Alternativantrag der Frak- tion der CDU - Drucksache 4/3427 -

Die Fraktion DIE LINKE wünscht nicht das Wort zur Begründung. Die CDU-Fraktion wünscht auch nicht das Wort zur Begründung. Ich eröffne die Aussprache und rufe für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Eckardt auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eines sei vorangestellt: Auch die SPD-Landtagsfraktion

sieht die Notwendigkeit zur Überprüfung der geltenden Regelsätze.

(Beifall SPD)

Sie wissen, dass der dafür zuständige Bundesarbeits- und -sozialminister dies zugesichert hat. Nicht zuletzt aufgrund der erheblich gestiegenen Preise für Grundnahrungsmittel ist die Überprüfung und Anpassung erforderlich. Gemeinsam mit dem Bundesjugendministerium ist außerdem dafür Sorge zu tragen, dass die Förderung für Kinder verbessert wird.

(Beifall SPD)

Diese zugesicherte Überprüfung gilt es abzuwarten, statt jetzt populistische Schaufensteranträge zu stellen. Die Kollegen von der LINKEN wissen, dass sich dahinter Milliardenbelastungen für die öffentlichen Haushalte verbergen. Sie wissen vor allen Dingen, dass sich dahinter Mehrbelastungen für die Kommunen verbergen. Ich kann Ihnen sagen, was dort in den Kommunen bei einer Realisierung dieser Forderungen erfolgen würde: Kürzungen in all den Sozialleistungsbereichen, in denen keine zwingenden gesetzlichen Grundlagen vorliegen. Das wäre zu befürchten. Oder anders gesagt: Bedroht wären kommunale Politikbereiche, bei denen es um Teilhabe derjenigen Kinder und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen an öffentlichen Angeboten geht, die sie aufgrund ihres dann immer noch niedrigen Einkommens zwangsläufig dennoch einschränken müssen. Da geht es zum Beispiel um Spielplätze, um Jugendfreizeitangebote, Seniorenbegegnungsstätten, um öffentliche Bäder, um nur einige Beispiele zu nennen. Was Ihnen offenbar verborgen bleibt, das ist die auf Umwegen erfolgte klammheimliche argumentative Unterstützung des CDU-Bürgergelds.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle erneut auf etwas hinweisen, was DIE LINKE immer wieder vergisst: Mit der Einführung des SGB II ist bundesweit vorhandene Armut sichtbar geworden; Armut, die vorher in Form der Sozialhilfeempfänger leider selten im Blickpunkt des öffentlichen und politischen Interesses stand; Armut auch all derjenigen, die sich vorher schämten, Sozialhilfe zu beantragen, und sich mit Minirenten und Minieinkommen, welcher Art auch immer, durchschlugen; Armut also, die vorhanden war, an der sich Politik und öffentliches Interesse aber vorbeischummeln konnten.

Das ist jetzt nicht mehr so. Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch und ich will sie wahrlich nicht bagatellisieren. In der Folge der Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe werden endlich alle Erwerbslosenhilfeempfänger als solche registriert. Es zählt aber auch zur Wahrheit, dass ehemalige Sozialhilfeempfänger nicht schlechter, sondern be

tragsmäßig etwas bessergestellt wurden. Mit der Einführung des SGB II ist es auch für sie zu keiner Kürzung der damaligen Sozialhilfesätze gekommen, sehr wohl aber für viele Bezieher von Arbeitslosenhilfe. Das betrifft in Thüringen aufgrund der Tradition der Vollbeschäftigung in der ehemaligen DDR und aufgrund einer bis zum Regierungswechsel 1999 praktizierten offensiven Arbeitsmarktförderung den größeren Teil der heutigen SGB-II-Empfänger. Da gibt es nichts zu beschönigen.

Mit der Einführung des SGB II kam es auch zur Pauschalierung bisher auf Antrag gewährter einmaliger Leistungen. Diese Pauschalierung erfolgte nicht zuletzt auch auf Anregung von freien Trägern, Interessenverbänden und Selbsthilfegruppen aus dem Bereich der damaligen Sozialhilfe. Die Leistungsberechtigten sollten einen Rechtsanspruch nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach erhalten; Behördenwillkür sollte ausgeschlossen werden. Im Sozialhilferecht gab es zum Beispiel Einschulungsbeihilfen, Bekleidungsbeihilfen, Beihilfen zum Erwerb einer Waschmaschine oder Wohnungsausstattung, deren Höhe aber war nun einmal von der Beurteilung des jeweiligen Sachbearbeiters abhängig. Ich habe zunehmend den Eindruck, dass das mit der Pauschalierung eben nicht die Erfindung des Bundesgesetzgebers ist, dass mit dieser Pauschalierung in vielen Fällen der falsche Weg beschritten wurde. Ohne dass ich bösen Willen unterstelle, sind offensichtlich viele Menschen mit der Rücklagenbildung überfordert. Die Erfahrung spricht dafür, dass dies auch im Falle der von Ihnen beantragten Erhöhung der Regelsätze der Fall wäre. Ich plädiere deshalb sehr dafür, dass die einmaligen und auf Nachweis gezahlten Mehraufwendungen mit den Verbänden überprüft und sachgerecht als gesetzlicher Anspruch im SGB II ausgeweitet werden. Ich plädiere dafür, dass wir uns insbesondere im Bereich der Kinderarmut viel mehr Gedanken darüber machen, wie wir die Grundversorgung mit Nahrung und die Teilhabe an allen öffentlichen Angeboten, insbesondere aber an Bildung von Anfang an, wie wir dies in öffentlicher Verantwortung sicherstellen können. Sie finden heute einen Antrag meiner Fraktion genau zu diesem Thema.

In diesem Zusammenhang, Herr Minister Zeh, es ist falsch, wenn Sie das Landeserziehungsgeld als Beitrag zur Bekämpfung der Kinderarmut anlässlich der Pressekonferenz zum Familienatlas in dieser Woche verkaufen.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Ich habe es nicht verkauft.)

Kinder brauchen eben beides - den Kindergarten und mehr direkte Förderung. Genau das lassen Sie nicht

(Beifall SPD)

Bei der bis Ende 2005 geltenden Regelung war hingegen tatsächlich beides möglich - Kindergarten und zusätzlich Landeserziehungsgeld. Ich will nur daran erinnern, dass diese angebliche Doppelförderung ein Argument Ihrer Offensive gegen die Familie war.

Aber zurück zur direkten Förderung. Auch unsere Initiativen zu Ganztagsschulen, zu längerem gemeinsamen Lernen, zu einer besseren frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten und zu qualitativ hochwertigen Jugendfreizeitangeboten dienen dazu, Kinderarmut abzubauen oder am besten gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das sind ausdrücklich nur Beispiele. Es geht letztlich um viel mehr. Das setzt aber voraus, dass in all den Bereichen mehr und nicht weniger öffentliche Mittel eingesetzt werden - Mittel, die uns insbesondere in den Kommunen bei der Realisierung der Antragsforderungen wieder fehlen würden. Und noch etwas befürchte ich - genau wie bei dem Bürgergeld der CDU des Thüringer Ministerpräsidenten: Diese Strategie der massiven Erhöhung der Regelsätze wird gleichzeitig dafür sorgen, dass die politischen Anstrengungen aller drei Politikebenen in der Bundesrepublik zur beruflichen Eingliederung benachteiligter Menschen erheblich nachlassen. Die Grundsicherung ist dann ein sanftes Ruhekissen, auf dem sich nicht die Betroffenen - nein, die nicht -, sondern der andere Teil der dann gespaltenen Gesellschaft ausruhen werden. Genau diese Tendenz bringt der heutige CDU-Antrag zum Ausdruck. Es wird nämlich nur so getan, als ob etwas getan werden sollte. Als wir im vergangenen Jahr die Anpassung der Regelsätze Ost an West im SGB XII zeitgleich mit dem SGB II gefordert haben, war der Mittelblock dagegen. Ja, es wurde sogar von der Landesregierung im Sozialausschuss argumentiert, dass bei einer ostspezifischen Überprüfung der dem Regelsatz zugrunde liegenden Daten keinesfalls eine Erhöhung selbstverständlich wäre, obwohl die Regelsätze des SGB II bereits bundeseinheitlich gezahlt wurden. So gehen Sie mit Überprüfungen des Regelsatzes und mit Fristen um, wenn es Ihnen haushaltstechnisch in den Kram passt. Als die Regelsätze des SGB II und die Anrechnungsmodalitäten der Vermögen im Einvernehmen mit der damaligen CDU-Bundesratsmehrheit vereinbart wurden, musste mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung um jeden Euro für die Betroffenen gerungen werden. Immer aber zählte die Thüringer Landesregierung zu den Scharfmachern innerhalb der CDU-Bundesländer, nicht ohne anschließend die Hände in Unschuld zu waschen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Ihnen nimmt nun wirklich keiner ab, dass Sie die

Lebenssituation langzeitarbeitsloser Menschen und ihrer Familien verbessern wollen. Kümmern Sie sich endlich um deren berufliche Integration, statt zum Beispiel weiterhin öffentlich geförderte Beschäftigung bestenfalls auf Sparflamme zu ertragen - ja, zu ertragen, denn mehr geschieht dort im Wirtschaftsministerium wirklich nicht. Deshalb meine ich, wir sollten uns politisch auf andere Bereiche statt auf Schaufensteranträge konzentrieren. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt, das Wissen der Menschen, gebraucht zu werden, die Gewährleistung von Teilhabe an öffentlichen Gütern und die Festlegung eines existenzsichernden Mindestlohns - all dies halte ich für vorrangig gegenüber einer derartigen Erhöhung der Regelsätze. Außerdem kann bei der derzeitigen Rechtslage DIE LINKE getrost davon ausgehen, dass die angestrebte Erhöhung der Regelsätze bei den erwerbstätigen SGB-II-Empfängern jede Lohnerhöhung verhindern wird. Ich werde deshalb die derzeitigen Regelsätze nicht verteidigen. Ich will und ich erwarte eine realistische Erhöhung. Ich weiß, dass die Höhe der Grundsicherung, insbesondere beim Bedarf der Kinder, nicht ausreicht. Deshalb erwarten wir von der Überprüfung der Bundesregierung Verfahrensvorschläge, die den Menschen helfen und die zu keiner Mehrbelastung der Kommunen führen. Ich will auf Bundes- und Landesebene eine Arbeitsmarktförderung langzeitarbeitsloser Menschen, die den Namen verdient und die den Menschen in absehbarer Zeit Chancen bietet. Wir wollen einen gesetzlich geregelten Mindestlohn. Das alles aber ist nicht mit Schaufensteranträgen zu erledigen. Dafür brauchen wir einen abgestimmten Prozess von der Mindestlohnsicherung über die Reduzierung der Leiharbeit bis hin zur Förderung des öffentlichen Beschäftigungssektors und ganz konkrete Hilfen, insbesondere für Kinder. Genau darauf werden wir unsere Kraft konzentrieren. Die SPDFraktion wird die vorliegenden Anträge ablehnen.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Günther zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, eingangs möchte ich kurz Herrn Eckardt antworten zur Debatte zur Regelsatzerhöhung im Oktober, glaube ich, des Jahres 2006

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Im Juni.)

oder im Juni, okay, ja, da die Regelsatzverordnung zum 01.07. anzupassen war, stimmt. Ich weiß nicht,

Herr Eckardt, ob Sie damals schon hier gesessen haben. Wenn ja, dann haben Sie sicherlich nicht zugehört. Genau zu dieser Debatte habe ich von dieser Stelle aus das Statistikmonster EVS schon kritisiert. Das mache ich heute wieder mit dem Alternativantrag meiner Fraktion. Wir haben damals schon auf Veränderung gedrängt.

Hinsichtlich des Angriffs in Richtung unseres Sozialministers sei gesagt, dass auch zu dem Zeitpunkt diskutiert worden ist, einen per Rechtsverordnung festgesetzten Eckregelsatz für Thüringen zu untersuchen. Da haben die Zahlen ergeben, dass wir nicht bei 347 € gelandet wären - das haben wir auch im Sozialausschuss besprochen -, denn dann wäre der Eckregelsatz tatsächlich niedriger ausgefallen für Thüringen, weil das nun mal die EVS so ergeben hat. Ich bitte Sie, noch mal nachzulesen und sage eindeutig, die Kritik am Sozialminister ist hier völlig unangebracht.

Meine Damen und Herren von der LINKEN, grundsätzlich ist Ihr Anliegen, die Regelsätze mit Blick auf die steigenden Lebenshaltungskosten zu erhöhen, nachvollziehbar. In der Sommerpause wurden dazu ausführlich Meinungen auf allen Ebenen ausgetauscht. Allerdings fordern Sie, wie fast immer, mehr Geld, das letztendlich der Steuerzahler aufbringen muss, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie das grundsätzlich funktionieren soll. In Wirklichkeit beinhaltet Ihr Antrag die Veränderung gesetzlicher Normative, die doch etwas schwieriger sind, als einfach einmal nur den Geldhahn aufzudrehen und wenn auch berechtigt einen offensichtlich nicht mehr zeitgemäßen Eckregelsatz verändern zu wollen. Es muss nachgebessert werden. Da gebe ich Ihnen völlig recht und da gehe ich auch völlig konform mit Ministerpräsident Althaus. Ich gehe aber auch mit ihm konform, wenn er sagt, dass es dazu klare Regeln braucht.

Ihrem Antrag zustimmen können wir darum nicht, denn fiktive Erhöhungen, wie Sie sie fordern, sind nicht vertretbar. Wir müssen einen vernünftigen Anpassungsmodus finden. Abgesehen davon, dass man sich auf Bundesebene - und das hat Herr Eckardt ausgeführt - aufgrund der Debatte in der Sommerpause bereits mit dem Thema beschäftigt und Sie mit Ihrem Antrag offene Türen einrennen, möchte ich Ihnen eine kurze Darstellung der zugegeben nicht ganz einfachen gesetzlichen Zusammenhänge geben. Den Mechanismus zur genauen Berechnung der Bedarfe kennen Sie ziemlich genau, das muss man hier nicht noch mal ausführen.

Im SGB II § 20 Abs. 4 heißt es nun einmal: „Die Regelleistung... wird jeweils zum 1. Juli eines Jahres um den Vomhundertsatz angepasst, um den sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Renten

versicherung verändert. Für die Neubemessung der Regelleistung findet § 28 Abs. 3 Satz 5 des Zwölften Buches entsprechende Anwendung.“ Da heißt es: „Die Bemessung wird überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt, sobald die Ergebnisse einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegen.“ Das ist auch Grundlage für die Sozialhilfe nach dem SGB XII, deren Höhe allerdings durch die Länder nach Rechtsverordnung jeweils zum 1. Juli eines Jahres festgesetzt wird - darüber hatten wir eben gesprochen. In dieser Hinsicht ist ein Antrag wie der Ihrige im September völlig fehl am Platz. Da wäre ein Zeitpunkt für den 1. Juli angeraten gewesen oder anzuraten gewesen, aber - ich verweise auf meinen Eingangssatz - mit der klaren Konsequenz, dass dieser Antrag bewirkt hätte, dass man nicht zu einer Erhöhung gekommen wäre unter der jetzigen Bemessungsgrundlage.

Mit Blick auf die Grundsicherungsleistungen des SGB II sind nach den Intentionen des Bundesgesetzgebers die Regelsätze nach dem SGB XII das Referenzsystem für die Höhe der Leistungen. Für die Bemessung des Regelsatzes wiederum sind die Verbrauchsausgaben der untersten 20 Prozent der Einpersonenhaushalte innerhalb der sogenannten EVS - Einkommens- und Verbrauchsstichprobe - relevant.

Wir sollten, meine Damen und Herren, in der Gesamtdebatte auch nicht ausblenden, dass neben dem Regelsatz, also den Grundsicherungsleistungen, die Kommunen Miet- und Heizkosten übernehmen. Übrigens, es gibt nach Ansicht des Bundessozialgerichts derzeit keine Grundlage für eine Erhöhung der Regelsätze bei steigenden Preisen, wie jüngst bei Milchprodukten zum Beispiel angesprochen. Eine Anpassung an die Inflationsrate etwa begünstigt einseitig Empfänger staatlicher Leistungen gegenüber Arbeitnehmern und Rentnern. Das sollte man auch bedenken. Nun bin ich fürwahr kein Freund von Statistiken und schon gar nicht ein Freund der Einkommens- und Verbrauchsstichproben, diesem riesigen Statistikmonster, aber einige Punkte habe ich mir doch einmal herausgegriffen. Da muss man feststellen, dass bei einem Einpersonenhaushalt eines SGB-II-Empfängers 1,4 Prozent der Summe für Milchprodukte ausgegeben werden. Das sind 16 € monatlich. Parallel dazu kann man nachlesen, dass im gleichen Haushalt 19 € für Tabakwaren ausgegeben werden. Ich denke, das darf man auch einmal ansprechen. Unabhängig davon sehe ich dennoch eine Anhebung für geboten. Hauptproblem ist - ich habe es mehrfach gesagt -, dass die EVS nur alle fünf Jahre neu erhoben wird. Dieser Zeitraum ist schlicht und einfach zu lang, auch wenn für die Jahre dazwischen die Anpassung der Regelsätze für ALG II an der Rentenentwicklung orientiert wird. Ich erinnere an die Erhöhung des ALG II um 0,54 Pro

zent im Juli dieses Jahres. Genau wie Sie hoffe ich natürlich, dass die nächste Rentenerhöhung etwas höher ausfallen wird und der Konjunkturansprung lässt es ja auch hoffen. Wie gesagt, wir müssten einen kleineren Zeitraum finden, der sicherstellt, dass dauerhaft steigende oder fallende Kostenentwicklungen schnell Berücksichtigung finden können. Das kann natürlich nicht einfach so simpel an die Inflationsrate gekoppelt werden, wie die Presse es darstellt, sondern indirekt, indem zum Beispiel für die EVS kürzere Abstände festgeschrieben werden. Dass dies mit einem enormen statistischen Aufwand verbunden ist, sehe ich ein, aber das ist mir in dem Punkt im Interesse der Menschen völlig egal. Dass die Statistiker erzählen, dass sie die Zeit brauchen, die fünf Jahre, ist mir auch klar. Denn das erleben wir in allen Punkten, in allen Fällen, wenn man über Reformen spricht, über Bürokratieabbau und anderes, da sage ich ganz einfach, rede nicht mit den Fröschen, wenn du den Teich trockenlegen willst. Ich glaube, es geht schneller. Wie Sie unserem Antrag entnehmen können, bitten wir auch um Überprüfung, ob es nicht grundsätzlich eine weniger aufwendige Methode der Bemessung gibt, denn nicht alle Daten, welche in der EVS erhoben werden, sind auch tatsächlich regelsatzrelevant.

Änderung ja, aber im Rahmen der Gesetzlichkeiten und vor allem in einem vernünftigen wirtschaftlichen Rahmen. Eine, freundlich gesagt, bedenkliche Erhöhung auf 435 € ist, wie eingangs bereits gesagt, für uns nicht zustimmungsfähig. Während ver.di, Kirchen und Sozialverbände eine Erhöhung von 20 Prozent bzw. 70 € fordern, die für den Steuerzahler jährlich Mehrbelastungen von 5,5 Mrd. € verhieße, müssen Sie natürlich noch eins obendrauf legen, meine Damen und Herren. Ihre Forderung entspräche einer Erhöhung von sage und schreibe 25,36 Prozent. Was das volkswirtschaftlich bedeutet, scheint Ihnen offensichtlich egal zu sein; das sind rund 7 Mrd. €, mal ganz abgesehen davon, dass sich mit einer solchen Erhöhung der Abstand der Grundsicherung zum Arbeitseinkommen weiter verringern würde. Auch das hat ja Kollege Eckardt gesagt, dass die Grundrichtung nicht unbedingt verlassen werden sollte, auch wenn man über Anpassungen und Erhöhungen nachdenkt.

Eines dürfen wir bei allen Überlegungen nicht vergessen, die Grundsicherung und die Sozialhilfe sollen Hilfebedürftigen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Aber damit ist nicht gemeint, dass ihnen der Standard gewährt werden kann, den sie vor Inanspruchnahme der Hilfeleistung hatten. Gesichert wird vielmehr ein soziokulturelles Existenzminimum, das sie befähigt, sozialer Ausgrenzung zu entgehen und ihr Leben schnellstmöglich wieder aus eigener Kraft zu bestreiten, ich habe es mehrfach gesagt, mit 347 € nicht mehr zeitgemäß.