Protocol of the Session on November 12, 2004

(Beifall bei der CDU)

Sei es nun durch die neuen Hinzuverdienstmöglichkeiten, eine passende Förderung bei der Eingliederung in Arbeit, intensivere Betreuung durch einen persönlichen Ansprechpartner in den zuständigen Ämtern oder auch durch unmissverständliche Androhungen sowie Durchsetzungen von Sanktionen, wenn der Anspruchsberechtigte die notwendigen Eigenbemühungen nicht leistet und Maßnahmeangeboten nicht nachkommt. Die Verschmelzung muss aber auch begleitet sein von einer umfassenden Strategie, die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland entschei

dend zu verbessern. Hierzu gehört nun einmal eine wachstumsorientierte Politik, zu der ein gelockerter Kündigungsschutz und die flexible Anpassung von Löhnen und Arbeitszeiten gehören, so dass Unternehmen wieder in Deutschland investieren und hier Arbeitsplätze schaffen.

Hier, meine Damen und Herren, ist die Bundesregierung gefragt, das ist genau die gleiche Adresse, die zur Finanzierung der Arbeitsgemeinschaft und für die Umsetzung des SGB II verantwortlich zeichnet.

(Beifall bei der CDU)

Wir jedenfalls sind bereit, auch zukünftig mitzutun. Für die CDU-Fraktion ist das Berichtsersuchen erfüllt. Den Punkt 3 des SPD-Antrags lehnen wir allerdings ab. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Leukefeld zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Reinholz, so, wie Sie das heute noch mal bekräftigt haben, haben Sie am 10. September hier zum Stand der Umsetzung von Hartz IV berichtet und Sie haben heute wiederholt, was Sie damals schon erklärt hatten, dass Thüringen seit 1999 eine neu orientierte Arbeitsmarktpolitik hat und dass die so erfolgreich sei, dass grundlegende Veränderungen im Zusammenhang mit Hartz IV weder notwendig noch sinnvoll seien. Wenn ich das richtig wahrgenommen habe, war aber neben der Bekräftigung, die Sie heute noch mal ausgesprochen haben, doch deutlich geworden, dass es natürlich Überlegungen gibt, wie man auch Thüringer Arbeitsmarktpolitik verändern und den neuen Bedingungen anpassen muss. Nichts anderes war und ist auch unser Anliegen.

Gestatten Sie mir auch einen Satz zum Abgeordneten Herrn Pilger. Herr Pilger, ich freue mich sozusagen über die positive Wertung, die Sie hier gezogen haben, aber ich muss Ihnen sagen, eine neue Einsicht kann ich bei der PDS, ehrlich gesagt, nicht erkennen, sondern sie setzt hier sehr kontinuierlich das fort, was wir immer gesagt haben: Arbeitsmarktpolitik - das Verhältnis von Wirtschaft, existenzsichernder Arbeit und Markt -, das ist eine komplizierte Sache. Wir werden uns auch noch lange über Zukunft der Arbeit hier verständigen müssen. Wir haben klare Positionen, die haben wir auch immer wieder deutlich gemacht. Das schließt die Kritik an

Hartz IV, unsere grundsätzliche Kritik auch an Bundespolitik ein, das schließt auch die Kritik an Landespolitik ein, aber wir sagen nicht nur nein und wollen hier irgendwas verhindern, sondern wir wollen auch Alternativen aufzeigen. Genau dort werden wir mit all denen zusammenarbeiten, die auch diese Alternativen mit auf den Weg bringen und befördern.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe z.B. auch deutlich in Ihrer Rede gehört, insofern möchte ich das Kompliment zurückgeben, dass die SPD auf einmal schaut, was öffentlich geförderte Beschäftigung

(lang anhaltender Piepton)

- bin ich das?

Frau Abgeordnete, wir wissen es auch nicht.

Ich wundere mich schon.

Sie können vielleicht mal ein kleines bisschen das Pult nach unten fahren.

(Heiterkeit im Hause)

Ich bin es nicht, glaube ich.

(Heiterkeit im Hause)

Ich mache jetzt weiter.

Ich wollte gerade Herrn Pilger ein Kompliment zurückgeben, was öffentlich geförderte Beschäftigung betrifft. Dafür sind hier Kolleginnen und Kollegen der PDS verlacht worden, als wir solche Forderungen aufgemacht und gesagt haben, es muss notwendig sein, um auf dem Arbeitsmarkt wirkliche Schritte voranzukommen, mit einem so genannten dritten Sektor - so heißt es in Europa, in den USA heißt es nonprofit-Bereich - den Einstieg zu finden und den auf den Weg zu bringen. Ich glaube, damit haben wir jetzt auch Chancen, wenn es von allen ernst gemeint ist.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Günther von der CDU, wer will denn nun wirklich Bewährtes über den Haufen werfen? Ich kann das überhaupt nicht erkennen, aber Sie

müssen uns doch gestatten, dass wir sagen, es gibt eine neue Situation - das ist ja auch bejaht worden - und jetzt müssen wir mal neu darüber nachdenken, was sich bewährt hat, müssen evaluieren, wo reichen Förderinstrumente nicht mehr aus, wo gibt es die gar nicht mehr, wo sind sie gegenstandslos geworden und wo müssen wir auch Neues auf den Weg bringen. Ich gebe Ihnen ausdrücklich Recht, ein Jobwunder wird mit Hartz IV nicht passieren. Aber Kritik und Zweifel, sozusagen der Widerspruch mal produktiv gemacht, das kann ja eigentlich nur Aktivitäten beflügeln und, ich glaube, da sind wir vielleicht auch auf einem Weg, der sich lohnt. Letztendlich wird ja nur das wirklich zum Ergebnis, was Arbeitsplätze in Thüringen für Betroffene, für arbeitslose Menschen bringt.

Ich komme noch mal auf die besagte Neuorientierung der Thüringer Arbeitsmarktpolitik seit 1999 zurück, die vor allen Dingen darin bestanden hat, sie sehr stark auf die Wirtschaft auszurichten. Trotzdem, meine Damen und Herren, sinkt die versicherungspflichtige Beschäftigung in Thüringen, fallen permanent Arbeitsplätze weg.

(lang anhaltender Piepton)

Das nervt.

Frau Abgeordnete, Sie stört das jetzt, kann ich mir vorstellen.

Ich rede weiter, aber es nervt trotzdem ein bisschen.

Ich denke, die Aufmerksamkeit ist da doch gebremst.

Soll ich aufhören?

(Zuruf Abg. Reimann, PDS: Das ist der Türdrücker.)

Der Türdrücker ist es?

Wollen wir Pause machen?

Ich glaube, es ist behoben.

Jetzt geht es weiter, jetzt ist es weg.

Die versicherungspflichtige Beschäftigung sinkt, es fallen immer mehr Arbeitsplätze weg. Von 844.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Jahr 1999 ging das bereits im Jahr 2000 auf 741.000 zurück. Während die Zahl der Arbeitslosen auf hohem Niveau stagniert bzw. sogar noch steigt, ist die Gesamtzahl der Beschäftigten stetig gesunken, so auch in 2004. Das heißt, neue Arbeitsplätze zu schaffen, das sieht im Moment gar nicht danach aus, das Gegenteil ist der Fall. Ich möchte anhand weniger Zahlen deutlich machen, wie unterschiedlich auch Wertungen ausfallen können.

Noch 1999 lag die Zahl der registrierten Langzeitarbeitslosen im Jahresdurchschnitt bei 54.000. Im Jahr 2003 war das bereits auf 78.000 angewachsen und in diesem Herbst meldeten die Agenturen zeitweise 88.000 Langzeitarbeitslose. Um 60 Prozent in den letzten fünf Jahren ist die Langzeitarbeitslosigkeit gestiegen und das kann man doch nun wirklich nicht als eine erfolgreiche Politik verkaufen. Die Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit im vergangenen Monat ist übrigens auch darauf zurückzuführen, dass allein in Thüringen 12.000 Menschen aus der Arbeitslosenstatistik herausgefallen sind, darunter auch die 5.900, die in Arbeitsgelegenheiten tätig sind. So, meine Damen und Herren, kann man auch die Statistik verbessern. Nur, Menschen, die Existenz sichernde Arbeit wollen und brauchen, ist damit wenig geholfen. In seiner Regierungserklärung am 9. September sprach Ministerpräsident Althaus von der "Operation Arbeitsmarkt", die gelingen muss. Ich befürchte nur, wenn uns da nichts Durchgreifendes einfällt, sagen wir: Operation gelungen, Patient tot.

Der Veränderungsbedarf wird auch an einer anderen Stelle sehr deutlich, da sich die Rahmenbedingungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik 2005 eben tatsächlich verändern. Lassen Sie mich einige Fragen stellen, die sich daraus ableiten, von denen ich erwartet hätte, dass der Minister für Wirtschaft, Technologie und Arbeit sie nicht nur anspricht, sondern eben auch sagt, wie das gemacht werden soll, und nichts anderes erwarten wir von einem solchen Konzept.

Die Frage z.B.: Welche Schwerpunkte wurden mit den Kammern beraten und abgestimmt, um zielgerichtet die Wirtschaft in ihrer Struktur zukunftssicher zu gestalten? Vor allem geht es um strategische Überlegungen hinsichtlich der Verbindung von öffentlicher Förderung und Qualifizierung gerade ange

sichts der Tatsache, dass für Thüringen ein wachsender Fachkräftebedarf prognostiziert wird. Sie kennen ja die jüngste Untersuchung, bis 2010 sollen 110.000 Fachkräfte in Thüringen fehlen. Ich glaube, das ist wahrscheinlich in diesem hohen Hause auch eine eigene Debatte wert, denn es ist schon wichtig, dass man überlegt, wie hier eine langfristige Strategie entwickelt wird und gemeinsam mit den Akteuren der Wirtschaft und der Beschäftigungsentwicklung Einfluss genommen wird, um den Bedarf frühzeitig, rechtzeitig zu erkennen und die notwendigen Schritte zur Qualifizierung des entsprechenden Fachpersonals einzuleiten.

Eine weitere Frage gibt es zum Beispiel hinsichtlich der Überlegung, die Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik unter den veränderten Bedingungen fortzusetzen. Das war auch Gegenstand des SPD-Antrags. Wie erfolgt denn ab 2005 die Zusammenarbeit mit den Regionalbeiräten? Welche Vorstellung hat die Landesregierung angesichts der drastischen Finanzeinschnitte, zielgerichtet Unterstützung für eine eigenständige kommunale Beschäftigungsförderung zu geben? Es ist hier schon gesagt worden, dass die SAM wegfallen, dass Arbeit statt Sozialhilfe wegfällt. Aber woher sollten wir wissen, dass es doch schon Überlegungen gibt, wie man dieses Programm auch ersetzt und im Zusammenwirken mit ESF-Mitteln umprogrammiert, um hier vor allen Dingen für Jugendliche etwas auf den Weg zu bringen? Deshalb halten wir es nach wie vor für wichtig, die vorhandenen Förderinstrumente und Potenziale zu bündeln und sinnvoll zu ergänzen, um in der Tat nachhaltige Effektive bei der Eingliederung von Menschen in versicherungspflichtige Arbeit zu bringen. Da stellt sich auch die Frage: Welche Modellprojekte - und es hat ja zahlreiche gegeben in Thüringen - haben sich denn bewährt und welche sollten auch in größerer Breite angewandt werden?

Zur zielgruppenspezifischen Beschäftigungsförderung hat Herr Minister Reinholz etwas gesagt und ich will bloß noch mal unterstreichen, dass man hier vor allen Dingen auch für die älteren Langzeitarbeitslosen gezielt etwas tun muss, damit sie nicht den diskriminierenden Weg von einer Arbeitsgelegenheit zur nächsten gehen müssen, sondern dass wirklich Möglichkeiten geschaffen werden, einen würdigen Übergang in die Rente längerfristig zu sichern. Es ist auch die Frage angesprochen, welche Chancen Menschen erhalten, die Arbeitslosengeld II beziehen, um überhaupt wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Die Bundesagentur, und auch das ist ganz deutlich geworden, wird sich auf die so genannten SGBIII-Kunden, das sind die Arbeitslosengeld-I-Bezieher, konzentrieren. Bei der vorhandenen geringen Zahl von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben die Arbeitslosengeld-II-Bezieher in der Tat schlechte Karten. Ich glaube, es wäre gut gewesen,

wenn die Landesregierung nicht auf eine Rahmenvereinbarung mit der Bundesagentur verzichtet hätte. Es gibt auch keinen landesweiten Qualitätsstandard, weil man das offensichtlich nicht wollte. Ich glaube, hier hätte man Prioritäten setzen können, wie Förderung wirklich gemeinsam mit allen Akteuren des Arbeitsmarkts ganz gezielt weiterbetrieben werden kann. Die Frage steht auch, wie mit den Menschen umgegangen werden soll, die ab 01.01.2005 keine Leistung mehr bekommen werden und trotzdem dringend der Förderung bedürfen. Die Bundesagentur geht von 500.000 bundesweit aus, überdurchschnittlich Frauen. Nun rauschen die Zahlen im Blätterwald hin und her, es gibt ja auch Dementis, die Stunde der Wahrheit wird kommen. Wir gehen davon aus, dass in Thüringen 45.000 Menschen, darunter 30.000 Frauen, keine Leistungen mehr bekommen werden und, ich glaube, es ist notwendig, dass hier auch Fördermöglichkeiten durch das Land genau für diese Menschen geschaffen werden. Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage nach der Beschäftigung jenseits vom Warten auf das Wirtschaftswachstum, das derzeit, das ist hier schon gesagt worden, etwas an das "Warten auf Godot" erinnert.

Wie also geht es weiter mit der Arbeitsmarktpolitik. Bisher ist das, was vorgelegt wurde, aus unserer Sicht noch nicht ausreichend, deshalb ist die PDS der Ansicht, dass ein neues Arbeitsmarktkonzept der Landesregierung vorgelegt werden sollte. Lassen Sie uns im Ausschuss weiter darüber diskutieren. Beide Anträge sollten an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überwiesen werden.

(Beifall bei der PDS)

Seitens der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Redeanmeldungen mehr vor - doch, noch vor dem Minister, Herr Abgeordneter Kretschmer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es war schon bezeichnend zu erleben, wie hier, im Auftrag der Fraktion natürlich, Frau Leukefeld und Herr Pilger, so ein kleines Techtelmechtel stattfindet, so Fishing for Compliments. Herr Kollege Pilger, das ist auch eine Veränderung der Strategie, die ich offensichtlich beobachte. Bisher war es im Bereich der Arbeitsmarktpolitik so das Ziel, mit Verunglimpfung, mit Drohung versuchen einzuschüchtern. Jetzt beobachte ich, dass Sie buhlen um die Gunst der PDS in dieser Unterstützung der Arbeitsmarktpolitik. Ja, natürlich.