Protocol of the Session on September 21, 2007

Meine Damen und Herren, auch wenn es nicht um ein Überstülpen sächsischer Finanzierungsmodalitäten auf Thüringen geht, muss doch konstatiert werden, dass die Ausgangssituation, die in Sachsen vor fast eineinhalb Jahrzehnten zur Einführung der Kulturraumfinanzierung geführt hat, mit derjenigen, in der wir uns derzeit befinden, durchaus vergleichbar ist. Anfang der 1990er-Jahre zeichnete sich in Sachsen nämlich bereits ab, dass die kommunalen Kulturträger immer größere Probleme bei der Finanzierung der Kulturpflege bekommen würden und dass die Kompensationsfunktionen des Landes an dieser Stelle angesichts absehbarer eigener Haushaltsschwierigkeiten auf Dauer nicht greifen würden. Deswegen hat ja der Freistaat 1992 die sogenannte Naumann-Kommission berufen, die dann in den folgenden Monaten die Grundzüge der Kulturraumfinanzierung im engen Kontakt mit den Kommunen erarbeitete. In Gesetzesform gebracht, wurde das Finanzierungsmodell schließlich 1993 dann vom sächsischen Landtag, und zwar ohne Gegenstimmen, verabschiedet. Seitdem ist dieses Gesetz in Kraft und es ist inzwischen mehrmals positiv evaluiert und auch in seiner ursprünglichen Geltungsdauer vom Landtag verlängert worden. Zudem wird dieses Gesetz von einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Studien auch kulturpolitisch vorbildlich bewertet und die Erfahrungen mit den Kulturraumfinanzierungen sind in Sachsen umfassend positiv. Dort ist das neue Finanzierungsmodell bereits seit fast eineinhalb Jahrzehnten sozusagen erfolgreich erprobt. Es wird allseits geschätzt und wir haben es mit etwas zu tun, was nachweislich gut funktioniert und was insbesondere zur Zufriedenheit sowohl der Kommunen als auch des Landes funktioniert. Natürlich, das ist klar, sind die spezifischen Gegebenheiten unseres Freistaats bei der Kulturraumfinanzierung zu berücksichtigen und genauso klar ist auch, dass die neue Form der Kulturfinanzierung nur erfolgreich realisiert werden kann, wenn der KFA angemessen ausgestaltet ist. Wir können nicht den Kommunen auf der einen Seite das Geld wegnehmen und ihnen dann auf der anderen Seite neue Pflichten aufbürden. Meine Fraktion wird es deshalb nicht bei dem heute zur Debatte stehenden Antrag bewenden lassen, sondern während der weiteren Haushaltsberatungen auch ganz konkret Änderungsvorschläge im Hinblick auf den KFA stellen. Frau Dr. Klaubert, Ihren Vorschlag werden wir auch intensiv diskutieren. Ich hoffe, dass wir in nächster Zeit wirklich eine vernünftige Form der Kulturraumfinanzierung in Thüringen haben. Die

Kultur in Thüringen hat es verdient. Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Schwäblein, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns mit dem Gedanken einer Übertragung des sächsischen Gesetzes auf Thüringen vor Jahren selber schon einmal befasst, haben dann auch den Antrag der SPD sehr ernst genommen, haben eine umfängliche Anhörung im Ausschuss absolviert und konnten und mussten feststellen, dass das Interesse, ich will das einmal höflich sagen, zweigeteilt war. Die Thüringer Vertreter, die wir eingeladen hatten, kamen alle. Enttäuschend war, dass die sächsischen Vertreter bis auf einen Einzigen alle abgesagt hatten. Ich kann das nur ganz schwer nachvollziehen. Man kann es so interpretieren - Sie mögen da widersprechen -, dass man wohl wenig Chancen sieht, die sächsischen Verhältnisse auf Thüringen zu übertragen. Das wurde auch von den Referenten überaus deutlich gemacht. Das zeigt eigentlich auch schon die Schwierigkeit. Das Land ist sowohl geographisch als auch politisch und in der historischen Entwicklung ganz anders als Thüringen. Wir würden bei dem Versuch, Kulturräume zu definieren, ziemlich schnell an unsere Residenzen stoßen und die Residenzgrenzen zu überschreiten, macht heue noch sehr, sehr große Schwierigkeiten. Stellen Sie sich nur mal einen Kulturraum Erfurt-Weimar vor. Das zeigt doch schon die Schwierigkeiten, die man haben kann. Wenn Sie es noch nicht ganz verinnerlicht haben, weil Sie nicht so oft vorbeikommen: Ich bin neulich durch Weimar gefahren, vor mir her ein Kleinbus mit einem Aufkleber dran, Weimarer Kennzeichen, dann stand dran: „Thüringen (außer Erfurt)“. Also das zeigt, wie nah wir an einer Kulturraumfinanzierung dran sind, nämlich unendlich weit weg. Alle Thüringer Vertreter, die sich geäußert haben, haben sich gefreut, dass wir über Kultur gesprochen haben, aber wenn sie überhaupt auf die Kulturraumidee eingegangen sind, gab es dort durchgängig Ablehnung und die von Ihnen zitierte Zustimmung war nicht die zu den Kulturräumen,

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Natürlich!)

sondern war von dem Gedanken geprägt, zu mehr Geld zu kommen. Aber das eigentliche Problem der Kulturraumfinanzierung ist dort nicht aufgegriffen worden.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das ist doch nicht wahr!)

Herr Döring, Sie haben mit ihrem Vorschlag, zumindest was die Anhörung ergeben hat, eine komplette Bauchlandung gemacht. Gut, wir haben es geprüft, können feststellen, es geht offensichtlich in Thüringen nicht. Da haben Sie in Ihrem Antrag schon den Begriff des Kulturlastenausgleichs gebracht, DIE LINKE hat es heute mit einer Presseerklärung noch mal richtig groß rausgestrichen. Wenn wir den Kommunen schon mit dem Begriff „Kulturlasten“ kommen, wird die Begeisterung für kulturelle Ausgaben natürlich bis an die Decke springen. Wenn wir es nicht schaffen, auch bei den Kommunen die Gewissheit zu verankern, dass Kultur keine Last ist, sondern ein Gewinn, dann werden alle Bemühungen vergebens sein. Da schaue ich gerade die Vertreterin des Suhler Stadtrates an. Dort ist es im Moment ja gerade mit Händen zu greifen, oder auch schon nicht mehr, weil es zwischen den Fingern zerrinnt, wenn man dort die Chancen einer Mitfinanzierung für die Kultur nicht ergreift, dann ist auch die Hilfe des Landes vergebens. So herum wird es etwas und nicht mit der Pflicht: Ihr müsst! Und die Zwangsbeglückung werden wir schon durchsetzen.

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, DIE LINKE: Sagen Sie das Ihrem Kollegen Wehner aus Suhl!)

Dann kommen wir zum Kommunalen Finanzausgleich, der wird uns die nächsten Wochen sehr heftig beschäftigen. Sie haben offensichtlich das, was Sie selber angerichtet haben mit Ihrer Klage, immer noch nicht verinnerlicht.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das sind abenteuerliche Interpretationen.)

Sie haben es immer noch nicht verinnerlicht. Wir haben gerade vom Verfassungsgericht eine auf die Finger bekommen, uns in der Zweckbindung der Mittel zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Genau das war es doch. Wir hatten doch den kulturellen - ich nenne es noch mal - Lastenausgleich mit der Vorwegfinanzierung der Theater und Orchester. Damit waren doch alle Kommunen im Freistaat an der Finanzierung beteiligt, ob sie es wollten oder nicht; die meisten haben es nur nicht gemerkt. Diese Möglichkeit ist uns vom Verfassungsgericht definitiv genommen worden. Nehmen Sie es bitte zur Kenntnis. Herr Döring und die anderen Vertreter Ihrer Fraktion, Sie kommen mir so vor wie jemand, der ein uneheliches Kind gezeugt hat, sich nicht dazu bekennt und auch den Unterhalt verweigert. Sie nehmen nicht an, was Sie auf den Weg gebracht haben. Wir können nur dafür sorgen, dass sich alle Kommunen noch mal richtig herzlich bei Ihnen bedanken, dass Sie mit

der Klage unterstellt haben, das Land stattet die Kommunen viel zu schlecht aus. Wir haben dann gesagt, lasst es lieber, wenn wirklich berechnet wird, was Kommunen brauchen, kann rauskommen, und das ist ja geschehen, der Freistaat hat die Kommunen weitaus besser ausgestattet als er gemusst hätte.

Jetzt kommen wir zu der Situation, dass die Kommune vor Ort entscheiden muss, wie wichtig ihr Kultur ist. Da können wir moralisch Hilfestellung leisten - ich glaube, da bin ich bei Ihnen -, aber einen Zwang ausüben wollen wir vom Grunde auch nicht und dürfen es nach dem Verfassungsgerichtsurteil auch nicht. Da kann man jetzt Richterschelte betreiben, ich mache es nicht; ich weiß nicht, ob Sie es machen wollen. Wir sollten die von uns selbst geschaffene Institution des Verfassungsgerichts ernst nehmen. Wir lehnen alles, was dieses Gericht beschädigen würde, schlicht ab. Deshalb wird es mit uns keine Zwangsfinanzierung der Kultur auf kommunaler Seite geben. Wir können uns aber, das kann ich gern noch mal wiederholen, weiterhin bemühen, dass die Kommunen das wirklich als Gewinn betrachten. Wir haben diese positiven Beispiele im Freistaat. Man muss das hier nicht mehr erfinden. Es gibt viele Kommunen, die ihre eigene Identität darüber mit bestimmen, die Wirtschaftsansiedlungen dadurch befördern, die eine sehr hohe Bürgerzufriedenheit daraus generieren und damit Einwohner gewinnen, die nicht zuletzt ihre Attraktivität auch als Fremdenverkehrsstandort verbessern. Wer das alles nicht erkennt, straft sich selbst. Deshalb noch einmal: In der reichen Kultur vor Ort liegt eine Riesenchance. Das muss zuerst gesehen werden, nicht die tatsächlich vorhandene finanzielle Belastung, die natürlich nach wie vor da ist. Die Kulturraumfinanzierung, Herr Döring, um es abzuschließen, ist für Thüringen offensichtlich kein Modell. Mittlerweile haben sich die Strukturen hier so verfestigt, dass es selbst theoretisch kaum noch ginge. Das ist auch die Einschätzung der Experten gewesen. Vielleicht hätte man es Anfang der 90er-Jahre machen können, aber es war sehr zweifelhaft dargestellt worden. Es gibt auch kein anderes Land außer Sachsen, das das gemacht hat, weil sich da wahrscheinlich auch die Strukturen alle schon verfestigt hatten.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das ist allemal besser, als das Kulturchaos, was Sie angerichtet haben.)

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Wir haben etwas angerichtet? Ach, Herr Matschie, die Aussage, dass in der Kultur ständig gekürzt wurde, ist doch schlicht falsch, die ist doch schlicht und einfach falsch.

Herr Abgeordneter Schwäblein, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich weiß nicht, ob die Opposition mit dem Status gleichzeitig das Recht hat, Lügen zu verbreiten. Ich lehne das ab, aber Sie machen das hier mit einer Dreistigkeit, da muss Ihnen doch mal widersprochen werden.

(Beifall CDU)

(Unruhe SPD)

Das ist doch nicht in Ordnung, was Sie da machen.

Herr Abgeordneter Schwäblein, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Dr. Klaubert.

Die erste Frage brauchen Sie gar nicht zu beantworten, die heißt nur: Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass in den letzten zehn Jahren die gesamten Kulturausgaben um etwa ein Viertel gekürzt worden sind? Das haben Sie jetzt zur Kenntnis genommen. Meine Frage ist - Sie haben vorhin gesagt, Kulturlasten, da schreien die Kommunen gleich auf vor dem Begriff der „Lasten“. Wären Sie bereit, über alle drei Bestandteile dieses Wortes nachzudenken - Kultur, Lasten, Ausgleich - und vielleicht mit uns nach einem Modell zu suchen?

(Beifall DIE LINKE)

Ich kann mich mit Ihnen viel über Lasten unterhalten, aber ich werde keinen Zwang auf Kommunen ausüben.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das können Sie auch gar nicht.)

In der Auseinandersetzung - nehmen Sie nur wieder das berühmte Beispiel aus der Mitte Thürin

gens - wie man denn die kulturelle Belastung sinnvoll zwischen Erfurt und Weimar ausgleichen kann, merken Sie doch schon, dass es nicht funktioniert. Alle Versuche, über den Haushalt Ihren Ausgleich hinzubekommen, sind uns vom Verfassungsgericht mindestens erheblich erschwert worden. Ob wir jetzt noch eine Lücke finden, das Verfassungsgerichtsurteil zu umgehen, darüber kann man in aller Ruhe nachdenken, aber allein der Ansatz gefällt mir nicht.

Herr Abgeordneter Schwäblein, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Die Kommunen bekommen ausreichend Geld über die finanzielle Zuwendung des Freistaats und haben dann in eigener Verantwortung zu entscheiden, wie sie das Geld einsetzen, ob sie eine überbordende Verwaltung bezahlen, sich mehr Bedienstete leisten als andere Kommunen für ihre Aufgaben - das ist dann eindeutig die Verantwortung vor Ort, die kann man nicht aufs Land abschieben - oder ob sie mit einer sehr effizienten Verwaltung noch Kraft haben, freiwillige Leistungen zu erfüllen und hier ein ausreichendes Angebot für Freizeit und Kultur für Bürger und Gäste vorzuhalten.

Herr Abgeordneter Schwäblein, die Zwischenfrage.

Bitte, Frau Leukefeld.

Herr Abgeordneter Schwäblein, ich denke schon, dass Sie ein Streiter für Kultur sind. Meinen Sie nicht, dass es dann gerechter wäre, die Lasten für Kultur auch gerecht und gemeinschaftlich in Regionen zu verteilen? Wir kennen ja die Frage Umlandfunktionen von Zentren beispielsweise. Wie stehen Sie dazu? Meinen Sie nicht, dass es sich lohnen würde, darüber offen zu diskutieren übrigens unter Einbeziehung natürlich auch der Kommunen und der Landkreise?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich der Landkreis Weimarer Land tatsächlich irgendwann auch

mal an der Finanzierung des Nationaltheaters in Weimar beteiligt. Dass es dieser Landkreis nicht macht, ist überaus bedauerlich, denn man profitiert regelmäßig von der zentralen Funktion der Stadt Weimar. Ich nehme mal nur dieses Beispiel, damit es nicht so aussieht, als ob ich nur vor der eigenen Tür kehre. Nein, es ist bedauerlich, aber es muss zwischen den Kommunen entschieden werden mit einer kommunalen Zweckvereinbarung.

Wir haben einmal Zwang ausgeübt mit der Fusion der Theater Altenburg und Gera. Sie können ja noch mal nachschauen, wie mühsam dieser Prozess war.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, DIE LINKE: Wo er recht hat, hat er recht.)

Erklären Sie das mal bitte Ihrer Kollegin, wie mühsam dieser Prozess war. Es ist heute noch ein Rest an Spannungen da und der wird wahrscheinlich auch nie ganz verschwinden. Es gibt auch unterschiedliche kulturelle Identitäten in den beiden Orten. Auch das Programm muss dann jeweils auf die Mentalität der Besucher ausgelegt werden, denn auch da bleiben diese Unterschiede.

Wir haben eine ganz, ganz reiche Vielfalt kulturellen Erbes, kultureller Tradition in diesem Freistaat, die wir als Gewinn betrachten, und da muss der Ausgleich tatsächlich zwischen den Kommunen organisiert werden.

Weshalb sich der Landkreis Schmalkalden-Meiningen zwar an der Finanzierung des Theaters in Meiningen beteiligt und nicht an dem Orchester in Suhl, muss bitte vor Ort geklärt werden, das ist mit der großen Landeskeule nicht zu leisten. Die Zwangsbeglückung durch zentralstaatliche Institutionen hat noch nie funktioniert, auch in der DDR nicht, und mit uns wird sie nicht wieder eingeführt werden. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Abgestimmt wird gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung direkt über den Antrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/2355, da die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Kunst und Medien die Ablehnung dieses Antrags empfiehlt. Wir stimmen über den Antrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/2355 ab. Bitte, Herr Abgeordneter Schröter.

Namens der CDU-Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Stimmkarten einzusammeln.

Hatten alle die Gelegenheit, ihre Stimmzettel abzugeben? Es haben offensichtlich alle ihre Stimmzettel abgegeben. Damit beende ich die namentliche Abstimmung und bitte um Auszählung der Stimmen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Es wurden 81 Stimmen abgegeben; davon 13 Jastimmen, 47 Neinstimmen und 21 Enthaltungen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.