Protocol of the Session on September 21, 2007

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Es wurden 81 Stimmen abgegeben; davon 13 Jastimmen, 47 Neinstimmen und 21 Enthaltungen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Nun möchte ich erst einmal dem Herrn Minister Trautvetter recht herzlich zum Geburtstag gratulieren,

(Beifall im Hause)

ihm alles Gute wünschen, Gesundheit, Glück, Freude, Erfolg und ein gutes Wirken für unseren Freistaat Thüringen im nächsten Lebensjahr.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10 in seinen Teilen

a) Thüringer Frühwarnsystem und Schutzkonzept für vernachlässigte oder misshandelte Kinder Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2549 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Soziales, Familie und Gesundheit - Drucksache 4/3294 -

b) Kinderschutz als Aufgabe des öffentlichen Gesundheitswesens verankern - Teilnahme an Früher- kennungsuntersuchungen gewähr- leisten Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2617 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Soziales, Familie und Gesundheit - Drucksache 4/3296 -

Das Wort hat der Abgeordnete Panse aus dem Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zur Be

richterstattung.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zur Berichterstattung aus dem Ausschuss erlauben Sie mir, dass ich die drei Anträge zusammenfasse, die wir gemeinsam im Ausschuss beraten haben. Mit Beschluss des Thüringer Landtags vom 15. Dezember vergangenen Jahres wurden zunächst zwei Anträge an den Sozialausschuss überwiesen. Das war der zitierte Antrag in Drucksache 4/2428 der SPD-Fraktion, bei dem es um die Kürzung der Förderung des Kinderschutzes und der Erziehungsberatung ging, und zum Zweiten der Alternativantrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 4/2559. Hinzu gekommen ist in der Beratung des Landtags am 26. Januar 2007 der Antrag der SPD-Fraktion in Drucksache 4/2617 zur Verankerung des Kinderschutzes als Teil der öffentlichen Gesundheitsvorsorge.

Der Sozialausschuss hat sich in zahlreichen Vorberatungen und letztlich in einer öffentlichen Anhörung im April dieses Jahres mit allen drei Anträgen zusammengefasst auseinandergesetzt, dazu umfängliche Berichte der Landesregierung empfangen und von über 20 Anzuhörenden. Wir werden sicherlich bei der Aussprache Gelegenheit haben, auf die Inhalte der Anzuhörenden mit einzugehen. Letztendlich hat aber der Sozialausschuss abschließend am 31.08.2007 über die vorliegenden Anträge beraten. In dieser Beratung hat die SPD-Fraktion den Antrag in Drucksache 4/2428 nach erfolgter Berichterstattung des Landes zurückgezogen. Abgestimmt wurden die beiden Anträge der CDU in Drucksache 4/2559 und dazu ein Änderungsantrag, der Ihnen heute im Wortlaut vorliegt, den ich nicht im vollen Text verlesen muss, weil er sehr umfänglich ist. Dieser Antrag wurde mehrheitlich im Ausschuss angenommen. Der SPD-Antrag, den ich zitiert hatte in Drucksache 4/2617, wurde im Ausschuss abgelehnt. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Bärwolff, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, heute, so konnte man aus der Zeitung erfahren, wird das Urteil erwartet im Prozess um die Ereignisse in Sömmerda im Dezember 2006. Das war der Anlass für die Auseinandersetzung um die Frage Kinderschutz und Kindeswohlgefährdung. Die Frage des Kinderschutzes und der Kindeswohlgefährdung wird aber

bereits seit Oktober 2005 in Deutschland neu und intensiver diskutiert, nämlich mit der Novellierung des Sozialgesetzbuches VIII des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, und zwar in § 8 a, der ganz konkret den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung neu formuliert und die Aufgaben der Kommunen, die Aufgaben der Träger der öffentlichen Dienste konkretisiert hat. Kinderschutz hat also auch im Thüringer Landtag immer wieder eine Rolle gespielt. Nicht zuletzt auch die Kürzungen der Landesregierung bei den Kinderschutzdiensten wurden zum einen durch einen Antrag der LINKEN im Mai 2006 und zum anderen durch den Antrag der SPD-Fraktion im Dezember 2006 hier thematisiert. Auch bei den Anhörungen, die der Sozialausschuss im Rahmen der Kindeswohldebatte geführt hat, kam zum Ausdruck, dass viele Institutionen, die sich mit Kinderschutz und Kindeswohlgefährdung befassen, intensiv arbeiten, allerdings nebeneinanderher, ohne dass sie sich koordinieren und ohne dass es einen Datenabgleich gibt.

Eine andere Sache: Die Früherkennungsuntersuchungen U 1 bis U 10 werden mit zunehmendem Abstand, mit zunehmendem Alter der Kinder immer unregelmäßiger. Dies ist ein Umstand, der durch die Anhörung im Sozialausschuss deutlich geworden ist. Auch, meine Damen und Herren, der Landesjugendhilfeausschuss hat sich mit dieser Thematik beschäftigt, ganz konkret mit § 8 a. Dabei ging es darum, den Schutzauftrag beispielsweise in die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe oder überhaupt in die Kinder- und Jugendhilfe zu bringen und dort Konkretisierungen vorzunehmen, Handlungsanweisungen, Leitlinien zu erstellen. Und es geht auch weiter mit Leitlinien zum Kindesschutz für Lehrer, für die Schule, für die Bildung. Ich denke, das sind eigentlich ganz gute Maßnahmen. Die Landesregierung hatte im Dezember 2006 ihren 19-Punkte-Maßnahmeplan zum Kindesschutz vorgelegt. Dieser Maßnahmeplan wurde auch in der Anhörung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit diskutiert und die Landesregierung sagt selbst, dass dieser 19-Punkte-Plan ein bunter Strauß von Maßnahmen im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes ist. Viele Maßnahmen, so die Anzuhörenden, seien dringend notwendig, dringend geboten und werden durchaus begrüßt auch von der Fraktion der LINKEN. Das will ich ganz klar sagen. Aber aus unserer Sicht besteht durchaus die Gefahr, dass dieser bunte Strauß von Maßnahmen zu verdorren droht, sofern er nicht mit frischem Wasser, sprich mit ausreichend Geld, untersetzt wird. Ich möchte das ganz konkret machen, am Beispiel der Familienhebammen. Wir als LINKE begrüßen durchaus die Qualifikation von Hebammen zu Familienhebammen. Damit ist durchaus auch ein Schritt nach vorn getan. Familienhebammen können anders als beispielsweise der AST des Jugendamtes in die Familien gehen. Sie haben die Möglichkeit, als eine Art Türöffnerfunktion oder sie können als Türöffner fun

gieren, sie kommen ganz niedrigschwellig gleich nach der Geburt oder vor der Geburt in die Familien und können dort Unterstützung anbieten. Dem Jugendamt ist es einfach aufgrund seines Auftrags nicht nur als helfendes, sondern auch im Rahmen des staatlichen Wächteramtes in der Art nicht möglich. Von daher ist die Qualifikation von Hebammen zu Familienhebammen, die die Verbindung zwischen medizinischer Leistung und Jugendhilfeleistung herstellen, durchaus zu begrüßen. Die Frage ist für uns: Was folgt, wenn die Familienhebammen ihren Auftrag beendet haben, welche Anknüpfungsangebote, welche Anschlussangebote gibt es? Das ist noch unklar; hier fordern wir auch eine Klarstellung.

Die zweite Frage, die auch vom Landesjugendhilfeausschuss intensiv diskutiert wird, dazu gab es auch ein Rechtsgutachten, inwieweit die Hebammen, die dann ausgebildet wurden zu Familienhebammen, im Rahmen des SGB VIII, also in der Kinder- und Jugendhilfe, auch als Fachkräfte tätig sein können. Das ist ja eine ganz schwierige Frage. In Erfurt beispielsweise werden die Familienhebammen über die Leistung, die die Krankenkasse bezahlt, hinaus als Leistungserbringer für die Hilfen zur Erziehung geführt, also die Familienhebammen bringen Leistungen des Jugendamts ganz klar in Anschlag. Da ist es allerdings kritisch, inwieweit diese Familienhebammen als Fachkräfte wirklich gelten können.

Wir fordern darüber hinaus neben dieser Konkretisierung auch eine Verstetigung, einen Ausbau der Familienhebammen. Denn wir halten es wirklich für eine ganz wichtige und niedrigschwellige Maßnahme, an Familien heranzukommen. Dazu fehlt uns allerdings noch die gesetzliche Grundlage. Ich bedauere es außerordentlich, dass die CDU-Fraktion ihren Antrag im Sozialausschuss zurückgezogen hat, denn darin hatten Sie es gefordert. Der neue Antrag, den die CDU-Fraktion vorgelegt hat, hat sich von dieser gesetzlichen Konkretisierung zurückgezogen und wir als LINKE fordern natürlich ganz klar die Frage Mütterberatung und Familienhebammen gesetzlich zu verankern und auch eine Anbindung der Familienhebammen an den öffentlichen Gesundheitsdienst vorzunehmen.

Ein weiterer Punkt, der ja auch im 19-Punkte-Plan angerissen wurde bzw. der auch in der Anhörung eine Rolle gespielt hat, ist die Frage der Mütterberatung. Wir als Linksfraktion begrüßen durchaus, dass es Ideen gibt, eine Mütterberatung wieder zu installieren, und wir halten es für sehr, sehr wichtig, denn die Mütterberatung hat wirklich auch …

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Väter nicht?)

Wir halten trotzdem an dem Begriff „Mütterberatung“ fest, der schon bekannt ist und auch schon gängig ist, mit dem viele junge Eltern etwas anfangen können, natürlich auch Väter, Herr Zeh. Das halten wir für sehr wichtig, denn über die Mütterberatung ist es möglich, ganz niedrigschwellig Hilfen auch in die Familien hineinzutragen und gerade diejenigen Familien, gerade diejenigen Eltern, die mit den Aufgaben überfordert sind, nicht mit dem staatlichen Wächteramt zu konfrontieren, sondern ihnen über Hilfen und über niedrigschwellige Hilfs- und Unterstützungsangebote wirklich aus ihrer Situation zu helfen und vor allem auch den Kindern dieser Eltern Hilfe angedeihen zu lassen.

Darüber hinaus schlägt der 19-Punkte-Plan der Landesregierung verschiedene Modellprojekte vor, beispielsweise das Modellprojekt Obstapje, das ist ja bekannt, was ein Früherkennungssystem implementieren soll. Ich persönlich freue mich und finde es gut, dass die Landesregierung solch ein Früherkennungssystem installieren möchte. Die Frage ist nur, was folgt daraus? Was passiert, nachdem die Modellprojekte gelaufen sind? Im 19-Punkte-Plan wird ausgeführt, dass es Modellprojekte über zwei Jahre geben soll. Da ist allerdings die Frage: Wie wird dann mit den Ergebnissen dieser Modellprojekte umgegangen? Ich persönlich - und, ich denke, auch die Linksfraktion - machen sich durchaus dafür stark, diese Modellprojekte nicht nur als Modellprojekte zu belassen, sondern dann flächendeckend in eine Regelfinanzierung umzusetzen. Denn es ist ja wirklich niemandem damit geholfen, wenn es zwei Jahre in verschiedenen Landkreisen Modelle gegeben hat, die nach der Modellphase einfach auslaufen; das ist unlogisch. Hier fordern wir auch eine Verstetigung, damit der Kinderschutz auch wirklich grundhaft dann implementiert werden kann.

Der nächste Punkt, den Sie auch im 19-Punkte-Plan angesprochen haben, das ist die Frage einer Screeningstelle für Vorsorgeuntersuchungen. Wir als LINKE sind ja bekanntermaßen dafür, die Vorsorgeuntersuchungen für die Früherkennung oder die Früherkennungsuntersuchung verbindlich zu regeln. Wir haben in unserer Beschlussvorlage, die wir im Sozialausschuss eingebracht haben, auch angeregt oder noch einmal begründet, dass es diese Screeningstelle geben soll, die die Vorsorgeuntersuchungen abgleicht, die die Daten abgleicht zwischen den Standesämtern, die die Daten abgleicht mit dem Jugendamt, wo man dann gleich sehen kann, welche Kinder haben an den Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen, welche Kinder haben dort nicht teilgenommen und wo über den öffentlichen Gesundheitsdienst und nicht über das Jugendamt interveniert werden kann. Wie gesagt, wir schlagen vor in unserer Beschlussvorlage, auch im Sozialausschuss, diese Screeningstelle an das Modell anzuknüpfen, wie es

im Saarland praktiziert wird. Wir halten es für eine sehr gute Variante. Selbst in der Anhörung im Sozialausschuss wurde das thematisiert. Nach unserem Dafürhalten wäre es wichtig, solch eine Screeningstelle oder zentrale Verwaltungsstelle - wie Sie wollen - an ein Uni-Klinikum z.B. anzubinden. Denn dieses Uni-Klinikum hat noch einmal eine ganz andere Position, ist auch nicht abhängig von politischen Veränderungen und damit kann natürlich auch eine kontinuierliche und intensive Arbeit gewährleistet werden. Die Vorsorgeuntersuchungen halten wir für sehr, sehr wichtig, was den Kinderschutz betrifft. Deshalb möchten wir eine verbindliche Regelung zu den Vorsorgeuntersuchungen. Vom vorgeschlagenen Bonussystem der Unionsfraktion halten wir allerdings wenig, denn die Gefahr, die wir darin sehen, ist einfach, wenn man nach einem Bonusprinzip agiert, dass dann viele Kinder, die gerade diese Hilfen nötig hätten, leider nicht erreicht werden können. Wir möchten deshalb die Vorsorgeuntersuchungen verbindlich geregelt haben; wir möchten dazu natürlich auch einen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen. Ich denke, auch die Mütterberatungen und die Familienhebammen sollten in einem solchen Gesetzentwurf wirklich eine Rolle spielen, und zwar eine ganz wesentliche Rolle.

Darüber hinaus ist natürlich die Frage: Was passiert beispielsweise mit Kinderschutzdiensten? Im 19-Punkte-Plan der Landesregierung sind ja auch die Kinderschutzdienste angesprochen. Ich möchte ganz klar sagen, wir als Linksfraktion begrüßen es natürlich, dass die Landesregierung die Landkreise, die sich dazu entschließen, einen Kinderschutzdienst einzurichten, unterstützen möchte, und wir möchten hier auch die Landesregierung dabei unterstützen. Die Frage ist nur, beispielsweise beim Kinderschutzdienst in Sonneberg, den Sie eingerichtet haben: Besteht denn wirklich nur der Bedarf dafür, dass der Kinderschutzdienst in Sonneberg einen Tag in der Woche geöffnet hat, oder gibt es nicht einen Bedarf, dass dieser Kinderschutzdienst in Sonneberg rund um die Uhr geöffnet hat, und zwar vollwertig, so wie die anderen Kinderschutzdienste auch? Natürlich ist es auch zu begrüßen, dass jetzt im IlmKreis bzw. im Kyffhäuserkreis ein solcher Kinderschutzdienst eingerichtet wird, denn die Kinderschutzdienste sind noch mal eine besondere fachliche Ebene, die gerade die Frage traumatisierte, vernachlässigte Kinder auf ihre ganz spezielle Art unterstützen können und dort mit kompetenten Fachkräften, die sich ausschließlich mit diesen Themen beschäftigen, auch intervenieren können.

Darüber hinaus gibt es natürlich noch die Forderung der LINKEN, die Frühförderstellen auszubauen. Das kam auch in der Stellungnahme des Leiters der SPZ, Herrn Friedemann Schulze, zum Ausdruck, dass der Ausbau der Sozialpädiatrischen Zentren, wo nicht nur

die ganz akuten Fälle von Kindervernachlässigung und Kindeswohlgefährung behandelt werden, ganz wichtig ist. Die Sozialpädiatrischen Zentren leisten natürlich eine ganz wichtige Umfeldarbeit für Kinder, die von Vernachlässigung bedroht sind. Diese SPZs müssen ausgebaut werden aus unserer Sicht, denn die Sozialpädiatrischen Zentren haben einfach auch den Anspruch und die Möglichkeit, in die Umfelder von Kindern und Familien hineinzuwirken und da auch das familiäre Umfeld zu prägen. Ich denke, dass dies sehr wichtig ist.

Alles in allem möchte ich noch einmal zusammenfassen: Wir als Linksfraktion fordern erstens verbindliche Vorsorgeuntersuchungen, wir fordern zweitens die Mütterberatungen und die Familienhebammen auch gesetzlich zu verankern, da auch qualitative Standards zu setzen. Darüber hinaus fordern wir natürlich, die ganze Geschichte finanziell so zu untersetzen, dass die Kommunen damit nicht allein gelassen werden. Denn es ist, glaube ich, nicht zu erklären, warum wir viele Modellprojekte probieren und dann sagen, nachdem diese ausgelaufen sind, für die die ensprechenden Landkreise finanzielle Unterstützung bekommen haben, dass diese Modellprojekte in kommunaler Eigenverantwortung ohne finanzielle Unterstützung umgesetzt werden sollen. Ich denke, wenn wir Kinderschutz wirklich als wichtige Aufgabe begreifen, dann ist es auch einfach unsere Pflicht als Land Thüringen, diese Leistungen zu unterstützen. Die Kinder werden es uns danken. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat die Abgeordnete Ehrlich-Strathausen, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zu Beginn etwas in Erinnerung rufen - es steht im unmittelbaren Zusammenhang mit den heute hier zu behandelnden Anträgen meiner Fraktion und der Fraktion der CDU -, nämlich dass die Landesregierung, namentlich das Innenministerium, damals ihre Kürzung bejubelte und das „Abbau kommunalbelastender Standards“ nannte. Es gab daraus folgend im November einen Antrag meiner Fraktion mit dem Ziel, die Kürzung bei der Förderung des Kinderschutzes und der Erziehungsberatung rückgängig zu machen und deren Personalausstattung zu verbessern. Herr Bärwolff hat es eben schon erwähnt. Unser Antrag wurde gestellt, weil wir Kürzungen in diesem Bereich damals und auch heute für unverantwortlich halten.

(Beifall SPD)

Denn fast gleichzeitig kam es dann zufälligerweise zu diesen dramatischen Ereignissen in Sömmerda, aber auch zu Kindstötungen und Kindsmisshandlungen an anderen Orten in Thüringen und in der gesamten Bundesrepublik, die damals und heute nach wie vor betroffen machen.

Kinderschutz steht seitdem im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Ich wünsche mir, dass diese Wachsamkeit erhalten bleibt und nicht immer nur ein ganz kurzes Zeitfenster geöffnet wird, wenn solche dramatischen Ereignisse passieren.

(Beifall SPD)

Der Sozialminister hat daraufhin die Kürzung im Bereich des Kinderschutzes zurückgenommen und wir brauchten daraufhin unseren Antrag - Sie erinnern sich - nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Meine Damen und Herren, ich will keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dieser verfehlten Einsparstrategie des Landes und auch der Einsparstrategie kommunaler Vertreter mit der Kindstötung herstellen, aber ich sage sehr deutlich, Ihre damalige politische Linie, auch Kinderschutz Haushaltszwängen unterzuordnen, war schlichtweg falsch.

(Beifall SPD)

Diese Strategie war falsch beim Land und sie war dort falsch, wo sie in Kommunen auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Es ist deshalb richtig, dass die Landesregierung eine Kehrtwende vollzogen hat. Das war das überfällige Signal auch für die Kommunen und eine Kehrtwende zu der unser heutiger Antrag - und auch der damalige - ebenso beigetragen hat, wie die öffentlichen Diskussionen.

Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns einmal merken in diesem Hause, und zwar für alle Zeit: Auch in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte muss es Tabuthemen geben. Ganz oben bei diesen Tabuthemen hat der Kinderschutz zu stehen, und zwar ohne Wenn und Aber.

(Beifall SPD)

Das gilt für das Land und das gilt auch für die Kommunen; denn wer an der öffentlichen Verantwortung für die Schwächsten in unserer Gesellschaft rührt, der handelt damit unverantwortlich, Herr Minister Zeh.

(Beifall SPD)

Nun zu unserem Antrag: Ich darf in Erinnerung rufen, dass analog zu den gesetzlichen Regelungen

- Herr Bärwolff hat es eben erwähnt - im Saarland eine beim Land eingerichtete zentrale Stelle alle geborenen Kinder erfasst und mit der Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen abgleichen soll. In der Folge kommt es zu einem abgestuften Verfahren, zunächst zu einem Beratungsauftrag an die Gesundheitsämter für all diejenigen Eltern, deren Kinder nicht an Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben. Erst dann werden Jugendämter in den Fällen eingeschaltet, in denen sich Eltern selbst einem derartigen Beratungsangebot entziehen.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es bei den Früherkennungsuntersuchungen natürlich in erster Linie um medizinische und um ärztliche Kompetenz geht und nicht etwa um einen sozialpädagogischen Handlungsauftrag. Ich will auch betonen, und das ist ja so, dass Gesundheitsämter im Bewusstsein der Bevölkerung aus deren Erfahrung, zum Beispiel bei den Kindergartenuntersuchungen oder auch bei Schuleingangsuntersuchungen, als beratende und auch unterstützende und helfende Institutionen bekannt sind. Jugendämter werden hingegen nach wie vor in erster Linie als Eingriffsbehörde wahrgenommen. Das mag man bedauern oder nicht, aber Sie wissen es hier, dass es einfach so ist - noch so ist. Vielleicht kann man das ja noch verändern.

Gesundheitsämter verfügen selbstverständlich nicht nur über allgemeine ärztliche Kompetenz, sondern auch über kinderärztliche Kompetenz, und sie haben Verbindungen zu den niedergelassenen Ärzten. Jugendämter hingegen halten diese Ressourcen nicht vor; denn es ist auch nicht ihre Aufgabe. Ich betone das deshalb, weil mir an der Stelle der Alternativantrag der CDU einfach nicht plausibel ist. Wir wollen auch keine Haarspalterei betreiben, aber immerhin ist die CDU-Mehrheitsfraktion dank unseres Antrags auf die Idee gekommen, einen Alternativantrag zu formulieren. Auch dies kennzeichnet die Trendwende, die ich eingangs beschrieben habe. Wir hören jetzt nicht mehr, wie dies jahrelang der Fall war, dass im Kinderschutz alles zum Besten geregelt sei. Nein, wir hören jetzt, dass mehr getan werden muss, und wir erleben, dass die Landesregierung mit ihrem Maßnahmenkatalog in wenigen Monaten so rührig war wie seit vielen Jahren zuvor nicht. Wenn durch unsere Initiativen Landesregierung und Regierungspartei veranlasst werden, den Zustand der weit- oder vorhergehenden Untätigkeit endlich zu verlassen, dann ist unsere Oppositionsarbeit auch wirklich erfolgreich.

Nun zum CDU-Antrag, der im Sozialausschuss leider mit Mehrheit beschlossen worden ist, zum Alternativantrag, Herr Panse: Dabei haben wir auf den fachlichen Widerspruch des vorrangigen Einschaltens der Jugendämter - so wie im Antrag gefordert

- hingewiesen. Die ersten Auswertungen des Saarlandes bestätigen nämlich unsere Auffassung. Dort werden die ab 1. Juli eingeführten verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen von nahezu einem Drittel der Eltern - zumindest terminlich - verpasst. Diese Eltern kommen nicht rechtzeitig zu der mit sechs Monaten fälligen Untersuchung U 5, bei der das Kind u.a. auf Bewegungsstörungen und auf Hörvermögen getestet wird. Die Zahlen sind angesichts des kurzen Erfahrungszeitraums sicherlich nicht abschließend belastbar, aber es ist fachlich völlig verfehlt, wenn in all diesen Fällen nun das Jugendamt intervenieren soll. Was soll dort ein tätiger Sozialpädagoge oder eine Sozialpädagogin veranlassen?