Protocol of the Session on June 21, 2007

Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die Fortberatung im Ausschuss. Ich möchte an dieser Stelle darauf verzichten, statistische Darstellungen der Beantwortung der Großen Anfrage zu referieren. Die Antworten auf die 211 Fragen liegen Ihnen vor und es geht darum, einfach in die Tiefe im Ausschuss ein Stückchen mehr einzusteigen.

Vorab meinen Dank an die Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten und den Mitarbeitern im Thüringer Justizministerium für die Arbeit im Zusammenhang mit der Beantwortung der Großen Anfrage, aber auch im Zusammenhang mit der tagtäglichen Arbeit im Vollzug allgemein.

(Beifall bei der CDU)

Das haben Sie wirklich verdient. Um es gleich vorwegzunehmen, die Lage des Strafvollzugs in der Bundesrepublik insgesamt ist derzeit nicht gerade rosig. Obwohl wir in Thüringen im Bundesvergleich gut dastehen, sieht sich auch der Thüringer Justizvollzug in den letzten Jahren mit Problemen konfrontiert, die grundsätzliche Entscheidungen und Weichenstellungen erfordern. Um nur einige Beispiele zu nennen:

Erstens: Die Justizvollzugsanstalten im Land sind in ihrem Kernbestand mit Ausnahme von Tonna sehr alt, stehen zum Teil unter Denkmalschutz - die Folge: stetiger Sanierungs- und Modernisierungsbedarf.

Zweitens: Die durchschnittliche Belegung der Vollzugsanstalten im Land ist von etwa 1.119 im Jahr 1995 auf 2.142 Gefangene im Jahr 2005 gestiegen.

Drittens: Die Durchführung des Resozialisierungsauftrags wird durch Probleme in der Gefangenenstruktur, wie zum Beispiel Verständigungsschwierigkeiten durch unterschiedliche kulturelle Milieus, immer geringeres Bildungsniveau bzw. unzuläng

liche soziale Bindungen der Gefangenen erschwert.

Viertens: Die Alkohol- und Drogenproblematik in den Anstalten erfordert eine differenzierte Gratwanderung zwischen repressiven und präventiven Gegenmaßnahmen.

Fünftens: Das Personal muss aufgestockt werden. Verbesserung des Personalschlüssels bedarf es im Bereich der medizinischen und therapeutischen Versorgung. Hier steht Thüringen im Bundesvergleich - das muss man so sagen - nicht so gut da. Die Personalaufstockung in diesem Jahr ist ein Anfang. Es darf aber dabei nicht stehen geblieben werden. Nur eine gute und fundierte fachtherapeutische Behandlung kann die Rückfallquote, wenn überhaupt, das ist fachlich ja höchst umstritten, senken. Eine sinkende Rückfallquote ist auch ein Beitrag zu einem sicheren Thüringen. Erschwerend zu diesen strukturellen Problemen, die in sämtlichen Bundesländern in gleicher oder ähnlicher Form zu konstatieren sind, kommt häufig eine Geringschätzung der im Vollzug von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleisteten Arbeit. Salopp gesagt, im Gespräch ist der Strafvollzug doch eigentlich öffentlich immer nur dann, wenn etwas schief geht. Was folgt, sind im Regelfall populistische Ratschläge, auch aus dem politischen Raum, wie alles besser zu machen wäre und Schadenfreude in der Öffentlichkeit, nach dem Motto: Wie konnte das nur wieder passieren?

Um es gleich deutlich zu sagen, ich habe höchsten Respekt vor der Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug, die täglich mit einer häufig sehr schwierigen Klientel umzugehen haben. Sie arbeiten mit Menschen, die unsere bequeme Gesellschaft aus ihrem Blickfeld verbannt hat. Diese Tätigkeit erfordert eine Kraft und ein pädagogisches Fingerspitzengefühl, wie es meines Erachtens sonst nur wenige andere Berufe verlangen. Aus meiner beruflichen Tätigkeit vor der Abgeordnetentätigkeit kenne ich sehr viele dort tätige Beamtinnen und Beamte persönlich, die in der großen Mehrzahl mit Engagement an der Umsetzung des Vollzugszieles nach § 2 Strafvollzugsgesetz arbeiten.

Ich zitiere noch einmal die Aufgaben des Vollzugs, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, § 2 Strafvollzugsgesetz: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen, der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.“ Die Landesregierung trägt deshalb in diesem sensiblen Bereich eine große Verantwortung, soweit es der Haushalt zulässt, wie bereits in der Vergangenheit, auch durch Beförderung und die stetige Verbesserung des Arbeitsumfeldes in den Anstalten dazu beizutragen, die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter im Vollzug zu steigern und ihren tagtäglichen Einsatz zu würdigen. Dazu gehört auch, dass es nicht tragbar ist, wenn Bedienstete im Eingangsamt in Rente gehen. Woher soll die Motivation kommen, wenn man im Extremfall in 4 Jahrzehnten kein einziges Mal befördert werden kann? Ich plädiere deshalb für eine in Abschnitten vonstatten gehende Stellenhebung. Auch werden mich die Vollzugsbediensteten und Anstaltsleiter wie bisher an ihrer Seite finden, wenn sie sich aus dem öffentlichen Raum ungerechtfertigten und effekthascherischen Vorwürfen ausgesetzt sehen sollten.

Meine Damen und Herren, ich habe schon mehrfach deutlich gemacht, dass die weitere Entwicklung und Modernisierung des Strafvollzugs in Thüringen ganz oben auf meiner rechtspolitischen Prioritätenliste für die nächsten Jahre steht. Ich habe in meiner früheren beruflichen Tätigkeit und auch jetzt zum Teil schon alle Justizvollzugsanstalten im Lande besucht, habe Gespräche mit den Leitungen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Justizvollzugsanstalten, mit Gerichts-, Bewährungs- und freiwilligen Straffälligenhilfe sowie den Gefangenenvertretungen geführt. Schließlich, und dafür bin ich dankbar, gibt es einen Fahrplan des Justizministeriums für die Neuerrichtung der Jugendstrafanstalt in Arnstadt-Rudisleben und hier möchte ich ausdrücklich Herrn Justizminister Schliemann und seinen Mitarbeitern für ihren unermüdlichen Einsatz danken.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage es auch deutlich, der Baubeginn 2008 darf nicht angetastet werden. Auch die 95 zusätzlichen Haftplätze in Goldlauter, die im Jahre 2008 zur Verfügung stehen sollen, sind dringend erforderlich. Ich möchte auch sehr deutlich sagen, dass ich es als notwendig betrachte, den Bau einer weiteren Justizvollzugsanstalt in Ostthüringen, möglichst vielleicht auch mit 600 Plätzen, wenn auch längerfristig, doch nicht ganz aus dem Auge zu verlieren und doch irgendwann in Angriff zu nehmen. Im Hinblick auf das stetige Ansteigen der Inhaftiertenzahlen sollten die Möglichkeiten der Vollstreckungshilfe intensiviert werden. Ausländische Straftäter sollen ihre Strafen in ihren Heimatländern absitzen. Das ist inzwischen auch gegen den Willen des Straftäters möglich, da im Rahmen der internationalen Rechtshilfe inzwischen das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarates nunmehr auch von Deutschland ratifiziert wurde. Damit könnte der Justizvollzug des Freistaats nun in kleinen Schritten - es ist noch nicht ganz so merklich - entlastet werden, aber es könnte Konfliktpotenzial in den Justizvollzugsanstalten abgebaut werden.

Meine Damen und Herren, für mich ist der Strafvollzug eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und eben

nicht nur die Sache der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug. Der Resozialisierungsgedanke des Strafvollzugsgesetzes und damit ein humaner Strafvollzug sind keine Gefühlsduselei, sondern praktizierter Opferschutz. Ein reiner Verwahrvollzug, wie er mit Sicherheit in Thüringen nicht stattfindet - das sage ich auch deutlich -, in dem der Täter für die Dauer seiner Haftstrafe nur weggeschlossen würde und dann plötzlich und ohne Vorbereitung in die Freiheit entlassen wird, enthält ein wesentlich größeres Gefahrenpotenzial und entspricht nicht dem Menschenbild, das wir uns wünschen.

Deshalb muss allerdings ebenso konsequent dem Sicherheitsanspruch der Bevölkerung Rechnung getragen werden. Der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten ist ein gleichwertiges Vollzugsziel. Die Vollzugsanstalten in Thüringen sind sicher, aber es braucht auch entsprechende Rahmenbedingungen, damit sie sicher bleiben. Deshalb sollte die Landesregierung in den kommenden Jahren an zweierlei Themen weiterarbeiten - einmal der weiteren Verbesserung der äußeren Sicherheit der Haftanstalten, aber auch der Weiterentwicklung des modernen Behandlungsvollzugs, wobei sehr, sehr viel auf diesem Weg schon erreicht worden ist, wofür ich mich auch ausdrücklich bedanke.

Mein Wunsch ist, dass Regierung und Parlament auf der Grundlage der vorliegenden Antwort ihre Gemeinsamkeiten definieren, und Voraussetzung dazu sollte sein, dass wir uns von jeglichem Populismus verabschieden und zu zielgerichteter und effektiver Arbeit für den Strafvollzug im Lande gelangen. Die Äußerung der letzten Monate - auch von Mitgliedern der Nichtregierungsfraktionen - erfüllen mich dabei mit einer gewissen Hoffnung. Die Probe dafür wird die Begleitung der noch anstehenden Gesetzgebungsvorhaben sein. Ich möchte dazu den Justizminister auffordern und ermutigen, wie beim Jugendstrafvollzugsgesetz auch bei den anderen Vorhaben die Kooperation mit den anderen Ländern zu suchen. So, wie beim Jugendstrafvollzugsgesetz könnte dies auch beim Untersuchungshaftvollzugsgesetz, dem Gesetz über den Vollzug der Sicherheitsverwahrung und vielleicht beim neuen Strafvollzugsgesetz fortgeführt werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Abgeordneter Blechschmidt zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist nicht nur das Privileg der regierungstragenden Fraktion, bei umfänglichen oder gut geleisteten Arbeiten in Ministerien, Verwaltungen, Institutionen u.Ä. Danksagungen vorzunehmen. Also gleich am Anfang möchte ich mich hier mit Deutlichkeit bei jenen Bediensteten im Justizvollzug bedanken, welche aufgrund der Anfrage der Linkspartei diesen umfangreichen Fragenkatalog durch ihre Zuarbeit zu einer doch recht vernünftigen Beantwortung der Landesregierung geführt haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gerade in Anbetracht der immer wieder bei Besuchen der Justizvollzuganstalten festgestellten angespannten Arbeitssituation, welche auch die Antwort innerhalb der Großen Anfrage bestätigt, ist dieser Dank gerechtfertigt, zwingend und aufrichtig, womit ich schon bei jenem nicht minder umfassenden Dank und Anerkennung der Arbeit der Bediensteten an sich im Justizvollzug angekommen bin.

Tag für Tag wird aufgrund der nicht immer einfachen Situation nicht nur der sogenannte Job getan, sondern wie der alte und neu gewählte Vorsitzende des Thüringer Verbandes der Justizvollzugsbediensteten, Herr Schulz, zum Verbandstag im April dieses Jahres so treffend formuliert hat: „Trotz der komplizierten, mithin katastrophalen äußeren Bedingungen, der ständig besonders zeitlichen und psychischen Belastungen und der mitunter in der Gesellschaft nicht immer wahrgenommenen Arbeit der Justizvollzugsbediensteten sind wir gern im Justizvollzug in Thüringen tätig.“

Meine Damen und Herren, die Beantwortung der Großen Anfrage zum Strafvollzug hat neben umfangreichem statistischen Material, auf das ich jetzt nicht weiter eingehen möchte, besonders aus der Vergangenheit deutliche Mängel und Versäumnisse bis hin zu Missständen im Justizvollzug im Allgemeinen und in den einzelnen Anstalten im Speziellen aufgezeigt. Dabei möchte ich mich auf zwei Schwerpunkte konzentrieren, der eine, die Arbeitsbedingungen der Bediensteten und damit verbundene Probleme sowie die Unterbringung und Belegungssituation Thüringer Strafgefangener.

Meine Damen und Herren, nicht nur der Wechsel der Gesetzgebungszuständigkeit im Strafvollzug im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder ist der Ausgangspunkt für die Große Anfrage der Fraktion der Linkspartei zur Situation des Thüringer Justizvollzugs gewesen. Zahlreiche Vorfälle in der letzten Zeit zeigten deutlich, dass es schon seit Jahren,

wenn nicht gar Jahrzehnten grundlegende Defizite und Missstände im Thüringer Justizvollzug gibt, die regelrecht nach einer Lösung rufen. Grund genug im Rahmen einer Großen Anfrage eine umfassende Bestandsaufnahme vorzunehmen.

Auch am jüngsten Vorfall in der JVA Hohenleuben waren zwei der drängenden Grundprobleme des Thüringer Strafvollzugs deutlich gemacht worden: die über Jahre schon angespannte Belegungssituation in den Haftanstalten und die sehr schwierigen Arbeitsbedingungen der Bediensteten. Dieser Fall von Misshandlung ist aber auch ein Warnsignal, nicht weitere Mittel im Justizvollzug zu sparen. Insbesondere müssen die medizinischen, therapeutischen und sozialbetreuerischen und unterstützenden Angebote unseres Erachtens ausgebaut werden. Alle Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Resozialisierung hinzielen, müssen verstärkt werden. Der Preis, den die Gesellschaft - und das habe ich heute Vormittag im Zusammenhang mit dem Jugendstrafvollzug schon angedeutet und formuliert - für gescheiterte Resozialisierung von Straftätern zu zahlen hat, wiegt schwerer als vermeintliche Einsparpotenziale im Justizhaushalt. Doch der nötigen Stärkung der Resozialisierungsbemühungen wurde in den vergangenen Jahren oft entgegengearbeitet, zum Beispiel dadurch, dass Räumlichkeiten, die ursprünglich Kommunikation und Freizeitaktivitäten oder der Durchführung von sozialen Maßnahmen dienten, aus Raumnot in Haftplätze umgewandelt wurden. Diese Informationen sind uns auch aus Gesprächen mit Praktikern entgegengebracht worden. Überhaupt scheint mir, dass sich die Landesregierung, was die Belegungssituation angeht, zu lange auf die bequemen Übergangs- und Notregelungen für alte Haftanstalten verlassen hat. Dabei gab es aus der Praxis auch Lösungsvorschläge zur Auflösung der problematischen Mehrfachbelegung, ohne gleich ganze Haftanstalten umbauen zu müssen. Schaut man sich die Statistik der Großen Anfrage an, meine Damen und Herren, dann wird zumindest deutlich, dass seit vielen Jahren die Normalbelegung erheblich überschritten worden ist. Der Ausnahmezustand wurde damit zum Alltag in der Thüringer Justizvollzugsanstalt.

Was die Antwort der Landesregierung nicht offenlegt, aber von Praktikern in Thüringen immer wieder beklagt wird, ist ein großer und ständiger „Verschiebebahnhof“ zwischen den Haftanstalten, der dazu dienen soll, die völlige Entgleisung der Belegungszahlen zu verhindern, der aber Arbeitskapazitäten und Logistik bindet, die anderweitig in den Haftanstalten dringend benötigt würden. An manchen Stellen lässt die Anfrage Widersprüchliches erkennen. Zum Beispiel wird hinsichtlich der Belegungszahlen - und ich habe es jetzt bei der Kollegin Walsmann wieder gemerkt - für ein und denselben Zeitraum und

ein und dieselbe Kategorie mit verschiedenen Zahlen gearbeitet. So ist einmal die durchschnittliche Belegungszahl im Jahr 2005 2.142, in einer weiteren Tabelle aber 2.204. Leider gibt es auch weitere Informationslücken in der Antwort der Landesregierung zu beklagen. So ist zum Beispiel bei allen Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes nicht nachvollziehbar, dass es keine Statistik zum Problem Rückfalltäter geben soll. Es wäre doch sicher möglich, eine anonymisierte und dennoch inhaltlich aussagekräftige Statistik zu führen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Eine solche Rückfallstatistik ist unseres Erachtens unbedingt notwendig, um Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Resozialisierungskonzepte und -maßnahmen ziehen zu können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

In diesem Fall ist so eine erfragte Statistik über die Beförderungssituation im Justizvollzug in der Antwort schlicht vergessen worden. An dieser Stelle steht eine ganz andere Statistik. Daten - und das Problem hat jetzt die Kollegin Walsmann auch deutlich gesagt - zur Beförderungslage sind doch vorhanden. Hier drängt sich dann die Frage auf, ob diese Informationslücke nicht doch in gewisser Weise Absicht gewesen ist, denn der Beförderungsstau im Justizvollzug und seine negativen Folgen sind seit Jahren sichtbar und bekannt. Letztlich ist dann nachvollziehbar, dass die Motivation Schaden nimmt, wenn man Jahrzehnte arbeitet mit der gleichen Eingruppierung und dann auch noch in den Ruhestand geht. Außerdem müsste überprüft werden, ob die gewählte Einstufung dem Maß an Qualifikation und Verantwortung gerecht wird, die die Tätigkeit im Justizvollzug erfordert.

Ein weiteres Problem ist die angespannte Personalsituation. Rein statistisch gesehen liegt Thüringen auf einem guten Mittelplatz beim Verhältnis der Zahl der Gefangenen zu der Zahl der Bediensteten. Wenn man aber mal genauer hinsieht, ist die reale Situation sehr ernüchternd. Fakt ist, in Thüringen gibt es fast nur Alteinrichtungen, in denen Mehrfachbelegung in großem Maße stattfindet. In Justizvollzugsanstalten mit Mehrfachbelegung ist als Mindestanforderung unverzichtbar, dass in einer Schicht mindestens so viele Bedienstete zusammen verfügbar sind wie Gefangene in einem Haftraum. Besser wäre eigentlich eine Überzahl. Von solchen Bedingungen ist z.B. die Realität in Hohenleuben mit seinen Sechs- oder Siebenfachbelegungen in Hafträumen meilenweit entfernt. Dass es gerade in Hohenleuben immer wieder zu Vorfällen kommt, ist damit nicht verwunderlich.

Doch der jüngste Fall aus Hohenleuben ist nicht der einzige Fall von Übergriffen unter Gefangenen. Auch aus anderen Haftanstalten sind schon Fälle bekannt geworden und wurden sogar schon vor Gericht verhandelt. Ich erinnere an einen schon etwas länger zurückliegenden Fall in Ichtershausen. Auch die Ergebnisse des Besuches der Europäischen Kommission - und heute Morgen haben wir darüber gesprochen - zur Einhaltung der Antifolterkonvention in der Einrichtung in Weimar belegen, dass es weiterhin Probleme im Jugendstrafvollzug gibt. Die hier notwendigen Veränderungen müssen und sollten mit dem eingeleiteten Gesetzesverfahren zum Jugendstrafvollzug in Thüringen vorgenommen werden.

Meine Damen und Herren, dass es über Beschwerden und Petitionen angeblich keine Daten gibt, können wir so nicht akzeptieren. Denn nach üblichem Verfahren hat die Landesregierung zu jeder Petition eine Stellungnahme abzugeben und auch über Beschwerden und ihre Themeninhalte ließen sich unseres Erachtens nach detaillierte Informationen abgeben, denn jede Beschwerde muss aktenkundig gemacht werden. Ein angemessener Umgang mit Beschwerden kann unseres Erachtens zu einer spürbaren Verbesserung der Situation im Strafvollzug beitragen. Gibt es nicht entsprechende Mitarbeiter im Ministerium und somit eine entsprechende Bearbeitungsstruktur?

Auch das Fehlen von Rückfallstatistik ist unter dem Gesichtspunkt einer wirksamen Resozialisierung, wie ich es angesprochen habe, kaum verständlich. Dieser Mangel soll aber nun laut Ankündigung des Justizministers zumindest für den Bereich des Jugendstrafvollzugs - ein erster Schritt - mit Hilfe des kommenden Gesetzentwurfs behoben werden. Die Rückfallproblematik ist aber nach Meinung unserer Fraktion für den Erwachsenenstrafvollzug ebenso von großer Bedeutung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Daher sollte nach Meinung der Linkspartei auch für diesen Bereich eine Rückfallstatistik eingeführt werden. Wirksame Resozialisierung hängt nicht nur von Bedingungen während der Haftzeit, sondern auch von Unterstützung in der Zeit nach der Haft ab. Hier ist der unmittelbare Übergang von der Haft in das „Leben danach“ eine entscheidende Phase. Aus der Großen Anfrage und deren Antwort lässt sich ein wenig die Haltung ablesen. Wenn die Knasttüren sich hinter dem Entlassenen geschlossen haben, ist das Folgende eigentlich nicht mehr in der Verantwortung des Justizbereichs. Alles, was wir darüber hinaus machen, ist sozusagen Kulanz. Wir als LinksparteiFraktion meinen, die Mitverantwortung des Bereichs Justiz für einen erfolgreichen Übergang ins „Leben

danach“ bleibt. Diese Mitverantwortung schließt unseres Erachtens auch eine entsprechende Kooperation mit anderen Aufgabenbereichen, vor allem dem Sozialbereich, ausdrücklich ein. Dieser verstärkte Blick auf das „Danach“ darf sich nicht nur auf die Gruppen der jugendlichen Straftäter beziehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Auch sehr viele und immer mehr erwachsene Straftäter brauchen diese Unterstützung für den Übergang.

Eine Forderung der Linkspartei möchte ich hier aber schon einmal ganz eindeutig benennen: Keine Einschnitte bei den Straffälligen- und Bewährungshilfen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

eher sollte man über Aufstockung nachdenken.

Es gibt eine Thüringer Besonderheit, die die Arbeitsbedingungen der Bediensteten zusätzlich belastet. Anders als in anderen Bundesländern müssen die Justizvollzugsbediensteten Transporte und Bewachung von Gefangenen bei Gerichtsverhandlungen übernehmen. Betroffene berichten davon, dass diese Aufgabe Arbeitszeit und Arbeitskapazität in Anspruch nimmt, die dringend anderweitig gebraucht würde. Hier ist dringend eine Umorganisation in den Arbeitsabläufen oder eine Personalaufstockung bei Gericht zu prüfen und einzuführen.

Meine Damen und Herren, der sehr deutliche Anstieg des Krankenstandes, besonders in den letzten zwei Jahren, unter den Bediensteten ist ebenfalls ein deutliches Indiz für die schwierige Situation. Ständige Überstunden, schwierige Arbeitsbedingungen geben den Beschäftigten auf Dauer nicht das Gefühl, richtig motiviert zu sein und hinterlassen ihre Spuren. In diesem Zusammenhang gibt es noch ein weiteres anderes Rätsel. Aus der Antwort der Landesregierung lässt sich entnehmen, dass es vor einiger Zeit eine Mitarbeiterbefragung gegeben habe, dass aber das zusammengekommene Material nicht auswertbar gewesen sei. Aus Bedienstetenkreisen aber war zu erfahren, dass die Umfrage sehr wohl genügend Informationen erbracht habe, um die schwierige Situation der Bediensteten erkennen zu können. Liegt also dem Ministerium doch ein Material vor, das zu heikel war, um es in die Antwort auf die Große Anfrage einfließen zu lassen, oder hat die Schere schon viel früher funktioniert und das Material ist unbeachtet in irgendeiner Schublade verschwunden? Das zeigt doch eindeutig, Herr Minister Schliemann, mit Schönschreiben von Tatsachen kommen wir einer Problemlösung nicht näher.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)