Protocol of the Session on March 2, 2007

Herr Abgeordneter Kretschmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Leukefeld?

Ja, selbstverständlich.

Herr Kretschmer, ich wollte Sie gern etwas fragen: Was glauben Sie, was für die Schaffung von Arbeitsplätzen wichtiger ist, die Höhe des Lohns oder der tatsächliche Bedarf für Produkte oder Dienstleistungen?

Jetzt muss ich erst einmal sehen, was Sie mit dieser Frage bringen wollen. Das war auch die Unkenntnis, die vorhin auch schon von Herrn Hausold kam, der Lohn richte sich nicht nach der Produktivität. Ich sage einmal, für die Wirtschaftsförderung ist doch klar, warum unternehmerische Aktivität da ist - die Frage der Produktivität, die Frage der Kundenzufriedenheit -, ich sage einmal, dass ein ordentliches Produkt da ist, was ich am Markt verkaufen kann. Damit ich so ein Produkt habe, muss ich beispielsweise mit Wirtschaftsförderung arbeiten können, um Technologie und Innovation zu befördern. Das ist so eine Sache. Kundenzufriedenheit, Marktpreis beispielsweise und am Ende des Weges würde ich sagen, auch Gewinn. Damit setze ich bei der Wirtschaftsförderung an. Die Frage des Lohns sehe ich in diesem Zusammenhang doch auch. Ein Lohn kann doch nur im Kontext zu diesen Fragen stehen: Wie ist die Produktivität, wie ist die Annahme des Produkts auf dem Markt, Kundenzufriedenheit, wie ist die finanzielle Situation, die ich erzielen kann für die Produkte? Sicher will das Unternehmen einen gewissen Gewinn haben. Ich lasse da auch nicht aus, dass es tolle Modelle gibt für Gewinnbeteiligung, da wo es gut ist. Aber am Ende des Weges muss doch eine Null darunter stehen.

Ich bin - das wollte ich sagen, bevor ich durch die Frage von der Vorlage abgekommen bin - den Kollegen der SPD-Fraktion dankbar, dass sie einen Antrag gebracht haben, weil es mir die Gelegenheit gibt, auch hier noch einige Worte zu sagen, natürlich auch inhaltlich, aber auch vom Verfahren her. Die Frage der Pfändungsfreigrenze, Herr Kollege Pilger, hatte ja in der Anhörung, an die Sie sich möglicherweise erinnern, auch eine Rolle gespielt. Die Gewerkschaft ver.di hatte den Herrn Schäfer aus dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut aus Düsseldorf als Fachmann dort. Sie erinnern sich möglicherweise auch noch, dass ich dort hinterfragt habe. Mit der Festlegung der Pfändungsfreigrenze - und das hat er mir dann auch bestätigt - führen wir de facto dann zwei Existenzminima ein. Wir haben das Existenzminimum für Erwerbslose, was bei 345 € liegt, durch das Arbeitslosengeld II festgeschrieben und wir wür

den dann noch ein Existenzminimum für Erwerbstätige einführen. Das wäre dann in Ihrem Fall die Pfändungsfreigrenze und da wurde die Auskunft von Herrn Schäfer auch sehr mau, weil eigentlich so etwas nicht geht. Ich kann also nicht zwei Existenzminima führen. Also das Existenzminimum ist eingeführt mit 345 €. Darüber kann man sich streiten. Aber das ist nun einmal als Mindesteinkommen bundeseinheitlich festgelegt.

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Das ist falsch, Herr Kretschmer.)

Das ist nicht falsch, ich habe Ihnen das deutlich gesagt. Ich bin auch deshalb froh, dass Sie diesen Antrag bringen, weil ich versucht habe, aus Ihrem eigenen Lager noch ein bisschen Argumentation zu holen. In der „Welt“ am 4. Februar 2007 steht ein höchst interessanter Artikel, der unverfänglich mit der Überschrift anfängt „Mindestlöhne können sinnvoll sein“. Als Autor wird Wolfgang Clement benannt, der, wenn ich es richtig weiß, Wirtschaftsminister in der vorherigen Regierung war. Er sagt, dass alles, was aus freien Stücken geregelt werden kann, besser ist als das, was von oben kommt, also per Richtlinie, Gesetz, Verordnung, Weisung oder Erlass. Er verweist auf die Frage des Tarifrechts. Deshalb sagt er auch: „Dieser Grundsatz zeichnet das deutsche Tarifrecht aus - ein Kernstück unserer sozialen Marktwirtschaft. Das, was Tarifpartner aus freien Stücken miteinander vereinbaren, ist in jedem Fall gesetzlichen Regelungen vorzuziehen. Die Tarifhoheit ist heilig. Die Politik soll ihr fernbleiben. Das gilt auch für die aktuelle, nun schon monatelange Diskussion über Mindestlöhne. Gesetzliche Mindestlöhne über alle Branchen hinweg wären in unserer europaweit einzigartigen, aus guten Gründen sehr differenzierten Tariflandschaft ein Irrweg.“ So weit erst einmal Wolfgang Clement.

Ich habe mir dann noch - Sie müssen da nicht staunen, aber es passt dann auch sehr gut - das Thesenpapier des Managerkreises der FriedrichEbert-Stiftung herausgenommen, welches da heißt „Soziale Gerechtigkeit morgen“. Dort stehen interessanterweise diese Fragen, die ich hier schon angetragen habe. Die Verfasser dieses Papiers sagen: „Statt einer Mindestlohnpolitik sollte eine Mindesteinkommenspolitik gestartet werden.“ Das ist genau dieser wahnsinnig wichtige Standpunkt, den ich hier einbringen will. Lohn ist das, was das Unternehmen entsprechend Produktivität und anderen Faktoren, die ich genannt habe, zahlen kann. Das ist die eine Seite. Die sozialpolitische Verantwortung ist, dass dann ein Einkommen zu geben ist, was Existenz auch garantiert. Diese, das machen die Leute gleich, beschreiben dann eben, eine Mindesteinkommenspolitik kombiniert niedrige Marktlöhne mit Lohnergänzungsleistungen, also das, was wir eigentlich im

mer sagen. Deshalb sage ich, der Sozialstaat, so steht es auch wieder hier drin, verhindert gegenwärtig soziale Gerechtigkeit, weil er einfache Arbeit zu teuer macht. Vollbeschäftigung zu traditionellen deutschen Sozialstaats- und Bildungskonditionen wird es nicht geben. So viel aus dem Thesenpapier "Soziale Gerechtigkeit morgen" des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Nun zum Schluss noch die Überlegung, die insbesondere bei Herrn Müntefering auftritt. Herr Kollege Günther hat vorhin ein wenig auf Herrn Müntefering abgezielt, der auf einer Veranstaltung des Mannheimer Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung meinte, dass bestimmte Löhne sittenwidrig wären, und bezieht damit eigentlich Tariflöhne ein. Das war das, was ich etwas merkwürdig finde. Ich sage es mal so, das, was Tarifpartner - und oben sitzen Kollegen vom DGB - vereinbart haben, kann ja wohl nicht sittenwidrig sein. Ich sage auch gleich noch etwas zur Sittenwidrigkeit. Aber, Herr Kollege Pilger, dass Sie das gar noch mit Sklavenhalter vergleichen, das geht mir vollkommen daneben, weil, wie gesagt, wenn Tarifpartner, ob mir das passt, 3,06 € oder 3,18 € tariflich vereinbaren, da können Sie doch nicht sagen, das ist sittenwidrig, da können Sie auch nicht sagen, das ist Sklavenhalterei. Im Übrigen kann ich Ihnen sagen, in § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, dem Wucherparagraphen, ist auch die Frage der Sittenwidrigkeit geklärt, das ist Rechtsprechung. Wenn zwei Drittel unterhalb des Lohnniveaus gezahlt wird, ist es sittenwidrig. Aber Tarifverträge, Herr Kollege Pilger, sind nicht sittenwidrig, sondern das sind zwischen den Akteuren ausgehandelte Dinge.

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Das habe ich doch gar nicht gesagt.)

Deshalb sage ich sehr deutlich, die Frage der Sittenwidrigkeit ist für mich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht verständlich. Ich bin aber erstaunt, Herr Staatssekretär Aretz hatte darauf hingewiesen, dass aus der Arbeitsgruppe, die der Bund eingerichtet hat, die in der nächsten Woche zusammenkommt, ab und zu mal Gerüchte kommen, zumindest das Gerücht, welches ich jetzt verlese aus der Presse des vorletzten Tages: "Müntefering will nun 5 € Mindestlohn." Sie sehen doch schon, wie bunt die Debatte ist. Der eine macht acht und Pfändungsfreigrenze, andere noch ganz anderes, 4,50 €. Ich denke schon, man sieht daran die ganze Frage der Mindestlohndebatte, ein gesetzlicher Mindestlohn über alle hinweg ist eigentlich nicht relevant, sondern das ist, wie wir bisher auch immer sagen, in den Branchen vereinbart, dafür gibt es die Belege, und über die entsprechenden Situationen, die aus der Allgemeinverbindlichkeit herzunehmen sind, Entsendegesetz, gut zu gestalten.

Deshalb wird es Sie nicht verwundern, ich hoffe, aus meinen Ausführungen ist auch deutlich geworden, dass wir sowohl den Antrag der PDS-Fraktion als auch den Antrag der SPD-Fraktion zur Aktivität der Landesregierung im Bundesrat, einen gesetzlichen Mindestlohn einzubringen, ablehnen werden. Um es noch mal deutlich zu machen, wir wollen, so hat Herr Kollege Günther auch schon angekündigt, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit überweisen und, wie gesagt, den Antrag der SPD- und den der PDS-Fraktion zumindest zu den gesetzlichen Mindestlöhnen ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Ich beende die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 11 a und b und wir kommen zur Abstimmung. Mir liegt kein Antrag auf Ausschussüberweisung vor. Wir werden direkt über den Antrag der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/2716 - Neufassung - abstimmen. Wer ist für diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung. Es ist mit großer Mehrheit dieser Antrag der Linkspartei.PDS abgelehnt.

Wir kommen zu der Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/2772. Auch hier ist keine Ausschussüberweisung beantragt. Wir stimmen daher direkt über den Alternativantrag ab. Wer für diesen Alternativantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diesen Alternativantrag, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer enthält sich der Stimme? 1 Stimmenthaltung. Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Punkt 11 b. Es ist beantragt, die Große Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS weiterzuberaten im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Ich muss die Fraktion der Linkspartei.PDS fragen, ob sie damit einverstanden ist, dass weiterberaten wird. Dann können wir über diesen Antrag abstimmen. Wer für die Weiterberatung der Großen Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Weiterberatung? Wer enthält sich der Stimme? 2 Stimmenthaltungen, keine Gegenstimmen, damit ist die Ausschussüberweisung angenommen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 11 a und b und rufe auf den Tagesordnungspunkt 12

Arbeit in den Behindertenwerk- stätten Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2733 -

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet Sofortbericht und ich erteile Herrn Minister Zeh für die Landesregierung das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich ergreife heute gerne die Gelegenheit, Sie auf Antrag der CDUFraktion in einem Sofortbericht über die Arbeit, die Förderung und die Situation der Werkstätten für behinderte Menschen in Thüringen zu informieren. Ich möchte dies in der gebotenen Kürze tun, weil ich hörte, dass dieses Thema im Ausschuss weiterbehandelt werden soll. Solche Werkstätten sind dem Grunde nach Einrichtungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben.

Nach gesetzlichem Auftrag gilt: All denjenigen behinderten Menschen, die wegen der Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eröffnen sie erstens die Möglichkeit einer angemessenen beruflichen Bildung und einer Beschäftigung zu einem angemessenen Entgelt, zweitens die Möglichkeit, ihre Leistungs- bzw. Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Drittens, die Werkstätten fördern darüber hinaus, und das ist auch eine sehr wichtige Funktion, den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Mit diesem breiten gesetzlichen Auftrag sind die Werkstätten ohne Zweifel eine große sozialpolitische Errungenschaft. Die Anforderungen an die Werkstätten haben sich in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Schließlich müssen sie auch am Markt bestehen. Mehr denn je müssen sie sich neben der Auftragsfertigung, beispielsweise im Bereich der Konfektionierung und Verpackung, auch Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich, zum Beispiel der Gartenpflege, erschließen und marktgängige Eigenprodukte entwickeln. Fast alle Thüringer Werkstätten verfügen über Angebote in allen drei genannten Bereichen und sind damit zukunftssicher aufgestellt. Die Werkstätten haben für Menschen mit Behinderung eine sehr große Bedeutung. Dieser Stellenwert kann von Außenstehenden kaum ganz ermessen werden. Arbeit ist mehr als nur Broterwerb. Menschen erhalten über ihre Arbeit Anerkennung für erbrachte Leis

tungen. Sie lernen, sie erweitern ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Mit Arbeit wird ein Zugewinn an Lebensqualität erreicht. Nicht zuletzt bedeutet ein Arbeitsplatz auch soziale Integration. Das alles ist für Menschen mit Behinderungen von ganz besonderer Wichtigkeit. Die umfassende Integration von Menschen mit Behinderungen in allen öffentlichen und privaten Lebensbereichen ist das erklärte Ziel der Thüringer Landesregierung. Ein wesentlicher Bereich ist hierbei die Teilhabe am Arbeitsleben. Seit 1991 hat die Landesregierung erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Netz der Werkstätten quantitativ und qualitativ auszubauen. Bis zum Jahre 2006 sind in den Ausbau der Werkstätten ca. 177 Mio. € geflossen. Der Landesanteil betrug hierbei rund 60 Mio. €. Die Differenz wurde vom Bund aus Mitteln der Ausgleichsabgabe, Zuschüssen der Bundesagentur für Arbeit sowie Eigenmitteln der Einrichtungsträger getragen. Im laufenden Haushaltsjahr ist die Förderung von zwei weiteren Werkstätten vorgesehen. Zum Jahresende 2006 waren 8.900 Menschen mit Behinderungen in den Werkstätten beschäftigt. Von diesen wurden rund 7.500 Personen im Rahmen der Sozialhilfe im Arbeitsbereich der Werkstätten beschäftigt. In den kommenden Jahren ist mit einem weiteren Anstieg der Werkstattbesucherzahlen zu rechnen, denn es wird noch eine Reihe geburtenstarker Jahrgänge aus den Schulen für geistig Behinderte in die Werkstätten überwechseln. Insofern wird sich der demographische Knick in den Werkstätten erst mit zeitlicher Verzögerung auswirken. Nach neuesten Hochrechnungen werden wir die größte Anzahl in den Jahren 2008 bis 2010 haben. Dann wird die Zahl der Werkstattbesucher wieder etwas leicht rückläufig sein. Deshalb ist der Ausbau der Werkstätten auch künftig eine wesentliche Aufgabe der Landespolitik. Dabei wird die Landesregierung verstärkt geeignete Objekte anmieten, um flexibel auf die abzusehende demographische Entwicklung reagieren zu können. Ohne jeden Zweifel ist es wünschenswert, die Vermittlungsquoten aus den Werkstätten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu steigern. Das gestaltet sich jedoch in ganz Deutschland schwierig, nicht zuletzt wegen der Situation auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies gilt umso mehr, als in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze mit einfachem Anforderungsprofil weggefallen sind. Um dennoch Möglichkeiten auszuloten, hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ein Forschungsvorhaben, nämlich Entwicklung der Zugangszahlen zu Werkstätten für behinderte Menschen, in Auftrag gegeben. Ziel dieser Untersuchung ist es unter anderem, die Entwicklung der Zugangszahlen in den Jahren 2001 bis 2006 darzustellen und deren Ursachen zu ermitteln. Darüber hinaus sollen Alternativen zu einer Werkstattbeschäftigung beschrieben und die Bedingungen ermittelt werden, die solche Alternativen erleichtern, erschweren oder gar

ganz verhindern. Schon heute steht allerdings fest, die Werkstätten werden auch in Zukunft ein geeignetes und notwendiges Instrument zur beruflichen Qualifizierung und Beschäftigung derjenigen behinderten Menschen bleiben, die zur Teilhabe und zur Eingliederung in das Arbeitsleben auf besondere Rahmenbedingungen angewiesen sind. Werkstätten lassen sich aus der sozialen und ökonomischen Landschaft Thüringens nicht mehr wegdenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, um die Arbeit der Thüringer Werkstätten ausdrücklich zu würdigen.

(Beifall im Hause)

Die 32 Werkstattträger leisten in unserem Land eine hervorragende Arbeit zum Wohle unserer Bürger mit Behinderungen. Ich bin dankbar, dass ich solche kompetenten Partner an meiner Seite weiß, die diese Aufgabe auch erfüllen. Die Thüringer Landesregierung wird weiterhin alles ihr Mögliche tun, um die gleichwertigen Chancen für Menschen mit Behinderungen herzustellen und bestehende Benachteiligungen abzubauen. Dabei bleiben die Werkstätten für behinderte Menschen unverzichtbar. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wünschen die Fraktionen die Aussprache zu diesem Bericht? Die Linkspartei.PDS-, CDU- und SPD-Fraktion wünschen das, so dass ich in die Aussprache zu diesem Bericht gehen kann. Ich rufe als Ersten für die Fraktion der Linkspartei.PDS den Abgeordneten Nothnagel auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen der CDUFraktion, mit dem heute hier zur Diskussion stehenden Antrag haben wir gemeinsam die Chance, uns inhaltlich ausführlich mit der qualifizierten Arbeit in den Thüringer Werkstätten für Menschen mit Behinderungen auseinanderzusetzen. Wir haben aber auch die Chance, uns über die gegenwärtigen und zukünftigen Fragen und Probleme, die es bei der Integration von Menschen mit Behinderungen gibt, auszutauschen sowie Lösungsansätze, die vor allem auf der Bundesebene zu suchen sind, zu diskutieren. Unter diesem Gesichtspunkt danke ich Ihnen dafür, dass Sie diesen Antrag heute hier auf die Tagesordnung gesetzt haben und wir darüber reden können. Ich finde, es gibt auch einige Parallelen zu dem vorigen Tagesordnungspunkt, den Mindestlöhnen.

Der Herr Minister hat in seinem Bericht ausführlich das Investitionsvolumen, welches den Bau von Werkstätten in den letzten Jahren vorangetrieben hat, geschildert. Er hat die Zahlen genannt von den Menschen mit Behinderungen, die tagtäglich einer Arbeit bzw. einer Beschäftigung in den Einrichtungen nachgehen können, und er hat auch das Engagement der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie der Betreuer gewürdigt. Ich möchte mich ausdrücklich im Namen meiner Fraktion an dieser Stelle dieser Würdigung anschließen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Wir wissen, welche verantwortungsvolle Arbeit gemeinsam mit den behinderten Menschen in der Werkstatt geleistet wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

An dieser Stelle betone ich noch einmal: Weder die Fraktion der Linkspartei.PDS noch ich als Person haben in den letzten Wochen und Monaten die Forderung aufgemacht, dass die Werkstätten für behinderte Menschen sofort zu schließen sind. Dies war eine Zeitungsfehlinformation. Falls dies bei den Betroffenen, bei den Angehörigen oder bei den Betreuern so angekommen sein sollte und sie damit verunsichert und verängstigt wurden, so bedauere ich dies und kann nur noch einmal betonen: Dies war nicht meine oder unsere Absicht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor dem Hintergrund, dass das Jahr 2007 zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit ausgerufen wurde, muss es und darf es für uns Politiker kein Tabuthema sein, auch über die Integration behinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu sprechen und immer wieder neue Wege dahin einzufordern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wie ist denn nun die Situation? Es gibt - und dies ist keine Erkenntnis von mir, sondern wurde anlässlich des 10. Bundeskongresses der Werkstätten in Erfurt vom 15. bis 17. September 2004 durch die verschiedensten Vertreter der Politik und der Wohlfahrtsverbände immer wieder zum Ausdruck gebracht - zwei Sichtweisen auf die jetzige Situation der Werkstattbeschäftigten. Man könnte es auch so schildern: Für den einen ist das berühmte Glas noch halb leer, für den anderen ist es halb voll. Oder anders gesagt: Die einen sagen, es hat sich in den letzten 30 Jahren nicht sehr viel verändert, und die anderen reden von einem enormen Fortschritt, vor allem mit Beginn der 90er-Jahre. Beides, so finde ich, stimmt. Die Werkstatt ist für über - der Minister

hat es gerade gesagt - 8.900 Thüringerinnen und Thüringer sowohl ein Ort der Persönlichkeitsentwicklung, aber auch gleichzeitig Lebensraum und somit Stätte der produktiven Tätigkeit und schafft eine Tagesstrukturierung. Werkstattbeschäftigte haben rein rechtlich gesehen immer noch den Status, welcher durch das Bürgerliche Gesetzbuch geprägt ist, der Geschäftsunfähigkeitsregelung. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist keine Erfindung von mir, sondern steht genau so im Bürgerlichen Gesetzbuch. Werkstattbeschäftigte haben zwar einen arbeitnehmerähnlichen Status, haben Anspruch auf Versicherungsschutz, Rentenversicherung, Unfallversicherung, haben Anspruch auf Urlaub in Höhe von 30 Tagen plus 5 Tage im Jahr bei einem Grad der Behinderung von mehr als 50 Prozent und sie erhalten ein Arbeitsentgelt, welches im Durchschnitt bei 120 € bis 240 € je nach Tätigkeitsart liegt.

Günter Mosen, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Behinderte, sagte in Erfurt - Frau Präsidentin, ich darf zitieren: „Immer noch belässt es die Bundesregierung dabei, dass Werkstattbeschäftigte nicht mehr an Arbeitsverdienst erhalten, als was sie mit ihrem geringen Leistungsvermögen selbst erwirtschaften. Mit bundesdurchschnittlich 160 € pro Monat haben sie einen Anspruch auf weitere 26 € Arbeitsförderungsgeld des Reha-Trägers. Mit diesem Niedrigeinkommen können sie noch ein staatliches Unterhaltsgeld beanspruchen. Eine wirkliche Chance auf ein existenzsicherndes Einkommen durch eigene Arbeitskraft haben sie nicht.“

Die behinderten Menschen werden gefördert und gefordert. Sie haben die Möglichkeit, eine Freizeitgestaltung in Anspruch zu nehmen, aber sie haben keine Chance, auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt einzumünden. Kleine Förderansätze zur Veränderung, die vor allem im Jahr 1970 mit der Einführung der Initiierung eines Aktionsprogramms zur Förderung behinderter Menschen auf den Weg gebracht worden sind, wurden nach der Modellphase im Keim erstickt. Integrationsprojekte wurden auf den Weg gebracht, aber die Anzahl derer, die davon wirklich partizipieren, ist viel zu gering.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, spätestens mit der Einführung der Hartz-IV-Gesetze hat sich die Situation auf dem Gebiet der Integration von Menschen mit Behinderungen weiter verschärft. Hartz IV in Gestaltung des Sozialgesetzbuchs II und die Überführung des Bundessozialhilfegesetzes in das SGB XII trägt in diesem Zusammenhang bei Menschen mit Behinderungen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt einmünden wollen, zu unglaublich großer Verunsicherung bei, denn sie stehen ab dem 01.01.2005 vor der Variante und sie müssen für sich entscheiden, welchen Weg sie eingehen. Entweder

wird festgestellt, dass sie unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts mehr als drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen können und damit die Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende beziehen, oder sie können nicht oder nur weniger als drei Stunden arbeiten, damit sind sie automatisch erwerbsgemindert und beziehen Leistungen nach der Grundsicherung im Alter entsprechend SGB XII. Entscheidend ist, entscheidet sich ein Mensch mit Behinderung für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, so ist der Anspruch auf Grundsicherung nach SGB XII ausgeschlossen. Wenn er diesen Weg geht und nach seiner sogenannten Erprobungsphase für sich feststellt, es ist nicht der richtige Weg und er muss zurück in den Rechtsraum des SGB XII, so werden Hürden über Hürden aufgebaut. Ein Zurück zu einem Platz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist so gut wie ausgeschlossen. Aufgrund der Schwierigkeiten dieser Gesetzeslage, dass ein fließender Übergang sowie ein „vorübergehendes Austesten“ der eigenen Möglichkeiten oft durch das Gesetz schon ausgeschlossen werden, muss uns zu denken geben und sollte dazu führen, dass wir gemeinsam im Thüringer Landtag eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen, um genau hier eine Änderung auf Bundesebene einzufordern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

In den letzten Tagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich eine Vielzahl von Gesprächen mit Menschen mit Behinderung in Werkstätten geführt und genau dieser Punkt wurde immer wieder in den Diskussionen von den Werkstattleitern angesprochen. Ein Leiter einer Werkstatt der Lebenshilfe sagte zu mir: „Herr Nothnagel, kümmern Sie sich vor allen Dingen darum, dass die gesetzlichen Vorgaben, die im SGB II und im SGB XII stehen, auch für unsere behinderten Menschen so handhabbar sind, dass wir dem Experiment der Eingliederung auf den ersten Arbeitsmarkt oder in eine Integrationsfirma mit ruhigem Gewissen entgegengehen können.“

Sehr geehrte Damen und Herren, nicht nur die Leistungen der Werkstätten und ihrer Mitarbeiter müssen wir hier thematisieren, sondern auch, was wird mit den immer älter werdenden Mitarbeitern, wenn sie das 63. bzw. 65. Lebensjahr vollendet und somit keinen Anspruch auf diesen Arbeitsplatz mehr haben. In den nächsten Jahrzehnten wird eine große Anzahl von Menschen in dieses sogenannte Rentenalter kommen und die Kommunen sowie das Land sind nicht darauf vorbereitet, eine ausreichende Anzahl von Plätzen des betreuten Wohnens zur Verfügung zu stellen, eine Wohnform also, mit der älter werdende Menschen mit Behinderung einen menschenwürdigen Lebensabend verbringen können.

Lassen Sie uns darüber reden, wie wir gemeinsam diese Situation meistern können im Interesse der Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir neben den bundesrechtlichen Regelungen, die zu novellieren sind, zusätzlich darüber nachdenken, wie wir in Thüringen den Übergang von einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt Erfolg versprechender gestalten können,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)