Protocol of the Session on March 2, 2007

Anders gesagt, es ist der Landesregierung mit der Schwerpunktsetzung auf den sogenannten ersten Arbeitsmarkt gerade nicht gelungen, diesen Rückgang zu kompensieren. Das aber war die Strategie nach dem Regierungswechsel 1999 hier in Thüringen. Der erste Arbeitsmarkt sollte alles richten und genau das ist nicht eingetreten. Stattdessen sind dort die Einbrüche erfolgt, und zwar massiv um 16 Prozent. Die Landesregierung gesteht in den Antworten auch ein, dass der Rückgang dieser sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen seit 1999 etwa dreimal so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt, dort lag er bei minus 5 Prozent. Weil ich eingangs über Niedriglohn gesprochen habe und Thüringen Spitzenreiter beim Niedriglohn in der Bundesrepublik ist, will ich jetzt darauf hinweisen, dass die Thüringer Niedriglöhne eben nicht zur Sicherung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung beigetragen haben.

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich ist der Beschäftigungsrückgang wesentlich höher als in den Regionen der Bundesrepublik, in denen Menschen anständige Löhne verdienen. Wenn also die Niedriglohnpropaganda Erfolg hätte, dann hätten die Firmen in den vergangenen 16 Jahren genug Zeit gehabt, sich in Thüringen anzusiedeln. Es scheint aber doch so zu sein, dass sie eher in Stuttgart oder Frankfurt am Main geblieben sind. Die Auspendler befinden sich nach der Antwort auf die Anfragen weiterhin mit mehr als 120.000 Menschen auf einem hohen Niveau. Sie sind der entscheidende Grund dafür, dass Thüringen im Vergleich der neuen Länder die geringste Arbeitslosigkeit hat. Diese Situation ist also nicht der Wirtschaftspolitik des Landes geschuldet, sondern eher der Wirtschaftskraft der angrenzenden Bundesländer. Der Anteil älterer Arbeitsloser ab 55 Jahre, der ja ebenfalls im Zusammenhang mit der Rentendiskussion von besonderer Bedeutung ist, bleibt hoch. Im Vergleich der Septemberzahlen 2006 und 2005 geht es immerhin trotz Sonderprogramm um einen Anstieg von 1,5 Prozent. Während die Arbeitslosigkeit in diesem Zeitraum hier in Thüringen um rund 20.000 Menschen sank, stieg der Anteil älterer Arbeitsloser nicht nur prozentual, sondern auch absolut. Gleiches gilt für Schwerbehinderte, deren Anteil ebenfalls von 3,5 auf 4,3 Prozent ansteigt. Langzeitarbeitslose Menschen profitieren zwar vom Abbau der Arbeitslosigkeit insgesamt, ihr Anteil aber steigt von 38,8 auf 40,4 Prozent, also Grund zum Handeln und nicht zur Beweihräucherung.

Mit Blick auf andere Diskussionen in dieser Landtagssitzung sind damit die Gruppen der Arbeit Suchenden genannt, um die wir uns unseres Erach

tens landespolitisch in besonderem Maße kümmern müssen, um die älteren, die langzeitarbeitslosen und die schwer behinderten Menschen. Gut, dass die Landesregierung in ihrer Antwort zumindest bei den langzeitarbeitslosen und schwer behinderten Menschen ebenfalls Handlungsbedarf sieht.

Es wäre zu hoffen, dass die Aktuelle Stunde zur Rente mit 67 am gestrigen Tag dazu beigetragen hat, den Blick des Wirtschaftsministers auch auf ältere Arbeitnehmer zu lenken. Das ist Aufgabe von Bund und Land. Wir haben es gestern schon gesagt, wir erwarten dazu einen abgestimmten Maßnahmenkatalog.

Nun ist allerdings auch bei den eingestandenen Handlungsbedarfen im Bereich schwerbehinderter und langzeitarbeitsloser Menschen leider nicht zu entnehmen, was zukünftig verändert werden soll. Stattdessen immer wieder: Es gibt viele Programme und es scheint alles bestens zu sein. Die von mir aufgegriffenen Zahlen sprechen eine andere Sprache und das Wachstum allein wird es gerade in diesen Bereichen nicht richten. Schon geht es wieder um ideologische Scheuklappen. Wenn auch sozusagen zähneknirschend eingestanden wird, dass ein wettbewerbsneutraler zweiter Arbeitsmarkt benötigt wird, so kommen doch die Vorbehalte zur öffentlich geförderten Beschäftigung immer wieder zum Ausdruck. Das, meine Damen und Herren, darf so nicht länger hingenommen werden. Diese Vorbehalte und die Verweigerung der Realität sind längst überrollt von der Entwicklung draußen in den Regionen. Die Antwort gibt genügend Material her, um festzustellen, dass selbst bei einer besseren konjunkturellen Entwicklung die Spaltung des Arbeitsmarkts zunimmt. Dies gilt übrigens auch für den Ausbildungsmarkt, auf den wir heute an anderer Stelle ja noch mal eingehen können.

Die Spaltung der Arbeitslosen nimmt zu, weil bestimmte Gruppen selbst bei einer besseren Wirtschaftsentwicklung weitgehend chancenlos sind. Dies betrifft grundsätzlich Menschen mit geringer oder entwerteter Qualifikation. Es betrifft Menschen mit Handicaps jedweder Art und es betrifft Ältere. Es sind die Zielgruppen, die häufig Leistungen aus dem Arbeitslosengeld II beziehen. Deshalb werden wir darauf drängen, dass der gemeinsame Antrag von SPD und CDU zur Unterstützung der Kommunen in diesem Bereich endlich mit Taten untersetzt wird. Es war eben auch im vergangenen Jahr nicht so, dass die vorhandenen Mittel der Eingliederungshilfe ausgeschöpft wurden. Wir erleben in den Kommunen und auch bei der Regionaldirektion der Bundesagentur, dass öffentliche Beschäftigungsförderung in Form zum Beispiel der Bürgerarbeit offenbar doch sinnvoll und erforderlich ist.

Ich erwarte deshalb in der Konsequenz dieser Antwort auf die Große Anfrage der Linkspartei.PDSFraktion, dass die Landesregierung ihre Instrumente im Bereich der beruflichen Eingliederung älterer Arbeitnehmer, Schwerbehinderter und Langzeitarbeitsloser überprüft und schärft. Wir erwarten endlich die eingeforderte Unterstützung der Kommunen, denn dort in den Jobcentern ist der größte Teil der betroffenen Menschen. Da hilft kein Verweis auf Zuständigkeiten und kein Verstecken hinter Formalien, wie das in der Antwort immer wieder zum Ausdruck kommt. Es ist der Job der Landesregierung, sich nicht zurückzulehnen, sondern endlich unterstützend tätig zu werden. Es ist an der Zeit, die Vorbehalte gegenüber der öffentlichen Beschäftigung zurückzunehmen. Sie ist keine Alternative zum Regelarbeitsmarkt, aber eine unverzichtbare Ergänzung, zumindest so viel sollte auch die Landesregierung in der Analyse ihrer Antwort zur Kenntnis nehmen. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Günther, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, vor meinem Redebeitrag vielleicht zwei Punkte zu meinen Vorrednern. Herr Hausold, ich als Ihnen gegenüber doch junger Kollege möchte Sie doch bitten, schlicht und einfach zuzuhören, wenn ein sehr kompetenter Vertreter der Landesregierung hier spricht. Auch wenn man noch so laut redet

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

und Behauptungen immer wieder wiederholt, wird aus Behauptungen keine Realität.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Aretz hat lediglich von Geradlinigkeit gesprochen, als er über den Kündigungsschutz sprach, und hat Sie aufgefordert, wenn Sie schon vehement Mindestlohn einfordern, dann auch genauso geradlinig zur Flexibilisierung des Kündigungsschutzes zu stehen. Das eine bedingt nun einmal das andere.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Wieso denn das?)

Herr Kollege Pilger, wenn vor

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Können Sie das mal erklären?)

nicht allzu langer Zeit Herr Müntefering über die Unternehmer geredet hat und das Wort „Heuschrecken“ verwandt hat, war das schon erschreckend. Aber wenn man heute hier an diesem Platz dann das Wort „Sklavenhaltertum“ verwendet, denke ich, ist es deplaziert.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, Herr Müntefering hat es ja auch gesagt und da bin ich auch gar nicht so weit weg, dass es gewisse Branchen gibt, wo man über sittenwidrige Entlohnung schon reden kann, aber Sklavenhaltertum, das ist etwas anderes.

Meine Damen und Herren, wir behandeln heute zwei Anträge der Linkspartei.PDS gemeinsam.

Herr Günther, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. Klaubert?

Am Ende bitte.

Am Ende, Frau Dr. Klaubert.

Ich stelle den TOP 11 b), die Behandlung der Großen Anfrage „Arbeit und Entlohnung in Thüringen“, an den Anfang. Denn wenn man sich intensiv mit der Antwort der Landesregierung beschäftigt, muss man zwangsläufig erkennen - das hat Herr Dr. Aretz auch ausgeführt -, dass gleich im ersten Punkt der Antrag nicht den Tatsachen entspricht. Bezüglich des Anteils am Arbeitsverhältnis unter der sogenannten Armutsgrenze würde Thüringen bei über 50 Prozent liegen. Sie stellen eine Behauptung auf, liebe Kolleginnen und Kollegen, die ist schlichtweg gelogen und dient sicher nur - wie so oft - der Verunsicherung der Betroffenen. Definitionsgemäß ist die Armutsgrenze bei 60 Prozent des jeweiligen Durchschnittslohns angesetzt. Darunter liegen 2,3 Prozent der uns vorgelegten Daten. Ich bekräftige hier und heute meinen und den Standpunkt meiner Fraktion: Ein gesetzlicher Mindestlohn - und Sie überholen ja auch noch in der Höhe die unrealistischen Forderungen der Gewerkschaft - vernichtet Arbeitsplätze und fördert Schattenwirtschaft und Schwarzarbeit. Nicht Mindestlohn, sondern ein definiertes Mindesteinkommen sollten wir besprechen, wie zum Beispiel - das habe ich an dieser Stelle auch schon gesagt - das solidarische Bürgergeld oder, bis wir dort sind, ein tragfähiges Kombilohnmodell.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte meinen Dank für die umfassende Antwort auf die Große Anfrage „Arbeit und Entlohnung in Thüringen“ zum Ausdruck bringen. Hieran hat nicht nur das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit sehr intensiv und umfassend gearbeitet. Stellungnahmen kamen, wie wir schon hörten, zudem von der Regionaldirektion SachsenAnhalt-Thüringen der BA, den ARGEn, den kommunalen Trägern und den kommunalen Spitzenverbänden. Damit, meine Damen und Herren, liegt nun eine sehr gute Ausgangsbasis für die weitere Arbeit, insbesondere im Wirtschaftsausschuss, vor. Die Erkenntnisse, die aus den Angaben abgeleitet werden können, sind Basis für das weitere Handeln im Bereich der Arbeitsmarktpolitik. Aufgrund der Komplexität des nun vorliegenden Datenmaterials kann man nicht auf jeden einzelnen Punkt eingehen, ich werde aber einige für mich wesentliche herausgreifen. Bewerten wird das Material natürlich jeder für sich und seine persönlichen Schlüsse daraus ziehen.

Zu den grundlegendsten Problemen in unserer Gesellschaft gehörten die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit und ihre Bekämpfung. Ich habe bereits mehrfach gesagt, gesetzgeberische Maßnahmen allein werden keine sozialversicherungspflichtigen und dauerhaften Arbeitsplätze bringen. So was kann man nicht per Gesetz verordnen, hier ist schlichtweg die Wirtschaft gefragt. Wir müssen für die Wirtschaft die Rahmenbedingungen so gestalten, dass über Wachstum Arbeitsplätze generiert werden können und nicht grundsätzlich über den zweiten und dritten Arbeitsmarkt. Von dieser Linie lassen wir uns ganz einfach nicht abbringen,

(Beifall bei der CDU)

wenngleich ich hier eine Einschränkung mache: Ohne öffentlich geförderten Sektor - und da kennen Sie auch meinen Standpunkt - geht es ganz einfach nicht, weil wir doch einen großen Teil Benachteiligter haben, die am regulären Arbeitsmarkt keinen Platz finden. Folgerichtig liegen die Intentionen der Landesregierung auf einer Wirtschaftspolitik mit Förderung von Investitionen und Innovationen der Unternehmen im Zentrum. Auch Deregulierung der komplexen Institutionen und Flexibilisierung des Arbeitsmarkts sind zwingend notwendige Maßnahmen. Grundlage eines jeden wirtschaftlichen Wachstums, und da dürften wir uns einig sein, sind eine positive Grundstimmung und Vertrauen. Da darf man ruhig auch einmal auf die aktuellen Arbeitsmarktdaten schauen, die zeigen nämlich deutlich die positiven Effekte des jüngsten Wirtschaftsaufschwungs. Wir sollten hier nicht in eine Euphorie verfallen, aber wir sollen die Daten auch nicht schlechtreden. Im Januar waren 184.000 Menschen im Freistaat arbeitslos gemeldet.

Das ist das beste Ergebnis in den letzten 15 Jahren. Bezogen auf Dezember hat sich die Zahl der Arbeitslosen zwar saisonbedingt leicht erhöht, aber sowohl dem milden Klima als auch der Konjunktur geschuldet in einem wesentlich geringeren Maße, als dies in den letzten Jahren der Fall war. Der positive Trend hält weiter an. Wie die gestern veröffentlichten bzw. vorgestern veröffentlichten Zahlen zeigen, stieg die Arbeitslosenquote geringfügig um 0,1 Prozent auf 15,3 und lag damit deutlich niedriger als im Februar des Vorjahres. Gegenüber dem Vorjahr gab es im Februar einen Rückgang von 36.811 arbeitslos Gemeldeten, das entspricht 16,7 Prozent. Das liegt über dem Durchschnitt der ostdeutschen Länder und ist höher als jeder andere ostdeutsche Wert. Es liegt sogar über dem Durchschnitt Gesamtdeutschlands. Das sollte man ruhig einmal sagen und darauf können wir auch stolz sein.

Das Ankurbeln der Konjunktur bringt im Ergebnis mehr als jedes Förderprogramm, meine Damen und Herren. Förderprogramme sind allerdings dann sinnvoll, wenn es um die Verbesserung der Chancen benachteiligter Gruppen geht und um deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Das wollen wir nicht verkennen. Besonders deutlich wird dies beim Rückgang der Arbeitslosenzahlen gegenüber dem Vorjahr in der Gruppe der U25. Hier waren 24,1 Prozent weniger Jugendliche arbeitslos als im Februar 2006. Dies lässt sich nicht unwesentlich auf die existierenden Programme zur Förderung dieser Zielgruppe zurückführen und sicherlich auch darauf, dass gerade wir, wir alle gemeinsam, alle drei Fraktionen, immer wieder darauf gedrängt haben, dass in diesem Bereich zwingend nachzubessern ist.

Das Gleiche gilt für Frauen; mit 93.000 arbeitslosen Frauen im Januar ist der niedrigste Januarwert seit 15 Jahren erreicht. Auch in der Gruppe der Älteren, 50 Plus, und bei den Langzeitarbeitslosen sind Rückgänge gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen, die auf die Wirkung der Arbeitsmarktprogramme für diese Gruppen zurückzuführen sind. Die Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen hat sich gegenüber dem Vorjahr erhöht. Trotz eines Sonderprogramms für die Jahre 2000 bis 2005 und der Einrichtung von Integrationsfachdiensten ist das der Fall - das ist bedauerlich. Um Abhilfe zu schaffen, wurde allerdings kürzlich ein Arbeitsmarktsofortprogramm für Menschen mit Behinderungen etabliert. Also die Reaktionen sind sofort da. Zunehmende Bedeutung im Sinne einer nachhaltigen Arbeitsmarktpolitik kommt der Förderung von Aus- und Weiterbildung zu, denn wer über eine gute Ausbildung verfügt, erleichtert den Einstieg in die berufliche Tätigkeit und verbessert die eigenen Chancen.

Ein weiterer Ansatz, der aus der Großen Anfrage herauszulesen ist, bezieht sich auf die Altersstruktur

der Beschäftigten. Mitte 1993 waren 30 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 30 und 40 Jahre alt. Sie bildeten die größte Gruppe. Diese verschiebt sich von Jahr zu Jahr in höhere Altersgruppen. Es ist daher wichtig, in zunehmendem Maße auf das Potenzial der Älteren einzugehen. Nur so kann der Fachkräftebedarf zukünftig ausreichend gedeckt werden. Insofern verknüpfen sich die Ergebnisse auch mit der Erörterung des Demographieberichts, der ja ebenfalls in unserem Ausschuss zur Anhörung ansteht.

Meine Damen und Herren, wie bereits eingangs angedeutet, sind mit der Antwort auf die Große Anfrage erhebliche komplexe Sachverhalte verbunden. Es ist daher sinnvoll, die Ergebnisse weiter auszuwerten. Namens der Fraktion der CDU beantrage ich daher eine Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit.

Ich stelle abschließend nochmals fest: Wir haben eine gute, stabile Basis in der Programmatik für Benachteiligte am Arbeitsmarkt. Hoffen wir, dass wir recht zeitnah das neue Operationelle Programm umsetzen können. Der Weg unserer Wirtschaftsförderung ist der richtige - auch das, denke ich, ist heute hier klar geworden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Frau Dr. Klaubert, Ihre Nachfrage.

Können Sie mir bitte noch mal aus Ihrem Eingangsstatement die Geradlinigkeit des Zusammenhangs zwischen flexiblem Kündigungsschutz und Mindestlohn erklären.

Geradlinig heißt für mich, dass, wenn man auf der einen Seite ständig Mindestlohn fordert, man sich zumindest auch auf die Seite derer stellen sollte, von denen man die fordert, und auf deren Bitten und Forderungen eingehen soll, die da heißen: Flexibilisierung von Kündigungsschutz.

(Zwischenruf Abg. Dr. Klaubert, Die Linkspartei.PDS: Als Gegenleistung?)

Zum Beispiel.

Das Wort hat die Abgeordnete Leukefeld, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, als wir die Große Anfrage gestellt haben, hatten wir kein Beschäftigungsprojekt für das Wirtschaftsministerium im Sinn, sondern wir waren der Auffassung, dass mit der Großen Anfrage die Landesregierung die Gelegenheit hat, Stand und Perspektiven von Wirtschaft und Arbeitsmarkt darzustellen und aufgrund dieser grundlegenden Analyse möglicherweise auch Korrekturen ihrer Arbeitsmarktpolitik vorzunehmen. Es liegen immerhin 93 Seiten Papier vor, viele Anlagen, aber die Bilanz ist bei allen Versuchen, die Situation schönzureden, kein Ruhmesblatt für Thüringen. Anspruch und Realität, meine Damen und Herren, klaffen weit auseinander, auch wenn Sie sich hier sehr bemüht haben, das zuzudecken. Natürlich, und das ist auch schon gesagt worden, erkennen wir den konjunkturellen Aufschwung an. Aber kein Mensch kann vorhersagen, von welcher Dauer und Intensität er ist, und es ist ja hier an den Fakten auch deutlich geworden, dass grundlegende Entwicklungen eines Gegensteuerns bedürfen. Denn man kann die Statistik drehen und wenden, wie man will, an vielen Menschen geht der Aufschwung vorbei. Herr Dr. Aretz, was sagen Sie diesen Menschen, die nicht davon partizipieren und die sich an schönen Statistiken auch nicht freuen können? Ich will ein paar Stichworte nur sagen als Fazit und Zusammenfassung: Sinkende sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, auch wenn es in den letzten Monaten dort scheinbar eine Trendwende gegeben hat, in Höhe von 200.000 seit 1992 zeigen die Dimension.

Verehrter Kollege Günther, eben nur auf Wachstum zu setzen, scheint deutlich zu sein, dass das nicht der Ausweg ist. Wir haben eine sinkende Anzahl betrieblicher Ausbildungsstellen zu verzeichnen. Es gibt eine hohe Sockelarbeitslosigkeit, die Zahlen sind genannt. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist relativ stabil. Wir haben aktuell 260.000 Hartz-IV-Empfänger. Die Jugendarbeitslosigkeit - auch wenn es dort eine Entwicklung gegeben hat - ist viel zu hoch. Wenn Sie an den Anspruch des SGB II denken, Jugendliche in Ausbildung, in Arbeit oder - letzte Variante - in Arbeitsgelegenheiten zu integrieren, bleibt vieles noch offen. Wir haben zunehmende prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Minijobs, Midijobs, Teilzeit - vor allen Dingen weiblich. Es werden immer mehr Menschen auch in Zeitarbeit gedrängt. Auch dort, meine Damen und Herren, sind sie sozusagen Arbeiter zweiter Klasse in einem Unternehmen und verdienen deutlich weniger als ihre Kollegen mit einer entsprechenden Festeinstellung. Diese Tendenzen muss man wahrnehmen und zur Kenntnis nehmen. Wenn das Beispiel gesagt wird, Thüringen hat im Osten die niedrigste Arbeitslosigkeit, dann sollte man auch nicht vergessen, dass wir die dreifache Anzahl der Auspendler im Vergleich zu Einpendlern

haben, nämlich einen Auspendlerüberschuss von über 80.000. Auch die Abwanderung, die es in den letzten Jahren gegeben hat, sollte man einfach noch im Blick behalten.

Zu konstatieren ist bei der Versorgung mit Arbeitsgelegenheiten, dass es eine überdurchschnittliche Zahl von Ein-Euro-Jobs gibt, statt beispielsweise der versicherungspflichtigen Entgeltvariante. Insgesamt wurde deutlich, die Landesregierung bleibt bei ihrem „Weiter so, wir sind gut“. Sie ignorieren bestimmte Entwicklungen, dass Menschen hier nicht gleichermaßen von der Entwicklung im Land Thüringen partizipieren. Sie hat keine Ideen für die Weiterentwicklung des Arbeitsmarkts. Sie finden sich also ab, dass eine große Anzahl von Menschen einfach abgehängt wird.

Ich möchte noch auf einige Schwerpunkte und Widersprüche in Ihrer Antwort eingehen. Nehmen wir das Beispiel der Ein-Euro-Jobs. Dazu ein Zitat: „Aus der Sicht der Landesregierung ist die Gefahr der Verdrängung regulärer Arbeitsplätze durch EinEuro-Jobs gering.“, heißt es in der Antwort. Die Experten sehen das anders. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit kommt nach einer Unternehmensbefragung aktuell zu dem Ergebnis, dass durch Ein-Euro-Jobs „in einem nicht zu vernachlässigenden Teil der Firmen reguläre Arbeitsplätze ersetzt werden. Das geschieht, indem man Ein-Euro-Arbeitskräfte zur Abfederung des Personalabbaus einsetzt oder für Krankheitsvertretungen. Nicht selten übernehmen sie Arbeiten der Stammbelegschaft, damit diese Überstunden abbauen kann.“ Das ist übrigens noch einmal ein Argument auch für die Arbeitszeitverkürzung, die wir einfordern. Wenn die Landesregierung sagt, ihr seien „derzeit keine wesentlichen Verstöße bekannt“, liegt das offenbar an ihrer mangelnden Sorgfalt, denn dass das Land Thüringen sich von der bundesweiten Situation erheblich unterscheidet, ist eher unwahrscheinlich. Das Informationsdefizit wird auch daraus deutlich, dass die Landesregierung keine Angaben zur Zahl der Ein-Euro-Jobs in Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen machen kann. Wie soll dann aber sichergestellt werden, dass nicht gegen die Forderung im SGB II verstoßen wird? Ein-Euro-Jobs führen übrigens nur in wenigen Fällen dazu, dass die Betroffenen anschließend übernommen werden, sagt das IAB. Im Land Thüringen haben wir praktische Beispiele dafür. Zum Beispiel hat Jenarbeit im Jahr 2006 900 sogenannte Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung - also Ein-Euro-Jobs - mit 71 Trägern durchgeführt - 900 -, keine einzige Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt. Das ist wirklich nur eine vorübergehende Beschäftigung.