Protocol of the Session on November 24, 2006

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Denn es kostet die Gesellschaft wesentlich mehr, und das meine ich jetzt nicht nur volkswirtschaftlich, dass sie mehr kosten im Sinne von Geld. Nein, es ist auch ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, wenn sie 25 Prozent der jungen Leute einfach vergisst und auf die lange Bank schiebt. Für mich jedenfalls hat das ziemlich viel mit Zynismus zu tun und wenig mit humanistischer Geisteshaltung einer Gesellschaft.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Althaus ist gerade nicht da, aber ich denke, das sollte man an dieser Stelle auch ansprechen: Diese Jugendlichen dann mit einem Bürgergeld abzuspeisen und zu sagen, ihr bekommt 800 €, wir prüfen euren Bedarf nicht, aber ihr bekommt die einfach erst mal - das halte ich für eine denkbar ungünstige Lösung. Klar, das Bürgergeld hat große Anrei

ze, das hat gute positive Ansätze, das gebe ich gern zu, und der durchschnittliche Jugendliche wird sich von 800 € bzw. 600 € auch nicht verschrecken lassen. Aber damit den Arbeitsmarkt zu bereinigen, gerade diese benachteiligten Jugendlichen vom Arbeitsmarkt zu nehmen und sie sich selber zu überlassen, das halte ich für relativ schwierig. Mit dem Bürgergeld des Dieter Althaus versuchen Sie - so meine Interpretation, so habe ich das Projekt gelesen -, hinterrücks den Sozialstaat abzuschaffen. Das ist eine Haltung!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Sie haben das nicht verstanden.)

Ich habe das gelesen und verstanden. Sie können ja nicht in meinen Kopf hineinsehen, Herr Panse, zum Glück. Herr Panse, wenn Sie sagen, man bekommt 800 € Bürgergeld und bezahlt 200 € für Versicherung als Pauschalleistung und alles andere fällt weg, wo ist da noch der Sozialstaat?

Das, was die PDS vorgeschlagen hat, das will ich Ihnen ganz klar sagen, das ist auch ein Modell einer bedarfsorientierten Grundsicherung, dann noch einer bedarfsorientierten Kindergrundsicherung für die Kinder an sich und das natürlich gekoppelt mit der solidarischen Bürgerversicherung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Denn Sozialstaat muss sein und Solidarität muss auch sein. Ich möchte nicht auf Solidarität verzichten und diejenigen, die in diesem Land viel verdienen, die können auch viele Steuern bezahlen, das jedenfalls denke ich.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich bezahle viele Steuern, das ist auch richtig so, und ich habe da auch gar kein schlechtes Gewissen, sondern ich tue das sogar sehr gern, das sage ich Ihnen ganz deutlich. Denn ich bekomme dafür ja auch eine Leistung, ich bekomme einen Sozialstaat, ich bekomme ein soziales System und ich denke, das ist auch für diejenigen, die in dieser Gesellschaft die sogenannten Leistungsträger sind, durchaus etwas, wo sie auch Vorteile haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das weitere Problem des Bürgergelds des Dieter Althaus, das ist wirklich ein ganz interessantes, und zwar ist es die Lohnarbeitszentriertheit. Ihr Bürgergeld geht immer noch von Lohnarbeit aus. Die großen Zwänge, die wir ja haben, werden durch das Bürgergeld nicht gelöst. Ein soziales Thema auf Lohn

arbeit basieren zu lassen, ist in dieser Gesellschaft mit der permanenten Automatisierung usw. - denke ich jedenfalls - nicht besonders zukunftsweisend. Die bedarfsorientierte Grundsicherung, die die PDS vorstellt, die ist einkommenszentriert, die beteiligt nicht nur diejenigen, die abhängig beschäftigt sind, nein, sie beteiligt auch diejenigen, die durch Zins und Zinseszins, durch Spekulation, durch Erbschaft und was weiß ich nicht womit, Einkommen erzielen. Das entspricht mehr meinem Gefühl von Gerechtigkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber wir kommen vom Thema ab, merke ich, es ging ja um die benachteiligten Jugendlichen. Ich möchte Sie nur daran erinnern: Faulenzerdebatten, wie sie ja auch gern von Ihrer Seite geführt werden, Faulenzerdebatten auf Bildzeitungsniveau halte ich für äußerst ungünstig. Es geht nicht darum, dass Jugendliche nicht arbeiten wollen. Es gibt auch welche, die arbeiten wollen, aber es gibt auch Politiker, die Diäten einstreichen und sich trotzdem kein Bein ausreißen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Statt mehr Druck auf diese jungen Menschen auszuüben und ihnen permanent die finanziellen Mittel zu streichen, sollten wir diese Leute fit machen, fit für den Beruf, fit für die Arbeitswelt. Dazu diente einst die kommunale Pflichtleistung „Jugendberufshilfe“. Ich weiß nämlich nicht, Herr Gasser, was Sie einem jungen Menschen sagen wollen, der zum dritten Mal in einer Maßnahme ist, die lautet: Wie bewerbe ich mich richtig? Was wollen Sie einem jungen Menschen sagen, der immer noch eine Berufsausbildung hat, 25 Jahre alt ist und der sein Leben bislang mit Aushilfsjobs über die Runden gebracht hat? Ihm wird der Weg zu diesen Maßnahmen der Jugendberufshilfe erschwert, denn nur noch die Kommunen, die das wirklich für sich als prioritär, als wichtig anerkennen, leisten diese Arbeit. Und weil wir ja auch immer mal einige Kommunen hier loben wollen: Da ist zum Beispiel die Kommune Jena, die machen richtig fitte Angebote. Die haben zum Beispiel mit dem Jugendamt und ihrem Amt für Grundsicherung eine aufsuchende Arbeit geleistet. Das sind durchaus positive Dinge. Aber, ich denke, die Kommunen, wo das nicht mehr stattfindet, denen muss man auch Druck machen. Sie haben mit Ihren kommunalbelastenden Standards, die Sie abgeschafft haben, diese Chance genommen. Für die Kommunen mag das vielleicht gut sein aufgrund irgendwelcher Haushaltsbilanzen; für die jungen Menschen, die es betrifft, ist es äußerst kontraproduktiv, das will ich an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Da zeigt sich auch, wie kurzsichtig Ihre Politik ist - es gibt einen prognostizierten Fachkräftemangel ab 2010, 2012, 2015, in einigen Branchen schon jetzt. Wir haben 50.000 Jugendliche, die niedrig qualifiziert sind, die teilweise keinen Schulabschluss haben. Diese jungen Leute muss man jetzt und hier und heute fit machen für den Beruf, denn - vielleicht ist Ihnen das schon aufgefallen - diejenigen Leute, die qualifiziert sind, die ein Abitur haben, die studiert haben, die sehen zu, dass sie Land gewinnen, die sehen zu - das kann man ihnen gar nicht verübeln, ich würde auch nur hierbleiben, wenn ich hier eine Zukunft habe -, die gehen in die alten Bundesländer, die gehen nach Baden-Württemberg, die gehen nach Hamburg, die gehen nach Bayern. Das, was wir dafür bekommen, sind Aufbau-Ost-Mittel, und der Rest - und das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich - bleibt hier. Aber ich möchte diese Menschen nicht als den Rest bezeichnen müssen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

sondern diese Menschen haben doch genauso ein Recht auf eine würdige Existenz im Hier und Heute und in der Zukunft. Ich möchte nicht, dass unser schönes Thüringen - wie Sie es immer so schön bezeichnen - mit den schön sanierten Städten und Dörfern - das hatten wir ja gerade - zu einem riesengroßen Altersheim verkommt. Das muss ich an dieser Stelle so deutlich sagen. Zu dieser Problematik „Fachkräfte“ hat ja auch schon Frau Hennig heute Morgen gesprochen. Im Übrigen spricht es Bände, dass Sie den Antrag der PDS-Fraktion zu einer Fachkräfteanalyse branchenspezifisch, kreisspezifisch usw. abgelehnt haben. Ich war vor zwei Wochen in Altenburg und konnte dort mit Leuten sprechen - oder vor drei Wochen, Herr Gumprecht war, glaube ich, auch da -, da kam heraus, dass die Wirtschaft genauso eine Analyse braucht. Die Wirtschaft will wissen, wo sind Fachkräfte, wo sind Potenziale und wo sind Defizite.

Ein weiterer Punkt im Bundesbericht bzw. auch im Landesbericht ist die Jugendarbeit. Die Jugendarbeit ist, gerade was die Landesregierung betrifft, ein rotes Tuch, scheint mir, denn permanent werden ja hier die Mittel gestrichen. Eigentlich - so der Tenor im Bundesjugendbericht - sollte eine engere Zusammenarbeit gerade von Schule und Jugendhilfe stattfinden, aber mit der Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“, die zwar dieses Anliegen durchaus teilt, haben Sie genau das Gegenteil erreicht. Da nützt es nichts, Herr Zeh, wenn Sie dann aufführen, dass Sie seit 1998 91 Mio. € in die Jugendarbeit investiert haben. Das klingt gut, seit 1998 91 Mio. €, aber Sie haben vergessen zu erwähnen, dass Sie allein im letzten Haushalt 6 Mio. € gestrichen haben, dass Sie die Mittel von 15 Mio. € für Schuljugendarbeit, Jugendpauschale und andere, erzieherischer Kinder-

und Jugendschutz usw. auf 9 Mio. € zusammengestrichen haben und hier...

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Aber nicht im letzten Jahr.)

Sie haben die Mittel zusammengefasst, gut, dann sind zwei Jahre dazwischen. Das macht die Sache aber nicht besser,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

denn die Träger, die davon betroffen sind, wissen nämlich nicht mehr ein noch aus. Die Kommunen, die davon betroffen sind, die Kommunen, die in den Jugendhilfeausschüssen die Jugendförderpläne weiterschreiben müssen, wissen nicht, wie sie z.B. die Schulsozialarbeit finanzieren sollen. Dazu hat ja gestern früh der Antrag der PDS-Fraktion gedient, der leider nicht auf die Tagesordnung gekommen ist, denn das ist wirklich ein riesengroßes Problem. Sie sprechen hier in Ihrem Bericht davon, dass man viel mehr Schul- und Jugendhilfe miteinander verbinden muss. Da bin ich durchaus dafür, keine Frage. Aber Sie geben selber zu - ich darf zitieren auf Seite 43 des Landesberichts, Frau Präsidentin: „Im Ergebnis einer aktuellen Umfrage zur Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wird allerdings deutlich, dass es bisher kaum verbindlich fixierte Vereinbarungen zwischen Jugendhilfe und Schule gibt.“ Ja, toll, kein Wunder.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Das ist doch nur ehrlich.)

Ich freue mich, dass Sie ehrlich sind, das steht auch hier in meinem Manuskript; so viel Ehrlichkeit traut man Ihnen gar nicht zu. Aber ich freue mich ja, dass Sie ehrlich sind, nur, das will ich Ihnen an dieser Stelle ganz klar sagen: Eine Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe zu initiieren, ist durchaus positiv, aber Sie können ihr nicht permanent die Mittel streichen, dass diese Zusammenarbeit nur darin endet, dass man sich gegenseitig die Augen aussticht und die Schule gegen die Jugendhilfe ausspielt, denn wir müssen schauen - und in ganz vielen Kommunen, in ganz vielen Jugendhilfeausschüssen ist es Thema -, was leisten wir uns. Machen wir Angebote der offenen Jugendhilfe? Machen wir Angebote der Schulsozialarbeit? Wenn wir Schulsozialarbeiter wollen, welche Jugendhäuser schließen wir? Das ist eine Zusammenarbeit, die wir aus unserer Sicht jedenfalls für äußerst kontraproduktiv halten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Eine Zusammenarbeit sollte tatsächlich von unten erwachsen. Eine Zusammenarbeit sollte eine freiwillige Kooperation voraussetzen. Das, was bislang passiert, ist, wie gesagt, ein gegenseitiges Mittelstreichen. Die Entscheidung, Jugendhaus schließen oder Sozialarbeiter an Grundschule oder Sozialarbeiter an berufsbildenden Schulen zu streichen, ist eine Diskussion, die wir nicht führen wollen. Wir wollen keine Entweder-oder-Diskussion, wir wollen und vor allem wir brauchen eine Sowohl-als-auch-Diskussion. Wir brauchen sowohl die offene Jugendarbeit als auch die Schulsozialarbeit, und zwar nicht nur an den Berufsschulen - jetzt kann ich auch das sagen, was ich gestern früh nicht sagen konnte -, wir brauchen nämlich die Schulsozialarbeit nicht nur an den Berufsschulen, wir brauchen sie vor allem auch an den Regelschulen, an den allgemeinbildenden Schulen. Denn die jungen Menschen, die jetzt an den Berufsschulen sind, wo ja die ganz großen Probleme sind, die waren vorher in der Regelschule. Wenn wir die Möglichkeit hätten, mit Schulsozialarbeit beispielsweise in der Regelschule schon diverse Probleme zu bekämpfen, dann hätte man in den Berufsschulen weniger zu tun und könnte einige Probleme schon im Vorhinein lösen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber, Herr Minister, das, was zum Beispiel zum Thema Jugendarbeit ganz zentral ist, das ist die Frage Landesjugendförderplan. Der ist ausschließlich in Ihrer Verantwortung. Aufgrund des Drängens der Oppositionsfraktionen, also auch von Frau Ehrlich-Strathausen und mir, gab es im Jugendhilfeausschuss eine Auswertung des Landesjugendförderplans 2003 bis 2006. Ich freue mich ja erst einmal, dass die Landesregierung dazu in der Lage war, dass sie das gemacht hat, das ist durchaus positiv. Das Problem ist nur das, was bei dieser Auswertung herauskam. Bei dieser Auswertung kam heraus, dass die Landesregierung nicht einmal in der Lage ist, die Hälfte der Vorgaben von der Fachlichkeit, die Hälfte der Vorgaben des Landesjugendförderplans wirklich umzusetzen und Sie haben ja sicherlich auch zur Kenntnis genommen, jedenfalls hoffe ich das für Sie, dass die Träger, die im Jugendhilfeausschuss sind, sich ganz massiv gegen die Kürzungen ausgesprochen haben. Selbst diejenigen von den kommunalen Spitzenverbänden mussten zugeben, ja, was die Landesregierung hier macht, das ist wirklich unzureichend. Sie haben beispielsweise die Maßnahmeförderung für die Jugendverbände 2003 mit 464.000 € unterstützt, im Jahre 2004 gerade einmal mit 300.000 €. Da zeigt sich wirklich, welche Priorität die Landesregierung der Jugendarbeit beimisst. Für uns jedenfalls ist das nicht tragbar.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie mögen das zwar immer damit begründen, dass es weniger Jugendliche gibt, diese weniger Jugendlichen auch weniger Geld in Anspruch nehmen müssten. Aber, und das sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich, es gibt zwar weniger Jugendliche, klar, aber die Probleme, vor denen die Jugendlichen heute stehen, werden immer größer. Auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Armut sind hier mehr Mittel erforderlich, mehr Mittel als 2006 und auch der neue Landesförderplan, der am 18. September 2006 im Landesjugendhilfeausschuss beschlossen wurde, klagt diese Mittel ein. Dieser Landesjugendförderplan, der heiß diskutiert wurde, auch von uns, macht diese Bedarfe und Defizite der Landesregierung deutlich. Der Landesjugendförderplan ist die Chance für Sie, Herr Minister, uns zu beweisen, welche Priorität die Jugendarbeit für Sie wirklich hat. Denn das muss man hier auch noch einmal ganz klar herausstellen, es drängt sich schon ein wenig der Eindruck auf, dass die Jugendarbeit, dass die Jugendhilfe für die Landesregierung nur eine Sparbüchse ist. Wir hoffen, dass Sie die Forderung des Landesjugendhilfeausschusses als fachlichem Ausschuss ernst nehmen und wir hoffen ganz ehrlich, dass Sie die Leistungen, die Sie der Jugendarbeit gewähren, auf den Prüfstand stellen. Prüfstand meint nicht, nach finanziellen Gesichtspunkten zu erwägen, sondern Prüfstand meint, ausschließlich nach dem realen Bedarf zu gehen, nicht zu schauen, wo können wir Geld streichen, wo können wir Geld kürzen, sondern zu schauen, wo ist ein massiver Bedarf da, wo müssen wir Probleme angehen und nicht immer nur bei der Jugendhilfe den Rotstift anzusetzen. Das wäre mein Wunsch für die Zukunft.

Ansonsten möchte ich Ihnen noch einmal danken, dass Sie den Landesjugendbericht so zügig vorgelegt haben, aus meiner Sicht und aus Sicht der Linkspartei.PDS-Fraktion ein durchwachsener Bericht. Wir fordern Sie auf, Ihre Prioritäten in der Jugendpolitik wirklich deutlich zu machen, die Jugendhilfe nicht nur als Sparbüchse zu verwenden. Ansonsten möchte ich Ihnen danken. Ich würde Sie noch einmal auffordern, auch die Empfehlungen des Bundesjugendberichts, die wirklich wichtig sind, die auch hinsichtlich der frühkindlichen Bildung, hinsichtlich des Kita-Systems dort getroffen wurden, ernst zu nehmen. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bevor ich jetzt der Abgeordneten Meißner von der CDU-Fraktion das Wort erteile, möchte ich Einverständnis voraussetzen, dass wir die Fragestunde nach diesem Tagesordnungspunkt aufrufen. Wir haben dann noch vier Mündliche Anfragen abzuarbeiten. Es gibt keinen Widerspruch, dann ist das so.

Frau Abgeordnete Meißner, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, liebe Mitglieder des Thüringer Landtags, liebe Gäste, ich möchte heute zum Tagesordnungspunkt 8 reden und habe dazu auch den Zwölften Kinder- und Jugendbericht gelesen und auch die Folgerungen der Landesregierung. Ich habe dabei allerdings nichts zum solidarischen Bürgergeld gefunden, daher konkret zu den Aussagen.

(Beifall bei der CDU)

Kinder sollen zu handlungsfähigen, kompetenten, sozialen und verantwortlichen Menschen heranwachsen. Der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht sieht dafür als Grundlage die Trias von Bildung, Betreuung und Erziehung. Die Ideen sind das Aufwachsen in einem neuen Zusammenspiel privater und öffentlicher Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote sowie eine aufeinander abgestimmte Sichtweise für das gesamte Kindes- und Jugendalter. Der grundlegenden Herausforderungen am Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland und der damit verbundenen finanziellen gesamtstaatlichen Belastungen sowie der fiskalischen Rahmenbedingungen ist sich der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht indes bewusst. An Ort und Stelle, und das sagt der Kinder- und Jugendbericht ausdrücklich, wird es daher größter Anstrengungen bedürfen, um die elementaren Aufgaben in den nächsten Jahren bedarfs-, fach- und sachgerecht zu bewältigen. Der Staat habe aber die Pflicht, die Qualität von Bildung, Betreuung und Erziehung sicherzustellen. Gerade vor diesem Hintergrund werde ich Ihnen in den nächsten Minuten zeigen, dass sich Thüringen nicht hinter den Forderungen des Zwölften Kinder- und Jugendberichts verstecken muss.

In keiner anderen Lebensphase sind Entwicklungs- und Bildungsprozesse so eng verflochten wie in der frühen Kindheit. Seit 2004 bilden in Thüringen die Leitlinien für die frühkindliche Bildung in Verbindung mit dem nationalen Kriterienkatalog die Grundlage für die pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrichtungen. Absolut konform mit den Forderungen des Zwölften Kinder- und Jugendberichts entwickelt seit geraumer Zeit ein Expertenteam mit Unterstützung des Thüringer Kultusministeriums einen Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre. Ein erster Entwurf wurde schon mehrfach in den verschiedenen Workshops und Foren diskutiert. Auch wenn Thüringen eines der letzten Bundesländer ist, das diesen Bildungsplan im Schuljahr 2006/07 erprobt, so können wir gerade so von den Erfahrungen der anderen Bundesländer lernen. Vorbildhaft geht es dem Konsortium daher nicht darum, welche Anfor

derungen die Gesellschaft an die Kinder stellt, sondern welche Anforderungen die Kinder an die Gesellschaft stellen können. Dass diese Vorgehensweise zur Entwicklung einer verbindlichen Grundlage der Arbeit im Rahmen der Kindertagesbetreuung in Thüringen richtig ist, belegen auch die zahlreichen positiven Rückmeldungen von Erzieherinnen, Lehrern und Mitarbeitern der Jugendämter zum Entwurf. Viele davon freuen sich bereits jetzt auf die Erprobung und Evaluation des Bildungsplans. Der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht betont des Weiteren die Bedeutung eines gelungenen Übergangs vom Kindergarten in die Schule. Ziel soll es sein, jüngere Altersjahrgänge zu erreichen und eine stärkere Bildungsorientierung der Kindertageseinrichtungen in Verbindung mit einer flexiblen Einschulung zu erreichen. Diese Flexibilität in Form einer veränderten Schuleingangsphase beschreibt das Thüringer Schulgesetz in § 18 schon seit April 2004. Danach können Kinder, die bis zum 30. Juni eines Jahres mindestens fünf Jahre alt sind, im Benehmen mit einer schulärztlichen Untersuchung in die Grundschule aufgenommen werden. Auch im Rahmen des Entwicklungsvorhabens der eigenverantwortlichen Schule wurde für den Zeitrahmen von 2006 bis 2010 ein Transferprojekt entwickelt, welches eine begleitende Schuleingangsphase in Thüringen vorbereitet. Vielfach gibt es jedoch in den Thüringer Kindertageseinrichtungen bereits selbstständige Kooperationen mit Schulen. Dies zeigt, dass es bereits jetzt viele pädagogische Fachkräfte in Thüringen gibt, die die Vorstellungen des Zwölften Kinder- und Jugendberichts umsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus empfiehlt der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht, die Übergänge zwischen Klassen- und Schulstufen so zu gestalten, dass keine Hindernisse oder Barrieren entstehen, sondern Kinder und Jugendliche gezielt unterstützt und individuell gefördert werden können. Gerade die Novellierung der Schulgesetzgebung in Thüringen im Jahr 2003 gibt nunmehr den Schulen die Möglichkeit der flexiblen Gestaltung von Lernzeiten und Lerngruppen. Die Verweildauer in der Grundschule kann dadurch im Rahmen des § 5 Thüringer Schulgesetz entsprechend des Entwicklungsstands des Schülers verkürzt oder verlängert werden. Die Weiterentwicklung und Stärkung der Regelschule entsprechend dem Gedanken des gemeinsamen längeren Lernens, der gezielten Einzelförderung und der Eigenverantwortungsstärkung eröffnen den Eltern und Schülern dadurch bedeutende Entscheidungsfreiräume. Entsprechend der sich bei Kindern und Jugendlichen unterschiedlich entwickelnden Einsicht in die eigenen Interessengebiete und Begabungen ist es den Thüringer Schülern zudem auch möglich, sich bis zum Ende der achten Klasse zu entscheiden, welchen Schulabschluss

sie anstreben möchten. An verschiedenen Stellen seiner Schullaufbahn wird dem Thüringer Schüler daher die Möglichkeit gegeben, sich für einen Wechsel der Schulart zu entscheiden. Diese Anpassungsmöglichkeit kommt dem jeweiligen individuellen Entwicklungsstand des Schülers zugute, denn für manche Schüler stellt der Wechsel von der Grundschule ins Gymnasium eine ganz natürliche Entwicklung dar und für andere eben nicht. Im Übrigen gibt es in Thüringen zur Entscheidungserleichterung dieses Schulwechsels individuelle Schullaufbahnempfehlungen für die Schüler und Eltern, die einen bestmöglichen Schulabschluss für die Schüler gewährleisten.

Der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht zeigt auch Defizite der Schule auf. Danach kommen moralische Orientierung, soziales und politisches Wissen sowie personale, ästhetische und religiöse Bildung zu kurz. Um starre Strukturen zu überwinden und überkommene Traditionen aufzuheben, empfiehlt der Bericht, dass Ganztagsschulen mit der Kinder- und Jugendhilfe zusammenarbeiten müssen. Es ist gerade nicht mehr das altmodische Modell einer Ganztagsschule notwendig, sondern die Entwicklung eines neuen vielfältigeren Systems von Bildung, Betreuung und Erziehung. Entscheidend ist dabei laut Kinder- und Jugendbericht die Kooperation von Schule als öffentlichem Anbieter und privaten außerschulischen Trägern. Genau diese Ansätze werden in Thüringen bereits verwirklicht. In den Grundschulen und Horten gibt es die Form einer offenen und in Spezialgymnasien die gebundene Form einer Ganztagsschule. Daneben nahmen seit 2003 ca. 80 Prozent der Regelschulen und Gymnasien am Landesprogramm der Schuljugendarbeit teil, wofür bis 2005 ca. 8,8 Mio. € eingesetzt wurden. Die eingeforderte Zusammenarbeit von Schule und außerschulischen Trägern wurde in Thüringen durch die Zusammenführung der Jugendpauschale und Schuljugendarbeit zu einer neuen Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ zum 01.01.2006 erzielt. Diese einheitliche Förderrichtlinie ist nach gleichen Förderkriterien vernetzt, wie gerade explizit im Zwölften Kinder- und Jugendbericht gefordert, dem Zusammenspiel Öffentlicher und Privater. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe können so in Zusammenarbeit mit staatlichen Schulämtern und Schulverwaltungsämtern ganztägige Angebote - finanziert durch Landesmittel - entwickeln und gestalten. Zu Recht verweist die Landesregierung deshalb darauf, dass in Thüringen verbindlich fixierte Vereinbarungen zwischen Jugendhilfe und Schule noch geschaffen werden müssen. Ebenso müssen jedoch die materiellen Bedingungen zum beschriebenen Ausbau ganztägiger Angebote verbessert werden. Vor dem Hintergrund des Schuldenabbaus und keiner Neuverschuldung Thüringens auf dem Rücken gerade dieser Kinder und Jugendlichen müssen diese Fördermittel aber sachgerecht, notwendig und insbesondere