Protocol of the Session on November 24, 2006

Der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht zeigt auch Defizite der Schule auf. Danach kommen moralische Orientierung, soziales und politisches Wissen sowie personale, ästhetische und religiöse Bildung zu kurz. Um starre Strukturen zu überwinden und überkommene Traditionen aufzuheben, empfiehlt der Bericht, dass Ganztagsschulen mit der Kinder- und Jugendhilfe zusammenarbeiten müssen. Es ist gerade nicht mehr das altmodische Modell einer Ganztagsschule notwendig, sondern die Entwicklung eines neuen vielfältigeren Systems von Bildung, Betreuung und Erziehung. Entscheidend ist dabei laut Kinder- und Jugendbericht die Kooperation von Schule als öffentlichem Anbieter und privaten außerschulischen Trägern. Genau diese Ansätze werden in Thüringen bereits verwirklicht. In den Grundschulen und Horten gibt es die Form einer offenen und in Spezialgymnasien die gebundene Form einer Ganztagsschule. Daneben nahmen seit 2003 ca. 80 Prozent der Regelschulen und Gymnasien am Landesprogramm der Schuljugendarbeit teil, wofür bis 2005 ca. 8,8 Mio. € eingesetzt wurden. Die eingeforderte Zusammenarbeit von Schule und außerschulischen Trägern wurde in Thüringen durch die Zusammenführung der Jugendpauschale und Schuljugendarbeit zu einer neuen Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ zum 01.01.2006 erzielt. Diese einheitliche Förderrichtlinie ist nach gleichen Förderkriterien vernetzt, wie gerade explizit im Zwölften Kinder- und Jugendbericht gefordert, dem Zusammenspiel Öffentlicher und Privater. Die örtlichen Träger der Jugendhilfe können so in Zusammenarbeit mit staatlichen Schulämtern und Schulverwaltungsämtern ganztägige Angebote - finanziert durch Landesmittel - entwickeln und gestalten. Zu Recht verweist die Landesregierung deshalb darauf, dass in Thüringen verbindlich fixierte Vereinbarungen zwischen Jugendhilfe und Schule noch geschaffen werden müssen. Ebenso müssen jedoch die materiellen Bedingungen zum beschriebenen Ausbau ganztägiger Angebote verbessert werden. Vor dem Hintergrund des Schuldenabbaus und keiner Neuverschuldung Thüringens auf dem Rücken gerade dieser Kinder und Jugendlichen müssen diese Fördermittel aber sachgerecht, notwendig und insbesondere

effizient eingesetzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Um eines der wichtigsten Themen nicht zu vergessen, komme ich nun zur Vereinbarkeit der Familienoffensive mit dem Zwölften Kinder- und Jugendbericht. Gerade hier hat Thüringen bereits entscheidende Regelungen zur Umsetzung der aufgestellten Forderungen getroffen. Frau Vizepräsidentin, ich bitte an dieser Stelle, den Kinder- und Jugendbericht zitieren zu dürfen:

„1. Ab dem zweiten Lebensjahr, spätestens jedoch ab dem dritten Lebensjahr brauchen Kinder auch außerhalb der Familie Gelegenheit zur Bildung. Sie sollen schon nach dem zweiten Geburtstag in den Kindergarten gehen dürfen.

2. Eltern haben einen Anspruch auf Unterstützung ihrer Erziehungstätigkeit durch monetäre Leistungen wie unter anderem das Erziehungsgeld sowie Angebote der Eltern- und Familienbildung. Dabei soll die Erziehungskompetenz und Fähigkeit, sich selbst zu helfen, gestärkt werden und der sozialen Isolation von Familien entgegengewirkt werden.“

Ich hoffe, Sie haben es bemerkt. Alle diese Formulierungen könnten auch aus der Begründung des verabschiedeten Familienfördergesetzes stammen. Thüringen hat mit der Einführung dieses Gesetzeswerkes einen umfassenden Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung bereits ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr sichergestellt. Darüber hinaus ist Thüringen auch eines von vier Bundesländern, die ein Erziehungsgeld gewähren. Zur Absicherung der Familienbildung hat Thüringen auch im Rahmen der Familienoffensive eine gesetzlich errichtete Stiftung „Familiensinn“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit der Elternakademie bestehen daher beste Voraussetzungen, um den Anforderungen des Berichts gerecht zu werden und Thüringer Eltern bei der Betreuung, Bildung und Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen. Neben den zahlreichen Familienzentren sind dies auch Möglichkeiten, wie sich sozial Schwache von jenen helfen lassen können. Letztlich weist der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht zu Recht auf die Stärkung der Instrumente der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen hin. Bei der gemeinsamen Gestaltung der Bildungsplanung müssen in Thüringen Kinder und Jugendliche mit einbezogen werden. Wie auch die Landesregierung in ihren Folgerungen konstatiert, gibt es zurzeit noch keine derartige flächendeckende Beteiligung in Thüringen. Die Tatsache, dass lediglich knapp 10 Prozent der Jugendämter angeben, dass sie Kinder- und Jugendparlamente oder ähnlich geartete Mitwirkungsmöglichkeiten umsetzen, ist erschreckend. Gerade vor dem Hintergrund wachsender Politikverdros

senheit Heranwachsender und den positiven Erfahrungen des letztlich stattgefundenen Schüler- und Jugendparlaments muss die Landesregierung zukünftig die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Schule durch die Instrumente der Partizipation in Thüringen weiterentwickeln und konsequent flächendeckend umsetzen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Landesregierung unter Federführung des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit in seinen Folgerungen zum Zwölften Kinder- und Jugendbericht zu Recht auf die bisherigen positiven Erfahrungen und Entwicklungen in Thüringen hingewiesen hat. Thüringen hat durch seine bisherige Politik für Familien, Kinder und Jugendliche viele Empfehlungen des neuesten Kinder- und Jugendberichts bestätigt und in einigen Bereichen sogar seine Vorreiterstellung aufgezeigt. Natürlich hätte ich in meinem Redebeitrag auf weitere Verbesserungsmöglichkeiten eingehen können, aber wie erwartet, hat das ja schon mein Vorredner getan. Gerade in diesem sensiblen Bereich der Weichenstellung für Kinder und Jugendliche ist es an uns Politikern, nicht Erfolge schlechtzureden, sondern an entscheidenden Stellen ein positives Signal in die Thüringer Bevölkerung zu tragen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich jetzt der Abgeordneten Ehrlich-Strathausen das Wort erteile, lassen Sie mich eine Feststellung machen, weil es scheinbar bei einigen Abgeordneten immer wieder zu Irritationen führt. Nach § 6 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags ist unter Absatz 1 Folgendes festgelegt: „In den Sitzungen des Landtags bilden der amtierende Präsident und zwei vom Präsidenten bestimmte Schriftführer den Sitzungsvorstand.“ Ich wollte das nur der Ordnung halber noch mal vermerken, damit das nicht mehr zu Irritationen führt.

Jetzt hat Abgeordnete Ehrlich-Strathausen, SPDFraktion, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Herr Bärwolff zu Beginn schon erwähnte, ist es seit Inkrafttreten des Thüringer Kinder- und Jugendhilfegesetzes Aufgabe der Landesregierung, die Folgerungen für die Jugendhilfe im Land aus dem jeweiligen Bundesjugendbericht zu ziehen und uns hier im Landtag dementsprechend zu unterrichten. Das ist eine sinnvolle Verfahrensweise und der Landesgesetzgeber der 1. Legislaturperiode hat hier ausdrücklich klug ge

handelt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, bei sinnvollen Sachen fällt es mir auch leicht, einmal die Kollegen der CDU zu loben.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das waren Sie nicht alleine.)

Heute liegen zum vierten Mal die Folgerungen vor. Wir sollten uns damit - und dies möchte ich vorausschicken - in den zuständigen Ausschüssen differenziert auseinandersetzen. Da es sich diesmal um Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule handelt, halten wir eine Beratung im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und im Bildungsausschuss unter Federführung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit für erforderlich. So sinnvoll die Diskussion hier im Plenum ist, sie allein würde dem Inhalt des gesamten Bundesjugendberichts und deren Folgerungen für das Land nicht gerecht. Deshalb schon mal im Voraus die Anmeldung in die Ausschüsse.

Auch ich möchte der Landesregierung für die zeitnahe Formulierung danken. Schließlich ist der Bundesjugendbericht erst seit einem Jahr veröffentlicht. Ich kann mir gut vorstellen, welcher Arbeitsaufwand und welcher Abstimmungsbedarf hinter der Erarbeitung stecken. Folgerungen einer Landesregierung bedeuten allerdings auch fachliche und politische Selbstverpflichtung. Sie sollten also auch Folgen haben. Vor diesem Hintergrund habe ich mir den Bericht angesehen und ich muss sagen, ich bin schon erstaunt über Ihre eingangs beschriebenen Schlussfolgerungen. Nachdem sich der Freistaat auf Seite 2 durch die Empfehlungen des Bundesjugendberichts grundsätzlich bestätigt fühlt - ich weiß, dass „grundsätzlich“ entgegen dem üblichen Sprachgebrauch bedeutet, dass man davon auch abweichen kann, aber von Abweichungen, Herr Minister Zeh, haben Sie wahrscheinlich offensichtlich kräftig Gebrauch gemacht. Es wäre angebracht, wenn die Verfasser das dann auch kenntlich machen würden und nicht nur behaupten würden, es wäre grundsätzlich bestätigt. Ich möchte Ihnen dazu jetzt einige Beispiele nennen.

Sie berufen sich beispielsweise auf die Stärkung der Erziehungs- und Bildungskompetenz der Eltern, die Ihrer Familienoffensive ebenso zugrunde liegen würden wie dem Zwölften Bundesjugendbericht. Ich weiß nicht, woher Sie mit Blick auf Ihre Familienoffensive den Mut nehmen - Mut nehmen ist noch nett ausgedrückt - zu dieser Schlussfolgerung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Familienbildung reduzieren Sie beispielsweise von rund 214.000 € im Wahljahr 2004 auf nur noch

180.000 € jetzt im laufenden Haushaltsjahr. Der Bundesjugendbericht spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Netzwerke zur Elternbildung und Unterstützung von Familien weiterzuentwickeln und gegebenenfalls aufzubauen sind. Der Bundesjugendbericht fordert weiter Netzwerke zur Unterstützung von Familien in prekären Lebenssituationen ein und die Landesregierung berichtet, dass die Erziehungs-, Ehe- und Familien- und Lebensberatungsstellen dafür ganz besonders prädestiniert sind. Deren Förderung reduziert sich allerdings vom Wahljahr 2004 von 1,62 Mio. € auf 1,28 Mio. € im laufenden Haushaltsjahr - also eine Reduzierung um 20 Prozent. Wenn Sie, Herr Minister, der Meinung sind, dass derartige Kürzungen etwa eine Weiterentwicklung oder ein Aufbau sind, dann müssen wir uns irgendwie im Vokabular nicht wirklich verstehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Der Bundesjugendbericht fordert weiter den frühen Zugang zu öffentlich geförderten Beratungs- und Unterstützungssystemen für Kinder mit Migrationshintergrund und für Kinder aus bildungsfernen Schichten, um deren Chancengleichheit zu gewährleisten. Die Landesregierung unterstützt auch diese Empfehlung und verweist erneut stolz auf das Thüringer Familienfördergesetz. Das ist unglaublich, denn an dieser Stelle erlaube ich mir zu zitieren: „Durch den mit dem Thüringer Familienfördergesetz eingeführten Rechtsanspruch auf einen Tageseinrichtungsplatz ab zwei Jahren, den wahlweisen Bezug von Landeserziehungsgeld zwischen zwei und drei Jahren und die bedarfsgerechte Betreuung der Kinder unter zwei Jahren wird in Thüringen ein wesentlicher Beitrag zur Bildung, Betreuung und Erziehung als eine systematische und nachhaltige Unterstützung von Kindern und ihren Familien unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund geleistet.“ Also diese Verdrehung der offensichtlichen Tatsachen muss man sich einmal vor Augen führen. Der Bundesjugendbericht spricht ausdrücklich davon, benachteiligten Personengruppen den Zugang zu öffentlich geförderten Angeboten gezielt zu erleichtern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Die Landesregierung schafft stattdessen mit dem Landeserziehungsgeld ein System der Belohnung, wenn Eltern ihr Kind nicht an einem öffentlich geförderten Beratungs- und Unterstützungssystem teilnehmen lassen. Die Landesregierung behauptet gleichzeitig, das wäre ein Hohn.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Woher nehmen Sie das? Beweisen Sie das!)

Ich habe den Bericht hier liegen. Ja, Herr Minister, ich beweise, was Sie daraus schlussfolgern und dass der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht ganz andere Aussagen dazu macht, als Sie sich das hinbiegen. Nun hoffe ich, dass wir uns darin einig sind, dass Kindertagesstätten natürlich ein Angebot zur Beratung und Unterstützung und zur Verbesserung von Chancengleichheit für Kinder aus bildungsfernen Schichten sind. Der Bundesjugendbericht will ausdrücklich die Inanspruchnahme, aber die Landesregierung konzipiert sogleich ein Landeserziehungsgeld, welches genau so angelegt ist, dass es diesem Ansinnen des Bundesjugendberichts widerspricht, Herr Minister, und trotzdem beruft sich die Landesregierung immer auf dessen Empfehlung.

Diese offensichtlich ideologisch begründeten Absurditäten setzen sich auch noch weiter fort. Sie tauchen wie ein tiefschwarzer Faden auf, und zwar immer dann, wenn es um die Rechtfertigung der Offensive gegen Thüringer Familien geht. Es gipfelt schließlich darin, das ist hochinteressant, dass nach Meinung der Landesregierung die Forderung des Bundesjugendberichts auf grundsätzliche Beitragsfreiheit für die Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuungsangeboten für die Eltern nur dann angemessen ist, wenn in der Folge eine Pflicht aller Kinder zur Kindertagesbetreuung bestünde. Dieser absurde Gedanke schließlich wird fortgeführt und erklärt, dass eine solche staatliche Vorgabe bei der Kindererziehung nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur freien Selbstentfaltung und der Elternrechte übereingebracht werden kann. Kurz gesagt, wer für Beitragsfreiheit von Kitas ist, der muss Kinder zum Besuch verpflichten und der will die Elternrechte einschränken. Auf solch eine Idee, Herr Minister, muss man überhaupt erst mal kommen. Das ist eine Satire auf einem hohen Niveau, deren Verfasser nicht in ein Ministerium gehören, sondern vielleicht ins Kabarett, aber eventuell zählen ja die Ministerien mittlerweile auch zur Thüringer Theaterlandschaft.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Hat die Landesregierung bei der Formulierung dieser Passagen des Berichts eigentlich einmal mit den eigenen Sozialpolitikern gesprochen? Dass Ihr Kollege Panse in Erfurt gemeinsam mit Ihrem Staatssekretär Herrn Illert in Weimar aber auch derart Böses mit den Eltern vorhaben, also kostenfreie Kitas, das hätten wir ja nun wirklich nicht gedacht. Mir war bisher auch nicht bekannt, dass irgendwo im Lande ein CDU-Kommunalpolitiker Forderungen zur Beitragsbefreiung oder entsprechende Prüfaufträge mit einer gesetzlichen Verpflichtung zum Besuch von Kindertagesstätten verbunden hätte. Wer bitte formuliert denn solche witzigen Forderungen und leitet von der Beitragsbefreiung der Kitas die Pflicht zu

einem Besuch ab? Bedeutet denn das nun auch, dass beitragsfreie Jugendzentren oder beitragsfreie Angebote bei einem Jugendverband in Zukunft nach Ansicht der Landesregierung zu einem verpflichtenden Besuch in Jugendzentren oder außerschulischen Angeboten führen müssen und dass alle anderen Verfahrensweisen gegenüber dem Steuerzahler nicht zu verantworten wären, was die Verfasser dieser Theorie suggerieren in diesem Bericht? Ich kann mir solche abstrusen Formulierungen nur noch mit der Panik der Ideologie der Familienoffensive erklären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nehmen Sie doch endlich den Hintermännern - es können nur Männer sein - die Fäden dieses gegen die Thüringer Familien und gegen die Kinder gerichteten Gesetzes aus der Hand, denn wenn Sie diese aberwitzigen Begründungsversuche auf Seite 26 dieses Berichts durchlesen und sich die Diskussion der vergangenen Monate in diesem Hause vor Augen halten, dann kann man nur sagen, es ist einfach mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar. Wenn es nicht so bitterernst wäre, dann könnte man das ja alles als schwarzen Humor betrachten, schwarz ist das ja alles, aber leider ohne Humor.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe bisher an dieser Stelle noch nicht davon gesprochen, in welchem Umfang die Qualität der Kindertagesstätten durch die Kürzung der Landesregierung leidet und auch leiden wird. Ich habe heute in der Presse wiederum einen Artikel gelesen und ich konnte ihm entnehmen, dass nach Angaben der Liga der Freien Wohlfahrtspflege wieder 140 Erzieherinnenstellen abgebaut wurden. Ich darf kurz zitieren: „In den befragten Einrichtungen wurden die Elternbeiträge erhöht. Trotz des geringeren Personals würden die Öffnungszeiten weiterhin im Durchschnitt bei 10,8 Stunden liegen. Das könnte nur mit größeren Gruppen und Zusammenlegung von Gruppen gewährleistet werden.“ Aber doch an dieser Stelle, an der Qualität der Kindertagesstätten, liegt der entscheidende Schlüssel für die Bildung und Teilhabe von Kindern aus bildungsfernen Schichten. Und genau an dieser Stelle, Herr Minister, wird der Leistungsabbau betrieben. Ob Ihnen das gefällt oder nicht, das müssten Sie jetzt endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Beispiel für die Unglaubwürdigkeit auf Seite 19 - Förderung der Familienerholung; die Landesregierung formuliert ihre Folgerungen so: „Ein weiteres Angebot zur Förderung benachteiligter Familien ist die Förderung der Familienerholung für sozial schwache Familien bzw. für alleinerziehende Mütter und Väter bzw. Familien, in denen Men

schen mit Behinderungen leben. Dies ermöglicht den Familien, den familiären Zusammenhalt zu stärken und unterstützt sie in ihrer Erziehungsverantwortung.“ Schön wäre es, wenn das so wäre.

Die Realität sieht wiederum ganz anders aus. In der Folge dokumentieren Sie in den Ausführungen wieder, wie die Förderung vom Wahljahr 2004 von 240.000 € auf etwas über 81.000 € im Jahr 2005 zurückgefahren wurde. Das sind 66 Prozent der Mittel, die also gekürzt wurden. Trotzdem wird die Familienerholung selbst als wichtige Folgerung aus dem Bundesjugendbericht herausgestellt. Das verstehe, wer will, aber der Verfasser dieser Zeilen, der steigert die Satire mühelos.

(Beifall bei der SPD)

Im Anschluss an diese Zahlen heißt es: „Für die Landesregierung wird es darauf ankommen, Konzepte zu finden, um bildungsferne und sozial schwache Familien effizienter an bestehende Angebote heranzuführen.“

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie brauchen sie nicht an bestehende Angebote heranzuführen, denn im Juli dieses Jahres teilte die Landesregierung aufgrund eines Presseberichts in der TA mit, dass von knapp 600 Anträgen auf Urlaubszuschüsse nur 248 hätten bewilligt werden können. Die Familienberatungsstellen beschweren sich im gleichen Bericht, dass das Angebot der Nachfrage nicht gerecht wird. Die Familien finden durchaus die Angebote, nur leider steht das Geld nicht zur Verfügung und es muss nach dem Windhundprinzip vergeben werden. Anders gesagt: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Oder wiederum: Den letzten beißen die Hunde. Sie brauchen kein Konzept zur Heranführung für Familien, sondern Sie brauchen bedarfsgerechte Angebote für die Familien.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Lassen Sie mich etwas zur Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe sagen: Ich freue mich auch, dass Herr Minister Goebel hier anwesend ist. Ich hatte vorhin schon Ausschau gehalten, denn Sie sind in diesem Bereich auch sehr, sehr mit einzubeziehen. Schließlich ist dieser Bereich des Berichts auch ein Kernbereich und die frühkindliche Bildung liegt ja in der Zuständigkeit der Jugendhilfe.

Der Bundesjugendbericht bezeichnet diese Zusammenarbeit mehrfach als notwendig und fordert sie auch ein. Immerhin ist an dieser Stelle die Landesregierung so klug, vorsichtig zu formulieren, dass an der gemeinsamen Aufgabe von Schule und Jugendhilfe weiter gearbeitet werden muss. Ich denke, das ist eine ungewohnte Vorsicht, sie hat doch ihre Grün

de, denn in den Folgerungen zum Elften Jugendbericht von 2003 in der Drucksache 3/3198 wurde bereits damals eine angeblich in Abstimmung befindliche Kooperationsvereinbarung des TMSFG, des TKM und der kommunalen Spitzenverbände zur Vereinbarung über die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule im Freistaat Thüringen angekündigt. Die gibt es bis heute nicht. Sie taucht noch nicht einmal in den Folgerungen dieses Berichts auf, obwohl es sie überhaupt nicht gibt. Ich wage deshalb vorherzusagen, dass das Zusammenspiel von Schule und außerschulischen Bildungsorten, die ganz wesentlich in der Kompetenz der Jugendhilfe liegen, nur dann gelingen kann, wenn die Kommunen endlich als gleichberechtigte Partner behandelt werden. Ich möchte dazu noch einen Satz zitieren: „Dazu sind verbindliche Absprachen zur Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule vor Ort notwendig.“ Das ist ja auch richtig, Herr Minister, aber Sie schieben die Verantwortung damit an die Kommunen ab, obwohl die Landesregierung mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen den beiden Ministerien und den Spitzenverbänden eine Grundlage für die weitere Arbeit legen könnte.

(Beifall bei der SPD)

In den vergangenen Jahren seit 2003, insbesondere nach den Versprechungen des Wahljahres 2004, ist gegenüber den Kommunen sehr viel Porzellan zerschlagen worden durch die Kürzungsorgien. Deshalb ist es auch Augenwischerei, wenn Sie auf Seite 28 der Drucksache berichten, dass sich die Thüringer Schulen und die Thüringer Jugendhilfe auf dem richtigen Weg befinden. Es ist deshalb Augenwischerei, denn der nächste Satz lautet, ich zitiere: „Darüber hinaus besteht aus Sicht der Landesregierung keine Notwendigkeit für eine grundlegende Veränderung von Schule.“ Das, meine Damen und Herren von der Landesregierung und der Mehrheitsfraktion dieses Hauses, ist die Wahrnehmung, die nicht nur ich seit Jahren habe, wenn es um die Kooperation des Landes mit den örtlichen Trägern der Jugendhilfe geht.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Wahrheit lautet, Herr Minister: Was die in der Zuständigkeit der Landesregierung liegende Arbeit in der Schule angeht, sehen wir keinen Veränderungsbedarf. Also Sie können dann munter weiter ausgrenzen und dann zum Beispiel lauthals schreien nach Schulsozialarbeit und die hat bitte wieder das Jugendamt zu bezahlen. Frau Meißner sprach eben an, die soziale Entwicklung kommt noch zu kurz. Ja, wie denn, wie soll weiterentwickelt werden, wenn in der 4. Klasse die Auslese geschieht, wo doch Starke von Schwachen lernen könnten, z.B. in Sozialkompetenz, und auch Schwache von den Stärke

ren etwas lernen könnten?