Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, vorab will ich so viel sagen: Ich halte die Angleichung der Regelsätze in der Sozialhilfe in Ost und West 16 Jahre nach der friedlichen Revolution für angemessen und konsequent. Allerdings bestreite ich nach wie vor, Herr Pilger, dass Thüringen allein hätte handeln können. Wenn es so gegangen wäre, dann hätten es andere Länder gemacht. Mecklenburg-Vorpommern hat es versucht und es ist aus rechtlichen Gründen gescheitert. Ich will auch erklären, warum das so ist.
Es bedarf einer bundesrechtlichen Regelung im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und es bedarf einer Verordnung des Bundes zur Änderung der Regelsatzverordnung. Sie haben vorhin gesagt, es hätte auch schon auf Basis des alten Rechts eine entsprechende Anpassung erfolgen können. Das ist falsch, denn eine Anpassung bedarf einer Einkommens- und Verbraucherstichprobe. Diese Einkommens- und Verbraucherstichprobe von 2003 liegt nunmehr erst vor, aber sie liegt nicht für nur Thüringer Haushalte vor. Die Einkommens- und Verbraucherstichprobe, die durchgeführt wurde, besteht im Kern darin, dass die Feststellung des Eckregelsatzes mit den Verbrauchsausgaben der untersten 20 Prozent der nach ihrem Einkommen geschichteten Haushalte zugrunde liegen, und zwar nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe. Die Zahl der für die in Thüringen zu berücksichtigenden Haushalte betrug 72. Sie können eindeutig feststellen, dass mit 72 keine statistisch signifikante Auswertung möglich ist. Sie ist einfach nicht groß genug, um repräsentative Ergebnisse zu erbringen. Die geringe Zahl von 72 Thüringer Haushalten lässt nach Auskunft des Landesamtes für Statistik bei den Berechnungen einen relativen Standardfehler zwischen 10 und 16 Prozent erwarten. Das entsprä
che bei dem derzeitigen Thüringer Eckregelsatz in Höhe von 331 € immerhin einer relativen Fehlergröße zwischen 33,10 € und 52,96 €. Das sind keine seriösen Ergebnisse, auf dieser Basis können und konnten wir den Eckregelsatz nicht entsprechend anheben. Ich wiederhole noch mal, Mecklenburg hat es versucht, ist aus rechtlichen Gründen gescheitert. Alle anderen jungen Länder, muss man sagen, haben es nicht getan, auch SPD-regierte Länder nicht. Daran können Sie erkennen, selbst wenn sie gewollt hätten, und es hätten vielleicht einige gewollt, auch Abgeordnete aus unserer Fraktion hätten es gewollt, es war aber aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Wenn Sie in dem Ausschuss gewesen wären, hätten Sie zumindest die rechtlichen Ausführungen direkt bewerten können.
Ich gehe davon aus, dass die bundespolitischen Hürden nun weitestgehend überwunden sind. Ich sage bewusst, ich gehe davon aus, denn das Gesetz, das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch, die Änderungen, sind verabschiedet, auch im Bundesrat. Es ist auch die Verordnung des Bundes zur Änderung der Regelsatzverordnung verabschiedet. Nun bedarf es noch einer Formalie, nämlich der Verkündung. Es wurde beschlossen, aber wir wissen, dass es auch bei uns in Thüringen so ist, erst wenn das Gesetz verkündet ist, erlangt es entsprechende Rechtskraft. Weil es schon beschlossen worden ist - und ich gehe davon aus, dass wir Ende des Monats noch die Verkündung dieser rechtlichen Grundlagen haben werden -, kann ich hier auch die Annahme der Beschlussempfehlung empfehlen.
Es gibt natürlich ein Problem, was kann passieren, wenn es nicht verkündet wird. Da kann ich mir nur vorstellen, dass die Druckerei versagt oder irgendsoetwas, dann haben selbstverständlich die Empfänger ein Recht, dass das noch rückwirkend finanziert wird. Aber ich gehe erst mal davon aus, dass das nicht geschieht. Das müsste schon ganz schlimm kommen, wenn so etwas eintritt.
Vielleicht, Frau Jung, noch zu Ihnen: Das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat keinen Zahlensalat geliefert. Wenn Sie wollen, dann können Sie das berechnen. Nur Ihre Formel, die war im Ausschuss gar zu leicht. Ich weiß nicht, ob das der öffentliche Teil war, aber man kann das ruhig sagen: Es ist die Frage gestellt worden, man müsste die Zahl der Empfänger mit den 14 multiplizieren, also die Differenz zwischen 331 € und 345 €. Da es aber immer ein Unterschied ist, ob ich den Haushaltsvorstand, die Haushaltsangehörigen oder die Kinder bewerte und ob ich die anderen Bereiche der Hilfe zum Lebensunterhalt bewerte - es gibt dort Empfänger, die das Doppelte des Eckregelsatzes bekommen, nämlich statt 14 € 28 €. Ich erinnere nur an die Blindenhilfe, dort setzt sich diese Berechnung des Eckregelsatzes
auf dem Doppelten des Eckregelsatzes zusammen. Deswegen war die Multiplikation der Hilfeempfänger mal 14 einfach zu trivial. Aber wir können darüber ruhig noch einmal reden, wenn Sie noch Unklarheiten haben, dann können wir das machen. Schönen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit in Drucksache 4/2439, die eine Neufassung darstellt. Wer für diesen Beschluss ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine Gegenstimme, keine Stimmenthaltung, damit ist dieser Beschluss einstimmig angenommen.
Arbeitslose Jugendliche vermit- teln - Diskriminierung beenden Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/2423 -
Wünscht die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung? Ja, die Begründung gibt der Abgeordnete Bärwolff.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „Jugendliche Arbeitslose vermitteln - Diskriminierung beenden“ - so der Titel unseres Antrags. Nach zwei Jahren Hartz IV wollen wir mit diesem Antrag die konkreten Erfahrungen vor allem in Bezug auf die Jugendlichen zur Debatte stellen. Dazu habe ich in der ARGE in Pößneck dieses wunderschöne Plakat gefunden. Dieses Plakat ist ein Grund für diesen Antrag. Dieses Plakat ist meiner Ansicht nach Diskriminierung pur. Schauen Sie sich das Plakat an. Es suggeriert doch ganz bewusst, dass es jede Menge freie Lehrstellen und freie Arbeitsplätze gibt und die Jugendlichen nur noch nicht auf den richtigen Trichter gekommen sind. Nein, das ist für uns nicht hinnehmbar. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen liegt immer noch bei etwa 19.000. Trotz vieler Programme und vor allem trotz vieler Neuregelungen im SGB II hat sich der Sockel der Betroffenen nur unwesentlich verändert. Ich kann damit sehr gut leben, dass man eine Mitwirkung der Jugendlichen einfordert, aber - und das frage ich - welche Pflichten haben die ARGEn? Was ist es, was die ARGEn zu leisten haben?
In einer Kleinen Anfrage, die ich an die Landesregierung in Drucksachen 4/2119 und 4/2118 stellte, wurde mir geantwortet, dass lediglich ein unverzügliches Tätigwerden der ARGE von den Betroffenen eingefordert werden kann, ob nun mit oder ohne Erfolg auf Vermittlung. Ich möchte Ihnen das hier noch einmal verdeutlichen. Während den Jugendlichen Sanktionen drohen, wenn sie sich den Anweisungen der ARGE verweigern, wenn sie zum Beispiel die vorgeschlagene Eingliederungsvereinbarung nicht akzeptieren, wenn sie eine vorgeschlagene Maßnahme ablehnen oder wenn sie nur einen Termin verpassen, hat die ARGE im Gegenzug keinerlei abrechenbare Pflichten gegenüber den Betroffenen. Genau aus diesem Grund heißt unser Antrag „Diskriminierung beenden“.
Ich will Ihnen das am Beispiel eines jungen Mannes aus Gotha darstellen. Der junge Mann wohnte in Nottleben mit seinem Stiefvater und seiner Mutter zusammen. Zwischen Stiefvater und Sohn gab es immense Spannungen, die so weit gingen, dass der Stiefvater den jungen Mann aus der Wohnung geworfen hat. Als Notlösung fand der junge Mann bei seinen Großeltern in Neudietendorf Unterschlupf. Die ARGE Gotha weigerte sich über zwei Monate, dem jungen Mann Leistungen zu zahlen, weil sie seinem Problem keinen Glauben schenkte.
Zwei Monate ohne Geld, auf die mickrige Rente der Oma angewiesen - dies ist leider kein Einzelfall. Da sehen Sie die Unfähigkeit des Instrumentariums von Hartz IV, der Lebensrealität gerade der jungen Menschen gerecht zu werden. Insofern gab es durchaus Hoffnung auf eine echte Weiterentwicklung, als im Sommer 2006 ein Gesetz zur Fortentwicklung des SGB II im Bundestag verabschiedet wurde. Nur: Wohin hat man dieses Gesetz fortentwickelt? Das wird ganz deutlich aus der Begründung des Gesetzes. Hier zeigt es sich wieder einmal, dass die Motivation zur Neuregelung nicht etwa aus dem Bestreben höherer Realitätstauglichkeit entstand, nein, es ging um Kostenersparnis. Es geht wie immer nur ums Geld, nicht um die bessere Vermittlung der Betroffenen. Mit dem Fortentwicklungsgesetz wurde zum Beispiel der Zwang ausgeweitet, jedes Angebot der ARGE auch anzunehmen, sonst drohen die Sanktionen. Seinen Gipfel fand die Diskriminierung im Auszugsverbot für unter 25-Jährige. Wir wollen mit diesem Antrag die Situation der Jugendlichen verbessern, sich zum einen gegen die Zwangsmaßnahmen der ARGEn zu wehren, zum anderen aber wollen wir eine Diskussion um Verbesserung in den ARGEn anregen, um eine deutlich bessere Vermittlung von Jugendlichen zu erreichen. Gerade Jugendliche mit Benachteiligungen müssen von Sozialarbeitern betreut werden. Sie brauchen langfris
tige Begleitung. Wir haben unsere Vorschläge unterbreitet, um die Situation zu verbessern. Entstanden sind sie in Auseinandersetzung mit Betroffenen, mit Trägern, aber auch mit den ARGEn selbst. Es geht um eine ganze Generation, die sich nicht nur vergessen, sondern oftmals auch überflüssig fühlt. Wir laden Sie zu einer Diskussion ein, aber ich bitte Sie, nicht in eine unsachliche Faulenzerdebatte abzugleiten, die die Schuld den Betroffenen zuspricht, denn damit ist niemandem geholfen, aber genau das wollen wir - helfen. Danke schön.
Die Landesregierung erstattet Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Ich erteile Herrn Minister Reinholz das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muss zu diesem Antrag genau das wiederholen, was ich in der letzten Plenarsitzung bereits zum Arbeitsmarktantrag der Linkspartei.PDS gesagt habe: Man fordert zunächst einen Bericht, erhebt aber im zweiten Teil des Antrags bereits populistische Forderungen und das, ohne den Bericht überhaupt schon gehört zu haben. Wissen Sie, wenn mir etwas richtig auf den Keks geht, dann ist das Ihr ständiger Populismus. Wenn die Fraktion der Linkspartei verallgemeinernd von massiver Arbeitslosigkeit Jugendlicher im Freistaat Thüringen spricht, dann lässt das auf eine sehr oberflächliche Auseinandersetzung mit den aktuellen Entwicklungen des Arbeitsmarkts in Thüringen schließen. Ich denke, es ist deshalb für Sie lohnenswert, meinem Bericht zur aktuellen Arbeits- und Ausbildungssituation junger Menschen in Thüringen die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. Thüringen weist seit Jahren, ich betone, seit Jahren, bei Jugendlichen eine unter dem ostdeutschen Durchschnitt liegende Arbeitslosenquote auf. Ende Oktober waren in Thüringen 7,7 Prozent der abhängigen zivilen Erwerbspersonen im Alter unter 20 Jahren arbeitslos gemeldet. Das ist die niedrigste Quote der neuen Länder. Der Durchschnitt der ostdeutschen Länder liegt nämlich bei 10 Prozent. Die Thüringer Quote liegt übrigens auch unter der Quote von Bremen und unter der Quote von Hamburg. Jetzt wieder mein beliebter Vergleich mit Berlin, wo Sie ja in politischer Verantwortung sind. Dort haben wir eine Quote von 16,6 Prozent, Frau Becker, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht, und das ist mehr als doppelt so viel wie in Thüringen.
Bei den unter 25-Jährigen verzeichnet Thüringen mit 12,7 Prozent im ostdeutschen Vergleich ebenfalls die niedrigste Quote, der Durchschnitt der ostdeutschen Länder liegt nämlich bei 16,1 Prozent - auch wieder der zarte Hinweis auf Berlin, dort haben wir 18,8 Prozent. Auch hier liegt die Thüringer Quote ebenfalls nochmals unter der von Bremen. Bei der Bewertung der Daten zur Jugendarbeitslosigkeit ist außerdem zu berücksichtigen, dass sich zahlreiche Jugendliche direkt nach der Beendigung ihrer schulischen Ausbildung oder nach der Ableistung des Wehrdienstes oder des Zivildienstes zunächst bei den Arbeitsagenturen auch als arbeitslos melden. Mit Semesterbeginn und dem Beginn eines Ausbildungsjahrs sinkt dann die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen bekanntlich immer deutlich ab. Das gilt also logischerweise ganz besonders für die September- und natürlich auch für die Oktoberdaten. Im Jahresvergleich zu 2005 ist die Arbeitslosigkeit Jugendlicher in Thüringen sowohl im Rechtskreis des SGB III als auch im Rechtskreis des SGB II deutlich zurückgegangen. Im Oktober des vergangenen Jahres waren es noch 25.270 Personen unter 25 Jahren, die arbeitslos gemeldet waren. Demgegenüber hat sich die Zahl bis Oktober 2006 auf 19.114 Personen reduziert. Das entspricht, meine Damen und Herren, einem Rückgang von fast 25 Prozent. Diese positive Entwicklung ist teilweise der angezogenen Konjunktur, aber auch den Integrationsbemühungen der Arbeitsagenturen, der ARGEn und natürlich auch der optierenden Kommunen zu verdanken. Außerdem haben die flankierenden Hilfen und die Förderprogramme des Landes für Ausbildungsbewerber und für Jugendliche nach der Ausbildung an der sogenannten zweiten Schwelle zu dieser Entwicklung ganz wesentlich beigetragen.
Mit dem Jugendsofortprogramm des Landes haben wir die richtigen Akzente gesetzt und dieses Programm werden wir auch weiterführen. Von insgesamt 1.525 Teilnehmern im Jahr 2005 sind 496 vermittelt worden. Das entspricht einem Anteil von 32,5 Prozent. Auch die Zielstellung des Thüringer Ausbildungspaktes wurde sowohl bei den Industrie- und Handelskammern als auch bei den Handwerkskammern bislang erfüllt - ich hatte dazu heute schon gesprochen -, und zwar mit gut 102 Prozent. Alle Kammern zusammen haben in diesem Jahr fast 200 Neuverträge mehr abgeschlossen als beim letzten Ausbildungspakt. Wir wissen alle, das Jahr ist noch nicht zu Ende; bis Ende Dezember ist deshalb eine weitere Verbesserung bei den Paktzusagen der Wirtschaft durchaus möglich. Die Nachvermittlungsaktionen laufen dann auch noch bis zum Jahresende weiter. Vor diesem Hintergrund halte ich einen Thüringer Ausbildungspakt auch im Jahr 2007 für sehr zielführend. Die Verhandlungen - ich hatte auch das bereits heute früh gesagt - dazu laufen bereits.
Es geht derzeit eben nicht darum, dass die Landesregierung neue Förderansätze für Jugendliche konzipiert, sondern erfolgreiche Maßnahmen gezielt fortsetzt. Die Wirksamkeit zeigt sich an den Thüringer Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit und zur Berufsausbildung. Hier sind die meisten Indikatoren besser als in den anderen neuen Ländern und zum Teil auch schon besser als in den westdeutschen Bundesländern.
Die ARGEn führen gemäß dem gesetzlichen Auftrag zur örtlichen Zusammenarbeit nach § 18 SGB II sogenannte Jugendkonferenzen in den Landkreisen und in den kreisfreien Städten durch. Zentrale Aufgabe der Jugendkonferenzen ist es, die Ressourcen und jugendspezifischen Angebote und Aktivitäten aller Bildungs- und Arbeitsmarktakteure einer Region aufeinander abzustimmen. Diesem Auftrag sind die ARGEn und Optionskommunen auch nachgekommen. Zusätzlich werden in der Zusammenarbeit von Bildungsträgern und Arbeitgeberverbänden durch Grundsicherungsträger unter dem Stichwort „Arbeit statt Sozialhilfe, Ausbildung statt Arbeitslosengeld“ Strategien entwickelt, die die Integration arbeitsloser Jugendlicher verbessern, beispielsweise indem Anreize für die Aufnahme einer Ausbildung oder von Arbeit gesetzt werden. Das Problem der Jugendarbeitslosigkeit hat, wie wir alle wissen, vielschichtige Ursachen. Durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen allein können diese nicht gelöst werden. Eine zielgruppenorientierte und am ersten Arbeitsmarkt ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik ist zwar ein wichtiger Baustein im Gesamtsystem zu einer wirksamen Beschäftigungspolitik, da gehört letztendlich aber mehr dazu. Grundlegende Voraussetzung für mehr Arbeitsplätze ist die Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Zukunftsfähige und dauerhafte Arbeitsplätze entstehen nur in Unternehmen, die wachsen und Gewinne erwirtschaften. Dort werden auch junge Leute ausgebildet und schließlich auch eingestellt. Um hier weiter voranzukommen, bedarf es neben der Verbesserung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für den Mittelstand auch weiterer Reformen des Arbeitsmarkts und der Sozialversicherungssysteme. Bei der Unternehmenssteuerreform ist man, denke ich, auf gutem Weg. Die von der Koalitionsarbeitsgruppe ausgearbeiteten Eckpunkte senken die Belastungen für Kapitalgesellschaften auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau. Gleichzeitig werden auch gezielte Anreize zur Förderung der Eigenkapitalbildung im Mittelstand gegeben. Bei den Arbeitsmarktreformen sind aber Vereinfachungen und Erleichterungen im Arbeitsrecht erforderlich. Hier hapert es aus meiner Sicht noch gewaltig, weil es bisher zu keiner tragfähigen politischen Lösung auf Bundesebene gekommen ist. Um der individuellen Situation arbeitsloser und langzeitarbeitsloser Jugendlicher gerecht zu werden, hat sich bisher ein kombinierter Ansatz in der zielgrup
penorientierten Arbeitsförderung bewährt. Erfolgreich in der Praxis ist die Verknüpfung von Eignungsfeststellung, Betreuung, Beratung, Qualifizierung, angeleiteter Arbeitserfahrung und passgenauer Integration in Ausbildung und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dieses Angebot eines individualisierten, also an die Stärken und Schwächen der einzelnen Jugendlichen anknüpfenden Konzepts soll in der nächsten Förderperiode des Europäischen Sozialfonds, also im Zeitraum 2007 bis 2013, auch weitergeführt werden. Die Umsetzung erfolgt in enger Abstimmung mit den Agenturen für Arbeit bzw. den Trägern der Grundsicherung nach dem SGB II. Aber auch die Jugendlichen und deren Elternhäuser müssen sich letztlich diesem Anspruch stellen. Nicht nur die staatliche Hilfe und Unterstützung, sondern auch die der Eltern ist gefragt. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit behält in der 4. ESF-Förderperiode auch ihren Stellenwert. Der Schwerpunkt III des Operationellen Programms „Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung sowie soziale Eingliederung/Chancengleichheit“ soll dabei folgende Handlungsfelder abdecken:
Erstens: Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit durch Integration in Qualifizierung und Beschäftigung.
Der gesamte Schwerpunkt wird mit 34,3 Prozent der Gesamtmittel ausgestattet. Das sind immerhin 215,6 Mio. €. Die präventiv ausgerichtete Förderung berufsorientierter und berufsvorbereitender Maßnahmen sowie die Förderung der Berufsausbildung gehören ebenfalls zu einer wirksamen und nachhaltigen Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Diese Handlungsfelder des Schwerpunkts II „Verbesserung des Humankapitals“ sind mit einem Volumen von 207,1 Mio. € ausgestattet. Das entspricht 32,9 Prozent der Mittelausstattung des kommenden ESF. So weit mein allgemeiner Bericht zur Situation.
Meine Damen und Herren, ich möchte nun auf die Forderungen der Linkspartei.PDS zur Änderung des SGB II in Bezug auf Jugendliche eingehen. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende werden durch das Prinzip des Förderns und Forderns bestimmt. Die SGB II-Träger unternehmen deshalb große Anstrengungen mit dem Ziel, langzeitarbeitslose Jugendliche in Ausbildung und in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Umkehrschluss werden aber auch Eigenbemühungen der Betroffenen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit eingefordert. Da es sich beim ALG II um eine steuerfinanzierte Leistung handelt, ist das auch
legitim. Das hat nichts mit einer Infragestellung oder Streichung berechtigter Ansprüche zu tun. Im Rahmen der Grundsicherung sollen vergleichbare Lebensverhältnisse geschaffen werden. Deshalb ist es wichtig, einem alleinstehenden oder alleinerziehenden Hilfebedürftigen unter 25 Jahren, der eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildet, höhere Leistungen zuzuerkennen als einem Jugendlichen, der z.B. noch im Haushalt seiner Eltern wohnt. Sanktionen in Form der Absenkung von Leistungen werden nur bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen verhängt, so z.B. wenn ein Jugendlicher ohne wichtigen Grund ein konkretes Arbeits- oder Qualifizierungsangebot ablehnt oder wenn sich jemand weigert, Eigenbemühungen zur Erlangung einer Arbeits- und Ausbildungsstelle zu starten. Ich denke, auch das ist mehr als legitim. Wenn aber dem Hilfebedürftigen keine entsprechenden Angebote unterbreitet werden können, kann es grundsätzlich auch zu keiner Absenkung wegen fehlender Eigenbemühungen kommen.
Allerdings beklagen sowohl die ARGEn als auch die Optionskommunen, dass eine ganze Reihe von Jugendlichen den Einladungen und wiederholten Aufforderungen der Träger nicht folgt. Beispielsweise werden angebotene Vermittlungsmöglichkeiten nicht genutzt oder Vermittlungsstellen oder Vorstellungsgespräche werden ohne jeden Grund ignoriert. Oftmals werden auch erforderliche Unterlagen für die Antragsbearbeitung nicht oder auch nicht rechtzeitig beigebracht. Der Anteil säumiger Jugendlicher ist scheinbar nach wie vor überdurchschnittlich hoch. Das erschwert natürlich die Vermittlungsbemühungen der Träger ganz erheblich. Ein besonderes Problem ist oftmals die mangelnde Ausbildungsreife vieler Jugendlicher. Hier sollen durch eine gezielte Einstiegsqualifizierung Defizite ausgeglichen und Jugendliche auf die Ausbildung gezielt vorbereitet werden. Aber auch hier ist neben der staatlichen Hilfe Eigenverantwortung gefragt. Ein Weg ist, dass die Jugendlichen auch selbst aktiv auf die Unternehmen zugehen und die Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Qualifikation sowie z.B. Praktika auch nutzen. Die SGB-II-Leistungsträger haben seit Beginn ihrer Tätigkeit im Januar 2005 zunächst den Schwerpunkt darauf gelegt, mit jedem Jugendlichen ein Profilinggespräch durchzuführen. Ein solches Gespräch hilft zunächst, die Chancen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu bestimmen.
Für das Fallmanagement werden in den ARGEn und Optionskommunen Fallmanager und Betreuer eingesetzt. Diese sind aufgrund ihres vorherigen Einsatzes in den Arbeitsagenturen oder auch in den Sozialämtern nicht nur beruflich qualifiziert, sie verfügen in der Regel auch über mehrjährige Berufserfahrung.
Nach Auskunft der Regionaldirektion der BA können mittlerweile alle Thüringer ARGEn den Betreuungsschlüssel von 1:75 im Wesentlichen einhalten. Das Gleiche gilt für die beiden zugelassenen kommunalen Träger, die Stadt Jena und den Landkreis Eichsfeld. Ich möchte deshalb betonen, dass sich die ARGEn und die optierenden Kommunen in Thüringen intensiv und dabei zunehmend erfolgreich um die Vermittlung der unter 25-jährigen Hilfebedürftigen bemühen. Die eingangs genannten Zahlen belegen das eindeutig.
Die Forderung an die Landesregierung, im Bundesrat aktiv zu werden, um den Grundsatz von „Fördern und Fordern“ im SGB II für Jugendliche zu ändern, lehne ich deshalb kategorisch ab. Der erfreuliche Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit in Thüringen unterstreicht nämlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich denke, dass wir das auch in den nächsten Jahren so fortsetzen werden. Vielen Dank.
Ich frage: Wer wünscht die Aussprache zum Sofortbericht? Die Fraktionen der SPD, der CDU und der Linkspartei, also alle drei Fraktionen. Uns liegen Redemeldungen vor. Ich gehe davon aus, dass die auch zu den folgenden Punkten des Antrags abgegeben worden sind und eröffne damit die Aussprache zu allen Punkten dieses Antrags. Ich erteile dem Abgeordneten Pilger, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie so oft bei Anträgen der Linkspartei.PDS können wir einem Teil des Antrags zustimmen, während die daraus resultierenden Forderungen auch diesmal nicht geteilt werden können. Ich werde darauf noch näher eingehen.
Zunächst aber zum Bericht der Landesregierung: Es ist erfreulich zu hören, dass der Abbau der Jugendarbeitslosigkeit doch beachtlich ist. Wenn wir insgesamt erstmals eine geringere Jugendarbeitslosigkeit haben als im Jahr 1998, obwohl etwa 11.000 junge Menschen aus dem damaligen Rechtskreis des Bundessozialhilfegesetzes heute sämtlich erfasst werden, dann ist dies zweifellos eine gute Entwicklung, eine Entwicklung, die auf zwei Faktoren zurückzuführen ist:
Erstens: Auf ein bundesweites wirtschaftliches Wachstum, von dem auch Thüringen partizipiert. Die Binnenkonjunktur springt an und dies hat positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Noch ist diese Entwicklung sehr fragil und der Boom im Bereich der
Zeitarbeit zeigt, dass wir noch nicht auf der sicheren Seite eines stabilen Wirtschaftswachstums sind. Diese Einschränkung soll aber die Erfolge nicht schmälern, sondern nur auf Gefahren hinweisen.
Zweitens, darum soll es in diesem Antrag wohl im Wesentlichen gehen, greifen die Arbeitsmarktinstrumente innerhalb des SGB II offensichtlich immer besser. Die ARGEn und die optierenden Kommunen lernen mehr und mehr, mit den gegebenen Möglichkeiten umzugehen und setzen die Arbeitsförderungsinstrumente besser als im vergangenen Jahr ein. Dies ist der entscheidende Grund für den Rückgang innerhalb des SGB II. Es ist auch ein Beweis dafür, dass aktive Arbeitsmarktförderung eine konkrete Hilfe, insbesondere für diejenigen Menschen ist, die aus eigener Kraft den Sprung in den Regelarbeitsmarkt nicht schaffen. Und es ist ein Beweis dafür, dass die Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe ein richtiger Schritt war, sonst könnten nämlich jetzt viele der damals fast 11.000 jungen Menschen aus der Sozialhilfe nicht von der aktiven Arbeitsmarktförderung profitieren. Es ist eben falsch, zu propagieren, Hartz IV muss weg.
Die guten Entwicklungen beim Abbau der Jugendarbeitslosigkeit sind aber auch kein Anlass für Lorbeeren an die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik dieser Landesregierung. Sie sind die Folge bundesgesetzlicher Regelungen, die maßgeblich aus der Zeit der rot-grünen Koalition stammen. Das gilt insbesondere für die Modernisierung des Arbeitsmarktes, bei dem die CDU im Thüringer Landtag stets einen Schlingerkurs gefahren ist. Wenn sich der eingeschlagene Weg nun als richtig erweist, wird sich die CDU sicherlich mal wieder zur Vaterschaft bekennen. Deshalb, werter Kollege Reinholz, sei mit Blick auf die Entwicklung des Rechtskreises des SGB II eines deutlich gesagt: Die Erfolge finden statt, weil sich Bundesagentur für Arbeit und Kommunen langsam zusammenraufen. Die Erfolge finden nicht etwa statt, weil das Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit bis zum heutigen Zeitpunkt irgendetwas Nennenswertes zu dieser Entwicklung beigetragen hätte.
Deshalb verwahre ich mich auch dagegen, dass Sie den verbleibenden arbeitslosen jungen Menschen, und das sind immerhin noch 19.000, allein im SGB-IIBereich fast 10.000, gerade vorgeworfen haben, ihre Misere sei selbst verschuldet. Vielen dieser Jugendlichen hätte früher und umfangreicher geholfen werden können, wenn das Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit bei der aktiven Arbeitsmarktförderung und der Unterstützung der Kommunen endlich aus der Nichtzuständigkeitsstarre herausgefallen wäre. Wenn jetzt mit dem gemeinsamen Entschließungsantrag vom letzten Plenum das Engagement des Ministeriums für Wirtschaft, Technolo
gie und Arbeit an Fahrt gewinnt, dann würde mich das sehr freuen. Das setzt aber auch voraus, dass Sie die Probleme derjenigen jungen Menschen, die weiterhin arbeitslos sind, ernst nehmen. Nur dann wird diese Landesregierung in der Lage sein, gezielt zu handeln und gezielt zu unterstützen.
Ich kann Ihnen aus der praktischen Erfahrung versichern, dort gibt es noch viele Handlungsspielräume. Die Landesregierung hat es maßgeblich durch den Einsatz des Europäischen Sozialfonds in der Hand, ob sich dieser Abbau der Jugendarbeitslosigkeit im Bereich langzeitarbeitsloser junger Menschen fortsetzt. Das setzt voraus, dass sich das Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und seine beauftragten Institutionen endlich gegenüber den Kommunen in Bewegung setzen und unterstützend und beratend, aber nicht gängelnd auftreten.